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Die Generalsanierung Hochleistungsnetz (zumeist kurz Generalsanierung) bezeichnet ein Infrastrukturvorhaben der deutschen Bundesregierung und der DB InfraGO zur umfassenden Erneuerung der bedeutendsten und verkehrsreichsten Eisenbahnverbindungen in Deutschland, die bei der Deutschen Bahn (DB) als Hochleistungskorridor eingeordnet sind.[1][2]
Insgesamt sollen zwischen 2024 und 2030 über 4000 Streckenkilometer während mehrmonatiger Vollsperrungen grundlegend instand gesetzt werden.[3] Auf diese Weise sollen möglichst viele Arbeiten gleichzeitig durchgeführt werden können. Dies bedeutet eine Abkehr vom bisherigen, als ineffizient geltenden Prinzip, viele kleine Projekte über Jahre hinweg unter laufendem Betrieb umzusetzen.[4]
Am 15. Juli 2024 begann die Genersalsanierung der Riedbahn als erstes derartiges Vorhaben.
In der ersten Jahreshälfte 2022 sank die monatliche Pünktlichkeit im Personenfernverkehr kontinuierlich von 80,9 % im Januar auf Werte unter 60 % in den Monaten Juni, Juli und August.[5][6][7][8] Bahnintern gilt eine Pünktlichkeit von unter 70 % als rote Linie. Danach setze eine Art Todesspirale ein, die letztendlich zum Festfahren führt, wie Bahnchef Richard Lutz beschreibt.[9]
Gleichzeitig war die Lage im Güterverkehr trotz Krisensitzung des BDI Anfang 2022 unverändert schlecht: Schon 2021 waren 41,6 % der Güterzüge verspätet, auch 2022 waren bis Juni nur 60 % der Güterzüge pünktlich. An die Zielsetzung der Bundesregierung im Rahmen des 2020 veröffentlichten Masterplan Schienenverkehr, bis 2030 den Anteil der Bahn am Warentransport von 18,3 % auf 25 % auszubauen, glaubte beim Schienenverband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) kaum noch jemand.[10]
DB Cargo Produktionsvorstand Ralf Kloß beschrieb die Situation Mitte Mai 2022 in einem DB Cargo internen Video: Das Chaos sei inzwischen derartig gewaltig aufgrund von Baumaßnahmen und Störungen, dass es kaum noch zu beherrschen sei. Er habe in seinen 40 Jahren bei DB Cargo eine solche Situation nicht erlebt. Man denke über sehr radikale Maßnahmen nach und habe als erste Notaktionen u. a. für 25–30 % der Annahmestellen einen Stop für Einzelwagenverkehr verhängt.[10][11] An einem Freitag Ende Mai 2022 standen 309 Züge der DB-Cargo, unfreiwillig.[12] An einem Montag Ende Mai musste DB Cargo 400 Züge im Depot lassen.[12]
Viele Unternehmen ließen wegen der Verspätungen und Ausfälle ihre Waren lieber wieder mit dem LKW befördern, weil die Bahn das Lieferaufkommen nicht bewältigen konnte.[13] Immer mehr Speditionen würden von ihren Auftraggebern aufgefordert, die Bahn auf ihren Transportwegen zu streichen, so Frank Huster vom Branchenverband DSLV Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV).[10]
Ursache für die Verspätungen war das Übermaß an Baustellen, das einen reibungslosen Verkehr nicht mehr zuließ.[10] Alleine für den Zeitraum vom 3. Juni bis 28. August 2022 waren 20.712 einzelne Bau- und Reparaturmaßnahmen bei der DB Netz AG aufgeführt.[10] Dabei waren Forderungen nach einer Bündelung der Baumaßnahmen schon zuvor von verschiedenen Seiten geäußert worden.[10][12]
Nachdem DB-Cargo in einem Telefonat Ende Mai Kunden über ein bevorstehendes „bitteres Jahr“ informiert hatte, entschlossen sich die Kunden, sich an Verkehrsminister Volker Wissing zu wenden.[12]
