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Gattung der Familie Iodidimonadaceae Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Iodidimonas ist eine Gattung von Alphaproteobakterien. In der offiziellen Nomenklatur nach der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) gehört sie innerhalb dieser Klasse in eine eigene Familie Iodidimonadaceae und mit dieser in eine eigene Ordnung (Biologie) Iodidimonadales.[2][3][A. 1]
Iodidimonas | ||||||||||||
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Iodidimonas sp. aus Erdgas-Solewasser; violette Pigmente entstehen durch Iod-Stärke-Reaktion | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Iodidimonas | ||||||||||||
Iino et al. 2016[1] |
Die Arten bzw. Stämme der Gattung Iodidimonas sind aerob, bevorzugen gemäßigte Umweltbedingungen (mesophil), bevorzugen chemisch neutrales Substrat mit pH-Werten zwischen 6,5 und 7,5 (neutrophil), üblicherweise mäßig salzliebend (halophil) und chemo-organotroph.
Sie wurden erstmals in Erdgas-Solewasser entdeckt, das einen sehr hohen Iodidgehalt (I–) aufweist.
Ihr charakteristisches phänotypisches Merkmal ist die Oxidation von Iodid zu molekularem Iod (I2). Darauf weist auch der Name „Iodidimonas“ hin.
Offenbar leben die Vertreter der Gattung in natürlichen Lebensräumen, die mit Iodid angereichert sind. In solchen Umgebungen scheinen die Iodidimonas-Arten mikrobielle Konkurrenten mit dem für diese toxischen I2 anzugreifen, um ihre ökologische Nische zu behaupten.[4]
Die ersten Iodidimonas-Stämme wurden in Japan aus Salzwasser mit gelöstem Erdgas isoliert. Die Sole stammte aus Bohrungen Hunderte von Metern unter der Oberfläche und wurde in Jodproduktionsanlagen an der Oberfläche vom Methan getrennt. Iodidimonas-Stämme konnten zwar nicht von frisch aus Bohrlöchern entnommener Sole isoliert werden. Stattdessen werden sie häufig aus Sole isoliert, die in Kontakt mit einer aeroben Umgebung steht.[4] Außer in Japan gibt es Hinweise auf Vertreter der Gattung im Öl- und Gasabwasser in Colorado (USA)[5] und in Mexiko (Geiger nach Murugesu, NewScientist).[6] Iodidimonas wurde auch aus mit Iodid angereichertem Oberflächenmeerwasser (Epipelagial) isoliert.[4]
Eine Besonderheit ist der Fund im Süßwasser der Karmadon-Quellen, einem Geothermalgebiet im Nordkaukasus.[7] (Murugesu, NewScientist).[6] Dort waren 2 % bis 7 % der Bakterien mit der Familie Iodidimonadaceae verwandt.[4]
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Iodidimonas-Arten weit verbreitet sind und in aeroben, salzhaltigen und jodidreichen Umgebungen vorherrschen. Eine Ausnahme bilden die Karmadon-Quellen, bei denen es sich um Süßwasserumgebungen handelt. Es könnte also sein, dass Iodidimonas-Arten (und Verwandte) kosmopolitischer sind als zunächst angenommen.[4]
Die folgende Phylogenie basiert auf einer Ganzgenomanalyse (whole-genome analysis).[8][A. 2]
α-Proteobacteria |
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Die gegenwärtig akzeptierte Taxonomie basiert auf der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN).[12][3] Sie ist ergänzt um Stämme und bisher nicht klassifizierte Spezies nach der Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI).[13] Zudem ist vermerkt, wo die Genome Taxonomy Database (GTDB) eine abweichende Taxonomie vorschlägt.[14]
Ordnung Iodidimonadales Iino et al. 2016[2] (GTDB: Sphingomonadales)
Nicht aufgeführt sind Funde dieser Bakterien aus Mexiko (Geiger nach Murugesu, NewScientist).[6]
Die GTDB führt die Iodidimonadales, Emcibacterales, Kordiimonadales,[10] Rhodothalassiales, Sphingomonadales u. a. als Familien Iodidimonadaceae, Emcibacteraceae, Kordiimonadaceae, Rhodothalassiaceae respektive Sphingomonadaceae innerhalb einer Ordnung Sphingomonadales der Alphaproteobakterien. Diese Sphigomonadales bilden dort zusammen mit den Caulobacterales, Riccketsiales und der Abspaltung Ricketsiales_A Ordnungen der Alphaproteobakterien (hier Caulobacteridae), ebenso wie die Rickettsiales, Rickettsiales_A und Pelagibacterales (hier Rickettsidae).[14]
Mitochondrien[A. 6] sind Zell-Organellen aller komplex-zellulären Organismen (Eukaryoten), von einzelligen Protozoen und Mikroalgen bis hin zum Menschen. Sie liefern die Energie für die Zelle und beherrschen zahlreiche Biosynthesewege. Die Entschlüsselung der Ursprünge der Mitochondrien ist nach wie vor eine Herausforderung für die Wissenschaft. Ein breiter Konsens besteht darin, dass die evolutionären Vorläufer dieser Organellen (Proto-Mitochondrien) vor 1,6 bis 1,8 Milliarden Jahren im Zug einer intrazellulären Symbiose von Wirtszellen aufgenommen wurden, ohne verdaut zu werden (Endosymbiontentheorie).[6] Als Wirtszellen wurden inzwischen Archaeen aus der Asgard-Supergruppe identifiziert;[A. 7] die aufgenommenen Bakterien gehören nach allgemeiner Auffassung zu den Alphaproteobakterien (α-Proteobakterien). Aber die genaue Gruppe dieser α-Proteobakterien genauso wie die Reihenfolge der einzelnen Schritte der Eukaryogenese[A. 8] blieben unklar.[6]
