Tönnies Holding
deutsches Unternehmen der Lebensmittelindustrie Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die familiengeführte Tönnies Holding ApS & Co. KG [Rheda-Wiedenbrück steht an der Spitze eines fleischverarbeitenden Konzerns, der als der größte Fleischverarbeiter in Deutschland und eines der weltweit größten Unternehmen der Fleischindustrie gilt. Die Tönnies Holding ist wiederholt in die Kritik geraten. Unter anderem wurden der Unternehmensgruppe mangelhafte Arbeitsbedingungen und Tierquälerei vorgeworfen.
] mit Sitz inTönnies Holding ApS & Co. KG | |
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Rechtsform | ApS & Co. KG |
Gründung | 1971 |
Sitz | Rheda-Wiedenbrück[1] |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 19.640 (2021)[1] |
Umsatz | 6,82 Mrd. Euro (2022)[2] |
Branche | Nahrungsmittel, Fleischverarbeitung |
Website | toennies.de |
Das Unternehmen ging aus einem kleinen handwerklichen Fleischereibetrieb in Rheda hervor. 1971 gründete Bernd Tönnies ein Unternehmen für Fleisch- und Wursthandel in Rheda-Wiedenbrück. Seine Geschäftsidee war, Tiere nicht nur zu schlachten, sondern das Fleisch als fertige Produkte für den Lebensmitteleinzelhandel anzubieten. Dafür wurden Schlachtung und Zerlegung mit hohem Maschineneinsatz zentral gebündelt. Clemens Tönnies, der Bruder des Gründers, stieg ebenfalls in das Unternehmen ein, als bereits 20 Mitarbeiter beschäftigt wurden.[3][4] Daraufhin wurde das Unternehmen in B.& C.Tönnies Fleischwerk umbenannt.[5]
Bis 1974 wuchs die Anzahl der Beschäftigten auf 60.[3] Wegen der raschen Expansion und der engen Standortsituation in Rheda wich das Unternehmen 1975 in das benachbarte Herzebrock aus. Ab 1977 wurde an dem neuen Standort produziert.
1982 beteiligte Bernd Tönnies, der bis dahin alleiniger Gesellschafter des Unternehmens war, seinen Bruder Clemens Tönnies mit 40 Prozent der Unternehmensanteile.[6]
1990 erwarb Tönnies den Schlachthof in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) von der Treuhand. Noch kurz vor der Wende hatte die SED einen Ausbau des Werks auf eine Schlachtkapazität von 2.000 Schweinen pro Tag beauftragt, der Umbau wurde kurz vor der Übernahme durch Tönnies abgeschlossen.[7]
In den 1980er Jahren hatten sich außerdem bereits Pläne für einen großmaßstäblichen Neubau eines Schweine-Schlachthofs auf der grünen Wiese in Rheda-Wiedenbrück konkretisiert. Die Planung übernahm das Architekturbüro ATP Architekten und Ingenieure aus Innsbruck. Die Bauarbeiten begannen 1992. Mit Fertigstellung im Jahr 1997 wurde der Standort zum größten Schlachthof in Europa.[8][9] Tönnies etablierte damit die Zusammenlegung von Schlachtung und Zerlegung in einer biologischen Einheit. Der Betrieb bildete eine Produktionseinheit mit einer überdachten Produktionsfläche von 50.000 m² und 1.950 Mitarbeitern.[3] Die im Jahr 2001 fertiggestellte Verkaufsabteilung (Fleisch-Börse) sollte kurze Wege und Informationen auf allen Produktlinien des Unternehmens gewährleisten.[3] 2007 erweiterte Tönnies den Standort um ein neues Logistikzentrum, das nach Branchenmeinungen als modernstes seiner Art in Europa galt. Das neue Logistikzentrum wurde zentral für die Anforderungen des sensiblen 0-bis-2-Grad-Celsius-Bereichs (Hackfleischprodukte etc.) konzipiert.[10]
1995 eröffnete Tönnies einen Standort im Industriegebiet von Schmerzke, Brandenburg.[11]
Im Dezember 1998 übernahm Tönnies zwei Betriebe des Unternehmens Bawinkeler Fleischwaren GmbH (BFW Fleisch) nach dessen Konkurs: einen Schlacht-Betrieb in Sögel mit 250 Beschäftigten und einen Zerlege-Betrieb in Salzgitter mit 40 Beschäftigten.[12] Tönnies führte den Schlachthof in Sögel ab 1999 unter der Marke Weidemark weiter.[4] Ebenfalls im Jahr 1999 begründete Tönnies mit der Tillman's Convenience GmbH den Geschäftsbereich Convenience Food.[13][3]
2006 übernahm Tönnies den zuvor städtischen Rinder-Schlachthof in Beckum.[14]
Bernd Tönnies starb 1994 im Alter von 42 Jahren an den Folgen einer Nierentransplantation und hinterließ seinen zwei Söhnen Robert (* 1978) und Clemens jun. ein Millionenvermögen und seinen Anteil von 60 Prozent am Unternehmen.[6] In seinem Testament verfügte Bernd Tönnies, dass die Unternehmensanteile der zu dem Zeitpunkt noch minderjährigen Söhne bis zu deren 30. Geburtstag unter Aufsicht eines Testamentsverwalters stehen sollten. Diese Funktion übernahm Josef Schnusenberg bis zum 30. Geburtstag von Robert Tönnies im Jahr 2008.[6][15] Clemens Tönnies übernahm die Geschäftsführung.[16]