Am 22. Juni 2022 machte Volker Wissing die Sanierung des Bahnnetzes zur Chefsache: „So wie es ist, kann es nicht bleiben“.[14][15][16] In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bahnchef Richard Lutz[17] kündigte er eine grundlegende Sanierung des Schienennetzes an. Die Arbeiten sollen 2024 starten und 2030 in ein Hochleistungsnetz münden. Die Klimaziele der Regierung seien mit dem aktuellen Zustand der Bahn nicht zu schaffen. Die Infrastruktur der Bahn sei jahrelang vernachlässigt und durch Unterfinanzierung und politische Versäumnisse an ihre absolute Grenze gebracht worden. Die Nutzungsintensität auf dem Schienennetz hat sich seit der Bahnreform 1994 bis 2021 um mehr als 60 Prozent erhöht. Laut Bahnchef Lutz waren 2010 rund 47.000 Personen- und Güterzüge unterwegs, im Jahr 2022 sind es rund 51.000 und für 2030 werden gut 59.000 Züge erwartet.[14]
Das hochbelastete Netz, rund 3500 km lang und damit rund 10 % des Gesamtnetzes, sei bereits ohne Baumaßnahmen zu 125 % ausgelastet.[14] Um die Einschränkungen für Güter- und Personenverkehr zu minimieren, sollen[15]
Im September 2022, drei Monate nach Bekanntgabe des Generalsanierungskonzeptes, kündigte die Bahn an, die Riedbahn (Bahnstrecke Mannheim–Frankfurt am Main) als erste generalzusanieren. Am 15. Juli 2024, einen Tag nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft, soll die Strecke vollgesperrt werden und innerhalb von 5 Monaten alle Anlagen und Bahnhöfe erneuert werden. Bereits in den kommenden Monaten sollen die geplanten Umleitungsstrecken für den Personen- und Güterverkehr technisch vorbereitet und ausgerüstet werden. Die DB werde ein leistungsfähiges Ersatzkonzept mit Umleitungsstrecken und Ersatzverkehren für Reisende und Güterverkehrskunden erarbeiten. Dieses werde mit den betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträgern eng abgestimmt. Um die beschränkte Kapazität der Ausweichstrecken über Worms/Mainz bzw. Darmstadt nicht zu überfordern, sollen im Nahverkehr Busse eingesetzt werden, die bis zu 200 Züge am Tag ersetzen können. Als erwartete Kosten wurden rund 500 Millionen € genannt.[18] Die Sanierung der Riedbahn wird auch als Pilotprojekt auf dem Weg zum Hochleistungsnetz bezeichnet.[19] Gelingt das Projekt, soll die Riedbahn-Generalsanierung zur Blaupause für die Ertüchtigung weiterer Hochleistungskorridore werden.[20]
Im Rahmen der Sanierungen sollen auch kleine kapazitätssteigernde Maßnahmen wie zusätzliche Überleitstellen, Weichen und Blockverdichtungen umgesetzt werden. Streckenausrüstungen mit dem European Train Control System sind ebenfalls vorgesehen.[21] Ziel der Generalsanierung ist es, den Zugverkehr pünktlicher zu machen und die Voraussetzungen zu schaffen, um die verkehrspolitischen Ziele im Personen- und Güterverkehr zu erreichen.[1]
Bis 2027 sollen 1500 Streckenkilometer generalsaniert werden.[22]
Projekt (Strecke)[23] | Länge | Beginn | Ende | Vorgehen | Kosten- schätzung |
---|---|---|---|---|---|
Mannheim Waldhof–Zeppelinheim („Riedbahn“) | 74 km | 15. Juli 2024 | 14. Dezember 2024 | Vollsperrung[23] | 1,3 Mrd. €[24] |
Emmerich–Oberhausen | 73 km | 1. Halbjahr 2025 | mehrere Teilsperrungen, eingleisiger Betrieb[23] | ||
Berlin–Hamburg | 278 km | August 2025 | April 2026 | 2,2 Mrd. €[25] | |
Hagen–Wuppertal und Wuppertal–Köln | 65 km | 1. Halbjahr 2026 | |||
Nürnberg-Reichswald–Regensburg | 88 km | 1. Halbjahr 2026 | |||
Troisdorf–Koblenz | 89 km | 2. Halbjahr 2026 | |||
Koblenz–Wiesbaden | 93 km | 2. Halbjahr 2026 | |||
Obertraubling–Passau | 115 km | 2. Halbjahr 2026 | |||
Frankfurt (Main)–Heidelberg | 92 km | 1. Halbjahr 2027 | |||
Lehrte–Berlin | 227 km | 1. Halbjahr 2027[23] | Diverse Teil- und Vollsperrungen von Schnellfahrstrecke und Stammbahn sind zwischen 31. Mai 2025 und 11. Dezember 2027 geplant.[26] | ||
