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Adelsgeschlecht Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Castell oder Grafen von Castell sind ein fränkisches Adelsgeschlecht und regierten von 1202 bis 1806 die Grafschaft Castell, eine reichsständische Grafschaft im Fränkischen Reichskreis. Sie gehören somit als ehemals im Heiligen Römischen Reich reichsunmittelbar regierende Grafen und spätere bayerische Titular-Fürsten dem Hohen Adel an. Die beiden Hauptlinien besitzen bis heute die Familiengüter der ehemaligen Teilgrafschaften Castell und Rüdenhausen in Unterfranken.
Das Adelsgeschlecht Castell lässt sich über die Besitzgeschichte wahrscheinlich bis zum ostfränkischen Grafengeschlecht der Mattonen zurückverfolgen.[1] Zum Hause Castell gehören die älteste Privatbank Bayerns und eines der ältesten deutschen Weingüter.
Urkundlich erschien es vermutlich bereits am 3. März 1057 mit „Rubbrath“ (Rupert)[2] und nannte sich ab 1091 nach dem Stammsitz „de Castello“. 1202/5 wurde das Geschlecht in den Reichsgrafenstand erhoben. Es hatte das Geleitrecht auf der Straße von Kitzingen bis zur Bubeneiche (in Richtung Neustadt an der Aisch) und auf der gesamten Straße von Würzburg nach Bamberg.
Seit 1168 waren die Grafen zu Castell Erbschenken im Hochstift Würzburg. Da der Fürstbischof von Würzburg später in seiner großen Titulatur sich auch „Herzog in Franken“ nannte, war im Barock der Schenkentitel des jeweiligen Oberhauptes der Grafen zu Castell erweitert zu „des Hochstifts Würzburg und Herzogthums zu Franken Ober-Erbschenk“.[3]
Dem Adelsgeschlecht gelang es auch im Laufe des 12. Jahrhunderts einen eigenen Dienstadel aufzubauen, der aus mehreren ministerialen-Familien in der Grafschaft bestand. Ältestes dieser Geschlechter ist die Familie von Wiesenbronn mit Sitz im gleichnamigen Dorf.
Burghaslach (die Burg Haselach) wurde von Gottfried III. von Hohenlohe, Bischof von Würzburg von 1314 bis 1322, als Lehen an die Grafen von Castell gegeben. 1398 verlieh König Wenzel Graf Wilhelm I. das Münzrecht und die Grafen richteten in Volkach die Castell’sche Münzstätte ein. 1457 wurde die Grafschaft Castell aufgrund wirtschaftlicher Probleme Wilhelms II. zum Afterlehen des Hochstifts Würzburg, konnte aber in der Folge ihre Reichsstandschaft bewahren.
In den Jahren 1546 bis 1559 führten die Castell die Reformation in der Grafschaft ein. Graf Georg II. (1527–1597) bezog nach der Teilung der Grafschaft im Jahre 1546 zeitweilig das alte Schloss in Rüdenhausen ein und wählte 1556 das Wasserschloss Rüdenhausen als ständigen Wohn- und Regierungssitz. Damit war die Linie der Grafen Castell-Rüdenhausen begründet. Graf Konrad blieb in Castell, Heinrich IV. (1525–1595) übernahm das mütterliche Erbe (Teile der Grafschaft Wertheim) und baute nach dem 1556 erfolgten Aussterben des männlichen Stammes des Grafenhauses Wertheim[4] in Remlingen ein neues Schloss.
Georg II. von Castell-Rüdenhausen und Heinrich IV. von Castell-Remlingen unterzeichneten 1579 die Konkordienformel von 1577 und das Konkordienbuch von 1580.[5]
Da weder Konrad noch Heinrich männliche Nachkommen hatten, wurde die Grafschaft 1597 erneut geteilt zwischen den Söhnen von Georg II.: Wolfgang II. (Castell-Remlingen) und Gottfried (Castell-Rüdenhausen).
1783 wurde das Wasserschloss Breitenlohe erworben, das bis 1942 im Besitz der Familie blieb.
1803 starb die Linie Castell-Rüdenhausen aus. Zwei Brüder der Linie Castell-Remlingen gründeten die neuen Linien Castell-Castell (Albrecht-Friedrich Carl) und Castell-Rüdenhausen (Christian Friedrich).