2002 vereinbarten die Gesellschafter, auf der einen Seite Josef Schnusenberg in Vertretung für Robert und Clemens jun. Tönnies und auf der anderen Seite Clemens Tönnies, umfassende Umstrukturierungen im Unternehmen.[15] Unter anderem wurde bestimmt, dass künftig die Tönnies Holding GmbH & Co. KG anstelle der B&C Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG die Führungsgesellschaft der Unternehmensgruppe sein wird, sowie dass Clemens Tönnies ein Doppelstimmrecht erhält.[15]
2008 endete mit dem 30. Geburtstag von Robert Tönnies die Vertretungsrolle von Josef Schnusenberg. Im selben Jahr schenkten Robert und Clemens jun. Tönnies jeweils 5 Prozent der Unternehmensanteile ihrem Onkel Clemens Tönnies und kamen damit einem Wunsch von Bernd Tönnies nach, den dieser auf dem Sterbebett geäußert hatte.[15] 2011 verkaufte Clemens jun. seine Anteile in Höhe von 25 Prozent an seinen Bruder Robert, sodass von da an Robert und Clemens Tönnies jeweils 50 Prozent der Anteile besaßen.[17]
Seitdem kam es wiederholt zum Streit zwischen Clemens und Robert Tönnies. Ende 2012 forderte Robert Tönnies vor Gericht wegen grobem Undank seine 2008 an Clemens Tönnies verschenkten 5 Prozentpunkte der Unternehmensanteile zurück.[18] 2014 erstritt Robert Tönnies vor Gericht eine Aberkennung des Doppelstimmrechts, das Clemens Tönnies ab 2002 beanspruchte.[15]
2017 übertrug Clemens Tönnies 5 Prozent der Unternehmensanteile an seinen Sohn Maximilian Tönnies.[19]
2005 übernahm Tönnies das dänische Schweinefleisch-Schlachtunternehmen SB Pork mit Sitz in Brørup.[20]
2008 kündigte Tönnies an, nach Russland zu expandieren. Zuvor hatte Clemens Tönnies bereits als Aufsichtsratsvorsitzender des Fußballvereins Schalke 04 ein Sponsoring durch den russischen Gaskonzern Gazprom verhandelt und darüber Kontakte nach Russland und zu Präsident Wladimir Putin geknüpft. Clemens Tönnies versprach daraufhin Putin, sich mit der Unternehmensgruppe auch in Russland zu engagieren.[21] Das Russlandgeschäft lief über das Tochterunternehmen APK Don. Zunächst baute Tönnies Betriebe in die Oblast Belgorod auf und expandierte in den Folgejahren in die benachbarte Oblast Woronesch. Tönnies setzte auf Schweineproduktion mit einem hohen Grad an vertikaler Integration: anders als in Deutschland beschränkte sich Tönnies nicht auf Schlachtung und Weiterverarbeitung, sondern betrieb auch Futtermittelanbau und Mastanlagen.[22]
Im Jahr 2012 stockte das Unternehmen seine Anteile am britischen Unternehmen CPC Foods Limited auf 100 Prozent auf.[23]
Mit Rückwirkung zum 1. Oktober 2015 übernahm Tönnies einen der größten dänischen Schweineschlachter, die Tican-Gruppe.[24] Im Jahr 2017 übernahm die Unternehmensgruppe den Schlachthof der insolventen Lutz-Unternehmensgruppe in Badbergen.[25]
Im Herbst 2015 schloss Tönnies eine Vereinbarung mit dem französischen Agrarkonzern Avril. Sie beschlossen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zur Produktion von Fleischwaren aus französischer Erzeugung mit einer Investitionssumme von etwa sechs Millionen Euro.[26][27] Im April 2016 nahm das Joint Venture L'Atelier des Viandes de France den Betrieb auf.[28]
Im Jahr 2019 übernahm die Tönnies den britischen Schlacht- und Zerlegebetrieb von C&K Meats.[29][30]
2021 wurde die Schweinefleischproduktion in Russland an CP Foods verkauft.[31] Im selben Jahr begann die Tönnies-Gruppe mit dem Bau eines vollautomatisierten Schlachthofs im spanischen Calamocha in der Provinz Aragonien. Der Schlachthof ist ausgelegt für eine Jahreskapazität von 2,4 Millionen Schweinen bzw. 625 Schweine pro Stunde. Die Gesamtinvestition wird bei ca. 75 Millionen Euro liegen. Die Inbetriebnahme ist für 2023 geplant.[32]
Ab Dezember 2006 stand das Unternehmen unter dem Verdacht, Lieferanten und Kunden betrogen und illegal Arbeitnehmer überlassen zu haben. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelte, unter anderem wurden Hausdurchsuchungen in rund 30 Gebäuden Wohn- und Geschäftsräume durchgeführt.[33]
