Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf
Düsseldorfer Museum Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf für die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ist ein Kulturinstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf. Sie ist Museum, Forschungsstätte und Archiv. Das Haus wurde 1987 eröffnet und ist seither der Erinnerung an die Düsseldorfer Opfer und Verfolgten des NS-Regimes gewidmet. Sie befindet sich im westlichen Teil des historischen Stadthauses in der Altstadt und zeigt seit einer grundlegenden Renovierung und ihrer Wiedereröffnung im Mai 2015 die Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“.[1][2][3]
Die Gedenkstätte befindet sich im Westteil des alten Stadthauses. Die Räume dienten in der Zeit des Nationalsozialismus als Büros, Vernehmungsräume und Haftzellen der Polizei. 1926 bis Anfang 1934 hatte hier das Polizeipräsidium seinen Sitz, dem zwischen April 1933 und März 1934 auch die neu entstandene Staatspolizeileitstelle Düsseldorf (Gestapo) untergeordnet war. Später bezogen die Schutzstaffel (SS) und das Wehrbezirkskommando das Haus, ferner waren städtische Behörden untergebracht, die an der Verfolgung und Ausgrenzung von Juden, Sinti und Homosexuellen beteiligt waren oder für den „Arbeitseinsatz“ der rund 40.000 Zwangsarbeiter auf Düsseldorfer Stadtgebiet (Arbeitsamt) verantwortlich zeichneten. Im Krieg wurden die Kellerräume als öffentliche Luftschutzräume genutzt, die noch heute zu besichtigen sind.
Bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde vorgeschlagen, eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Düsseldorf zu errichten. Beschlossen wurde zunächst die Errichtung eines zentralen Mahnmals, das aber erst 1958 am Nordfriedhof durch den Künstler Jupp Rübsam realisiert werden konnte.
Infolge der Majdanek-Prozesse gegen ehemalige Angehörige der Kommandantur und der Wachmannschaften des KZ Majdanek, die 1975 bis 1981 vor dem Landgericht Düsseldorf stattfanden, wurden die Überlegungen, eine zentrale Gedenkstätte einzurichten, von Jugendverbänden, den Kirchengemeinden, der Jüdischen Gemeinde, dem 1982 gegründeten Landesverband Deutscher Sinti und Roma NRW und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) wieder aufgegriffen. Im Jahre 1986 stimmten schließlich alle im Rat vertretenen Parteien für die Einrichtung einer zentralen Gedenkstätte. Der Düsseldorfer Jugendring hatte besonders hierfür plädiert; alle Gruppen engagierten sich für die Einrichtung, die schließlich am 17. September 1987 als Kulturinstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf eröffnet werden konnte. Die Gedenkstätte wurde von 1988 bis zum 31. Dezember 2010 von der Historikerin und Pädagogin Angela Genger geleitet, die zuvor Leiterin der Alten Synagoge Essen gewesen war; ihr Nachfolger wurde 2011 der Historiker Bastian Fleermann.
Die Mahn- und Gedenkstätte widmet sich der Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und dokumentiert und analysiert die Zeit des Nationalsozialismus in Düsseldorf. Sie verfügt über umfangreiche Archiv- und Sammlungsbestände sowie über eine Präsenzbibliothek mit über 8000 Bänden zur Zeitgeschichte. Zu besichtigen war bis 2011 die in den Jahren 1986/87 erstellte Dauerausstellung Verfolgung und Widerstand in Düsseldorf 1933–1945. Die Ausstellung, die maßgeblich durch die Historiker Bernd-A. Rusinek und Kerstin Griese konzipiert wurde, informierte über die Situation der katholischen und evangelischen Kirche und deren Mitglieder, über die Zeugen Jehovas, über die politischen Parteien wie SPD und KPD sowie über die Anarchisten. Düsseldorfer Künstler unter dem Nationalsozialismus wurden vorgestellt, ebenso dargestellt wurden die Euthanasie, die Verfolgung der Sinti und Roma und deren Ermordung. Ein eigener Raum erinnerte zudem an die ausgegrenzten, vertriebenen und ermordeten Juden in Düsseldorf. Diese Dauerausstellung wurde 2011 abgebaut.[4][5][6] Archiv- und Verwaltungsräume sind seit 2009 dauerhaft im nahe gelegenen Haus Mühlenstraße 6 angesiedelt.[7]
Zwischen 2011 und 2015 erfolgte eine räumliche Neukonzeption durch die Architekten Marie-Celine Schäfer und Karsten Weber. Eine neue Ausstellungshalle in Innenhof führt alle Bereiche der Gedenkstätte zu einer einheitlich zu nutzenden Fläche zusammen. Nach vierjähriger Umbauphase, Modernisierung und Erweiterung wurde das Haus am 14. Mai 2015 mit verdreifachter Gesamtfläche durch Oberbürgermeister Thomas Geisel wiedereröffnet. Seitdem ist auch die neue, biografisch-erfahrungsgeschichtlich ausgerichtete Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“ zu sehen. Anhand von Beispielen wird der Frage nachgegangen, wie sich junge Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus verhalten haben, welche Alltagserfahrungen und Prägungen sie erfahren haben und was aus ihnen wurde. In einem neuen Anbau im ehemaligen Innenhof („Forum“) thematisiert eine kleinere Dauerausstellung die Nachgeschichte des Nationalsozialismus in Düsseldorf von 1945 bis heute. Im Hinterhaus befinden sich der „Julo-Levin-Raum“ für Veranstaltungen, Sonderausstellungen und die didaktische Arbeit sowie ein „Offenes Archiv“ und die Bibliothek. Der Luftschutzkeller ist weiterhin zu besichtigen. Die neu konzipierte Gedenkstätte ist barrierefrei, multimedial vernetzt und mit Hilfe eines Audioguides für englischsprachige Besucher erschließbar.
