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Begriff für historische Zeitabschnitte im europäischen Mittelalter Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als dunkle Jahrhunderte (bzw. dunkles Zeitalter) werden Zeitabschnitte bezeichnet, für die nur wenige Quellen zur Verfügung stehen. Der Mangel an schriftlichen Nachrichten, numismatischen und teilweise auch archäologischen Funden erschwert die historische Erforschung und Bewertung dieser Zeiten.
Je nach Region werden verschiedene Zeitabschnitte als „dunkel“ bezeichnet. In Europa gilt dies für Teilabschnitte des Frühmittelalters, wie in der Völkerwanderungszeit, auf Britannien bezogen die Zeit nach dem Abzug der Römer und der anschließenden Landnahme der Angelsachsen im 5./6. Jahrhundert.
Allerdings ist der Begriff „dunkle Jahrhunderte“ bzw. „dunkles Zeitalter“ sehr problematisch, da er etwa in Bezug auf das kulturelle Niveau falsche Assoziationen weckt. Die Bezeichnung diente in der älteren Forschung mitunter auch zur Abqualifizierung bestimmter Zeitabschnitte, beispielsweise bezüglich des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter bzw. für die nachfolgende Zeit, da diese Zeit vom Standpunkt der klassizistisch geprägten älteren Forschung oft ausschließlich als Verfallszeit bewertet wurde.[1] Diese Auffassung ist heute nicht mehr haltbar. Die neuere Forschung argumentiert ausgewogener und bewertet die Epoche der Spätantike eher als Transformationszeit, zumal auch für die Zeit vom Ende des Weströmischen Reiches im späten 5. Jahrhundert bis zum Untergang des Karolingerreichs im 10. Jahrhundert durchaus Quellen vorhanden sind, die in ihrer Deutung aber oft problematisch sind.[2]
Im englischsprachigen Raum wurde der Begriff Dark Ages teils auch von Historikern auf das gesamte Mittelalter negativ wertend angewandt, und dies kommt im allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin vor. Dieser Sprachgebrauch wird in englischen Wörterbüchern beschrieben, da diese meist nach dem Vorbild des Oxforder Wörterbuchs der englischen Sprache wissenschaftlichen Prinzipien folgen und deshalb deskriptiv sind. Aaron Jakowlewitsch Gurewitsch beschrieb dies missverständlich als „ausdehnen“:
„Das ‚Mittelalter‘ gilt fast als Synonym für alles Dunkle und Reaktionäre. Seine frühe Periode bezeichnet man als ‚düstere Jahrhunderte‘. Das Oxford English Dictionary dehnt den Ausdruck Dark Ages sogar auf das gesamte Mittelalter aus. Ein solches Verhältnis zum Mittelalter, das im 17. und 18. Jahrhundert in bestimmtem Maße erklärlich ist, […] hat längst jegliche Legitimation verloren.“[3]
Nicht zu bestreiten ist, dass, für bestimmte Zeitabschnitte und regional unterschiedlich ausgeprägt, die Quellenbasis variiert und teils äußerst ungünstig oder vage sein kann (z. B. bezogen auf das frühmittelalterliche England oder Skandinavien). Ebenso kam es, auch im Zuge der Christianisierung, in der ausgehenden Spätantike bzw. dem Frühmittelalter zum Verlust des Großteils der antiken Literatur. Im ehemaligen Westen des Imperiums lag die Schriftproduktion lange Zeit unterhalb des antiken Niveaus und auch das kulturelle Niveau nahm ab – jedenfalls verglichen mit der römischen Zeit. Doch entstanden auch neue Kunst- und Literaturformen, während sich gleichzeitig die Gesellschaft stark veränderte. Das Byzantinische Reich im Osten konnte mehr vom antiken Erbe bewahren.
Selbst dort, wo die Quellenlage schlecht ist und nur wenige schriftliche Zeugnisse vorhanden sind, versiegen die Quellen nie vollkommen – dies gilt besonders für Byzanz ab der Mitte des 7. Jahrhunderts, wo für die anschließende Zeit bis zum frühen 9. Jahrhundert hauptsächlich nur die Chronik des Theophanes als erzählende Quelle zur Verfügung stehen, allenfalls daneben noch die Chronik des Nikephoros.[4] Geht man für eine engere Fassung von dunklen Perioden mit einem Tiefpunkt an schriftlichem Werkschaffen aus, so ist die Datierung von lateinischen Werken in der Sammlung der Patrologia Latina hilfreich.
Jahrhundert | Migne Nr. | Werke |
---|---|---|
7. Jh. | 80–88 | 8 |
8. Jh. | 89–96 | 7 |
9. Jh. | 97–130 | 33 |
10. Jh. | 131–138 | 7 |
11. Jh. | 139–151 | 12 |
12. Jh. | 152–191 | 39 |
13. Jh. | 192–217 | 25 |
Man sieht hier für die Zeit nach der Spätantike nur eine geringe Schaffensliste vorliegen. Allerdings ist diese Auflistung der Patrologia Latina nur bedingt hilfreich. Denn sie berücksichtigt nicht alle Werke, die im frühmittelalterlichen lateinischen Europa entstanden sind (siehe Frühmittelalterliche Literatur). Im westlichen Europa war (im Gegensatz zu Byzanz) das Bildungsniveau im Verlauf des 7. und 8. Jahrhunderts jedoch deutlich gesunken. Dieser Zeit folgte die Karolingische Renovation des 9. Jahrhunderts, in der es zu einem deutlichen Anstieg im Werkschaffen kam, so wie auch die karolingischen Bibliotheksgründungen einem weiteren Verlust antiker Werke entgegenwirkten. Doch schon im 10. und 11. Jahrhundert sank das lateinische Werkschaffen wieder deutlich ab. Die Wiederbelebung des intellektuellen Europas in der sogenannten hochmittelalterlichen „Renaissance“ des 12. Jahrhunderts bringt eine Erhöhung des Werkschaffens, die im 13. Jahrhundert teilweise wieder abfällt, aber wichtige Grundlagen für die eigentliche Epoche der Renaissance ab dem 14. Jahrhundert lieferte. Mit der Ausbreitung des Buchdrucks ab dem 15. Jahrhundert ist der Mangel an schriftlichen Werken in der Geschichtsforschung weitläufig beendet.
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