Ein Aquamanile (auch Aquaemanale, Aquimanile, Aquiminale und Aquiminarium) ist ein Gefäß zur Handwaschung, entweder bei liturgischen Handlungen (dann zumeist aus Metall) oder im weltlichen Bereich vor den Mahlzeiten (dann teilweise auch aus keramischem Material). Es existieren zoomorphe und anthropomorphe Gießgefäße. Dargestellt werden meist Tiergestalten und Fabelwesen, aber auch Ritter in voller Rüstung sind zu finden.
Persische Aquamanile existieren schon länger als jegliche zoomorphen Aquamanile, die bisher aus Europa bekannt sind. Ein iranisches (Abbasiden-Kalifat) Aquamanile in der Form eines Adlers ist das am frühesten datierende islamische Werk der Metallarbeit. Es datiert 180 d.H./796–797 n. Chr. Der Adler ist aus Bronze gegossen und mit Silber- und Kupfereinlagen verziert. Heute befindet er sich im Eremitage (Sankt Petersburg). Die genaue Herkunft des Werkes ist unbekannt und eine auf dem Gefäß angebrachte Inschrift gibt den Anstoß zu einer Vielzahl an Interpretationen. Eine Theorie besagt, dass das Aquamanile in Iraq oder Syrien gefertigt wurde, da die genutzte aufwendige Technik zur Verzierung mit Silber- und Kupfereinlagen zu dem Zeitpunkt der Fertigung nur in diesen Bereich bekannt war. Des Weiteren ist es möglich, dass das Aquamanile zu einem Zeitpunkt als Wetterfahne genutzt wurde. Dies wird aufgrund eines Loches zwischen den Krallen des Adlers angenommen, ist bisher allerdings nicht ausreichend belegt.[1]
Ursprungsbereich ist der Orient, durch Handel gelangten Aquamanile im frühen Mittelalter nach Europa und wurden assimiliert. Die ältesten Aquamanile hatten die Form eines menschlichen Kopfes, etwa ein Gefäß, welches im Aachener Dom aufbewahrt wird. In Westeuropa werden sie seit dem 12. Jahrhundert n. Chr. produziert.[2] Ihre Blütezeit hatten sie im Hoch- und Spätmittelalter.
Im Kloster Wienhausen ist eine Malerei im Gewölbe erhalten auf welcher zu sehen ist, wie Jesus Christus vor Pontius Pilatus geführt wird. Es ist eine Szene aus dem Evangelium nach Matthäus dargestellt, in welcher Pontius Pilatus sich die Hände reinigt. Diese Reinigung geschieht in dieser Darstellung durch die Nutzung eines Aquamaniles in Form eines Löwen. Löwenfigurige-Aquamanile bilden den Großteil der in Europa bisher gefundenen Aquamanile. In ihrer Anfangszeit traten neben Löwenfiguren vor allem auch Fabelwesen wie Greifen, Sirenen (Mythologie), Drachen (Mythologie), Basilisken (Mythologie) und Kentauren auf.[3]
Die zwei größten Sammlungen hoch- und spätmittelalterlicher Bronzeaquamanilien befinden sich im Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen,[4] und im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.[5] Die im Germanischen Nationalmuseum ausgestellten Aquamanilien geben einen Überblick der formalen Entwicklung der Gattung und zur motivischen Vielfalt.[6]
- Michael Brandt (Hrsg.): Bild & Bestie. Hildesheimer Bronzen der Stauferzeit. (Ausstellungskatalog Hildesheim 2008). Regensburg 2008, ISBN 978-3-7954-2044-4.
- Hermann von Bruiningk: Das Aquamanile im Dommuseum zu Riga. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1905. Häcker, Riga 1906 (mit Abbildung; Digitalisat bei Google Books).
- Otto von Falke, Erich Meyer: Romanische Leuchter und Gefäße. Gießgefäße der Gotik (Bronzegeräte des Mittelalters, Bd. 1). Berlin 1935 (erneut: 1983, ISBN 978-3-87157-093-3).
- Claudia Höhl, Gerhard Lutz, Joanna Olchawa (Hrsg.): Drachenlandung. Ein Hildesheimer Drachen-Aquamanile des 12. Jahrhunderts. (= Objekte und Eliten in Hildesheim, 1130–1250, Bd. 1). Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3228-7.
