illegale Grabungen an bzw. nach ortsfesten oder mobilen Bodendenkmälern Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine Raubgrabung ist das gezielte, zumeist kriminell motivierte Nachsuchen von meist wertvollen Fundstücken (Antiquitäten, Edelmetalle) entgegen den jeweiligen Rechtsnormen, die zum Beispiel das Graben in Bodendenkmälern regeln. In der Regel werden sie unter Unkenntnis oder Missachtung wissenschaftlicher Standards durchgeführt und zerstören dadurch wertvolle Informationen, die eine genauere historische Einordnung der Funde ermöglichen würden. Als ein Hauptmotiv gilt der als Antikenhehlerei bezeichnete illegale Handel mit archäologischen Funden und Kunstobjekten.
Verschiedene Interessengruppen („Schatzsucher“, Antiquitätenhändler) haben ein Interesse daran, Bodendenkmäler oder Teile davon zur Gewinnung von Fundstücken auszugraben – und sie damit zu zerstören –, andere wollen sie möglichst unversehrt erhalten (Denkmalpflege, archäologische Forschung). Daraus ergeben sich verschiedene Konflikte.
Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland und Österreich dar. Bitte hilf uns dabei, die Situation in anderen Staaten zu schildern.
Deutschland
Denkmalrecht
In der Bundesrepublik Deutschland wird überwiegend in Denkmalschutzgesetzen geregelt, dass vor der Untersuchung einer archäologischen Fundstelle eine „Grabungs- oder Nachforschungsgenehmigung“ erteilt werden muss. Die Genehmigung kann mit Bedingungen oder Auflagen versehen werden, beispielsweise auf bestimmte Gebiete beschränkt sein oder festlegen, dass Funde und Befunde in einem vorgeschriebenen Standard zu dokumentieren sind.
Die Zuständigkeit, eine solche Genehmigung zu erteilen, ist – je nach Bundesland – unterschiedlichen Behörden zugewiesen. Bei Zufallsfunden besteht eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Behörde, in der Regel der Denkmalfachbehörde, dem Landesamt für Denkmalpflege.
Eigentum am Grundstück
Weiter ist zu beachten, dass neben dieser denkmalrechtlichen Genehmigung auch eine Genehmigung des Grundstückseigentümers zum Betreten und Graben auf seinem Grundstück vorliegen muss. Andernfalls kommen Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung in Betracht.
Eigentum am Fund
Rechtlicher Regelungsbedarf besteht außerdem hinsichtlich der Frage, wem Fundstücke gehören, wer deren Eigentümer wird. Dies ist in Deutschland teils zivilrechtlich über §984BGB geregelt, teils öffentlich-rechtlich über die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer. Raubgrabungen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass der Fund – und damit das Eigentum – unterschlagen werden. Wer solche Funde kauft, tauscht oder verkauft, kann eine Hehlerei begehen.
Sanktionen
Folgen eines Verstoßes gegen die genannten Vorschriften können sein:
bei Verstoß gegen die Denkmalschutzgesetze Geldbußen nach dem Denkmalschutzgesetz;
zivilrechtliche Ansprüche des Eigentümers, sei es des Eigentümers, auf dessen Grundstück der Fund entnommen wurde, sei es der Staat, dessen Schatzregal verletzt wurde.
Österreich
In Österreich gilt für alle Bundesländer ein einheitliches Denkmalschutzgesetz. Eine Bewilligung zur Nachforschung beziehungsweise Grabung nach Bodendenkmälern kann nur vom Bundesdenkmalamt an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben.
Bei zufällig entdeckten Bodendenkmalen gelten ähnliche Bestimmungen wie in Deutschland. Die Meldung muss spätestens am auf den Tag der Auffindung folgenden Werktag erfolgen. Die Fundstelle muss bis zur Begutachtung durch das Denkmalamt unverändert belassen werden.
Die Eigentumsverhältnisse bei Bodenfunden sind durch den §399 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt, welcher eine Teilung zu gleichen Teilen zwischen Finder und Grundstückseigentümer vorsieht. Ein Schatzregal, wie in den meisten deutschen Bundesländern, gibt es in Österreich nicht.
Verstößt eine Grabung gegen eine der genannten Vorschriften, wird sie als Raubgrabung bezeichnet.
