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Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Glatz (auch Kloster Mons Mariae Glatz, tschechisch Klášter augustiniánů kanovníků v Kladsku, lateinisch Monasterium regularium Mons Mariae Glacii) wurde 1349 vom ersten Prager Erzbischof Ernst von Pardubitz in der Stadt Glatz gegründet. Zugleich erteilte er der zugehörigen Stiftskirche das Patrozinium Mariae Verkündigung. Sie wurde durch die Bauhütte des Prager Dombaumeisters Peter Parler errichtet.[1]
Das Stift lag am Abhang des Burgberges und wurde historisch als „Thumstift“ bzw. „Thumkirche“ bezeichnet.[2] Es wurde zu einem bedeutenden kulturellen humanistischen und Bildungszentrum in Böhmen und darüber hinaus. Wegen der Auswirkungen der Reformation wurde es 1595 auf Betreiben des letzten Stiftspropstes Christoph Kirmeser durch Papst Clemens VIII. an die Jesuiten übergeben. Nach der Schlacht am Weißen Berg wurden die Stiftsgebäude und die Stiftskirche 1620/21 weitgehend zerstört und nicht wiederaufgebaut. Der Untergang des Stifts hatte keine wirtschaftlichen Ursachen; es waren die Folgen der Reformation, die zum Verlust der geistigen Lebensgrundlagen führten.
Die Geschichte des Stifts erschließt sich aus der Stiftschronik Cronica Monasterii Canonicorum Regularium (S. Augustini) in Glacz, die vom Propst Michael Czacheritz verfasst und nach seinem Tod 1489 weitergeführt wurde. Die 1980 wiederaufgefundene lateinisch verfasste Originalhandschrift wurde 2003 gedruckt[3].
Ernst/Arnestus von Pardubitz, der spätere Erzbischof von Prag, verbrachte seine Kindheit in Glatz, wo er die Johanniterschule besuchte und wo sein gleichnamiger Vater Ernst d. Ä. Burggraf war. Ernst war ein großer Verehrer der Jungfrau Maria und erlebte als Kind eine Marienerscheinung in der Glatzer Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Vermutlich deshalb gründete er am 25. März 1349, dem Fest der „Mariae Verkündigung“ unterhalb des damaligen Glatzer Schlosses eine Propstei der „Regulierten Thumherren des Ordens St. Augustini“ (Augustiner-Chorherren), die er wegen ihrer dezentralen Organisation bevorzugte. Die materielle Fundierung des Klosters, an der sich auch seine Brüder Smil und Wilhelm von Pardubitz beteiligten, erfolgte am 5. Februar 1350. An diesem Tag bestätigte der Glatzer Landeshauptmann Albrecht von Krenowitz die Stiftungen, für die Ernst und seine Brüder von den einheimischen Adeligen Renzo und Nikolaus von Glaubitz die Güter Nieder- und Oberschwedeldorf, die damals noch eine Einheit unter der Ortsbezeichnung „Schweidlersdorf“ bildeten, sowie „Bertholdisdorf“ / Barzdorf, später Altbarzdorf und zweieinhalb Hufen in „Isenrichsdorf“ / Eisersdorf erwarben und sie dem Stift schenkten.[4] Nach der Einweihung durch Erzbischof Ernst am 25. März 1350 erteilte der böhmische und römisch-deutsche König Karl IV. (ab 1355 Kaiser) am 23. Oktober 1350 dem Stift umfangreiche Privilegien und Rechte. Wegen dieser kam es zu Auseinandersetzungen mit den Freirichtern von Niederschwedeldorf und „Bertholdisdorf“, deren Rechte dadurch geschmälert wurden, dass ihre Güter nicht mehr dem Freirichtergericht, sondern der Gerichtsbarkeit des Stifts unterstanden. Der Streit wurde erst 1366 im Auftrag des Kaisers Karl IV. durch den Burggrafen von Glatz beigelegt.
Für die Ausstattung der Stiftskirche („Thumkirche“) mit sechs Jochen schenkte Erzbischof Ernst u. a. für den Flügelaltar das Gemälde der Glatzer Madonna. Es ist eines der berühmtesten Tafelbilder der damaligen Zeit und wurde vermutlich vom Meister von Hohenfurth geschaffen. Besiedelt wurde das Stift, das für zwölf Kanoniker vorgesehen war, mit Chorherren aus dem Augustiner-Chorherrenstift Raudnitz. Dieses war im Jahre 1333 vom Prager Bischof Johann IV. von Dražice gegründet worden und zeichnete sich durch einen besonderen Reformeifer aus. Erster Propst wurde 1350 der ebenfalls aus Raudnitz stammende Chorherr Johannes I., der bis 1382 amtierte.
Zur finanziellen Ausstattung schenkte Erzbischof Ernst dem Stift 1352 das Gut Kostomlat sowie weitere Dörfer in Mittelböhmen zwischen Raudnitz und Mělník. König Karl IV. bestätigte die Schenkung am 5. Januar 1352, und am 27. Januar 1354 folgte aus Avignon die Bestätigung durch Papst Innozenz VI. über die Inkorporation der Kostomlater Pfarrkirche in das Glatzer Chorherrenstift.[5] Kostomlat ging dem Stift jedoch während der Hussitenkriege verloren.
Um nicht die Schule der Glatzer Johanniter zu gefährden, die er selbst besucht hatte, verbot Erzbischof Ernst den Chorherren eine weitere Schulgründung in Glatz. Trotzdem erhielten sie 1365 von seinem Nachfolger Johann Očko von Wlašim bei dessen Aufenthalt in Glatz die Genehmigung für eine Lateinschule, mit der ein Konvikt verbunden war und die zunächst von 16 Glatzer Bürgerkindern besucht werden durfte. 1378 erließ der damalige Pfandherr der Grafschaft Glatz, Jobst von Mähren, dem Stift auf mehreren Gütern die Steuern, und 1385 verkaufte ihnen der Rat der Stadt ein Malzhaus.
