neunte Ausstellung der documenta in Kassel (1992) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die DOCUMENTA IX fand vom 13. Juni bis 20. September 1992 statt. Die 9. documenta stand unter der künstlerischen Leitung von Jan Hoet und den Co-Kuratoren Denys Zacharopoulos und Pier Luigi Tazzi. Erstmals wurden neue Medien- und Erlebnisformen in großer Zahl gezeigt.
Jan Hoet schrieb im Vorwort zum Kurzführer: Die documenta IX ist vielleicht mehr noch als die vorangegangenen documenta-Ausstellungen eine bewusste und persönliche Stellungnahme zu unserer Zeit. Eine Argumentation in Bildern, die gleichermaßen die Augen, das Gefühl, die Erfahrung des einzelnen fordert. Ohne besondere theoretische Grundsatzkonzeption veranstaltete Jan Hoet die documenta als ein großes Kunstereignis mit buntem Beiprogramm.
Die documenta IX ging unverkrampft mit Sponsoring und Merchandising um, es gab T-Shirts, Baseball-Caps und Regenschirme mit documenta-Symbolen. Kunstbotschaften wurden auf Zigarettenschachteln vermittelt: „Kunst bietet keine klaren Antworten. Nur Fragen“ (Jan Hoet). Die Zeitschrift „Das Kunstforum“ erhob im Heft-Titel die documenta selbst zum Kunstwerk. Ausstellungsobjekte wie der Man walking to the sky wurden von der Kritik für mittelmäßig erklärt, erfreuten sich aber in der Öffentlichkeit eines starken Zuspruchs (Kassel bekam neben dem Herkules ein weiteres „heimliches“ Wahrzeichen).
Die documenta IX hat erheblich dazu beigetragen, das documenta-Konzept breiteren Bevölkerungskreisen zugänglicher zu machen. Seit 1992 ist die documenta ein Projekt der ganzen Stadt Kassel, die sich wenige Jahre später (1999) selbst zur documenta-Stadt erklärte. Die Veranstaltung verzeichnete mit 603.456 Besuchern erneut einen Rekord.
Die documenta IX war die „documenta der Orte“ mit sieben festen Räumlichkeiten und zahlreichen Ausstellungsorten in der ganzen Innenstadt. Die Orangerie stand wegen des Einzugs des Museums für Astronomie und Technikgeschichte nur noch in wenigen Teilbereichen zur Verfügung, stattdessen war die documenta-Halle rechtzeitig fertiggeworden und wurde als neuer und künftig permanenter Veranstaltungsort genutzt. Erstmals wurden temporäre Bauten (aufgeständerte Stahlpavillons) als zusätzliche Ausstellungsräumlichkeiten am Rande der Aue zur documenta errichtet.
189 internationale Künstler waren als Teilnehmende zur Documenta IX berufen worden. Populärstes Kunstwerk war der 25 Meter hohe Man walking to the sky („Himmelstürmer“) von Jonathan Borofsky auf dem Friedrichsplatz. Er verkörpert eine skulptural-starke Bewegung und Dynamik mit der Gehrichtung zur Utopie. Lothar Baumgarten verzierte den Zwehrenturm mit Zitaten der Mediengesellschaft, die er neben die Symbole der Spielfarben von Kartenspielen stellte und krönte den Turm selbst als Giorgio-de-Chirico-Zitat mit nostalgischen Bannern.
Auf dem Friedrichsplatz baute Mo Edoga den Signalturm der Hoffnung aus Strandgut und Resthölzern, diskutierte mit den Besuchern der documenta und erläuterte ihnen das Konzept des „Machens als Kunst“. Im Foyer des Fridericianums wurden die Ants (Ameisen) von Peter Kogler gezeigt, einige Schritte weiter Bruce Naumans Videoinstallation Anthro/Socio – Rinde Spinning. Thomas Schüttes lebensgroße Keramik-Skulptur Die Fremden war auf dem Altan des Roten Palais platziert. Charles Ray befasste sich mit der Selbstbeschäftigung der Kunst mit der Kunst und dem Künstler (und zurück) und thematisierte den Narzissmus des Künstlers und des Kunstbetriebs.
Die Documenta IX und ihre über 1.000 Kunstwerke waren entgegen den Erwartungen und Stellungnahmen der etablierten Kunstkritik hinsichtlich der öffentlichen Wirksamkeit nachhaltig erfolgreich.
„Kunst ist eine Haltung, die hervorgeht aus dem Widerstand gegen jede Art autoritärer Ambitionen.“ (Jan Hoet)
Nachstehend sind 193 (von 195[1]) der teilnehmenden Künstler aufgelistet.
Die Fremden (oder: „Die Ankunft“) von Thomas Schütte (Keramik, glasiert, die Figuren in Lebensgröße) - Ort: Friedrichsplatz, Altan des ehemaligen Roten Palais (Modehaus SinnLeffers) - Teilkunstwerk – der Rest der ursprünglichen Gruppe „Die Fremden“ befindet sich in Lübeck über dem Eingang der Musik- und Kongresshalle.
Raumskulptur (Ziegelsichtmauerwerk: 8,75 m × 10,74 m × 3,99 m) von Per Kirkeby - Ort: Du-Ry-Straße, unterhalb der documenta-Halle
This Stone Is From The Mountain / This Stone Is From The Red Palace (Sandstein, in 2 Teilen. Je ca. 50 cm × 50 cm × 50 cm) von Jimmie Durham - Ort: Karlsaue, Gustav-Mahler Treppe
Three to One (Klanginstallation) von Max Neuhaus - Ort: AOK-Gebäude (Treppenhaus), Friedrichsplatz
Zur documenta IX wurden acht verschiedene Editionen, zusammengestellt aus je sechs nummerierten und signierten Grafiken verschiedener Künstler herausgegeben. Die Grafiken waren in eine Sammelmappe eingelegt. Jede Edition erschien in einer Auflage von 50 Exemplaren. Die Grafiken hatten ein maximales Format von 53 × 76 cm. In der Edition F waren nur fünf Künstler vertreten, da der Künstler Lothar Baumgarten seine Grafik nicht realisieren konnte.
Documenta IX: Kassel, 13. Juni – 20. September 1992 – Katalog in drei Bänden; Stuttgart 1992, ISBN 3-89322-380-0 (deutsch) / ISBN 3-89322-381-9 (englisch).
Documenta IX Kurzführer | Guide; Stuttgart 1992.
Kunstforum international, Band 119 Die Documenta als Kunstwerk, Ruppichteroth 1992.
Kulturamt der Stadt Kassel/documenta Archiv (Hrsg.) / CIS GmbH (Prod.); CD: Documenta 1-9 – Ein Focus auf vier Jahrzehnte Ausstellungsgeschichte / Profiling four decades of exhibition history - 1955-1992; Kassel/Würzburg 1997, ISBN 3-89322-934-5.