Tankred Dorst wuchs in einer wohlhabenden Oberlinder Bürgerfamilie auf, die am Ort die Maschinenfabrik vormals Georg Dorst besaß. Noch als Schüler des Sonneberger Realgymnasiums wurde er 1943 zum Reichsarbeitsdienst und 1944 zur Wehrmacht einberufen. Er trat zum 20. April 1943 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 9.361.619).[2][3] Nach kurzer Ausbildungszeit kam er als Soldat an die Westfront und geriet dort in Kriegsgefangenschaft. Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte er in Gefangenenlagern in England und den USA. Als er Ende 1947 aus der Gefangenschaft nach Westdeutschland entlassen wurde, gehörten Oberlind und Sonneberg schon seit zwei Jahren zur sowjetischen Besatzungszone. Die Maschinenfabrik war enteignet worden und die Familie vor weitergehenden Repressalien zu Verwandten nach Westdeutschland geflohen.
Die ersten großen Theaterstücke kamen 1960 in Lübeck und Mannheim mit Erfolg auf die Bühne. Diesen Erfolg setzte er bis zuletzt in einer Vielzahl von Bühnenwerken und einigen Verfilmungen vor internationalem Publikum fort. Schon 1963 wurde er als Mitglied in die Bayerische Akademie der Schönen Künste aufgenommen. Ab 1971 war er Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Während der Arbeit am Fernsehfilm Sand lernte er Ursula Ehler kennen, die ihn ab Anfang der 1970er Jahre durch sein Leben und Werk als Lebensgefährtin und Co-Autorin begleitete. Ab Mitte der 1970er Jahre gab er fast alle Veröffentlichungen mit seiner Frau gemeinsam heraus.
Dorst hat bei den Richard-Wagner-Festspielen 2006 in BayreuthRichard WagnersRing des Nibelungen neu inszeniert. Er sprang damit für den dänischen Filmregisseur Lars von Trier ein, der die Regie 2004 zurückgegeben hatte. Der deutsche Dramatiker, der im Alter von 78Jahren erstmals bei einer Oper Regie führte, war einer der am häufigsten gespielten Autoren der Nachkriegszeit auf deutschsprachigen Bühnen.
Einmal jährlich wird der nach Dorst benannte Tankred-Dorst-Preis der Drehbuchwerkstatt München am Filmfest München für das beste Drehbuch mit einem Preisgeld von 3.000 Euro verliehen.[6] Dorst selbst war in der unabhängigen Jury von 1999 bis 2005 siebenmal Mitglied.
Dorst starb am 1. Juni 2017 im Alter von 91 Jahren.[1] Sein Grab befindet sich auf dem Kirchfriedhof von St. Georg in München-Bogenhausen.[7][8]
1987: Parzival; Uraufführung am Thalia Theater Hamburg, Regie: Robert Wilson / 1990 Neufassung und Uraufführung an den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main, Regie: A. Brill
1988: Der verbotene Garten; deutsche Erstaufführung an der Freien Volksbühne Berlin, Regie: H. Neuenfels
1960: La Buffonata. Ballet Chanté. Musik: Wilhelm Killmayer. Uraufführung 1961 Heidelberg (Städtische Bühnen), Regie: H. Neugebauer
1962/63: Yolimba oder die Grenzen der Magie. Musikalische Posse. Musik: Wilhelm Killmayer. Uraufführung 1964 Wiesbaden (Hessisches Staatstheater), Regie: H. Neugebauer
1969: Die Geschichte von Aucassin und Nicolette. Oper. Musik: Günter Bialas. Uraufführung 1969 München (Bayerische Staatsoper)
2001: Die Legende vom armen Heinrich. Oper. Musik: Ernst August Klötzke. Uraufführung 2011 Wiesbaden (Hessisches Staatstheater), musikalische Leitung: Enrico Delamboye, Regie: Iris Gerath-Prein
Theaterstücke für Kinder
1982: Ameley, der Biber und der König auf dem Dach; Uraufführung am Burgtheater Wien, Regie: P. M. Preissler
1994: Wie Dilldapp nach dem Riesen ging; Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Regie: Götz Loepelmann
2000: Don’t eat little Charlie! Uraufführung am Royal National Theatre London / Erstaufführung in Deutschland als Friss mir nur mein Karlchen nicht! an den Städtischen Bühnen Heidelberg, Regie: W. M. Bauer
2000: König Sofus und das Wunderhuhn; Uraufführung am Thalia Theater Halle, Regie: P. Mader
Prosa-Stücke
1957: Geheimnis der Marionette; 1. Veröffentlichung
1959: Auf kleiner Bühne – Versuch mit Marionetten; Essays
Horst Laube (Hrsg.): Werkbuch über Tankred Dorst. Suhrkamp, Frankfurt 1974, ISBN 3-518-00713-0
Günther Erken (Hrsg.): Tankred Dorst. Suhrkamp, Frankfurt 1989, ISBN 3-518-38573-9
Ioana Craciun: Historische Dichtergestalten im zeitgenössischen deutschen Drama. Untersuchungen zu Theaterstücken von Tankred Dorst, Günter Grass, Martin Walser und Peter Weiss. Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 2008. Darin: „Der erste sozialistische Jesus von Nazareth“. Zur Gestalt Ernst Tollers in Tankred Dorsts Revolutionsdrama 'Toller', S. 69–100; „Ich bin ein Kind der Revolution.“ Zur Gestalt Heinrich Heines in Tankred Dorsts Theaterstück 'Harrys Kopf', S. 245–275.
Wolfgang J. Ruf: Wer lebt, stört - Zum Abschied von Tankred Dorst. In: Zs. MUT Nr. 591/Juli/August 2017, Abschlussausgabe ISSN 0027-5093, S. 134–139.