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Gerichtsprimus und Dorfrichter in Rochlitz an der Iser (1657–1682) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
George Gernert der Jüngere (* um 1630; † vor 1693) war Gerichtsprimus und Dorfrichter von 1657 bis 1682 in Rochlitz an der Iser. Er führte als Schultheiß im böhmischen Riesengebirge eine spektakuläre Exulanten-Flucht nach Sachsen an, die großes Aufsehen in Wien, Prag und Dresden, beim römisch-deutschen Kaiser und böhmischen König Leopold I. und beim sächsischen Kurfürsten Johann Georg III., hervorrief. Er kehrte vor 1693 mit seiner Frau und fünf Kindern aufgrund eines Versprechens der böhmischen Gutsbesitzerin von Starkenbach, ihn in seinen verlassenen Besitz wieder einzusetzen, in das katholische Rochlitz zurück.
George Gernerts Vater, George Gerner(t) der Ältere, entstammte dem bürgerlichen Patriziergeschlecht Gernert aus Arnau.[1] Die Familie war mit den wohlgestellten Bürgerfamilien Cirkan und Dreyschuch aus den umliegenden Ortschaften Kottwitz, Tschermna und Silber verwandt. Seine Vorfahren waren Senatoren und Bürgermeister (1611) der Stadt Arnau. Die Gernerts besaßen in Arnau neben dem Rathaus, um 1592 nachgewiesen, ein Bürgerhaus mit einem großen Weinkeller und einen Weinhandel. Es ist heute das[2] Hotel am Ring. Die Gernerts waren Ratsherren und Weinschenke der bekannten Adelsherren von Arnau, der von Waltstein, später von Wallenstein genannt. Die von Waltstein kauften Merten Gernert 1592 das Haus samt dem Braugewerbe ab.[3][4] Die gotischen Kellergewölbe hatten Verbindungen zum Ratskeller. Die Gernerts besaßen eine Vielzahl von Ackergrundstücken um die Stadt herum und entlang der Elbe,[5] eine Fleischbank am Markt, eine Familiengruft am Kloster, 1528 ein Pfortenhaus vor dem östlichen Stadttor, dem Niderthor. Dort konnte man nach Schließung der Stadttore logieren, zechen, die Pferde versorgen, und es wurde hier das Geld entrichtet, um die Stadt zu betreten.
Die Repressionen der Gegenreformation zwangen den Teil der Familie, der sich nicht rekatholisieren lassen wollte, in die noch bis 1682 protestantischen Ortschaften an der Grenze zu Sachsen und Schlesien. Das nach dem Dreißigjährigen Krieg aufstrebende Rochlitz brauchte einen Gerichtsschulzen. George Gernert der Ältere bekam das privilegierte Amt. In der Folgezeit dominierten die gewählten Dorfrichter Georg Gernert der Ältere und der Jüngere von 1657 bis 1682 in diesem Amt. Am 15. Juli 1682[6] war der Druck vonseiten der katholischen Herrschaftsbesitzerin Anna Francisca Harrant, geb. Gräfin Schönfeld so groß, dass 200 Untertanen – das Gros der Ortsbevölkerung – die Glasfenster zerschlugen, die nötigsten Sachen packten, die Schornsteine einrissen und mit dem Rädelsführer George Gernert dem Jüngeren auf dem Böhmersteig übers Riesengebirge flohen. Ein Jahr zuvor war ein „aufrührischer“ Untertan des Dorfes, Nathaniel Müller, der nicht den katholischen Glauben annehmen wollte, aus der böhmischen Haft nach Gebhardsdorf in Sachsen entflohen. Nathaniel Müller kam nun mit bewaffneten Exulanten aus Sachsen (Gebhardsdorf/Schwarzbach) übers Riesengebirge und unterstützte die Flucht der Rochlitzer Protestanten.
