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Die Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG Ulm) wurde 1953 von Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher, Max Bill und weiteren in Ulm gegründet und wurde 1968 in Folge von Managementfehlern geschlossen. Sie gilt als die international bedeutendste Design-Hochschule nach dem Bauhaus. International genoss sie einen hervorragenden Ruf und war Wegbereiter und Vorbild sowohl für künftige Design-Studiengänge an Hochschulen für Gestaltung als auch für das Berufsbild des Designers.
Die Jahre 1945 bis 1952 waren geprägt durch Konzipierungs-, Finanzierungs- und Strukturierungsplanungen. Durch Kontakte Bills zu Walter Gropius wurden auch US-amerikanische Stiftungen auf das Projekt aufmerksam. Der alliierte Hochkommissar John McCloy unterstützte die Initiative zur HfG-Gründung. Die HfG sollte einen College-ähnlichen Campus nach US-Vorbild erhalten, damit die Hochschulangehörigen in freier Gemeinschaft Lehrender und Lernender zusammenleben konnten. John McCloy überreichte Inge Scholl 1952 kurz vor seinem Abschied als Hochkommissar einen Scheck über eine Million DM unter der Voraussetzung, dass sie eine weitere Million in Deutschland aufbringen würde. Das Geld stammt aus einem US-Fonds, der nach dem Zweiten Weltkrieg zur demokratischen Erziehung der deutschen Bevölkerung vorgesehen war. Ein Teil der weiteren Gelder kam von der Norwegischen Europahilfe.[1][2][3]
Offizielle Trägerin der künftigen HfG sollte die Geschwister-Scholl-Stiftung sein, die von Inge Scholl im Gedenken an ihre Geschwister Sophie und Hans Scholl gegründet worden war. Diese waren als Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose im Jahr 1943 von den Nationalsozialisten hingerichtet worden. Am 1. April 1953 wurde Max Bill erster Rektor der neu gegründeten Hochschule.
Am 3. August 1953 begann der Lehrbetrieb in Räumen der Ulmer Volkshochschule. Josef Albers, Walter Peterhans, Johannes Itten und Helene Nonné-Schmidt unterrichteten die ersten 21 Studenten. Die Ausbildung war auf vier Jahre angelegt. Im ersten Jahr fand das Grundstudium statt, die weiteren drei Jahre dienten zur Vertiefung in den Fachgebieten Gestalter für Produktgestaltung, Visuelle Kommunikation, Bauen, Information (bis 1964) und Film, das bis 1961 bei der visuellen Kommunikation beheimatet war und ab 1962 als eigenständiges Fachgebiet weitergeführt wurde. Mit diesem Konzept wurden die Lehrmethoden und -inhalte des künftigen Berufsbildes Design entwickelt.
Am 8. September 1953 erfolgte der erste Spatenstich für den Bau des HfG-Komplexes auf dem Oberen Kuhberg nach Entwürfen von Max Bill. Die HfG war dabei einer der ersten Hochschul-Neubauten Deutschlands in Stahlbetonskelettbauweise mit großzügigen Werkstätten, Studentenwohnheim und Mensa. Der Innenausbau und auch die Möblierung waren auf den flexiblen Nutzen der Hochschule ausgelegt. Am 5. Juli 1954 wurde das Richtfest gefeiert. Ab 1955 fand der Lehrbetrieb in den Räumen der HfG statt. Die offizielle Eröffnung des Unterrichtsgebäudes erfolgte am 2. Oktober 1955, auf der Walter Gropius die Eröffnungsrede hielt.[4]
1955 trat Max Bill aus Gründen eines Richtungswechsels im pädagogischen Aufbau und in den Lehrveranstaltungen der HfG als Rektor zurück und verließ die Hochschule 1957 aus denselben Gründen. Bill befürwortete ein Fortführen des Bauhaus-Modells, andere Dozenten wollten ein mehr an Wissenschaft und Theorie orientiertes Ausbildungsmodell. Ein Rektoratskollegium wurde eingesetzt, unter ihnen Otl Aicher.
1958 erschien die erste Ausgabe der HfG-Zeitschrift ulm, die bis zum Ende der Hochschule in deutscher und englischer Sprache herausgegeben wurde. Die Öffentlichkeit wurde ab 1959 durch Rundfunk und Fernsehen auf die HfG aufmerksam, nachdem in den Jahren zuvor Dozenten und Studenten erste Erfolge mit dem Design für die Audiogeräte des Unternehmens Braun, dem Erscheinungsbild der Lufthansa und den Zügen für die Hamburger Hochbahn sammelten, die den Ruf der HfG prägten. Nach sieben Jahren Rektoratkollegium trat 1962 eine neue Verfassung für die HfG in Kraft, die wieder einen alleinigen Rektor vorsah. Die Wahl fiel auf Otl Aicher. 1963 bekam die Hochschule die Ausstattung aus dem Siemens-Studio für elektronische Musik geschenkt, das kurz zuvor aus Kostengründen geschlossen worden war.