Darüber hinaus wird der Begriff außerhalb dieser rechtlichen Kategorien noch verwendet, wenn eine Ausgrabung zwar mit den rechtlich erforderlichen Genehmigungen geschieht, aber ohne die erforderliche Sorgfalt einer archäologisch-wissenschaftlichen Dokumentation hinsichtlich der Befunde und Funde, so dass das Bodendenkmal in seiner Originalsubstanz beschädigt oder zerstört wird, ohne dass dieser Verlust durch eine Dokumentation (Pläne, Fotografien, Zeichnungen, Grabungstagebuch) substituiert wird. Diese Konstellation ist aber eher theoretisch, da die Grabungs- oder Nachforschungsgenehmigung in der Praxis nur denjenigen Antragstellern gegeben wird, die auch dafür garantieren, dass sie die erforderlichen Dokumentationen leisten. Raubgräber sind inzwischen mit technischem Gerät ausgerüstet, mit dem sie gezielt nach Funden suchen. Dies begann mit Metalldetektoren. Viele deutsche Bodendenkmäler sind oberflächlich mittlerweile nahezu metallfrei. Inzwischen werden auch weitere Techniken eingesetzt, etwa Bodenradar.
Die Raubgrabung ist in der Form des Grabraubes und der „Schatzsucherei“ ein altes Phänomen. Diese gibt es seit der Vorgeschichte, seit wertvolle Beigaben in Gräber gelegt wurden. Damals wie heute setzten sich solche Täter aus finanziellem Interesse – und heute auch häufig wegen des „Spaßes“ einer spannenden Suche – über bestehende Schutzvorschriften hinweg.
Raubgrabungen im modernen Sinn gibt es erst, seit die kulturelle Kategorie Bodendenkmal kreiert wurde und damit auch Objekt von Forschung oder Denkmalschutz werden konnte. Raubgrabungen sind also ein relativ neues Phänomen seit Beginn einer entsprechenden Gesetzgebung im 19.Jahrhundert. In Preußen wurden die Bodendenkmäler seit 1914 geschützt.
In jüngerer Zeit nehmen Raubgrabungen zu. Ein wachsender, zum großen Teil illegaler, Markt für Antiken bietet finanzielle Anreize für Raubgrabungen. Zudem ist die Suche mit Metalldetektoren in den vergangenen Jahren zu einem verbreiteten Hobby geworden, wobei nur ein Bruchteil der Sondengänger mit der Fachwissenschaft und Denkmalpflege zusammenarbeitet.
Bis heute werden Raubgrabungen häufig als Schatzsuche bagatellisiert und als Kavaliersdelikt wahrgenommen.[1] Drastische Gefängnisstrafen für Raubgräber wurden in den Jahren 2011 und 2012 etwa in Großbritannien, Griechenland und China verhängt.[2] Prinzipiell wurden Gefängnisstrafen für Raubgrabungen und Antikenhehlerei auch schon im 19.Jahrhundert angedroht.[3]
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Raubgrabungen können verschiedene Schäden nach sich ziehen:
Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse werden verhindert: Das undokumentierte und unfachliche Graben nach historischen Gegenständen zerstört in ganz erheblichem Umfang materiell vielleicht wertlose, aber archäologisch-kulturhistorisch bedeutende Artefakte und die Befunde. Der genaue Kontext von Funden (Fundzusammenhang) ist für deren wissenschaftlichen Wert entscheidend. So kann die Kombination mit anderen Funden, aber auch die exakte Lage Informationen über die Menschen der Vergangenheit geben oder zumindest quellenkritisch bedeutende Beobachtungen liefern.
Unsachgemäße „Restaurierungen“ durch Raubgräber zerstören häufig auch das Objekt an sich.
Raubgräber selektieren die Funde: Metallfunde werden mitgenommen, die oft für die Datierung wichtigeren Keramikfunde werden verworfen, aber aus dem ursprünglichen Kontext gerissen.
Dem Grundstückseigentümer – oder, bei Bestehen eines Schatzregals, dem Staat als Vertreter der Öffentlichkeit – wird Eigentum entzogen.
Der Verkauf von Funden fördert weitere Raubgrabungen und Antikenhehlerei.
