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deutsche Historikerin Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bianka Rita Pietrow-Ennker (* 13. August 1951 in Treysa/Hessen) ist eine deutsche Osteuropahistorikerin.
Bianka Pietrow wurde im nordhessischen Treysa (Kreis Ziegenhain; heute ein Ortsteil von Schwalmstadt) geboren. Nach dem Abitur an der Jacob-Grimm-Schule in Kassel 1970 studierte sie Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Russistik und Pädagogik an der Universität Marburg. Während dieser Zeit erhielt sie u. a. ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. Für diese Stiftung war sie von 1979 bis 1983 als freie Mitarbeiterin im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik tätig.
1988 heiratete sie den Historiker Benno Ennker und führt seitdem den Namen Pietrow-Ennker.
Bekannt wurde B. Pietrow mit ihrer Dissertation Stalinismus – Sicherheit – Offensive. Das Dritte Reich in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik 1933 bis 1941, die 1983 veröffentlicht wurde.[1] Zum ersten Mal in der historischen Forschung wurden darin unterschiedliche Quellenbestände aus Deutschland, der Sowjetunion und Großbritannien systematisch untersucht, um das zeitgenössische stalinistische Verständnis über den Nationalsozialismus und dessen Russlandpolitik sowie den Verlauf der sowjetischen Deutschlandpolitik zu analysieren, der sich auch in den sowjetisch-britischen Beziehungen spiegelte. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Zeit des sog. „Hitler-Stalin-Paktes“ vom 23. August 1939 bis zum 22. Juni 1941, dem Tag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, gewidmet. Dabei führte Bianka Pietrow die Dimensionen der deutsch-sowjetischen Kooperation, die sich gegen die ostmitteleuropäischen Staaten, besonders Polen, sowie die Westalliierten richtete, auf politischem, militärischem, ökonomischem und kulturellem Gebiet zusammen und ordnete zudem die Rolle der Kommunistischen Internationale, ihre Theoriebildung und ihre politische Praxis der sowjetischen Außenpolitik zu. Seit dieser Zeit vertritt sie die These, die sowjetische Außenpolitik unter Josef Stalin sei wesentlich von einem starken Sicherheitsinteresse geprägt gewesen; nur in dessen Rahmen sei es zu einer Wiederbelebung russischer imperialer Politik gekommen.
Von 1981 bis 1983 war Bianka Pietrow als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Zeitgeschichte an der Universität Kassel tätig, von 1983 bis 1988 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. In der breiteren Öffentlichkeit wurde sie damals vor allem bekannt, als sie den „kleinen Historikerstreit“ mitgestaltete und sich dabei gegen die These wandte, Hitlers Angriff auf die Sowjetunion sei erfolgt, um Stalin zuvorzukommen. Dieser Schwerpunkt führte u. a. zur Herausgabe ihres Buches Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Im Anschluss bekleidete sie am Tübinger Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde eine Stelle als Wissenschaftliche Assistentin. In dieser Zeit wechselte sie von Problemen sowjetischer Außen- und Kriegspolitik zur Problematik der osteuropäischen Frauen- und Frauenbewegungsforschung.
Sie habilitierte sich 1994 mit einer von Dietrich Geyer betreuten Arbeit über die Entwicklung der russischen Frauenbewegung von den 1860er Jahren bis zur Oktoberrevolution an der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen.[2] 1995 wurde sie zur Professorin für Osteuropäische Geschichte an der Universität Konstanz berufen, wo sie bis heute forscht und lehrt. Sie führte dort die vergleichende Frauenbewegungsgeschichte fort. Dieser Forschungsbereich wurde durch die erste internationale Konferenz dieser Art und eine nachfolgende Publikation über einen europäischen Vergleich der frühen Frauenemanzipationsbewegungen abgeschlossen.
Im Rahmen ihrer Mitarbeit im Konstanzer Sonderforschungsbereich „Norm und Symbol. Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration“ von 2000 bis 2006 weitete sie ihre historische Forschung über die Entstehung zivilgesellschaftlicher Strukturen im Russischen Reich, zu der sie auch die Frauenemanzipationsbewegung rechnete, auf die Anfänge des modernen Unternehmertums und die Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit im Osten Europas aus. Parallel dazu kooperierte sie in einem wissenschaftlichen Projekt über „Stadt und Modernisierung im Osten Europas“ mit der Universität Zürich (Carsten Goehrke).
Die Gründung des Exzellenzclusters der Universität Konstanz „Kulturelle Grundlagen von Integration“ gab ihr die Möglichkeit, sich seit 2007 als Mitglied und Projektleiterin zu beteiligen. Im Forschungsfeld der „Transkulturellen Hierarchien“ befasste sie sich mit den Reichweiten von Integration des Russischen Imperiums. Seither bestimmen kulturwissenschaftliche Fragestellungen stark die Themen der Inter- und Transnationalen Geschichte, die sie und ihr Kreis wissenschaftlicher Nachwuchskräfte verfolgen.
Seit April 2017 ist sie als emeritierte Professorin der Universität Konstanz vorwiegend wissenschaftlich tätig.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Internationale Geschichte, besonders sowjetische/russische Außen- und Sicherheitspolitik, deutsch-sowjetische/russische Beziehungen, Geschichte der polnischen Außenpolitik, Probleme des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa, russische und polnische Geschlechtergeschichte, Frauenbewegungsgeschichte im europäischen Vergleich, vergleichende Modernisierung und Stadtentwicklung im Osten Europas sowie Aspekte osteuropäischer Sozial- und Kulturgeschichte.
Durch ihre Berufung an die Universität Konstanz 1995 wurde sie eine der ersten Professorinnen der Bundesrepublik Deutschland im Fachgebiet Osteuropäische Geschichte. Mit ihren breit gefächerten Publikationen hat sie sich seit dem Erscheinen ihrer Dissertation zu Deutschland in der Konzeption sowjetischer Außenpolitik 1933–1941 internationales Renommee erworben.
Unter den vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten von Bianka Pietrow-Ennker sind insbesondere die Mitgliedschaft in der Gemeinsamen Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen (2003–2014) zu nennen, bei der sie auch als Projektbetreuerin einer umfangreichen Quellenedition zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1933–1941 fungierte. Ferner war sie von 2005 bis 2011 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Historischen Instituts Warschau, 2009–2011 dort die Beirats-Vorsitzende, von 2014 bis 2019 Beiratsmitglied und deutsche Koordinatorin der internationalen Sommerschule Polin Meeting Point am Museum der Geschichte der polnischen Juden „Polin“ in Warschau. Sie war zudem langjährige Leiterin der Zweigstelle Konstanz der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde. Seit 1999 ist sie als Bevollmächtigte des Rektors für die Universitätspartnerschaft mit der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität, Moskau, tätig sowie als Vertrauensdozentin und Mitglied des Auswahlausschusses des Solidaritätsfonds der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ihre Lehre und Forschung war seit einer Kooperationsvereinbarung mit der Universität Zürich (2013) darauf ausgerichtet, die Osteuropäische Geschichte beider Universitäten miteinander zu vernetzen.
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