Zum Transport der nötigsten Habe wurden 100 eigene und auch 200 Rinder der Herrschaft mitgenommen. Der ganze Abzug ins protestantische Sachsen wurde mit Schuss- und Stichwaffen durch die aufständischen Exulanten durchgesetzt. Der Marsch endete in Schwarzbach im sächsischen Queiskreis, einem Dorf der protestantischen Herrschaft von Uechtritz (Gebhardsdorf, Schwerta). Die Hauptlast der Eingliederung und Sesshaftmachung der deutsch-böhmischen Exulanten trug Gebhardsdorf. Die nun untertanenlose Herrschaft in Böhmen beklagte sich bei Kaiser Leopold I. in Wien, in Prag und in Dresden beim Kurfürsten von Sachsen über ihren Missstand. Viel Schriftverkehr wurde geführt, um die Exulanten wieder zurückzubekommen. In einem Protokoll vom 6. Oktober 1682,[7] beim Bürgermeister von Grottau auf Anordnung des Monarchen aufgenommen, erklärte George Gernert das Versprechen des die Exulanten aufnehmenden Gutsherrn, Christoph von Uechtritz, Er wolle ihn an- und aufnehmen und hätte seinen Leuten geboten bei hoher Strafe, wenn sie die Entlaufenen nicht aufnehmen würden.
Trotzdem wurde noch im 17. Jahrhundert angeordnet, die Exulanten mit der Garantie der Einsetzung in ihre ehemaligen Stellen wieder zurückzuführen. Von 200 geflohenen Personen gingen 121 wieder nach Böhmen.[8][9]
George Gernert kehrte mit Frau und 5 Kindern vor 1693 wieder nach Rochlitz zurück; seinen sozialen Stand als Richter bekam er nicht wieder. Sein Bruder[10] Hans Gernert, ein Bauer, blieb in Sachsen in Schwarzbach/Queiskreis. Dessen Sohn Christian siedelte 1713 in Estherwalde mit Frau und zwei Kindern auf der Hofstelle Nr. 9, immer zur Exulanten-Flucht bereit. Hinter ihrem Haus floss der Schwarzbach, der ehemalige Grenzbach zwischen Sachsen und Schlesien. In Gebhardsdorf wurden Exulanten durch die evangelische Gemeinde vom Abendmahl ausgeschlossen, die Exulanten hielten sich dann an die Kirchen Nieder Wiesa und Gerlachsheim. So zogen 12 Familien, zusammen 60 Personen, aus Gründen der Uneinigkeit in der Glaubensausübung, mit Streit und Zerwürfnissen in der Gemeinde Gebhardsdorf fort. Die Eisenhüttenbesitzer Seheer-Thoss vermittelten 1755 den Zuzug einiger Exulantenfamilien u. a. Gernert und Schröter nach Petersdorf bei Primkenau, dort brauchte man in den Eisenhütten Arbeitskräfte. Die später in Schlesien und Brandenburg lebenden friderizianische Kolonisten der Nachfahren der Exulanten Gernert nahmen in nachfolgender Zeit die Familiennamen Gerner und Görner an.[11] Nach 1945 wurden Plauen, Potsdam, Berlin, Braunschweig und Schwerin zur neuen Heimat der Gerner.
2007 organisierten Nachfahren von George Gerner dem Älteren, Kurt Gernert und Jürgen Gerner die Wiederholung des Exulantenmarsches. Der Fluchtweg, der Böhmersteig auch Böhmischer Weg genannt, rot ausgewiesen ▬ führte als alter Handelsweg von Rokytnice nad Jizerou (Rochlitz an der Iser), über die Labská louka (Elbwiese) in das Luftlinie vier Kilometer nordwestlich gelegene Szklarska Poręba (Schreiberhau) in Schlesien. Die Fußstrecke führte vorbei an den Höhenweiden der ehemaligen Herrschaft Starkenbach, von denen sich die damaligen Glaubensflüchtlinge zuvor 200 Rinder nahmen und diese mit ihrer Habe beluden. Sie mussten ca. 900 Höhenmeter aufsteigen und 800 Höhenmeter absteigen, der erste Teil der Fluchtstrecke betrug 20 km. Ziel war in Jahre 1682, wegen der Rekatholisierung, das protestantische Sachsen, indem man die Exulanten in Schwarzbach / Schwerta / Gebhardsdorf aufnahm. Mit Hilfe des Touristischen Informationszentrums Rokytnice, der tschechischen Fam. Gernert und Gebert wurde die Fluchtstrecke bis Schreiberhau erörtert. Die Wanderung ergab, dass die Grenzpassage mit den 300 Packrindern, nach den historischen Situationsbriefen die im Sächsischen Staatsarchiv Dresden lagern, nur fußläufig über den Böhmersteig passabel war. Für Karren war der Steig auf der heute polnischen Seite nicht geeignet.
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