Colistin

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Colistin

Colistin (auch Polymyxin E) ist ein Antibiotikum aus der Gruppe der Polymyxine. Das 1950 erstmals von S. Kayama aus Bacillus colistinus[3] gewonnene Polymyxin steht seit 1959 zur Therapie zur Verfügung.[4]

Schnelle Fakten Strukturformel, Allgemeines ...
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Colistin
Andere Namen

Polymyxin E

Summenformel C52H98N16O13
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5311054
DrugBank DB00803
Wikidata Q418946
Arzneistoffangaben
ATC-Code

J01XB01
A07AA10

Wirkstoffklasse

Polypeptid-Antibiotikum

Wirkmechanismus

Störung der Permeabilität der Zellmembran

Eigenschaften
Molare Masse 1155,43 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 301+310[1]
Toxikologische Daten

236 mg·kg−1 (LD50, Maus, i.p.)[2]

Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0°C, 1000 hPa).
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Anwendung

Colistin wurde wegen seiner Toxizität bei systemischer Anwendung lange hauptsächlich lokal als Salbenzusatz, oral zur Darmbehandlung oder als Aerosol zur Inhalationstherapie eingesetzt, insbesondere bei Mukoviszidose mit chronischer Pseudomonas-Besiedelung.[5]

Für die parenterale systemische Therapie beim Menschen gibt es seit dem Jahr 2012 in Deutschland wieder zugelassene Fertigarzneimittel.[6] Hintergrund für die Renaissance des als vor allem nephrotoxisch geltenden Antibiotikums[7] ist das gehäufte Auftreten Carbapenem-resistenter Enterobakterien (sogenannte „CRE“; derzeit vor allem in den USA, Israel, Griechenland, Türkei und nordafrikanischen Ländern). Die Therapieoptionen für CRE sind meist beschränkt auf Colistin, Fosfomycin und Tigecyclin.[8]

Auch in der Tiermedizin wird der Wirkstoff bei Schweinen und Rindern mit schweren Septikämien parenteral angewendet.[9] Im mikrobiologischen Labor wird die Substanz in Nährböden zur Selektion grampositiver Bakterien eingesetzt (häufig in Kombination mit Nalidixinsäure), da Colistin das Wachstum vieler gramnegativer Bakterien hemmt, nicht jedoch das grampositiver Bakterien.

Analytik

Da Colistin als Reserveantibiotikum gilt, ist der sichere qualitative und quantitative Nachweis der Substanz von besonderer Bedeutung. Für den zuverlässigen Nachweis in Plasma und Urin stehen heute die Kopplungen der HPLC mit der Massenspektrometrie nach hinreichender Probenvorbereitung zur Verfügung.[10][11] Für sehr komplexe Untersuchungsmaterialien, wie z. B. Schweineexkremente sind besonders aufwändige Vorbereitungen erforderlich.[12] Auch für die Untersuchung von Muskelgewebe stehen hochspezifische Nachweise mit angemessener Probenvorbereitung zur Verfügung.[13]

Wirkungsmechanismus

Colistimethat-Natrium (CMS) ist ein so genanntes Prodrug, welches nach parenteraler Applikation zunächst durch Hydrolyse in die pharmakologisch aktive Colistin-Base umgewandelt wird. Aus 80 mg CMS (= 1 Mio. I.E.). werden ca. 33 mg Colistin-Base freigesetzt.[14] Colistin wirkt über eine Schädigung der äußeren Membran auf gramnegative Bakterien.[15]

Mit Polymyxin B besteht eine Kreuzresistenz.

Resistenz

Colistin gilt als Reserveantibiotikum für die Behandlung von multiresistenten Acinetobacter baumannii. Auf Intensivstationen werden immer häufiger Resistenzen beschrieben, wobei es weltweit keinen einheitlichen Grenzwert (MHK) für die Resistenzbeschreibung gibt.[16][17][18] Eine Form der Resistenz wurde zunächst in Nutztieren,[19][20] inzwischen aber auch in menschlichen E. coli-Bakterien gefunden.[21] Ausgelöst wird die Resistenz durch das Gen MCR-1.

Nebenwirkungen

  • Neuro- und Nephrotoxizität insbesondere bei systemischer Anwendung. Die Nephrotoxizität ist besonders ausgeprägt bei Personen mit niedrigen Werten von Serumalbumin.[22]
  • Kontaktdermatitis bei Anwendung als Salbe
  • Asthmaanfälle bei Inhalation

Wechselwirkungen

Verstärkung der Nebenwirkungen mit nephrotoxischen Wirkstoffen (etwa Aminoglykosiden, Vancomycin und Schleifendiuretika) und Wirkstoffen mit neuromuskulärer Blockade (wie Muskelrelaxantien)

Gegenanzeigen

Überempfindlichkeit gegen Colistin oder Polymyxin B.

Bei Nierenschäden ist eine Dosisanpassung (anhand der gemessenen Kreatinin-Clearance) notwendig.

Rechtliches

Colistin ist verschreibungspflichtig und damit auch apothekenpflichtig.

Handelsnamen

Humanmedizin:

  • Zur oralen Gabe: Diarönt mono (D), als Generikum (D, CH)[23][24]
  • Zur Inhalation: Colistin CF (D), Promixin (D), ColiFin (D), Colistineb (D)[23]
  • Zur i.v.-Gabe: Promixin (D), Colistimethat-Natrium INFECTOPHARM 1 Mio. I.E. (D)[23]
  • Zur Inhalation und i.v.-Gabe: ColistiFlex (D)[23]

Tiermedizin: Animedistin, Belacol, Carbophen, Coliplus, Colipur, Colivet, Enteroxid, Klato Col, Colistinsulfat 100%

Literatur

  • M. E. Falagas, S. K. Kasiakou, S. Tsiodras, A. Michalopoulos: The use of intravenous and aerosolized polymyxins for the treatment of infections in critically ill patients: a review of the recent literature. In: Clin Med Res. Band 4, Nr. 2, Juni 2006, S. 138–146, PMID 16809407, PMC 1483888 (freier Volltext).
  • M. E. Falagas, S. K. Kasiakou: Toxicity of polymyxins: a systematic review of the evidence from old and recent studies. In: Crit Care. Band 10, Nr. 1, Februar 2006, S. R27, doi:10.1186/cc3995, PMID 16507149, PMC 1550802 (freier Volltext).

Einzelnachweise

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