Clemens Tönnies stritt die Vorwürfe ab und mutmaßte, dass es sich um einen Komplott gegen ihn handle und der Wettbewerber Vion N. V. darin verwickelt sei.[34] In Medien wurde darüber spekuliert, ob die Vorwürfe im Zusammenhang mit einer versuchten, aber nicht erfolgreichen Übernahme der Tönnies-Unternehmensgruppe durch Vion stehen könnten.[35]
Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurden einige der anfangs im Raum stehenden Vorwürfe fallengelassen. 2011 wurden schließlich Clemens Tönnies sowie zwölf leitende Angestellte wegen der Falschetikettierung von Hackfleisch vor dem Landgericht Essen angeklagt:[36][37] der Vorwurf im sogenannten Hackfleisch-Prozess lautete, dass das Unternehmen in den Jahren 2005 bis 2007 Millionen Packungen Hackfleisch vermarktet habe, bei denen der Rindfleischanteil geringer war als deklariert.[38]
Im Rahmen des Strafverfahrens räumte ein langjähriger Produktionsleiter falsche Angaben auf den Etiketten ein.[38] Clemens Tönnies wies die Beschuldigungen jedoch zurück. Ende August 2011 einigten sich die Angeklagten und das Gericht auf eine Einstellung des Strafverfahrens unter der Auflage der Zahlung von 2,89 Millionen Euro. Der größte Anteil der persönlichen Geldauflagen entfiel auf Clemens Tönnies mit 900.000 Euro sowie auf seinen Geschäftsführer Josef Tillmann mit 700.000 Euro. Zu den persönlichen Geldauflagen kam noch eine zusätzliche Geldauflage für das Unternehmen in Höhe von 1 Million Euro.[39]
Im April 2008 berichtete das ARD-Magazin Report Mainz, dass bei Tönnies Mitarbeiter flächendeckend videoüberwacht würden, insbesondere auch in Umkleidekabinen und auf Toiletten. Das Unternehmen räumte gegenüber Report Mainz die Videoüberwachung teilweise ein und begründete sie mit Hygienekontrollen. Das Reinigen der Hände und das Anziehen der Schutzkleidung werde überwacht. Gefilmt würden „Garderobenräume, […] keinesfalls aber Dusch- oder Umkleidekabinen.“[40] Die Datenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen stellte daraufhin fest, dass das Unternehmen seine Mitarbeiter mit über 200 Kameras in allen betrieblichen Einrichtungen, auch in so genannten Schutzbereichen wie Umkleidebereichen, überwache.[41] Tönnies musste ein Bußgeld von 80.000 € zahlen.[42]
Zum Geschäftsjahr 2008 erfolgte die Umbenennung der Unternehmensgruppe von B. & C. Tönnies Holding in Tönnies Holding.[43] In den Folgejahren erfuhr die Unternehmensgruppe ein weiteres Wachstum. Im Zehnjahreszeitraum von 2007 bis 2016 wurde der Konzernumsatz von 2,46 Milliarden Euro[43] auf 5,47 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.[44]
Zum 1. Juli 2009 übernahm Tönnies den Rinderschlachthof der Unternehmensgruppe Vosding in Wilhelmshaven. Der Betrieb wurde unter der Firmierung Jade Schlachthof Wilhelmshaven GmbH weitergeführt, die Schlachttagen wurden von zwei auf vier Tage pro Woche erhöht und die Schlachtkapazität auf rund 1.200 Tiere pro Woche gesteigert.[45][46]
Im Jahr 2011 übernahm das Unternehmen den Rinderschlachthof A.F.G. Allgäu Fleisch in Kempten.[47] Ebenfalls 2012 übernahm Tönnies die Veracus GmbH aus Bremerhaven und gliederte das Futtermittelzusatzunternehmen im Geschäftsbereich Ingredients ein.[48][49]
2012 baute das Unternehmen mit der Tönnies-Arena ein Fußballstadion für rund 4.000 Zuschauer auf dem Werksgelände in Rheda-Wiedenbrück.[3]
2014 übernahm Tönnies den Schlachthof in Legden.[50] Im November 2014 meldete Tönnies die Absicht zur Übernahme der Rindfleischsparte des niedersächsischen Fleischverarbeiters Gausepohl beim Kartellamt zur Prüfung an,[51] nahm jedoch noch im selben Monat wieder Abstand von dem Vorhaben,[52] woraufhin Gausepohl für diese Sparte Insolvenz anmeldete.[53] 2015 folgte die Übernahme des Schweine-Schlachthofs Thomsen in Kellinghusen.[50]
2015 gründete Tönnies in Meppen das Tochterunternehmen petcura GmbH als Teil des Geschäftsbereichs Ingredients. In einer ehemaligen Wurstfabrik der Firma Hochwald begann das Unternehmen die Produktion von Tiernahrung.[54][55]
Im Jahr 2013 begann das Unternehmen mit dem Bau einer Fabrik für Roh-Heparin, das aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen wird.[56][57] Sie ging am 4. November 2014 in Betrieb.[58] Mitte 2017 verkaufte Tönnies diesen Geschäftsbereich an die Saria-Gruppe, die Teil der Rethmann-Gruppe ist.