Nach den Napoleonischen Kriegen wurde die Grafschaft Castell 1806 mediatisiert und in das Königreich Bayern eingegliedert. Die bisherigen Landesherren wurden zu erblichen „Reichsräten der bayrischen Krone“ ernannt und nahmen bis 1918 (Ende des Königreichs Bayern) an der Gesetzgebung teil. Bereits vor 1900 standen viele Vertreter des Gesamtgeschlechts in wirtschaftlich besten Verhältnissen.[6] 1901 wurden die Castell-Castell und die Castell-Rüdenhausen anlässlich des 80. Geburtstags des Prinzregenten in den erblichen bayerischen Fürstenstand erhoben, das jeweilige Familienoberhaupt der beiden Linien führt seitdem den Erstgeburtstitel Fürst.
Mit dem Artikel 109 WRV (Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919) wurde festgelegt, dass die öffentlich-rechtlichen Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufzuheben sind. Die ehemaligen Adelsbezeichnungen wurden als Titel abgeschafft und sind seither nur noch Teil des Familiennamens. In der Monarchie übliche Erstgeburtstitel wie hier Fürst oder Nachfolgetitel wie hier Erbgraf sind keine Namensbestandteile. Der reguläre und bürgerliche Familienname lautet seit der Abschaffung der Monarchie hier Graf bzw. Gräfin zu Castell-Castell oder Graf bzw. Gräfin zu Castell-Rüdenhausen. Dennoch bezeichnen sich die jeweiligen Chefs der Linien der Tradition folgend als Fürst zu Castell-Castell bzw. Fürst zu Castell-Rüdenhausen und die ältesten Söhne als Erbgraf. Die Anreden Durchlaucht oder Erlaucht werden zwar weiterhin von manchen Kreisen der Gesellschaft als Höflichkeitsform verwendet, sind jedoch seit der Abschaffung der Monarchie ohne rechtliche Relevanz.
1932 erbte Wolfgang Graf zu Castell-Castell (1877–1940) das oberschlesische Schloss Groß Strehlitz, das seinem Sohn Prosper zu Castell-Castell (1922–1989) dann 1945 enteignet wurde. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten in den 1930er und 1940er Jahren fügte sich die seit 1774 bestehende Fürstlich Castell’sche Bank in das neue politische und wirtschaftliche System ein. Man stuft heute, nach eigenen Angaben, das Verhalten der Bank gegenüber ihren jüdischen Kunden zwar nicht als aggressiv ein, jedoch war es auch nicht durch besonderes Mitgefühl für die Schwere des Schicksals ihrer jüdischen Mitbürger gekennzeichnet.[7] Die politische Haltung der Familie war den Nationalsozialisten gegenüber sehr zugeneigt und man kann sie als linientreu gegenüber dem System und dessen Werten beschreiben. Carl Fürst zu Castell-Castell trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und stieg 1935 zum Reiterführer der SA-Gruppe Franken auf.[8][9] Die Söhne Albrecht und Philipp traten dem Jungvolk bei und nahmen an Veranstaltungen der Hitlerjugend teil. Laut eigenen Angaben bewunderte Albrecht bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein die Perfektion und Aggression von Hitlers Staatsapparat und Außenpolitik. Die Haltung des Vaters Carl Fürst zu Castell-Castell gegenüber Juden war eine ablehnende.[10] Als er 1939 als Reserveoffizier eingezogen wurde, taten es die beiden Söhne Albrecht und Philipp dem Vater gleich und zogen ebenfalls in den Krieg. Albrecht kehrte 1945 aus dem Krieg zurück; sein Bruder und sein Vater fielen. Fast 50 Jahre nach dem Krieg bemühte sich Albrecht von Castell-Castell um Versöhnung und öffnete die historischen Archive des Bankhauses. Er ermöglichte es so, das Schicksal von 163 seiner jüdischen Kunden aufzuklären. Nur wenige überlebten in Deutschland.
Vor einigen Jahren machte das Haus Castell-Castell neben dem Angebot von Weinen auch verstärkt mit seiner konservativen Einstellung auf sich aufmerksam. So sprach sich Albrecht Fürst zu Castell-Castell 2011 öffentlich gegen die Besetzung von kirchlichen Ämtern mit Frauen aus. Er lehnte das Zusammenleben von homosexuellen Seelsorgern in evangelischen Pfarrhäusern ab und sprach in diesem Zusammenhang von einer Gegenbewegung zur bayerischen Landeskirche nach Vorbild der Bekennenden Kirche im Dritten Reich.[11][12]
Die Familie teilte sich 1803 in die zwei protestantischen Linien Castell-Castell und Castell-Rüdenhausen, von letzterer spaltete sich 1898 die Nebenlinie Faber-Castell ab.