Seit April 2024 verfügt die Gedenkstätte über einen eigenen Veranstaltungsraum, der vor allem der Bildungsarbeit und den Abendveranstaltungen dient: das Beatrice-Strauss-Zentrum an der Marktstraße 2 (Innenhof), dem Rathaus Düsseldorf und dem Jan-Wellem-Reiterdenkmal unmittelbar benachbart. Der rund 160 Quadratmeter große Raum verfügt über eine Bühne und Veranstaltungstechnik. Das Zentrum ist dem Andenken an die Düsseldorfer Pädagogin und Wissenschaftlerin Dr. Beatrice Strauss gewidmet, die an der Jüdischen Volksschule an der Kasernenstraße unterrichtete und 1941 in das Ghetto Minsk deportiert wurde.[8]
Das Institut richtet im Auftrag der Stadt Gedenkveranstaltungen aus, beispielsweise zum 9. November oder an der Statue Ehra oder Kind mit Ball am alten Hafen in der Carlstadt (Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma). Die Gedenkstätte initiierte das Projekt Weg der Befreiung, das 2011 fertiggestellt werden konnte. Auch betreute es die Errichtung eines zentralen Mahnmals auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Derendorf, das seit April 2012 an die Deportation der rheinischen Juden zwischen 1941 und 1945 erinnert. Das Institut hat sich für die Einrichtung zahlreicher Düsseldorfer Gedenkorte für Opfer des Nationalsozialismus eingesetzt. Es finden Veranstaltungen und Sonderausstellungen, Schulprojekte, Führungen und Stadtrundgänge statt. Eine umfangreiche Bildungs- und Vermittlungsarbeit wird angeboten, verschiedene Publikationen sind erhältlich. Zwischen 1991 und 2007 wurde das Periodikum Augenblick. Berichte, Informationen und Dokumente der Mahn- und Gedenkstätte mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten herausgegeben (34 Ausgaben). Nach Angaben der Leitung kommen bis zu 30.000 Besucher jährlich in die Gedenkstätte, Stand 2017.[9]
Die städtische Gedenkstätte ist im landesweiten Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW organisiert.
Der am 27. Januar 1998 gegründete Förderkreis der Gedenkstätte ist überparteilich und gemeinnützig. Er hat fast 500 Mitglieder (Stand: Dezember 2021).[10]
Eine Auswahl von Themenaspekten, mit denen sich die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf auseinandersetzt:
Ziel dieses Projekts war es, die erste Deportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) zu dokumentieren und die Lebenswege der Deportierten zu erforschen. Zahlreiche Archive und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland wurden konsultiert. Ergebnisse: Eine umfassende Buchpublikation (2010), eine CD-ROM mit 1003 Biografien (2011) und ein Ausstellungskatalog (2012) wurden veröffentlicht; eine Wanderausstellung in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum Köln wurde 2011 erarbeitet.
Ziel des Projekts war es, verschiedene Gedenkkonzepte in Erinnerung an die Deportationen aus Düsseldorf 1941 bis 1945 zu bündeln und zu einem Ort des Gedenkens im öffentlichen Raum zu gestalten. Ergebnis: Der Ort des Gedenkens wurde am 22. April 2012 eingeweiht.