2017 übernahm Tönnies die insolvente August Strothlücke GmbH & Co. KG (ASTRO) mit Sitz in Verl. Der westfälische Wurst- und Schinkenhersteller hatte 2016 einen Umsatz von 37 Millionen Euro und beschäftigte 168 Mitarbeiter.[59] Bereits im Jahr 2018 entschied Tönnies die Schließung des Standorts.[60][61] Ebenfalls 2018 schloss Tönnies die Produktionsstandorte in Herzebrock (Tillman's) sowie Gütersloh (Marten).[3] Ende 2019 schloss Tönnies den Rinder-Schlachthof in Beckum mit zuletzt 20 Beschäftigten.[14] Das Unternehmen verfolgte damit eine Konsolidierung und Spezialisierung der Standorte.[3]
2020 schuf Tönnies einen eigenständigen Geschäftsbereich Vevia 4 You für vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte.[62][63]
Ende 2021 kündigte Tönnies die Übernahme des Unternehmens Geflügel Claus in Westerstede zum 1. Januar 2022 an. Das Unternehmen war eines der zehn größten Unternehmen der Geflügelwirtschaft in Deutschland.[64] Die Beschäftigten wurden bereits über den Arbeitgeberwechsel informiert, die kartellrechtliche Freigabe wurde am 14. Dezember 2021 beim Bundeskartellamt beantragt. Am 29. Dezember erteilte das Bundeskartellamt die Freigabe, am selben Tag zog Tönnies allerdings sein Kaufangebot zurück.[65] Das Unternehmen ging anschließend insolvent und wurde abgewickelt.[66]
Im Jahr 2022 schloss Tönnies den Standort im Brandenburger Ortsteil Schmerzke.[11]
Im Januar 2024 berichteten Medien, dass Tönnies zwei Betriebe des Konkurrenten Vion übernehmen will, sofern dies eine kartellrechtliche Zusage erfährt.[67] Durch die Übernahme des Rinderschlachthofs in Altenburg würde Tönnies zum zweitgrößten Rinderschlachter in Deutschland.[68]
Anfang der 2000er-Jahre war die Zur-Mühlen-Gruppe zu einem der wichtigsten Schlachtfleisch-Abnehmer der Tönnies-Unternehmensgruppe herangewachsen. Als die Zur-Mühlen-Gruppe Mitte der 2000er-Jahre in finanzielle Schwierigkeiten geriet, bedeutete das gleichzeitig ein Geschäftsrisiko für Tönnies. Vor diesem Hintergrund strebte Clemens Tönnies zunächst eine Übernahme durch die Tönnies-Unternehmensgruppe an, was jedoch an der mangelnden Zustimmung von Josef Schnusenberg, Testamentsvollstrecker der Mitgesellschafter, scheiterte.[69] Daraufhin erwarb Clemens Tönnies noch vor 2005 persönlich eine Mehrheitsbeteiligung an der Zur-Mühlen-Gruppe. Diese wurde zunächst treuhänderisch von Peter zur Mühlen gehalten.[70] 2011 kündigte Clemens Tönnies an, bis 2014 die gesamten Anteile an der Zur-Mühlen-Gruppe zu erwerben und damit Alleininhaber zu werden.[71]
Die Tochterunternehmen Böklunder Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik der Zur-Mühlen-Gruppe wurden ab Mitte 2014 zusammen mit insgesamt 21 Wurstherstellern und 33 verantwortlichen Personen vom Bundeskartellamt wegen illegaler Preisabsprachen in der Fleischwarenbranche (sogenanntes Wurstkartell) mit Strafen in Höhe von insgesamt 338 Millionen Euro belegt, die Ermittlungen hierzu liefen seit 2009.[72] Mitte Oktober 2016 konnte das Kartellamt eine Strafe über 128 Millionen Euro wegen erwiesener Preisabsprachen bei Böklunder Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik nicht eintreiben. Tönnies hatte mit einem simplen und wirkungsvollen Trick die Aktivitäten der beiden Unternehmen auf andere Gesellschaften der Zur-Mühlen-Gruppe übertragen und die Tochtergesellschaften anschließend liquidiert. Da die Unternehmen rechtlich nicht mehr existierten, gab es für die Bußgeldbescheide keinen Adressaten mehr, und die Bußgeldverfahren wurden folglich eingestellt.[73] Dieses Schlupfloch wurde als Wurstlücke bekannt. Clemens Tönnies selbst bestritt diese Darstellung, da der Umbau nach seiner Darstellung schon vor Erlass der Bußgeldbescheide begonnen wurde.[72]
Im April 2017 beschlossen Clemens Tönnies sowie die beiden weiteren Gesellschafter der Tönnies Holding, Robert Tönnies sowie Maximilian Tönnies, die Übernahme der Zur-Mühlen-Gruppe durch die Tönnies-Unternehmensgruppe.[74] Die Europäische Kommission gab im Juli 2017 ihre kartellrechtliche Freigabe,[74] die Übernahme erfolgte zum 1. Januar 2018.[75]
Im November 2019 verurteilte das Landgericht Bielefeld drei ehemalige Mitarbeiter des Konzerns zu Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren und Zahlung von 210.000 Euro an die Staatskasse. Ab Anfang 2016 hatten diese mit Mitarbeitern zweier polnischer Unternehmen Waagen manipuliert und 3,5 Millionen Euro für nicht gelieferte Waren erschwindelt.[76]
Das Unternehmen verfügte seit Mitte der 2000er-Jahre über eine Exportgenehmigung nach China, davor exportierte es seine Produkte bereits über Hongkong auf das chinesische Festland. Die Exporte nach Asien wuchsen zu einem wichtigen Geschäftsfeld heran, das Unternehmen erzielte damit streckenweise mehr als 20 Prozent seiner Einnahmen.[77]
Aufgrund der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Europa nahm das Risiko eines Import-Stopps durch China allerdings zu. So wurde im Herbst 2019 erstmals ein ASP-Nachweis in Westpolen in einer Entfernung von 80 Kilometern zur deutschen Grenze nachgewiesen.[78]
Im September 2019 Jahres gab Tönnes bekannt, künftig direkt in China produzieren zu wollen. In Kooperation mit der chinesischen Dekon Group wurde ein Investment in Höhe von 500 Millionen Euro für einen neuen Schlacht- und Zerlegebetrieb für Schweine in der Provinz Sichuan in China angekündigt,[79] der erste außereuropäische Schlachthof von Tönnies.[4]