- Michael Hütt: „Quem lavat unda foris...“ – Aquamanilien, Gebrauch und Form. Mainz 1993, ISBN 3-8053-1400-0.
- Ursula Mende: Die mittelalterlichen Bronzen im Germanischen Nationalmuseum. Nürnberg 2013, ISBN 978-3-936688-62-7.
- August Mau: Aquaemanale. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,1, Stuttgart 1895, Sp. 310 f.
- Ulrich Müller: Zwischen Gebrauch und Bedeutung. Studien zur Funktion von Sachkultur am Beispiel mittelalterlichen Handwaschgeschirrs (5./6. bis 15./16. Jahrhundert). Bonn 2006, ISBN 3-7749-3223-9.
- Joanna Olchawa: Die Magdeburger Aquamanilien des 12. Jahrhunderts als Multiples. In: Walter Cupperi (Hrsg.): Multiples in Pre-Modern Art. Zürich 2013, S. 99–126.
- Joanna Olchawa: Anthropomorphe Aquamanilien als liturgische Handwaschgefäße und „Ornamenta Ecclesiae“. In: Ute Seiderer, Michael Fisch (Hrsg.): Haut und Hülle – Umschlag und Verpackung. Techniken des Umschließens und Verkleiden. Berlin 2014, Bd. 1, S. 45–64.
- Joanna Olchawa: Funde, Formen und Funktionen. Sozialgeschichtliche Überlegungen zu Aquamanilien in und aus Ostmitteleuropa. In: Kunsttexte.de/Ostblick, Nr. 2, 2014, S. 1–19
- Joanna Olchawa: Sirenen, Tauben und Löwen bei der Handwaschung. Die Bedeutung des Wassers in der Ikonographie der Aquamanilien. In: Gerlinde Huber-Rebenich (Hrsg.): Gebrauch und Symbolik des Wassers in der mittelalterlichen Kultur. Bern 2017, S. 572–584.
- Joanna Olchawa: Aquamanilien des Mittelalters und ihr Gebrauch. In: Robert Jütte, Romedio Schmitz-Esser (Hrsg.): Handgebrauch. Geschichten von der Hand aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Paderborn 2019, S. 39–58.
- Joanna Olchawa: Aquamanilien. Genese, Verbreitung und Bedeutung in islamischen und christlichen Zeremonien (Bronzegeräte des Mittelalters, Bd. 8). Regensburg 2019, ISBN 978-3-7954-3492-2.
- Heinrich Reifferscheid: Über figürliche Gießgefäße des Mittelalters. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Jg. 1912, S. 3–93.
Joanna Olchawa: Sirenen, Tauben und Löwen bei der Handwaschung. Die Bedeutung des Wassers in der Ikonographie der Aquamanilien. In: Wasser in der mittelalterlichen Kultur / Water in Medieval Culture: Gebrauch – Wahrnehmung – Symbolik / Uses, Perceptions, and Symbolism. Hrsg.: Gerlinde Huber-Rebenich, Christian Rohr, Michael Stolz. De Gruyter, 2017, ISBN 978-3-11-043743-0, S. 572–584, doi:10.1515/9783110437430 (degruyter.com [abgerufen am 7. August 2022]).
Joana Olchawa: Sirenen, Tauben und Löwen bei der Handwaschung. Die Bedeutung des Wassers in der Ikonographie der Aquamanilien. In: Wasser in der mittelalterlichen Kultur / Water in Medieval Culture: Gebrauch – Wahrnehmung – Symbolik / Uses, Perceptions, and Symbolism. Hrsg.: Gerlinde Huber-Rebenich, Christian Rohr, Michael Stolz. De Gruyter, 2017, ISBN 978-3-11-043743-0, doi:10.1515/9783110437430 (degruyter.com [abgerufen am 7. August 2022]).
Poul Grinder-Hansen: Guides to the National Museum: Danish Middle Ages and Renaissance, Nationalmuseet, Kopenhagen 2002, ISBN 87-89384-98-9.
Vgl. auch Hermann P. Lockner: Nürnberger Aquamanilen und Kannen aus Messing. Gußarbeiten des 15. und 16. Jahrhunderts ohne Marken. In: Kunst und Antiquitäten. Band V/81, S. 29–35.
Frank M. Kammel, Thomas Brehm, Claudia Selheim (Hrsg.): Germanisches Nationalmuseum – Führer durch die Sammlungen. Nürnberg 2017, ISBN 978-3-946217-10-7, S. 51.