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deutsche Malerin des Neuen Realismus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Maina-Miriam Munsky (* 24. September 1943 in Wolfenbüttel als Meina Munsky; † 26. Oktober 1999 in Berlin) war eine deutsche Malerin des Neuen Realismus, die in den 1970er Jahren in West-Berlin mit ihren großformatigen Gemälden von Geburten, Abtreibungen und Operationen bekannt wurde.
Munsky wurde 1943 als Tochter des Architekten Oskar Munsky (* 1910 in Marienburg; † 1947 in einem Kriegsgefangenenlager) und der Fotografin Gertrud Schmidt (* 1912 in Darmstadt; † 1986 in Wolfenbüttel) geboren.[1] Ihr Vater war in den 1930er Jahren als Schüler von Hans Poelzig beteiligt am Erweiterungsbau des U-Bahnhofs für das Berliner Olympiastadion und an der Errichtung der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten „Hermann Göring“ in Salzgitter. Im März 1962 beendete Munsky ihre schulische Laufbahn an der Anna-Vorwerk-Oberschule mit dem Realschulabschluss.[2]
Ab dem Herbstsemester 1962 studierte sie in der Klasse von Peter Voigt an der Städtischen Werkkunstschule in Braunschweig, die im Jahr darauf eine Aufwertung zur Staatlichen Hochschule für Bildende Künste erfuhr. 1963 hatte Munsky eine Abtreibung, die in Amsterdam vorgenommen wurde, da der Eingriff in diesen Jahren in Deutschland strafrechtlich verfolgt wurde. Die Abtreibung kann als ein Auslöser für ihre spätere malerische Thematik gelten.[3] Von 1964 bis 1965 setzte sie ihr Studium durch ein Stipendium an der Accademia di Belle Arti in Florenz in der Klasse von Ugo Capocchini fort und machte in Italien ihren Abschluss als Grundschullehrerin. In Florenz veränderte Munsky ihr Äußeres, färbte ihre blonden Haare schwarz, was sie von da an bis zu ihrem Lebensende beibehielt, kleidete sich ausschließlich in Schwarz, änderte ihren in der Geburtsurkunde eingetragenen Vornamen von Meina in Maina und fügte den Namen Miriam, der jüdischen Ursprungs ist, hinzu.[4] Von 1966 bis 1970 studierte sie an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Berlin bei Alexander Camaro und Hermann Bachmann. An der HdK entwickelte Munsky ihre ersten Gemälde von Embryonen im Mutterleib.
Auf der Suche nach einer Ausstellungsmöglichkeit lernte sie den Zeichner und Grafiker Peter Sorge kennen. Sorge vermittelte ihre erste Einzelausstellung in der Künstlerselbsthilfegalerie Großgörschen 35, die im Februar 1968 eröffnet wurde. Die Künstler der Großgörschengruppe, aus denen die Kritischen Realisten hervorgingen, nahmen der Gesellschaft gegenüber eine skeptische Haltung ein und bezogen sich auf Vorbilder wie George Grosz, Hannah Höch oder John Heartfield, das Prinzip Collage und Dada. 1970 heirateten Maina-Miriam Munsky und Peter Sorge. Im selben Jahr wurde sie Mitglied des Deutschen Künstlerbundes, an dessen großen Jahresausstellungen sie bis 1984 teilnahm.[5] Im Dezember 1972 wurde der Sohn Daniel Ben geboren.[6]
Munsky zählte zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe Aspekt, die von 1972 bis 1978 bestand. Mitglieder waren die Künstler Hermann Albert, Bettina von Arnim, Ulrich Baehr, Hans-Jürgen Diehl, Arwed D. Gorella, Wolfgang Petrick, Joachim Schmettau, Peter Sorge und Klaus Vogelgesang.[7] In den 1970er Jahren erfolgten erste Ankäufe von Museen. Auch das Museum of Modern Art und die Sammlung der Bundesrepublik Deutschland nahmen je eine Arbeit der Malerin in ihre Bestände auf. Über das Aufsehen, das Munskys Arbeiten immer wieder auslösen, schrieb die Kunsthistorikerin Katrin Sello in der Zeit vom 2. Mai 1975: „Das ist keine Kritik an der unpersönlichen Sachlichkeit moderner Gynäkologie, auch wenn Maina-Miriam Munsky in Berlin den Kritischen Realisten zugerechnet wird und der Gruppe „Aspekt“ angehört. Das Provozierende der Bilder liegt in einem anderen Bereich. Indem sie ohne alle Sublimierung ins Mythologische oder Idyllische den realen Vorgang der Geburt vor Augen führen, verletzen sie Tabus, mobilisieren sie alle Widerstände des Betrachters, bis zur Abwendung und abrupten Ablehnung, weil sie an eine traumatische Grenze rühren.“[8][9]