Bei Gräbern gefallener Soldaten kann durch das Entwenden von Erkennungsmarken die Möglichkeit unwiderruflich zerstört werden, den Toten zu identifizieren.
Besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregte der durch eine Raubgrabung zu Tage gebrachte Fund der Himmelsscheibe von Nebra. Trotz Nachgrabungen und eines Forschungsprojektes sind die Deponierungsumstände der Scheibe und der angeblich zugehörigen Dolche nicht völlig zweifelsfrei gelöst, da der Befundzusammenhang durch die Raubgräber zerstört wurde.
Der Berliner Goldhut, der als Raubgrabungsgut auf den Markt kam und von dem keine gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich der Fundumstände vorliegen. Deshalb ist bis heute nicht klar, was dessen Funktion eigentlich war. Auch sind alle Informationen verloren, die der Goldhut über die Rolle seines Fundortes im Siedlungsgefüge der Bronzezeit hätte liefern können. Die Bürger vor Ort sind einer Attraktion und eines Identifikationsobjektes beraubt.
Schon seit Jahrzehnten finden in allen Staaten mit antiken Hochkulturen zum Teil organisierte Raubgrabungen statt, so dass z.B. ganze Nekropolen in Trichterfelder verwandelt wurden und werden. Aktuell sind Raubgräber besonders aktiv im Irak, in Syrien und Ägypten, wo archäologische Fundplätze in großem Umfang zerstört werden.
Am Heidentor (Egesheim) wurde in den 1990er Jahren ein vorgeschichtliches Heiligtum von Raubgräbern heimgesucht, die hier hunderte von datierenden Metallfibeln fanden, aber Glasperlen und Keramikscherben zurückließen. Genaue stratigraphische Beobachtungen und Verteilungsanalysen hätten hier wahrscheinlich zeigen können, ob sich im Lauf der Zeit die Opfersitten geändert hatten. Die Funde wurden unter Vorspiegelung eines falschen Fundortes der Prähistorischen Staatssammlung in München zum Kauf angeboten, um von der liberaleren Handhabung der Eigentumsverhältnisse in Bayern zu profitieren. Die Funde wurden von den Experten aber als außerbayrisch erkannt.
Im Herbst 2010 gab Helmut Thoma zu, ein Grab in der antiken Stadt Palmyra geplündert zu haben. Der historische Zusammenhang der von ihm entwendeten und illegal nach Deutschland verbrachten und heute in seinem privaten Wohnzimmer zur Schau gestellten Plastiken ist für immer verloren – eine wichtige Quelle für die Sozialgeschichte der Wüstenstadt wurde mutwillig zerstört.[4]
In Apameia am Orontes wurde zwischen 2011 und Frühjahr 2013 während des Bürgerkrieg in Syrien die archäologische Fundstelle durch Raubgrabungen fast vollständig zerstört.[5] Der Umfang deutet auf planmäßiges Vorgehen mit dem Ziel, die illegalen internationalen Märkte zu beliefern.
In Rülzheim wurde von einem Sondengänger ein spätantiker Hortfund ausgewühlt. Unter dem Druck polizeilicher Ermittlungen lieferte er den Fund Anfang 2014 der Denkmalpflege ab. Nachgrabungen konnten keinerlei Aussagen zur Lagerung der Objekte mehr sicherstellen. Rekonstruktionen der Fundstücke werden erschwert, Aussagen über die Niederlegungsbedingungen sind nicht mehr möglich.[6][7]
Während einer Grabung des Westfälischen Museums für Archäologie (heute LWL-Archäologie für Westfalen) auf dem Gräberfeld von Costedt im Jahr 1989 entwendete ein Raubgräber eine kaiserzeitliche Urne, was den wissenschaftlichen Kontext zerstörte.[8] Die Raubgrabung führte 1993 im nordrhein-westfälischen Landtag zu einer Kleinen Anfrage zur Problematik von Raubgrabungen.[9] 2021 tauchte die entwendete Urne wieder auf, indem sie vor dem Sitz der Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke e.V. mit einem Entschuldigungsschreiben abgelegt wurde.[10][11]
Michaeler Aufleger: Tatort Bodendenkmal. Archäologischer Juristentag 2005 (= Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland. Band 17). Treis-Karden 2007, ISBN 3-9806426-8-2.
