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deutscher Ökonom und Wirtschaftsethiker Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ingo Pies (* 1964 in Arnsberg) ist ein deutscher Ökonom und Wirtschaftsethiker. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schriftleitender Herausgeber der Fachzeitschrift ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Herausgeber der Buchreihe Ökonomik und Ethik – Studien zur Sozialstruktur und Semantik moderner Governance und Mitherausgeber der Reihen Konzepte der Gesellschaftstheorie sowie Angewandte Ethik.
Pies studierte als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er promovierte 1992 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bei Karl Homann mit einer Arbeit über Normative Institutionenökonomik. Nach Forschungsaufenthalten bei Gary S. Becker an der University of Chicago und bei James M. Buchanan an der George Mason University in Fairfax, Virginia (beide Nobelpreisträger) folgte 1999 seine Habilitation bei Karl-Hans Hartwig, wieder in Münster. Seit 2002 ist Pies Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Pies versteht Wirtschaftsethik nicht als eine „Ethik für die Wirtschaft“, sondern als eine allgemeine, praktische Ethik mit ökonomischer Methode, d. h. als eine ökonomische Theorie der Moral. Der von Pies vertretene Ansatz lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen:
Methodologisch stößt sich dieser konstruktivistische Ansatz an einem Dualismus verschiedener, sich scheinbar antagonistisch gegenüberstehender Werte wie etwa Profit versus Moral, Freiheit versus Gerechtigkeit, Solidarität versus Effizienz, Ökologie versus Ökonomie, Staat versus Markt und so fort. Eine jede Argumentation, die sich innerhalb eines solchen „Werte-Trade-off“ positioniert, sei weder mit Max Webers Werturteilsfreiheitspostulat[1] vereinbar, noch sei sie zweckmäßig zur praktischen Implementierung moralischer Anliegen, denn sie führe stets nur den einen gegen den anderen Wert ins Feld und verschärfe dadurch soziale Konflikte, anstatt sie zu überwinden.
In seinen neueren Schriften betont Pies die Interdependenz von Sozialstruktur und Semantik – und bezeichnet eine Analyse dieser Interdependenz als „Ordonomik“:[8] Diejenige Semantik, welche die Wahrnehmungs- und Deutungsmuster der Menschen (und damit auch ihre Problemlösungsstrategien) heute noch weitgehend präge, habe sich als Antwort auf Probleme entwickelt, die historisch in kleinen Gemeinschaften (wie etwa der Familie oder der Dorfgemeinschaft) aufgetreten sind. Diese im moralischen Diskurs heute noch dominante Kleingruppen-Semantik sei deshalb in weiten Teilen nicht nachhaltig, sondern oft dysfunktional zur Lösung neuartiger Probleme, die sich im Zuge einer immer rasanteren Entwicklung hin zu einer anonymen, globalen, pluralistisch strukturierten, offenen Gesellschaft im Sinne Karl Poppers unausweichlich stellen. Aufgabe einer ordonomischen Wirtschaftsethik sei es, Diskrepanzen zwischen Sozialstruktur und Semantik offenzulegen und sie durch (ggf. wechselseitige) Anpassungen zu überwinden.
Die Piessche dreistufige Unterscheidung zwischen Spielzügen („Wirtschaft“), Spielregeln („Politik“) und Regelfindungsdiskurs („Semantik“) lässt sich als Analogie zu Karl Poppers Drei-Welten-Lehre deuten.
Nach Heinz Grossekettler ist schwer ersichtlich, welche Abhilfe die Methodik der orthogonalen Positionierung bringen soll. Die Problematik der heutigen Zeit sei weniger die Ausarbeitung paretosuperiorer Vorschläge, sondern eine ernsthafte, sachkompetente Diskussion überhaupt herbeizuführen. Zudem könne nicht jedes wirtschaftswissenschaftliche Problem als Werte- oder Interessenkonflikt dargestellt werden. Die Forderung nach einem Übergang von dem Euckenschen Denken in Ordnungen zu einem Denken in Anreizen läuft leer, weil das Denken in Anreizen Stabilitätsprobleme und echte Interessengegensätze gar nicht thematisiert.[9]
Nach Markus C. Kerber bleibt die Wirkung der Piesschen These von der Theoriebedürftigkeit gesellschaftlicher Probleme schmal. Die Anwendung des Konzepts einer „orthogonalen Positionierung“ auf konkrete Fragen führt selten über bekannte Positionen des ökonomischen Diskurses hinaus. Den Antagonismus von Markt und sozial motivierter Umverteilung als nicht notwendigen Gegensatz zu qualifizieren, welcher durch die Idee einer „Sozialpolitik für den Markt“ ersetzbar sei, sei lediglich eine diskursive Formel, jedoch kein Konzept. Die konkrete Anwendung bleibe vage.[10]
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