Von der Teilnahme an der Ausstellung „Künstlerinnen international 1877-1977“, die in der Orangerie des Charlottenburger Schlosses stattfand, wurde Maina-Miriam Munsky ausgeschlossen. Die Ausstellung galt als bis dahin wichtigste Bestandsaufnahme weiblicher Kunst. Gezeigt wurden über fünfhundert Werke von insgesamt einhundertneunzig Künstlerinnen, darunter Louise Nevelson, Paula Modersohn-Becker, Meret Oppenheim, Georgia O’Keeffe, Eva Hesse, Bridget Riley, Käthe Kollwitz, Sonja Delaunay oder Gabriele Münter. Die Jury, die aus der 1969 gegründeten Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst hervorging und sich ausschließlich aus Frauen zusammensetzte, begründete Munskys Ausschluss mit dem Argument, ihre unbeteiligt formulierten Geburtenbilder seien nicht weiblich. Zusätzlich wurde der Malerin vorgeworfen, sie mache sich mit den sexistischen Darstellungen ihres Ehemannes Peter Sorge gemein, der in seinen Zeichnungen Fotografien aus pornografischen Zeitschriften mit Gewaltszenen kombiniere.[10] Munsky hingegen distanzierte sich bereits seit den frühen 1970er Jahren von Solidaritätsbekundungen gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen. Befragt, wie sie ihre Position als Frau im Kunstbetrieb sehe, äußerte die Malerin wiederholt öffentlich, sie sei dagegen, dass sich Frauengruppen zusammenschließen, das schaffe nur neue Isolation.[11]
Zur Frauenbewegung als solche jedoch hatte sie sich in einem Interview mit Cillie Rentmeister[12] – in deren von der Frauenjury von „Künstlerinnen International“ beauftragten, aber unmittelbar vor Drucklegung entfernten Katalog-Beitrag – ausgesprochen positiv geäußert:
„Ich habe mich immer sehr für diese Frauenbewegungsgruppen interessiert; da gab es doch Gruppen, die die Abtreibungssache unterstützt haben, und da hab ich immer gedacht: Mensch, das ist doch genau das, was Du willst, warum machst Du da eigentlich nicht mit? Aber da war halt immer die Angst, um Gottes Willen, noch was, was dich auffrißt. Und es reicht dann eine Sache oder jetzt mit dem Kind zwei Sachen, die einen auffressen. Aber ich halte die Frauenbewegung für derart wichtig, und ich glaube auch, daß es das ist, was von unserer Zeit, von unseren Jahren, später übrig bleiben wird, und daß das eine Sache ist, die man hinten und vorne und überall unterstützen sollte.“[13]
Von 1979 bis 1981 fand die von der Berliner Bestandsaufnahme angeregte Wanderausstellung „feministische kunst internationaal“ in Museen in Holland, Dänemark und Schweden statt, an der Munsky dann mit mehreren Arbeiten beteiligt war.[14]
Auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen Anerkennung wurde Munskys sechsteilige Bilderfolge Das rote Tuch, begleitend zu einer Ausstellung von Frida Kahlo und Tina Modotti, im Hamburger Kunstverein ausgestellt.[15] Von 1982 bis 1984 hatte die Malerin eine Gastprofessur für Grundlehre an der HBK Braunschweig. 1984 erhielt sie den Kunstpreis des Landes Niedersachsen. 1986 hatte sie in dem Fernsehfilm Bankgeheimnisse einen Cameo-Auftritt zusammen mit einer Werkschau ihrer Bilder die vollkommen unpassend aber sehr ironisch in einem sproeden Kunden-Raum einer Bankfiliale platziert wurden. 1988 hatte sie eine Gastprofessur an der Internationalen Sommerakademie Pentiment der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.[16] Ab 1990 war sie Mitglied des Künstlersonderbundes. 1991 hatte Munsky eine Dozentur an der Sommerakademie in Bremerhaven. Die Malerin wurde von der Berliner Galerie Poll vertreten.