Rosenheim–Salzburg | 61 km | 1. Halbjahr 2027[27] | war zunächst für das 2. Halbjahr 2027 geplant[23] | ||
Lübeck–Hamburg | 61 km | 2. Halbjahr 2027 | |||
Bremerhaven–Bremen | 92 km | 2. Halbjahr 2027 | |||
Hamm–Dortmund–Düsseldorf–Köln[23][27] | 156 km | ? | wurde Mitte 2024 von 2027 auf einen nicht genannten Termin verschoben[27] | ||
Hanau–Fulda („Kinzigtalbahn“) | 81 km | 2027 | wurde nachträglich aufgenommen[27] | ||
Bremen–Hamburg-Harburg | 181 km | 1. Halbjahr 2028 | |||
Hürth-Kalscheuren–Koblenz | 84 km | 1. Halbjahr 2028 | |||
Koblenz–Mainz | 92 km | 1. Halbjahr 2028 | |||
Würzburg–Nürnberg | 95 km | 1. Halbjahr 2028 | |||
Hagen–Hamm | 54 km | 1. Halbjahr 2028 | |||
Nordstemmen–Göttingen | 81 km | 2. Halbjahr 2028 | |||
Uelzen–Stendal | 107 km | 2. Halbjahr 2028 | |||
Bebra–Fulda | 69 km | 2. Halbjahr 2028 | |||
München–Rosenheim | 55 km | 2028[27] | war zunächst für 1. Halbjahr 2027 geplant[23] | ||
Lehrte–Groß Gleidingen | 37 km | 1. Halbjahr 2029 | |||
Hamburg–Hannover | 189 km | 1. Halbjahr 2029 | |||
Bremen/Rotenburg–Wunstorf | 129 km | 2. Halbjahr 2029 | |||
Forbach–Ludwigshafen | 133 km | 2. Halbjahr 2029 | |||
Stuttgart–Ulm | 90 km | 2. Halbjahr 2029 | |||
Weddel–Magdeburg | 78 km | 1. Halbjahr 2030 | |||
Bremen–Osnabrück | 117 km | 1. Halbjahr 2030 | |||
Osnabrück–Münster | 50 km | 1. Halbjahr 2030 | |||
Kassel–Friedberg | 130 km | 1. Halbjahr 2030 | |||
Würzburg–Treuchtlingen | 170 km | 1. Halbjahr 2030 | |||
Münster–Recklinghausen Süd | 60 km | 2. Halbjahr 2030 | |||
Minden–Wunstorf | 42 km | 2. Halbjahr 2030 | |||
Mannheim–Karlsruhe | 75 km | 2. Halbjahr 2030 | |||
Ulm–Augsburg | 92 km | 2. Halbjahr 2030 |
Am 15. Juni 2024 begann die erste Generalsanierung auf der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim. Im Rahmen der bis 14. Dezember 2024 geplanten Vollsperrung sollen u. a. 117 km Gleise, 140 km Lärmschutzwände sowie die Leit- und Sicherungstechnik erneuert werden.[28] Ferner sind drei neue Überleitstellen und einzelne Geschwindigkeitserhöhungen geplant.
Zu dem Vorhaben zählt auch die Westliche Einführung der Riedbahn, der Abschnitt Biblis–Worms, der Abschnitt zwischen Hofheim und Bürstadt der Nibelungenbahn sowie Verbindungskurven im Bereich des Bahnhofs Groß Gerau-Dornberg.[29]
Verschiedene Ausweichrouten wurden im Vorfeld der Sanierung der Riedbahn ertüchtigt.
Es wird kritisiert, dass die Kosten für eine solch kurzfristige Generalsanierung bereits bei den ersten Projekten die kalkulierten Kosten übersteigen und sie somit viel teurer sei als die normale Sanierung in langfristig geplanten Zeiträumen. So seien die geplanten Kosten für die Sanierung der Riedbahn Mitte 2024 noch vor Baubegeginn von 7,1 auf 18,6 Millionen Euro pro Kilometer gestiegen. Außerdem wird befürchtet, dass das übrige Netz außerhalb der geplanten Korridore weiterhin in marodem Zustand bleibt.[30]
Das Eisenbahnverkehrsunternehmen Agilis sieht sich durch die im Jahr 2026 für „Generalsanierungen“ geplante Vollsperrungen (zwischen Nürnberg und Regensburg, Obertraubling und Passau sowie Einschränkungen auf weiteren Strecken) in seiner Existenz bedroht und hat Beschwerde bei der Bundesnetzagentur eingelegt. Es zweifelt insbesondere die Alternativlosigkeit der Vollsperrungen an. Die geplanten Maßnahmen – die Erneuerung von 80 Gleiskilometern, 40 Weichen und 60 Kilometern Oberleitung sowie die Schaffung zusätzlicher Weichen und eine Bahndammsanierung – könnten auch in abwechselnden eingleisigen Sperrungen erledigt werden.[31]
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