Mit dem Chorherrenstift erlangte Glatz eine überregionale Bedeutung sowohl im religiösen als auch im kulturellen Bereich. Glatzer Kanoniker wurden auf Führungspositionen in andere Chorherrenstifte berufen, so z. B. der Saganer Propst Matthias I. von Pitschen, der dort von 1390 bis 1394 amtierte. Der erste Glatzer Propst Johannes († 1382) verfasste einen zweibändigen Psalmenkommentar, und auch andere Glatzer Kanoniker waren schriftstellerisch tätig. Auch für den Aufbau neuer Stifte wurden sie herbeigerufen. 1405 wurde das Augustiner-Chorherrenstift Kazimierz bei Krakau mit Raudnitzer und Glatzer Chorherren besiedelt, für das vorher im Glatzer Skriptorium ein dreisprachiger Psalter entstand, der erst 1827 in der Bibliothek des St.-Florian-Stifts entdeckt wurde und seither unter der Bezeichnung Florianer Psalter bekannt ist.
Auf Bitten des Herzogs Albrecht V. von Österreich war der Glatzer Augustiner Andreas an der Gründung von St. Dorothea in Wien sowie am Ausbau des Stiftes Dürnstein beteiligt. Dort wurde er 1416 zum Prior und ein Jahr später zum Propst gewählt und erbat anschließend zwei Kanoniker aus Glatz. Der Glatzer Pfandherr Hynek Kruschina von Lichtenburg unterstützte das Glatzer Stift und wurde deshalb 1454 in der Stiftskirche beigesetzt. Wegen der durch die Hussitenkriege verursachten Verwüstungen veranlassten Heinrich d. Ä. und dessen Gemahlin Ursula von Brandenburg 1477 eine Renovierung des Stiftsgebäudes und zugleich den Bau des Refektoriums.
Zu einem Niedergang des Stifts kam es während der Reformation im 16. Jahrhundert. Vermutlich deshalb ernannte Erzbischof Martin Medek von Müglitz 1584 den ehemaligen Lehrer der Neisser Stadtschule, Christoph Kirmeser, zum Propst des Glatzer Augustinerstifts, der allerdings nicht dem Orden angehörte. Er setzte sich für die Gegenreformation ein, hatte jedoch in der damals überwiegend lutherischen Stadt wenig Erfolg damit. Schon vor 1590 versuchte er vergeblich, den Erzbischof für eine Übergabe des Stifts an die Jesuiten zu gewinnen, da er nicht mehr in der Lage sei, dieses gegen die Angriffe „der Lutheraner, Kalviner und Schwenckfelder“ zu behaupten. Nachdem sein Ansinnen auch von Medeks Nachfolger Zbynko Berka von Duba und Leipa abgelehnt worden war, wandte er sich mit Unterstützung der Jesuiten unmittelbar an den Papst, von dem Kirmeser 1594 zur Resignation aufgefordert wurde.
Am 9. März 1595 löste Papst Clemens VIII. die Ordensgemeinschaft der Glatzer Augustiner-Chorherren auf und übergab deren Besitzungen den Jesuiten. Die verbliebenen Augustinermönche sollten von anderen Stiften des Ordens aufgenommen werden. Nachdem Kaiser Rudolf II. als böhmischer Landesherr der päpstlichen Entscheidung zustimmte, musste auch der Prager Erzbischof seinen Widerstand aufgeben. Am 28. September 1597 übergaben zwei Kaiserliche Räte und der Prager Propst Leopold Popel von Lobkowitz das Stift dem Jesuitenorden.
Die Glatzer Stände und die Stadt Glatz, die vom Kaiser die Zurückberufung der Augustiner-Chorherren verlangten, wurden nicht erhört. Enttäuscht äußerte sich in einem Brief vom 8. September 1597 auch Bischof Berka von Duba und Leipa: Er habe beabsichtigt, die Glatzer Augustinerpropstei zu einem Bischofssitz und den Augustinerpropst zu einem Suffragan von Prag zu ernennen. Damit dürfte auch Propst Kirmeser zu den Verlierern gehört haben. Er wurde zwar 1597 mit päpstlicher und kaiserlicher Hilfe Abt des Benediktiner-Klosters St. Lambrecht in der Steiermark, resignierte jedoch schon ein Jahr später, weil er dort auf Ablehnung stieß. 1598 wurde er Pfarrer in Sankt Lorenzen im Mürztal.
Bei der Auflösung des Augustinerstifts 1595 befanden sich noch sieben Konventualen in Glatz. Sie sollten in andere Chorherrenstifte aufgenommen werden oder die Seelsorge in den umliegenden Pfarreien übernehmen. Der Glatzer Chorherr Michael Winkler wurde zunächst Prior und 1605 Abt des Augustiner-Chorherrenstifts Prag-Karlshof.
Unter den Jesuiten wurde das vormalige Augustinerstift zum Glatzer Jesuitenkolleg umgebaut. Während des böhmischen Ständeaufstands wurden die Jesuiten 1618 aus Glatz vertrieben und die Gebäude des ehemaligen Stifts sowie die Stiftskirche bei den Kämpfen um Glatz nach der Schlacht am Weißen Berg 1622 zerstört und nicht wiederaufgebaut. Nach ihrer Rückkehr 1624 übernahmen die Jesuiten die an der Pfarrkirche gelegene Johanniterkommende, die sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Kolleg umbauten.
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