Munsky starb 1999 im Alter von 56 Jahren in Berlin an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Das Gemeinschaftsgrab von Maina-Miriam Munsky und Peter Sorge befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof Berlin im Stadtteil Schöneberg. 2013 erschien ein erstes Bestandsverzeichnis von Munskys Werk, Die Angst wegmalen, herausgegeben von Jan Schüler und der Kunststiftung Poll, Berlin.[17]
Munsky zählte mit Peter Sorge, Klaus Vogelgesang, Wolfgang Petrick oder Ulrich Baehr zu den Künstlern des Kritischen Realismus, einer Kunstrichtung, die sich Ende der 1960er Jahre in West-Berlin formierte. Zwar hatten diese Künstler kein fest umrissenes Programm, doch gemeinsam war allen, neben der realistischen Intention, das Bedürfnis der Abgrenzung gegenüber den amerikanischen Foto- und Hyperrealisten und der Anspruch, politische Erfahrungen in einer künstlerischen Produktion zu reflektieren.[18][19]
Munsky übertrug ihre selbst aufgenommenen Fotovorlagen mit Hilfe eines Diaprojektors auf die Leinwand. Doch war sie keine Fotorealistin im eigentlichen Sinn und orientierte sich an der Neuen Sachlichkeit, am Verismus der 1920er Jahre. In ihren Bildern veränderte sie die Vorlagen, ordnete das Bildgeschehen durch Reduktion auf das Wesentliche und eine strenge Komposition. Häufig legte sie die Hintergründe ihrer Gemälde als monochrome Flächen an, so dass der Blick des Betrachters nicht vom eigentlichen Geschehen abgelenkt werden konnte.[20] Ihre malerische Thematik drehte sich um Schwangerschaft, den Prozess der Geburt, Operation und Tod. In ihren Werken wie „Emanzipation“ und „Zwillinge I und II“ sind klinische Räume und medizinische Apparaturen charakteristisch. Bekannt wurde die Künstlerin durch die sozialpsychologische Darstellung dieses Themenbereichs. Sie dokumentierte in exakten, nüchternen Bildern aus dem Kreißsaal eindrucksvoll das Potential des Fotorealismus.
Ab 1967 verwirklichte Munsky ihre ersten Bilder von Geburten, die an ein Tabu rührten und auf Widerstand stießen. Diese frühen Darstellungen von Embryonen, Körperhaftem in Andeutungen, Föten und Geburtszenarien malte sie in einem weichen, fließenden Duktus, der nur von gitterähnlichen Strukturen, Gerüsten, Käfigen und Linien eingefangen wurde. Arbeiten aus dieser Periode erinnern gelegentlich an surrealistische Formen aus den Bildern Salvador Dalis oder an Arbeiten von Francis Bacon. 1970 durfte Munsky, nach Prüfung durch eine Kommission der Klinikleitung, für neun Monate in der Städtischen Frauenklinik Berlin-Neukölln bei Erich Saling im Kreißsaal während Geburten und Operationen fotografieren.[21] Nach den dort entstandenen Fotografien nahmen ihre Gemälde konkretere, strengere Formen an und zeigten wiedererkennbare Situationen. Nachdem sich Munsky über zwei Jahrzehnte ausschließlich mit Geburts- und Operationsthemen auseinandergesetzt hatte, veränderte sie ab 1989 zum ersten Mal ihr Sujet und malte eine Serie von düster wirkenden und menschenleeren Räumen sowie Ausblicken auf bleiche Fensterscheiben und Häuserfronten.
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