Ab März 2020 beschäftigte Tönnies den ehemaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel als Berater mit einem monatlichen Pauschalhonorar von 10.000 Euro, um die drohenden Exportprobleme im Zusammenhang mit der ASP abzuwenden.[80] Im September 2020 erfolgte schließlich erstmals eine Bestätigung der ASP in Deutschland, woraufhin kurze Zeit später einige asiatische Länder, darunter China, Japan und Südkorea, einen Importstopp für Schweinefleisch aus Deutschland verhängten.[81]
Nachdem bereits der Corona-Ausbruch am Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück 2020 für einen Rückgang der Nachfrage aus China sorgte,[77] führte der Exportstopp infolge des ASP-Ausbruchs zu einem Einbruch des Exports. Ende März 2023 schloss Tönnies als Folge dessen seine Exportabteilung für Asien am Standort Weißenfels.[81]
Im Juni 2020 kam es zu einem umfangreichen Corona-Ausbruch im Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück. Behördlich angeordnete Massentests ergaben, dass sich von 6.139 getesteten Beschäftigten 1.413 infiziert hatten, ebenso wie weitere 353 Personen im Umfeld dieser Beschäftigten.[82]
Für alle 7000 Mitarbeiter inklusive der Führungsetage samt Clemens Tönnies wurde eine mindestens 14-tägige Quarantäne angeordnet,[83] für einige der nicht positiv getesteten Tönnies-Mitarbeiter galt eine Arbeitsquarantäne. Am 17. Juni 2020 ordnete CDU-Landrat Sven-Georg Adenauer einen Produktionsstopp an.[84] Das Fleisch von bereits geschlachteten Tieren durfte noch verarbeitet werden, weitere Schlachtungen mussten eingestellt werden.[85] Nach Angaben Adenauers fehlten dem deutschen Markt durch den Produktionsstopp 20 Prozent der Fleischprodukte. Das Unternehmen steigerte die Produktion an anderen Standorten, um Ausfälle zu kompensieren.[86][87]
Vor der Wiederaufnahme des Betriebs führte das Unternehmen weitere Hygienemaßnahmen ein. Unter anderem wurden Hochleistungsfilter und UV-Strahlen bei der Luftumwälzung eingesetzt, der Mindestabstand zwischen den Arbeitern vergrößert und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorgeschrieben.[88] Am 15. Juli 2020 hob die Stadtverwaltung Rheda-Wiedenbrück den angeordneten Produktionsstopp für die Schlachtung (nicht für die Zerteilung) der Tiere mit sofortiger Wirkung auf.
Im Zuge des Ausbruchs gab es Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Unter anderen erstattete die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der Grünen, Britta Haßelmann, Strafanzeige gegen den Tönnies-Konzern.[89][90] Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte das Verfahren nach zwei Jahren mangels Tatverdachts ein.[91]
Subunternehmen, die für Tönnies tätig waren und deren Beschäftigte auf Anweisung der Behörden in Quarantäne mussten, forderten Entschädigungen für Lohnfortzahlungen vom Land Nordrhein-Westfalen. Im März 2023 entschied das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, dass das Land keine Lohnentschädigung zahlen muss.[92][93]
Die Tönnies Holding klagte gegen den durch den Kreis Gütersloh angeordneten Produktionsstopp.[94] Kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Minden im Juli 2023 zog das Unternehmen die Klage teilweise zurück, sodass lediglich über Einschränkungen für die das Tochterunternehmen Tevex Logistics verhandelt wurde.[95] Im August 2023 entschied das Verwaltungsgericht gegen das Unternehmen.[95]
An Standorten von Konkurrenten kam es ebenfalls zu größeren Infektionsgeschehen. Tönnies und die gesamte Fleischindustrie standen daraufhin unter starker öffentlicher Kritik, ihnen wurden schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen der Werkvertragsbeschäftigten vorgeworfen.[96]
Unter zunehmendem öffentlichen Druck brachte die Bundesregierung in den Folgemonaten das Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) auf den Weg, das insbesondere ein Verbot für Werkverträge und Leiharbeit in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung einführte.[96] Tönnies übernahm in der Folge nach eigenen Angaben bis Ende 2021 in Deutschland 8.500 Beschäftigte in direkte eigene Beschäftigungsverhältnisse.[97] Unter anderem übernahm Tönnies die Lazar GmbH, die zuvor als Subunternehmen mit Werkvertragsbeschäftigten in den Tönnies-Schlachthöfen aktiv war.[98]
Die familiengeführte Unternehmensgruppe umfasste im Jahr 2021 insgesamt 112 inländische und 45 ausländische Unternehmen unter dem Dach der Konzernobergesellschaft Tönnies Holding ApS & Co. KG.[1] Die Unternehmensgruppe ist in sieben Sparten unterteilt: Meat (Pork und Beef), Sausages, Convenience, Ingredients, Logistics, International und Central Services.[1]
Die Tönnies Holding ändert zum Jahresanfang 2025 ihren Namen in „Premium Food Group“ (PFG). Der Bereich der Schlachtung und Zerlegung wird weiter unter dem Markennamen „Tönnies“ betrieben.[99]
Schlacht-Standorte der Tönnies-Unternehmensgruppe
(Legende: Schweine-Schlachtung pink, Rinder-Schlachtung braun) 1 Bamberg: Lohn-Schlachtung durch Schlacht- und Viehhof der Stadt Bamberg |
Tönnies betreibt folgende Schlachthöfe:[100]
Des Weiteren lässt Tönnies Schweine am Schlacht- und Viehhof der Stadt Bamberg schlachten.[101]
Die Betriebe in Weißenfels und Rheda-Wiedenbrück besitzen Zulassungen für den EU-Raum und für Japan. Der Betrieb in Rheda-Wiedenbrück beanspruchte für sich vor dem COVID-19-Ausbruch, die Hygienevorschriften für Exporte nach Europa, Asien, USA, Australien und Südafrika zu erfüllen.