Interne Streitigkeiten über die pädagogische Ausrichtung des Lehrbetriebs der Hochschule gaben der Presse 1963 erste Gelegenheiten zu Angriffen gegen die HfG. In einem Spiegel-Artikel aus diesem Jahr hieß es: „Keine Gründung hat aber auch so viel mehr versprochen als gehalten, keine andere akademisch-künstlerische Lehr- und Forschungsanstalt wurde bis auf den heutigen Tag von so vielen Krisen und Querelen heimgesucht, von Mitgründern und Mitarbeitern so scharf kritisiert wie das von der „Geschwister-Scholl-Stiftung“ getragene Unternehmen auf dem Ulmer Oberen Kuhberg.“[5] Der Landtag von Baden-Württemberg stellte ein Zehn-Punkte-Ultimatum, auf das die HfG einging, womit die Zuschüsse seitens des Landes gesichert waren. Dennoch häuften sich die Probleme, nachdem der Landtag 1967 die Angliederung der HfG an die Ingenieurschule, die Vorläuferin der Ulmer Fachhochschule, verlangte. Die Bundeszuschüsse wurden gestrichen, die finanzielle Lage immer schwieriger.
Im Lauf des Jahres 1968 mussten die ersten Dozenten aufgrund der schwierigen finanziellen Lage entlassen und die Anzahl der Lehrveranstaltungen eingeschränkt werden. Die Geschwister-Scholl-Stiftung, die Trägerin der HfG, war hoch verschuldet. Interne Zerwürfnisse und Attacken in der Presse lösten immer wieder Debatten im Landtag über die Förderungswürdigkeit der HfG aus. Die verbliebenen Dozenten verweigerten den Lehrbetrieb aus finanziellen und persönlichen Gründen. Die für die Schließung ausschlaggebenden Ursachen sind heute umstritten. Zeitzeugen machen vor allem die Baden-Württembergische Regierung unter Hans Filbinger verantwortlich,[6] der Historiker René Spitz kommt auf Grund einer Analyse von Akten und Protokollen zu dem Schluss, dass die HfG an ihrem Ende weitgehend selbst schuld sei.[7] Tatsache ist, dass der Stuttgarter Landtag der HfG am 18. Juli 1968 erneut den Zuschuss für das Studienjahr 1969 unter Auflagen bewilligte. Da diese Auflagen jedoch nicht fristgerecht erfüllt wurden, wurden die Mittel zum Jahresende 1968 gesperrt.[7] Die Geschwister-Scholl-Stiftung stellte den Betrieb der Hochschule zum 31. Dezember 1968 ein.[8]
„Über die Schließung der HfG kursieren überwiegend Falschmeldungen. […] Wider besseres Wissen wird der Mythos von der HfG aufrechterhalten, die durch den Handstreich eines tumben baden-württembergischen Ministerpräsidenten niedergestreckt worden sei.“
„Die CDU war damals, 1968, entschlossen, die HfG in Ulm aufzulösen, obwohl sie eine ziemlich wichtige Aufgabe hatte – auch in der Nachkriegsdiskussion und in ihrer Verbindung zu den Geschwistern Scholl. […] Der regierenden CDU war das alles, was da in Ulm stattfand, ein bisschen unheimlich.“
Als erste Institution übernahm die 1970 in Hochschule für Gestaltung umbenannte Hochschule in Offenbach am Main große Teile des Lehrkonzepts der HfG Ulm. Nach Ulm war sie die einzige Hochschule, die die vom Bauhaus übernommene Bezeichnung Hochschule für Gestaltung trug. 1971 folgte die Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. Später folgten weitere Lehrstätten.
Um den verbliebenen Studenten einen Studienabschluss zu ermöglichen, wurde das Institut für Umweltplanung Ulm der Universität Stuttgart gegründet. Mehrere Dozenten wurden befristet berufen. Nachdem die Studierenden einen Abschluss hatten, wurde der Institutsetat an die Universität Stuttgart übertragen und diente dort teilweise der Einrichtung des ab 1973 von Horst Rittel geleiteten Instituts für Grundlagen der Planung.
Die Bauten der Hochschule für Gestaltung gehören zu den Bedeutendsten der frühen BRD und knüpfen mit ihrer „Konkreten Architektur“ an die Tradition des Bauhauses an, was nicht zuletzt am Einfluss von Walter Gropius lag, der von den Gründern konsultiert wurde und 1955 die Festrede zur Eröffnung der Hochschule hielt. Architekt war mit dem Schweizer Max Bill ein ehemaliger Bauhaus-Schüler.