Stammvater: Graf Albrecht Friedrich Karl zu Castell (* 2. Mai 1766 in Remlingen; † 11. April 1810 in Castell), Sohn des Grafen Christian Friedrich Karl zu Castell-Remlingen (1733–1773). Graf Friedrich Carl (1864–1923) wurde 1901 in den bayerischen Fürstenstand (mit der Anrede Durchlaucht) erhoben. Ihm folgte, aus seiner Ehe mit Gertrud Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, sein Sohn Carl (1897–1945), diesem – der im Zweiten Weltkrieg fiel – aus seiner Ehe mit Anna-Agnes Prinzessin zu Solms-Hohensolms-Lich, sein Sohn, Albrecht zu Castell-Castell (1925–2016), verheiratet mit Maria Luise Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont. Heutiger Chef des Hauses ist dessen jüngster Sohn Ferdinand (* 1965), verheiratet mit Marie-Gabrielle Gräfin von Degenfeld-Schonburg.
Graf Otto (1868–1939), Bruder des ersten Fürsten, stiftete den jüngeren Zweig, ansässig auf dem Forstgut Hochburg in Hochburg-Ach, Oberösterreich.
Stammvater: Graf Christian Friedrich zu Castell (1772–1850), Sohn des Grafen Christian Friedrich Karl zu Castell-Remlingen (1733–1773). Graf Wolfgang (1830–1913) wurde 1901 in den bayerischen Fürstenstand erhoben. Aus seiner Ehe mit Emma Prinzessin zu Ysenburg und Büdingen folgte ihm der Sohn Casimir (1861–1933), verheiratet mit Mechtild Gräfin van Aldenburg Bentinck, diesem sein ältester Sohn Rupert (1910–1944), der im Zweiten Weltkrieg unverheiratet vermisst blieb, diesem sein Bruder Siegfried (1916–2007), verheiratet mit Irene Gräfin zu Solms-Laubach, diesem sein Sohn Johann-Friedrich (1948–2014) und diesem, aus seiner Ehe mit Maria Gräfin von Schönborn-Wiesentheid, der heutige Linienchef Otto zu Castell-Rüdenhausen (* 1985),[13][14] verheiratet mit Sophia Mautner von Markhof.[15]
Graf Christian (1952–2010), jüngerer Bruder des Fürsten Johann-Friedrich, wurde von seiner Großtante Marie Amélie Baronin van Heeckeren van Wassenaer, geb. Gräfin van Aldenburg Bentinck (1879–1975), als Administrator ihrer 1953 errichteten Familienstiftung Schloss Twickel bei Delden (Niederlande) eingesetzt, wo seine Familie seither lebt.
Stammvater: Alexander Graf zu Castell-Rüdenhausen heiratete 1898 Ottilie Freiin von Faber, Tochter des Bleistiftfabrikanten Wilhelm Freiherr von Faber, Nachfahre des Unternehmensgründers Kaspar Faber. Mit königlich bayerischer Bewilligung erfolgte die Umbenennung des Familiennamens in Graf von Faber-Castell und damit die Begründung einer eigenen, als morganatisch (nicht-dynastisch) betrachteten Familie. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Diese Nebenlinie hat ihren Sitz im Faberschloss in Stein (Mittelfranken). Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell stand dem Unternehmen bis 2016 vor. Der Sohn Graf Alexanders aus einer zweiten Ehe mit Margit Gräfin Zedtwitz, erhielt den Geburtsnamen des Vaters und gehörte damit auch offiziell dem Haus Castell an; dieser Radulf Graf zu Castell-Rüdenhausen (1922–2004) war kinderlos und besaß das Schloss Schwanberg. Das Schloss wurde nach seinem Tode verkauft und befindet sich heute im Besitz der evangelischen Communität Casteller Ring.
Besitz der ehemaligen Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell:
Das Wappen ist (Scheiblersches Wappenbuch) von Silber und Rot geviert. Auf dem gekrönten Helm mit rot silbernen Decken, ein rot-silbern gevierter Stulphut, der mit einem Pfauenspiegel besteckt ist.[18]
(Hinweis: Die fränkischen Ritter Schott von Schottenstein führten als Lehnsleute der Casteller das gleiche Wappen mit anderer Helmzier.)
Die fränkischen Grafen und Fürsten zu Castell sind nicht zu verwechseln mit den:
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