Im Geschäftsbereich Sausages verfügt die Tönnies-Unternehmensgruppe über zehn Standorte:[102][103]
Zur Tönnies-Unternehmensgruppe gehören des Weiteren unter anderem folgende vollkonsolidierte Tochterunternehmen:[1]
Außerhalb von Deutschland verfügt Tönnies über Produktionsstandorte in Dänemark, Polen, Großbritannien, Frankreich und Spanien.[105][32]
Der Großteil der Beschäftigten in den Schlacht- und Zerlegebetrieben des Unternehmens sind ausländische Arbeitskräfte; nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbunds beträgt deren Anteil etwa 80 Prozent.[106][107] Das Unternehmen betreibt zur Anwerbung neuer Beschäftigter eigene Vermittlungsbüros unter anderem in Serbien und Polen.[108]
Tönnies ist der größte Fleischverarbeiter in Deutschland und gilt als eines der weltweit größten Unternehmen der Fleischindustrie.[109][110] Der Umsatz der Tönnies-Gruppe betrug im Geschäftsjahr 2022 etwa 6,82 Milliarden Euro.[2] Weltweit wurden in den Betrieben der Unternehmensgruppe im Jahr 2021 20,24 Millionen Schweine geschlachtet. 15,99 Millionen Schweine wurden in Deutschland geschlachtet, womit der Konzern bei der Schweineschlachtung hierzulande Marktführer ist.[111] Die Anzahl der an den deutschen Tönnies-Standorten geschlachteten Rinder betrug 2021 420.000 (4 Prozent weniger als im Vorjahr).[112]
Tönnies ist auch Marktführer für die Schlachtung von ökologisch erzeugten Tieren in Deutschland[113][114] und der größte Wurstproduzent in Deutschland.[115]
Bei Tönnies hergestellte Fleischprodukte werden unter anderem unter dem Markennamen Tillman’s sowie unter den Eigenmarken des Handels wie Landjunker (Lidl) und Meine Metzgerei (Aldi Nord/Aldi Süd) in Discountern, aber auch über Rewe, Edeka (Gut & Günstig) oder Kaufland (K-Classic) vertrieben.[116]
Die Wurstprodukte der Unternehmensgruppe werden unter einer Reihe von eigenen Marken vertrieben, darunter Böklunder und Könecke.
Laut der Lebensmittel Zeitung gehört das Unternehmen zu den größten Lieferanten des deutschen Lebensmittelhandels.
Robert Tönnies, Sohn von Gründer Bernd Tönnies, besitzt 50 Prozent der Unternehmensanteile. Clemens Tönnies hält 45 Prozent und dessen Sohn Maximilian Tönnies 5 Prozent.[117][118]
Grundsätzliche Kritik erfährt Tönnies aufgrund der massenhaften Tötung von Tieren.[119][120] 2021 erhielt das Unternehmen deswegen den „Preis der Herzlosigkeit“ durch das Deutsche Tierschutzbüro e. V.[121]
Daneben wird Tönnies aufgrund der Betäubung von Schweinen mittels CO2 von Veterinären und Tierschutzorganisationen kritisiert.[122] Laut Michael Marahrens vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit hätten die Schweine 15 bis 20 Sekunden lang das Gefühl zu ersticken und das Gas verursache sehr große Schmerzen.[119] Das Unternehmen verteidigte die Methode als „die aktuell beste und tierschutzfreundlichste zugelassene Betäubungsmethode“,[123] Gesellschafter Robert Tönnies sprach sich jedoch ebenfalls für ein Ende der Betäubung mittels CO2 aus.[122]
Das Unternehmen ist wiederholt aufgrund des hohen Anteils von Niedriglohn-Beschäftigten aus Südost- und Osteuropa und deren Unterbringung in Sammelunterkünften in die Kritik geraten.[124][125] Im Jahr 2007 nannte der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Gerd Andres auf einer Pressekonferenz das Unternehmen Tönnies als Beispiel für unhaltbare Zustände in der Fleischindustrie. Andres betonte, das Unternehmen beschäftige in seinem Werk am Standort Rheda-Wiedenbrück 2000 osteuropäische und 250 deutsche Mitarbeiter. Andres folgte wenige Wochen nach seinen Äußerungen einer persönlichen Einladung von Tönnies, besuchte den Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück und äußerte sich danach positiv über das Unternehmen.[126]
Im Sommer 2013 berichtete der Sender ARD in der Reportage Deutschlands neue Slums – Das Geschäft mit den Armutseinwanderern, dass im Tönnies Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück eine große Anzahl von südosteuropäischen Fleischzerlegern über Subunternehmen arbeiten würden.[127] In dem Beitrag wurde über konkrete Fälle berichtet, in denen Bezahlung unterhalb des Mindestlohns, Überstunden, fehlende Krankenversicherung, Kündigungsandrohung, Kündigung im Falle von Krankheit sowie gefährliche Arbeitsbekleidung Kennzeichen bei der Beschäftigung der Arbeiter waren.[128] Für die Reportage wurden Reporterin Isabel Schayani und Autor Esat Mogul 2014 mit dem Deutschen Sozialpreis in der Sparte Fernsehen ausgezeichnet.[129] Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fanden die in der Reportage geschilderten Praktiken zwei Jahrzehnte lang bis 2020 statt. Auch hätten die Subunternehmen, meist von osteuropäischen Chefs geführte GmbHs, als Unterbringungsorganisatoren der Angestellten fungiert; sie hätten den Beschäftigten nicht Wohnungen oder Zimmer, sondern nur Betten für teilweise 300 Euro monatlich vermietet.[130]
Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte Tönnies beim Tochterbetrieb Zur-Mühlen-Gruppe versucht, alle gewerkschaftlichen Strukturen zu zerschlagen.[130] Tönnies wurde im Jahr 2021 vorgehalten, den Sitz der Holding in Dänemark anstatt in Deutschland zu haben, um Arbeitnehmervertreter nicht im Aufsichtsrat sitzen zu haben. Tönnies entgegnete, dass es 170 Betriebsräte im Unternehmen gebe.[131]
2020 berichtete die Zeitschrift Emma, dass von den ca. 7.000 Arbeitern ein Drittel Frauen seien, die ebenfalls schwere Arbeit am Band leisteten und zusätzlich sexuellen Belästigungen und Übergriffen, etwa durch Vorarbeiter, ausgesetzt seien. Dabei komme es auch zu ungewollten Schwangerschaften, die aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes verheimlicht würden.[132]
Auch im Jahr 2021 berichtet die Sat.1-Reportage „Sat.1 investigativ“ über die Arbeitsbedingungen als miserabel, es wird Mietwucher sowie Prostitution auf dem Firmengelände unterstellt. Ebenfalls würden die Mitarbeiter weiterhin über inzwischen gesetzlich verbotene Subunternehmen angeworben und eingestellt.[133] Tönnies versuchte, die Reportage nach der ersten Ausstrahlung juristisch zu verbieten, verlor aber vor den Gerichten.[134]
Kritiker werfen Tönnies vor, dass das Unternehmen seinen Beitrag zur Klimaerwärmung kleinrechne.[135][136]
Das Institute for Agriculture and Trade Policy listete Tönnies wiederholt in ihrem Ranking der klimaschädlichsten Konzerne der Fleisch- und Milchindustrie. In dem 2018 veröffentlichten Report belegte Tönnies Platz 24 weltweit,[135][137] mit geschätzten jährlichen Treibhausgasemissionen von knapp 11 Millionen Tonnen CO2.[138] In dem 2021 veröffentlichten Report belegte Tönnies Platz 6 in Europa.[136][139] Laut Correctiv produzierte Tönnies 2021 zusammen mit dem größten deutschen Unternehmen der Milchindustrie Deutsches Milchkontor 2,6 Prozent der gesamten Emissionen in Deutschland.[140]
Geschäftsführer Clemens Tönnies bestreitet die Vorwürfe, dass das Unternehmen klimaschädliche handle.[141] Im November 2023 initiierte Tönnies die Klimaplattform Fleisch, um nach eigenen Angaben den Klimaschutz in Land- und Fleischwirtschaft weiter voranzutreiben.[142] Die Website ist ein Angebot für tierhaltende Betriebe, die dort Daten zu ihrem Betrieb eintragen und damit ihre CO2-Bilanz errechnen können.[143] Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisierte die Unternehmensinitiative: „Rund drei Viertel der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft entfallen auf die Tierhaltung. Daran wird die PR-Offensive von Tönnies nichts ändern“.[144]
Der Corona-Ausbruch im Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Juni 2020 war das bis dahin größte Infektionsgeschehen in Deutschland.[145]
Anfang Mai war es bereits zu zahlreiche Infektionen in einem Schlachtbetrieb von Westfleisch in Coesfeld gekommen. In dem Zusammenhang sagte ein Sprecher von Tönnies: „Wir wurden in der Ernährungsindustrie vor acht Wochen aufgefordert, während des Lockdowns weiter zu arbeiten, so wie Krankenhäuser, Pflegeheime und die Energieversorgung … bei dem Wissen, dass wir dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.“ Trotz erheblicher Maßnahmen, die Tönnies umsetze, bleibe – wie in Krankenhäusern oder Pflegeheimen – ein Restrisiko. „Im Lichte dieses bekannten Zielkonflikts darf nicht eine ganze Branche nun unter Generalverdacht gestellt werden“, teilte der Sprecher mit.[146]
Als einen möglichen Grund für die zahlreichen Infektionen nannte ein Unternehmenssprecher die Rückkehr von Arbeitern nach Heimaturlauben in Bulgarien und Rumänien.[147] Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet übernahm zunächst, ohne dafür Belege zu haben, die Behauptung von Tönnies und sagte „… weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt“. Diese Aussage löste in der Öffentlichkeit Kritik aus, teilweise auch Empörung.[148] Die Virologin Isabella Eckerle hielt dies dagegen aufgrund der relativ langen Inkubationszeit für unwahrscheinlich, die hohe Anzahl betroffener Mitarbeiter weise vielmehr auf ein unbemerktes, schon länger vor sich gehendes „Superspreading-Event“ in dem Betrieb hin.[149]
Eine Beraterin der Fleischarbeiter kritisierte, dass diese zu Sündenböcken gemacht würden. Den Arbeitern wurde im Vorfeld des Ausbruchs empfohlen, bei Erkrankung ihren Wohnort aufzusuchen. Ihnen wurde nahegelegt, über die Situation zu schweigen und keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Subunternehmen drohten ihnen mit Kündigung.[150]
Als Folge des Ausbruchs wurden zunächst Schulen und Kindertagesstätten im Kreis Gütersloh bis zu den Sommerferien 2020 geschlossen.[151] Am 23. Juni 2020 wurden erneute Kontaktbeschränkungen für den Kreis Gütersloh bis zum 30. Juni 2020 verkündet.[152][153] Im benachbarten Kreis Warendorf wurden in der Folge ebenfalls die im Kreis Gütersloh geltenden Kontaktbeschränkungen in Kraft gesetzt.[154] Anwohner, die von dem Lockdown betroffen waren, machten das Unternehmen für die Auswirkungen verantwortlich.[155] Am 18. Juni 2020 demonstrierten Eltern mit ihren Kindern vor dem Haus von Geschäftsführer Clemens Tönnies wegen der Schließung von Schulen und Kindergärten.[156]