Ralf Fischer zu Cramburg:Das Schatzregal. Der obrigkeitliche Anspruch auf das Eigentum an Schatzfunden in den deutschen Rechten. Numismatischer Verlag Forneck, Höhr-Grenzhausen 2001, ISBN 3-923708-11-4 (Dissertation).
Reinhard Dietrich: Münzen, Markt und Mythen. In: Kunstrechtsspiegel. 01/2010, ZDB-ID2316066-4, S. 26–39.
Peter Fasold, Dagmar Stutzinger: Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe. Begleitheft zur Ausstellung Fundort: Unbekannt – Raubgrabungen in Hessen (= Archäologische Denkmäler in Hessen. 127, ISSN0936-1693). Landesamt für Denkmalpflege Hessen u.a., Wiesbaden 1995.
Daniel Graepler: Fundort unbekannt. Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe. Eine Dokumentation. D. Graepler c/o Archäologisches Institut, Heidelberg 1993.
Hans Georg Niemeyer (Hrsg.): Archäologie, Raubgrabungen und Kunsthandel. Podiumsdiskussionen auf der 23. Mitgliederversammlung des Deutschen Archäologen-Verbandes in Münster, 26. Juni 1993 (= Schriften des Deutschen Archäologen-Verbandes. 13, ZDB-ID518788-6). Deutscher Archäologen-Verband, Hannover 1995.
Andrea Raschèr: Von apulischen Vasen und Tomaten: Das Schweizer Kulturgütertransfergesetz für einen besseren Schutz des kulturellen Erbes In: Museumskunde, 67 1/2002, S. 28.
Andrea Raschèr: Ali B. und die 40 000 Räuber In: Raub und Zerstörung der irakischen Vergangenheit - Könige am Tigris – Medien assyrischer Herrschaft (Elena Mango/Joachim Marzahn/Christoph Uehlinger Hrsg.), Zürich 2008, S. 223.
Frank Siegmund: Das Gräberfeld der jüngeren Kaiserzeit von Costedt In: Bendix Trier (Hrsg.): Bodenaltertümer Westfalens. Band 32., Philipp von Zabern, Mainz 1996, ISBN 3-8053-1895-2, S. 117.
Peter Watson, Cecilia Todeschini: Die Medici-Verschwörung. Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Seith und Jana Plewa. Parthas Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86601-905-X.
Peter-René Becker, Christina Wawrzinek (Hrsg.): Raubgräber – Grabräuber. Begleitschrift zur Sonderausstellung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg vom 11. Mai bis zum 8. September 2013. Nünnerich-Asmus, Mainz 2013, ISBN 978-3-943904-19-2.
Goldgrube Bulgarien: Dorado für Archäologen- und Kunsträuber. Dokumentation, 7 Min., Autor: Tom Fugmann, Produktion: WDR, Sendung: 21. Januar 2007.
Griechenlands Schatzinsel. Antikenschmuggel im großen Stil. Dokumentation, 6 Min., Autor: Christoph Spielberger, Produktion: ZDF-aspekte, Sendung: 2. Februar 2006, Inhaltsangabe von aspekte.
Eine Kultur wird geplündert – Das Geschäft der Grabräuber in Peru. 2000, Regie: Hans Giffhorn, Produktion: arte, Erstsendung: 9. September 2000.
Der Urnenraub von Costedt, Dokumentation vom 22. August 2021 (Online auf YouTube)
GEO Reportage - 049 - Beruf Grabräuber (Online auf YouTube)
EU-Projekt: „Witness the Past“, entwickelt museumspädagogische Angebote, die auf die Gefährdung von archäologischem Kulturgut durch Raubgrabungen und Plünderungen hinweisen.
Frank Siegmund:Das Gräberfeld der jüngeren Kaiserzeit von Costedt. In: Bendix Trier (Hrsg.): Bodenaltertümer Westfalens. Band32. Philipp von Zabern, Mainz 1996, ISBN 3-8053-1895-2, S.158.
Karin Höhle:„Verschollene Urne wieder da!“In:gefbdml.de.Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke e.V.,21.Januar 2021,abgerufen am 26.Januar 2021.