Die Gebäude entstanden zwischen 1953 und 1955. Dabei war nicht nur das Budget knapp bemessen, Max Bill musste sich bei der Ausführung auch Materialien bedienen, die von Industriebetrieben gespendet wurden. Waren zuerst Stahlfirmen als Zuwender im Gespräch, kamen, nachdem diese abgesprungen waren, Betonhersteller ins Spiel, und die Gebäude wurden in Betonskelettbauweise errichtet. Bauleiter war Fred Hochstrasser.[10][11]
Zur Gestaltung des Baus heißt es in einer Quelle:
„Konstitutiv für die Ästhetik der Architektur der HfG ist – verschränkt mit dem Postulat der Materialehrlichkeit – die konsequente Reduktion nicht nur der Formen, sondern auch der Materialien. Verwendet wurden im wesentlichen Sichtbeton, Naturholz und geschlämmter Backstein. Als Fußbodenbelag wurden gefärbte Asphaltplatten sowie – in zentralen Verkehrsflächen –Terrazzo verlegt. Die betongrauen Konstruktionsglieder, die den Rhythmus und die Struktur von Fassaden und Räumen ergeben, sind klar ablesbar. Die Holzverbundfenster sitzen bündig an der Außenhaut, die Dächer sind völlig flach.“[12]
Seit 1979 ist das Ensemble der ehemaligen Bauten der HfG als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung geschützt.
Erstmals saniert wurden die Gebäude im Jahr 1976 durch den Architekten Fred Hochstrasser (den ehemaligen Bauleiter). Eine zweite Sanierung fand zwischen 2009 und 2014 unter Leitung von Adrian Hochstrasser, einem Sohn von Fred Hochstrasser, statt.[13]
Die Gebäude der HfG wurden nach der Schließung im Jahr 1968 von 1972 bis 2011 vollumfänglich von der Universität Ulm als Generalmieter genutzt. Das Institut für Medienforschung und Medienentwicklung (IMM) war das letzte „Überbleibsel“ der HfG. Am IMM wurde u. a. 2003 die Dokumentation „Design für Millionen“ veröffentlicht.[14]
Nach dem Auszug der Universität Ulm im Jahr 2010 wurde das ehemalige Hochschulgebäude durch die Stiftung Hochschule für Gestaltung HfG Ulm – Nachfolgerin der Geschwister-Scholl-Stiftung – saniert, um es seiner neuen Nutzung zum „Zentrum für Gestaltung HfG Ulm“ zuzuführen. Neue Mieter im Haus sind das HfG-Archiv Ulm, das als Teil des Museums Ulm nun mit den Deposita, einer Dauerausstellung zur Geschichte der HfG Ulm und einem Wechselausstellungsraum wieder an den originären Ort seiner Entstehung zurückgekehrt ist. Des Weiteren sind Gestaltungsbüros aus den Bereichen Innenarchitektur, Produktgestaltung, Kommunikationsdesign, Schmuckdesign und Marketing sowie das Aicher-Scholl-Kolleg der vh ulm im Haus eingezogen.
Die Stadt Ulm gründete 1987 in den ehemaligen Gebäuden der HfG das HfG-Archiv. Die Initiative hierfür ging von ehemaligen Angehörigen der Hochschule für Gestaltung aus, die sich im club off ulm e.v. zusammengeschlossen hatten und Archivalien der HfG sammelten. Das Archiv hat den Zweck, die Geschichte der HfG umfassend zu dokumentieren. Dadurch sollen Inhalte und Bedeutung ihrer Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[15]
Das HfG-Archiv veranstaltet hierzu Wechselausstellungen sowie Symposien und gibt Publikationen heraus. 1993 wurde das HfG-Archiv als eigene Abteilung dem Museum Ulm angegliedert und eine eigene Dauerausstellung zu Geschichte und Entwicklung der HfG im Museum Ulm gezeigt. Von 1997 bis 2012 war die Designforscherin Dagmar Rinker die Leiterin des Archivs. Seit Herbst 2013 wird eine neue ständige Ausstellung zur Geschichte der HfG Ulm in den Räumen des HfG-Archivs präsentiert.[16]
Das HfG-Archiv verfügt neben zahlreichen Archivmaterialien auch über die historische Bibliothek der ehemaligen Hochschule sowie eine Sammlung aktueller Bücher und Zeitschriften zur Designgeschichte. Diese sind als Präsenzbibliothek öffentlich zugänglich.