Am 29. Juni 2020 wurde der Lockdown für den Kreis Warendorf ab dem 1. Juli 2020 aufgehoben.[157] Für den Kreis Gütersloh wurde der Lockdown zunächst bis zum 7. Juli verlängert und schließlich am 6. Juli 2020 durch das Oberverwaltungsgericht Münster aufgehoben, da zwischenzeitlich eine differenziertere Regelung hätte erlassen werden müssen.[158]
Am 4. Juli 2020 forderte das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie mit einer Kundgebung am Werksgelände, dass der stillgelegte Schlachthof dauerhaft geschlossen bleiben müsse.[159] Zuvor waren in der Nacht Aktivisten auf das Gebäude geklettert und hatten dort ein Banner mit der Aufschrift „Shut down Tierindustrie“ befestigt.[160]
Am 17. Juli 2020 protestierten ca. 300 Teilnehmer am Werksgelände gegen die Wiedereröffnung. Dem stellten sich 300 Landwirte entgegen, die die Wiedereröffnung des Unternehmens begrüßten.[161]
Im Jahr 2011 kam es zu einem Streit zwischen Robert Tönnies und seinem Onkel Clemens Tönnies um die Leitung des Unternehmens. Beide besitzen jeweils die Hälfte der Anteile am Unternehmen. Robert Tönnies fordert 5 Prozent der Unternehmensanteile zurück, die er seinem Onkel im Jahr 2009 geschenkt hatte. Mit diesem Anteil hätte Robert Tönnies die Stimmenmehrheit.[162] Die Mitarbeiter haben sich in dem Streit eindeutig auf die Seite von Clemens Tönnies gestellt.[163][164] Robert Tönnies wird von dem Rechtsanwalt Mark Binz und von einer Kommunikationsagentur namens CNC begleitet.[165] Clemens Tönnies wird in dem Streit von Rechtsanwalt Michael Hoffmann-Becking vertreten.[162] Im Mai 2015 berichteten Medien, Clemens und Robert Tönnies stünden vor einer streitbeilegenden Einigung,[166] die im April 2017 erfolgte.[167] Ende 2019 flammte der Streit wegen eines umstrittenen China-Projektes für einen Betrag von 500 Millionen Euro, über das Robert Tönnies nicht informiert wurde, wieder auf.[168] Im November 2020 wurde bekannt, dass die Vertragsverhandlungen für den Bau des Schlacht- und Zerlegebetriebs für Schweine in der chinesischen Provinz Sichuan abgeschlossen seien.[169]
Nachdem sich während der COVID-19-Pandemie in Deutschland zahlreiche Mitarbeiter im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Juni 2020 mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten, forderte Robert Tönnies in einem Brief den Rücktritt von Clemens Tönnies aus der Geschäftsleitung. In dem Brief wirft Robert Tönnies der Geschäftsleitung und dem Beirat des Konzerns unverantwortliches Handeln sowie die Gefährdung des Unternehmens und der Bevölkerung vor. Die seit 2017 geltenden Unternehmensleitsätze zur Abschaffung von Werkverträgen seien nie umgesetzt worden.[170]
Von 2017 bis 2020 wurden Schlachtabfälle in einer Biogasanlage in Paulushofen verarbeitet, obwohl die Anlage dafür keine Genehmigung hatte. Ein Großteil der Schlachtabfälle kam von einem Schlachthof in Weißenfels in Sachsen-Anhalt, der zum Fleischkonzern Tönnies gehört. Mehr als 450 Fahrten soll es von dort nach Paulushofen gegeben haben.[171]
Am 15. Februar 2024 fand auf dem Gelände der Konzernzentrale von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück eine friedlich verlaufene Aktion des Bündnisses Gemeinsam gegen die Tierindustrie statt. Dabei entrollten Aktivisten Banner mit den Aufschriften „Gemeinsam gegen Tönnies“, „Tönnies Vergesellschaften“ und „Neokolonialismus stoppen“.[172][173] Das Bündnis kündigte weitere Aktionen gegen den Konzern an.
Die Tönnies-Gruppe ist jahrelanger Sponsor des Bundesliga-Traditionsvereins FC Schalke 04. Aktuell ist das Tochterunternehmen Böklunder Premiumsponsor bis 2024.[174] Bernd und Clemens Tönnies engagierten sich jahrelang auch persönlich für den Fußballverein.
Nach dem Aufstieg des FSV Gütersloh 2009 in die Fußball-Bundesliga der Frauen stieg die Tönnies-Gruppe als Hauptsponsor des Vereins ein.[175] Seitdem trägt der Verein seine Heimspiele in der 2012 erbauten Tönnies-Arena aus.
Seit Juli 2019 bestand außerdem eine werbliche Partnerschaft zwischen der Tönnies-Gruppe und Arminia Bielefeld. Aufgrund der Ereignisse rund um den Coronavirus-Ausbruch beschloss der Sportverein, die Partnerschaft zum Saisonende auslaufen zu lassen.[176]
2010 gründete die Tönnies Holding das Tochterunternehmen Tönnies Forschung Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Forschung über die Zukunft des Tierschutzes in der Nutztierhaltung mit Rechtsform GmbH.[177] Das Unternehmen verleiht in unregelmäßigen Abständen den mit 10.000 € dotierten Bernd-Tönnies-Preis für Publikationen sowie wissenschaftliche oder journalistische Arbeiten, die sich mit Aspekten der tierschutzgerechten oder -relevanten Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren befassen.[178] Der Preis wurde am 3. November 2011 erstmals an Christina Hucklenbroich vergeben, die zu dem Zeitpunkt Redakteurin im Ressort Natur und Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war.[179]
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