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österreichisch-kroatische Autorin und Unternehmerin Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Anna Baar (* 1973 in Zagreb, Jugoslawien) ist eine österreichische Schriftstellerin.
Die Tochter eines österreichischen Vaters und einer aus Dalmatien stammenden Mutter, die in Wien Medizin studiert und als Fachärztin für Radiologie gearbeitet hat, wuchs zweisprachig in Wien, Klagenfurt und sommers bei den Großeltern auf der dalmatinischen Insel Brač auf.[1] Nach der Matura am Musikzweig des Stiftsgymnasium Viktring studierte sie nach einem abgebrochenen Medizinstudium Publizistik, Slawistik, Theaterwissenschaft und Medienarbeit an den Universitäten Wien und Klagenfurt. 2008 wurde sie an der Universität Klagenfurt zum Dr. phil. promoviert.
Anna Baar schreibt Lyrik, Prosa und Essays sowie literarische Stücke zu künstlerischen Produktionen und Ausstellungen. Ihre Arbeiten wurden in mehrere Sprachen übersetzt und in zahlreichen deutschsprachigen und internationalen Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Anna Baar lebt in Wien und Klagenfurt.[2]
Auf Einladung des Literaturkritikers Stefan Gmünder nahm Anna Baar mit einem Auszug aus Die Farbe des Granatapfels am Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 teil.[3] Der kurz darauf im Wallstein Verlag erschienene gleichnamige Roman, der sich mit dem Aufwachsen eines Kindes zwischen zwei Kulturen, insbesondere mit Sprachermächtigung und Sprachverlust beschäftigt, stand mehrere Monate auf Platz 1 der ORF-Bestenliste und wurde für den Rauriser Literaturpreis und den Literaturpreis Alpha nominiert, wo er es jeweils auf die Shortlist brachte. Für die Arbeit an Als ob sie träumend gingen wurde Anna Baar 2017 mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet. Der Roman, der in archaischen Bildern die Lebens- und Liebesgeschichte eines Kriegshelden erzählt, assoziativ und zugleich scharf konturiert an der Grenze zwischen Tatsachen und Einbildung,[4] kam 2018 auf die Hotlist der zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen.[5] Der Roman Nil, eine poetische Selbstbefragung voller origineller, grotesker und grausamer Bilder,[6] der mitunter als dämonisches, durchtriebenes Werk gelesen wurde, das nicht nur die Grenzen der Erzählkunst auslotet, sondern sie mühelos immer wieder radikal und rätselhaft durchlöchert,[7][8] stand 2021 zwei Monate lang auf Platz 1 der ORF-Bestenliste[9] und auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. Ursula März bescheinigte dem Buch in der Hamburger Literaturkritik-Veranstaltung März & Moritz etwas österreichisch Schwingendes und den Hang zu exzentrischem Witz.[10] Eine „stimmige Kombination aus Schonungslosigkeit, bösem Witz und nachdenklicher Selbstvergewisserung“[11] sieht Björn Hayer im Erzählband Divân mit Schonbezug, den Anna Baar in einem Interview mit Angela Gutzeit im Deutschlandfunk als „eine Art Weltreise innerhalb meines Lebensdreiecks“[12] bezeichnet, aus dem sie weitere Kreise ziehe. Wie in fast allen ihrer Essays und Reden geht es darin vorwiegend um an Minderheiten, Randgruppen und Schwächeren verübtes Unrecht, das Totschweigen unliebsamer Geschichten, die Auflehnung gegen ein Wir-Bewusstsein, das andere ausschließt, identitäres Denken und provinzielle Engstirnigkeit: Lokalpolitiker aus Kärnten, die sich nicht dazu durchringen, früheren NS-Ärzten gewidmete Straßen umzubenennen, reaktionäre Heimatliebe und Geschichtsverdrehung, aber auch komische Familiensagen, Kindheitserinnerungen und Reiseerlebnisse. Schmerzgrenzen werden dort überschritten, wo das Verheimlichte in furiosen Wortschwällen hervorbricht, etwa der von höchster politischer Stelle vertuschte Kinderschänderskandal[13] um den bekannten Kinderpsychiater Franz Wurst. Auch Divân mit Schonbezug brachte es mehrfach auf die ORF-Bestenliste.[14]
Anna Baar gilt aufgrund ihres unverwechselbaren musikalischen Erzähltons als eine der markantesten und kühnsten Stimmen der österreichischen Gegenwartsliteratur.[15] Sie selbst führt ihre Art des Umgangs mit Sprachrhythmus und -melodik in Interviews immer wieder auf die frühe Kompositionsschulung im Musikgymnasium und die Bestimmung ihrer „literarischen Prägephas“ durch „Musikpoeten“ zurück, insbesondere Nick Cave, Leonard Cohen, Neil Young und Patti Smith, aber auch Konstantin Wecker, André Heller und Vertreter des Austropop.[16] Seit 2016 hat sie zahlreiche literarische Texte zu musikalischen Werken verfasst, etwa den Booklet-Text zu André Hellers 2019 erschienenem Album Spätes Leuchten und Beiträge für Premierenhefte der Wiener Staatsoper, darunter Texte zu Der Rosenkavalier, Die Frau ohne Schatten, Orest, Pelléas und Mélisande und Macbeth.
Ein eigenes Libretto zu Musik des in Guatemala gebürtigen deutschen Komponisten Dieter Lehnhoff, eine kaleidoskopische Collage aus Ulysses-Zitaten und freien Assoziationen, wurde anlässlich des Bloomsday im Juni 2022 unter dem Titel Rosenkränze aus Korken (Seht das Schiff heimwärts ziehen) am Salzburger Mozarteum vom Gunnar Berg Ensemble Salzburg uraufgeführt.
Beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2022 hielt Anna Baar die traditionelle Klagenfurter Rede zur Literatur mit dem Titel Die Wahrheit ist eine Zumutung,[17] deren Text im Standard abgedruckt wurde.[18]
2022 erhielt Anna Baar den Großen Österreichischen Staatspreis, der als höchste Kulturauszeichnung der Republik gilt. Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer würdigte Baar als „unverwechselbare Stimme auf der Bühne der Gegenwartsliteratur. Sie ist Sprachkünstlerin im besten Sinne und zeigt uns, was Literatur im Zeitalter der Digitalisierung und Mediatisierung unserer Gesellschaft leisten kann: nämlich in der Kunst der Erzählung und des Romans, authentische Erfahrungen und Erkenntnisse über unsere Gegenwart vermitteln und unseren Sinn für Unrecht, Irrtümer und Versäumnisse, Risiken und Möglichkeiten schärfen.“[19]
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