Das Projekt beabsichtigte dauerhaft im Stadtbild an die Befreiung Düsseldorfs vom Nationalsozialismus im April 1945 und an den Widerstand der Gruppe „Aktion Rheinland“ um Dr. August Wiedenhofen, Aloys Odenthal, Franz Jürgens und anderen zu erinnern. Ergebnisse: Eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Architektur der Hochschule Düsseldorf, Professor Tanja Kullack, erfolgte zwischen 2008 und 2009 und mündete in einer Ausstellung. Der historische Pfad „Weg der Befreiung“, der aus 6 Stelen besteht und bis nach Mettmann führt, wurde am 17. April 2011 eingeweiht.
Ziel war es, Kindern und Jugendlichen über vier beispielhafte Biografien vielfältige Aspekte des Lebens jüdischer Kinder in den 1930er bis 1950er Jahren in Düsseldorf anschaulich zu vermitteln. Mit Materialien und Objekten in einem historischen Reisekoffer werden die Kinder zur Beschäftigung damit und darüber hinaus angeleitet. Laufzeit: bis 2012. Ergebnisse: Auf Basis von vier Interviews, die im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte vorhanden sind, entstanden Arbeitsmaterialien, die durch Fotos, Dokumente, Objekte und Literatur erweitert das Thema „Jüdische Kindheit“ erfahrbar machen. Einführende Texte für Lehrkräfte und Betreuer führen ins Thema ein und geben didaktisch-methodische Hinweise. Ein mobiles Outreach-Angebot der Gedenkstätte für Kinder und Jugendliche der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit zwischen 9 und 14 Jahren. Eine Vorstellung des Koffers erfolgte 2012.
Ziel des Projekts war es, grundlegende Informationen zu einer der größten Leitstellen der Gestapo im Reichsgebiet zusammenzutragen und sie für ein breiteres Lesepublikum aufzubereiten. Hierbei wurde mit der Bezirksregierung Düsseldorf und dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen zusammengearbeitet. Eine Publikation wurde in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Düsseldorf 2012 veröffentlicht.
Erforscht wurde die Bedeutung der Kriminalpolizeileitstelle Düsseldorf, deren Einzugsbereich fast ganz Westfalen sowie das nördliche Rheinland umfasste, für die Verfolgung von „Asozialen“, „Berufsverbrechern“, Sinti und Roma unter den Aspekten einer „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ und der polizeilichen Vorbeugungshaft in Konzentrationslagern. Der Untersuchungszeitraum umfasste die Jahre 1926 bis 1945.
Der Koffer wird an Schulen und Bildungseinrichtungen verliehen und dient dort im Rahmen schulischer oder außerschulischer Projektarbeit der Antisemitismus-/Rassismus-Prävention.
Schülerinnen und Schüler Düsseldorfer Schulen entwickelten Erinnerungszeichen für die fünf Düsseldorfer KZ-Außenlager. In Düsseldorf bestanden zwischen Oktober 1942 und März 1945 mehrere Außenlager und Außenkommandos: Das Außenlager Stoffeln im Südpark, welches zum KZ Sachsenhausen gehörte (2. Oktober 1942 bis Februar 1943), das Bombenräumkommando Kalkum auf einem Gelände in der Nähe des Kalkumer Bahnhofs, südlich der Kalkumer Schlossallee (28. Mai 1943 bis März 1945), die Außenlager Berta I und Berta II des KZ Buchenwald, auch Rheinmetall-Borsig genannt, auf dem heutigen Gelände des Stadtquartiers Grafental an der Schlüterstraße und Rather Straße (1. November 1943 bis 9. März 1945) und das Außenkommando DESt (12. April 1944 bis 9. März 1945).
Erforscht wurde das Straf- und Untersuchungsgefängnis an der Ulmenstraße im Stadtteil Derendorf ("Ulmer Höh'") während der NS-Zeit. Die Ergebnisse des Projekts wurden im Sommer 2021 in Buchform publiziert.
Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen und der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW publizierten im Herbst 2020 die Präsentation "Mehr als man kennt – näher als man denkt". Objektgeschichten aus Gedenkstätten in NRW, in verschiedenen Formaten: online,[11] als ein gedrucktes Buch und als Einzelbilder unter google pictures, jeweils mit Bild und Text. Die Mahn- und Gedenkstätte zeigt z. B. hier einen Staffelstab, den Rudi Löwenstein (1921 Düsseldorf – 2004 Winnipeg) und sein Freund Werner Philipp ihr 1993 vermacht haben, zur Erinnerung an zwei im Holocaust ermordete Freunde aus ihrem Sportverein und an die beiden Überlebenden. Der Stab stammt aus der Dauerausstellung, er hatte Rudi auf dem Kindertransport nach England begleitet.[12]
Seit 2012 gibt der Förderkreis der Gedenkstätte eine Kleine Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf im ortsansässigen Droste-Verlag heraus:[13]
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