Literarkritik
Werkzeug der historisch-kritischen Methode der Bibelexegese Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Remove ads
Werkzeug der historisch-kritischen Methode der Bibelexegese Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Literarkritik ist ein Werkzeug der historisch-kritischen Methode der Bibelexegese. Die Literarkritik untersucht den biblischen Text im Hinblick auf seine schriftlichen Vorformen, Vorlagen und Quellen sowie seine innere Kohärenz; sie entwickelt Erklärungen für scheinbare oder tatsächliche Brüche innerhalb des biblischen Textes.
Grundlage der Literarkritik sind Brüche in einer ansonsten kohärenten Struktur, die aus einer Folge von Sätzen einen Text macht. Diese Brüche sind als literarkritische Beobachtungen aufzufassen; Beispiele sind:[1]
Solche Brüche erschweren es dem Leser, ein vorliegendes sprachliches Gebilde als Text rezipieren zu können.[2] Die Literarkritik erstellt Modelle der Textentwicklung, die diese Beobachtungen erklärt.[3] Im Buch Genesis wurde beispielsweise beobachtet, dass einige Textpassagen von Gott als „Jahwe“ sprechen (der Eigenname des Gottes Israels), andere Texte nennen ihn einfach „Elohim“ (= Gott), und wieder andere Texte kombinieren beide Namen. In Verbindung mit anderen Beobachtungen wurde die literarkritische Hypothese aufgestellt, dass dem Buch Genesis zwei Quellen zugrunde lagen: Die eine sei von einem Jahwisten, die andere von einem Elohisten geschrieben worden. Die Kombination beider Quellen habe dann zum erwähnten uneinheitlichen Sprachgebrauch geführt.
Die Echtheitskritik wird teilweise als Teil der Literarkritik angesehen,[4] teilweise auch nicht.[5][6] Im Zusammenhang damit ist umstritten, wie Textkritik und Literarkritik voneinander abzugrenzen sind.[3][6]
Literarkritik orientiert sich dabei im Gegensatz zu einer allgemeineren Überlieferungskritik bewusst an schriftlichen Tradierungsformen.[2]
Die moderne Literarkritik ist im 18. und 19. Jahrhundert aus dem Bedürfnis heraus entstanden, (scheinbare, oder tatsächliche) Widersprüche, Spannungen, Doppelungen und sprachliche Unterschiede zwischen Bibeltexten zu erklären.
Literarkritische Beobachtungen wurden ohne so genannt zu werden schon zur Zeit der Alten Kirche gemacht, stellten aber damals noch kein echtes Problem dar. Für Origenes zeigten die Widersprüche zwischen den Evangelien, dass der Leser auf den geistlichen und nicht den wörtlichen Sinn der Bibel achten müsse. Augustinus dagegen versuchte die Harmonie der Evangelien nachzuweisen.
Mit dem Erwachen des historischen Bewusstseins in der Aufklärungszeit versuchten Bibelexegeten, eine historische Antwort auf von ihnen erkannte Widersprüche zu geben. Darüber hinaus wollte man nun auch die ältesten, ursprünglichsten Quellen herausarbeiten, denen der höchste historische Wert zugemessen wurde.
Das Ziel war lange Zeit, die Texte der verschiedenen Redaktionsstufen möglichst im Wortlaut zu rekonstruieren. Viele Exegeten sind inzwischen jedoch davon abgerückt, mehrere Vorstufen eines Bibeltextes wörtlich zu rekonstruieren, weil die Kriterien der Quellenscheidung zum Teil sehr subjektiv sind und die – einander widersprechenden – literarkritischen Hypothesen fast unüberschaubar zahlreich geworden sind.
Aus der Literarkritik wurden und werden Schlüsse gezogen, die oft kontrovers diskutiert werden. Als Beispiel sei hier die Zweiquellentheorie der synoptischen Evangelien genannt, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurde. Sie besagt, dass Matthäus und Lukas beide unabhängig voneinander die gleichen zwei Quellen benutzt haben, nämlich das Markusevangelium und eine hypothetische schriftliche Quelle von Aussprüchen Jesu, die Logienquelle Q.
Eine JEDP-Hypothese beim Pentateuch hingegen hat sich weitgehend aufgelöst.
Mit seinem Aufsatz Literarkritik[7] führt H. Schweizer 1988 ein präzisiertes Verständnis der Methode ein:
Das Vorgehen umfasst folgende 5 Schritte, die der Reihe nach abgearbeitet werden sollen. Rücksprünge auf zuvor abgeschlossene Schritte sollen dabei nicht vorgenommen werden.
Leseschwierigkeiten werden im Text nach verschiedenen Kategorien gesammelt. Wichtig ist dabei, dass man sorgfältig in Leserichtung den Text entlang geht. Ein Text beansprucht ein Vektor, eine 'gerichtete Kraft' zu sein und das, was ihm wichtig ist, sequenziell zu entwickeln. Ein Text ist kein 'Steinbruch', der willkürlich an verschiedenen Stellen gleichzeitig ausgebeutet werden kann. „Sachliche“ Unstimmigkeiten interessieren dabei gerade nicht, sondern sprachlich nicht aufeinander abgestimmte Informationen. Gründe hierfür sind:
Zunächst interessiert die Schlüssigkeit der im Einzeltext gebotenen Informationen. Dabei geht es genau um die Schlüssigkeit der jeweiligen Lektürestelle gemessen am Vortext. Vorgriffe auf die noch nicht gelesenen Passagen, erst recht auf andere Texte, sind nicht erlaubt.
Abgehobene inhaltliche Kriterien, aus ganz anderer Quelle stammend als aus dem aktuellen Einzeltext, bleiben verboten. Der Autor darf entfalten, was ihm wichtig ist – er sollte es nur so tun, dass man als Leser folgen kann. Die Gedankengänge dürfen auch verschlungen sein. Nur abbrechen sollte die Kommunikationsbeziehung aufgrund allzu dichter grammatisch-stilistischer Störungen nicht. Dem Aufdecken derartiger Problemstellen widmet sich die Literarkritik als erstes.
Folgende zugelassene Kriterien bilden die Kategorien, in die gefundene Leseschwierigkeiten eingeordnet werden können:
Die Übergänge zwischen Kapiteln interessieren an dieser Stelle in genau gleicher Weise, wie die zwischen beliebigen anderen Sätzen, da eine Einteilung in Kapitel in den ältesten erhaltenen Quellen nicht überliefert ist. Allein Absätze sind an diesen Stellen z. B. im Codex Leningradensis meist sehr wohl erkennbar.
Umfangreiche Tests dieser Methode liegen vor in der Untersuchung der alttestamentlichen Josephsgeschichte (Gen 37-50) durch Schweizer und in der der Kundschaftererzählungen aus dem Buch Numeri (Autor: Norbert Rabe). Für weitere, ins Hermeneutische reichende Reflexionen, Informationen, Verweis auf Illustrationen, auch Literaturangaben, greife man zurück auf:
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.