Früher wurden als Proto-Mitochondrien mehrfach unter den Rickettsiales (parasitisch lebende Bakterien und Krankheitserreger) vermutet,[9][25] die Iodidimonadales waren damals noch nicht bekannt oder ausreichend untersucht; auch eine frühe Abzweigung von der gemeinsamen Klade dieser beiden Ordnungen wurde in Betracht gezogen.[11]
Das grundsätzliche Problem früherer Überlegungen war die damals noch mangelnde Datenlage an sequenzierten Bakterienarten und -stämmen. Bei der Betrachtung einzelner Gene oder Gengruppen besteht aber gerade bei Bakterien die Gefahr, dass diese durch lateralen Gentransfer (LGT) zwischen verschiedenen Zweigen des Bakterienstammbaums übertragen wurden und man so ein möglicherweise verfälschtes und instabiles Ergebnis erhält.[6]
Im Jahr 2023 gaben Mauro Degli Esposti, Otto Geiger et al. die Ergebnisse ihrer Untersuchungen bekannt.[26][6] Sie hatten für ihre Analyse erstmals Tausende bakterieller Genome auf zig Merkmale untersucht, die Mitochondrien mit freilebenden Bakterien gemeinsam haben, darunter Gene für mitochondriale Biosynthesen und für mitochondriale DNA (mtDNA) spezifische Operons. Der Fokus lag dabei auf solchen mitochondrialen Merkmalen, die in manchen, aber nicht allen Linien der α-Proteobakterien auftreten, bzw. die in den verschiedenen Linien unterschiedlich häufig vorkommen. Dabei wurde deutlich, dass einzelne mitochondriale Merkmale in jeweils anderen α-proteobakteriellen Linien überhaupt bzw. besonders häufig vertreten sind. Dieses mosaikartige Muster[A. 9] ist genau das, was man als Ergebnis des LGT in den rund 1,5 oder 2 Milliarden Jahren seit der Entstehung des ersten bzw. letzten gemeinsamen eukaryotischen Vorfahren (first/last eukaryotic common ancestor, FECA/LECA) erwartet.[A. 10] Insbesondere ließen sich die von Geiger et al. untersuchten Gene für aerobe und anaerobe Eigenschaften sowie für den Lipidstoffwechsel nicht in einer einzigen heutigen α-proteobakteriellen Linie wiederfinden.[6]
Das Team konzentrierte sich u. a. auf die Gene für die Synthese von zwei Arten von für Mitochondrien typischen Lipiden: Cardiolipin (CL) und Ceramid (Ceramide sind eine Untergruppe der Sphingolipide). CL wird in den Mitochondrien synthetisiert und ist dort aktiv an der Atmung, der Energieerzeugung, der ROS-Produktion, der Morphologie der Cristae, der mitochondrialen Fission (Spaltung) und Fusion, dem Proteinimport, der Apoptose und der Mitophagie beteiligt. In Eukaryonten gibt es zwei Wege der CL-Synthese; meist ist nur einer dieser Wege vorhanden; einige wenige Eukaryonten verfügen aber über beide Wege. Ebenso gibt es α-Proteobakterien, die ebenfalls für beide Wege kodieren. Offenbar haben die bakteriellen Vorfahren der Mitochondrien (die Proto-Mitochondrien) beide CL-Synthese-Gene an die Mitochondrien des LECA vererbt; von denen meist eines im Laufe der Diversifizierung der Eukaryotenlinien verloren ging.[6]
Außerdem wurde in den vergleichenden Analysen von Geiger et al. die Cytochrom-c-Oxidase (COX) untersucht. Die Cox11-COX3-Syntenie[A. 11] kann als genomisches Relikt der aeroben Abstammung der Proto-Mitochondrien angesehen werden. Das Fehlen im Genom vieler Bakterien, einschließlich der früher oft als Verwandte der Mitochondrien angesehenen Rickettsiales, schließt nach diese mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Abstammung der Proto-Mitochondrien aus.[6]
Als Ergebnis dieser Analysen identifizierten Geiger et al. die Iodidimonadales als wahrscheinlichste lebende Verwandten der Proto-Mitochondrien. Diese in heißen Quellen der Meere lebenden Bakterien weisen die meisten aeroben Merkmale und Gene für den Stoffwechsel der Sphingolipide und Cardiolipin als grundlegende Lipide in den Membranen der Eukaryoten auf. Sie sind auf Sauerstoff angewiesen, ähnlich wie die Mitochondrien, um Energie zu produzieren.[6]
Das Iodid-oxidierende Enzym IOX des Stamms Q-1 (Universität Chiba) der vorgeschlagenen Spezies Iodidimonas sp. Q-1 (GTDB-Bezeichnung Iodidimonas sp000710935) besteht aus mindestens zwei Proteinen, IoxA und IoxC, und zeigt eine hohe katalytische Effizienz für Iodid. IoxA ist eine mutmaßliche Multikupferoxidase (englisch multicopper oxidase[27]) mit vier konservierten kupferbindenden Regionen, unterscheidet sich aber phylogenetisch von anderen bakteriellen Multikupferoxidasen. Man möchte gerne das IOX/Iodid-System als neuartiges enzymbasiertes antimikrobielles System einsetzen, um etwa Bacillus-Sporen effizient abzutöten oder um widerspenstige Farbstoffe zu entfärben, wobei Iodid als neuartiger anorganischer natürlicher Redox-Mediator eingesetzt werden könnte.[4]
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