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Zuhälterorganisation in Hamburg Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Nutella-Bande war eine Zuhälterorganisation in Hamburg-St. Pauli, die dort um 1980 einen Großteil der Prostitution kontrollierte. Sie stand in direkter Konkurrenz zum alteingesessenen Zuhälterring GMBH.[1] Kennzeichnend für die Mitglieder der Nutella-Bande war ein stark maskulin geprägtes Imponiergehabe, das mit Statussymbolen wie Sportwagen oder Rolex-Uhren zur Schau getragen wurde.
Zur Herkunft des ungewöhnlichen Namens „Nutella-Bande“ existieren drei unterschiedliche Erklärungen:
Die erste bezieht sich auf das im Nachtjargon gebrauchte Synonym „Nutte“ für Prostituierte.
Die zweite geht davon aus, dass die Nutella-Bande so genannt wurde, da ihre Mitglieder meist jünger waren als die Zuhälter der alteingesessenen GMBH. Diese machten sich über die jungen Konkurrenten lustig, indem sie mit der Bezeichnung andeuteten, die konkurrierenden Jungluden „sollten mehr Nutella-Brote essen, um erst einmal groß und stark zu werden“.[2] Dieser Spottname sei später von den Mitgliedern der Nutella-Bande als Selbstbezeichnung übernommen worden.
Die dritte leitet den Namen von der Farbe der Nougatcreme der Marke „Nutella“ ab, und der Tatsache, dass zwei Nutella-Mitglieder Schwarze waren.[3]
Die Nutella-Bande entstand Mitte der 1970er Jahre, indem sich zehn bis dahin zumeist eigenständig tätige Zuhälter zusammenschlossen, um ihre wirtschaftlichen Interessen besser gegen den damals auf St. Pauli dominierenden Zuhälterring GMBH durchsetzen zu können. Gründungsmitglieder waren unter anderem Klaus Barkowsky, Peter Töpfer und Horst Reinhardt, der von der GMBH übergelaufen war. Die neue Organisation hatte im Allgemeinen einen „jüngeren und frischeren“ Ruf als die bis dato dominierende GMBH. Dies bezog sich sowohl auf ihr Auftreten als auch auf die jüngeren Prostituierten, die für sie tätig waren. Treffpunkt der Nutella-Bande war zunächst das für seine Drogenexzesse um Uschi Obermaier und Dieter Bockhorn berüchtigte Galerie-Café Adler in Hamburg-Eimsbüttel.[4]
Die Organisationsstruktur der Bande war auf Arbeitsteilung ausgelegt. So gab es beispielsweise sogenannte Poussierer, die für das Anwerben neuer Prostituierter zuständig waren, und Bordellwirtschafter, die sich um das Tagesgeschäft kümmerten. Was der Nutella-Bande zunächst fehlte, war ein erfahrener „Durchsetzer“ – ein Anführer einer Schlägertruppe für die tätlichen Auseinandersetzungen mit anderen Zuhältern und Banden. Diese Lücke konnte durch das Abwerben des Kampfsportlers Thomas „Karate-Tommy“ Born von der GMBH, als Anführer der „Abteilung Stress“,[5] geschlossen werden.
Ende der 1970er Jahre expandierte die Nutella-Bande sehr schnell. Sie hatte den Ruf, ihre Prostituierten besser zu behandeln als die alteingesessene GMBH. Auf diese Weise gelang es ihr, die Zahl der Frauen, die für sie anschaffen gingen, rasch zu steigern. Schon nach kurzer Zeit kontrollierte der Zuhälterring fast hundert Prostituierte, die überwiegend im als Laufhaus angelegten Großbordell „Eros Center“ (Reeperbahn 146) arbeiteten.[6] Ihren Zenit erreichte die Bande Anfang der 1980er Jahre, als sie etwa 80 Zuhälter umfasste, davon zehn in der oberen Führungsetage, und circa 120 Prostituierte in elf Bordellen und drei Peepshows für sich arbeiten ließ. Darüber hinaus betrieb die Nutella-Bande zu ihrer Hochzeit auch drei Restaurants und einen Club.[7]
In den Folgejahren ging der Einfluss der Nutella-Bande allmählich zurück. 1981 kehrte das Gründungsmitglied Peter Töpfer der Bande den Rücken, nachdem er aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum beschlossen hatte, aus der Zuhälterei auszusteigen.[8] Ein Jahr später wurden die beiden Mitglieder Klaus Breitenreicher, genannt „SS-Klaus“ (ein ehemaliger Kampfschwimmer der Bundeswehr), und Jürgen „Angie“ Becker bei einer Auseinandersetzung mit der GMBH erschossen. Danach kam es zu einer Großrazzia in den Bordellen der Nutella-Bande, und fünf Mitglieder wurden wegen „Förderung der Prostitution“ verhaftet. Die neu gegründete Ermittlungsgruppe gegen Organisierte Kriminalität des Landeskriminalamtes Hamburg erhöhte den Fahndungsdruck auf die Nutella-Bande massiv und schränkte ihre Handlungsmöglichkeiten immer weiter ein.[9] 1983 wurde Thomas Born nach der Misshandlung seiner schwangeren Freundin Sunny[10] verhaftet und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Danach brach die Nutella-Bande allmählich zusammen und ihr Revier wurde teilweise von den Gangs Streetboys, Chikago-Bande und später von den Hells Angels übernommen.
Von den ehemaligen Mitgliedern sind die meisten heute entweder tot, in Haft oder haben sich wie Peter Töpfer[3] und Stefan Mitroi[11] vollständig von der Zuhälterei getrennt.
Die Nutella-Bande wurde als direkte Konkurrenz zur alteingesessenen GMBH gegründet, die lange Zeit der mit Abstand mächtigste Zuhälterring auf St. Pauli war. Nach dem Aufstieg der Nutella-Bande zu einer der GMBH zumindest ebenbürtigen Organisation kam es zu einer weitgehend reviermäßigen Aufteilung der Prostitution rund um die Reeperbahn. Ab Ende der 1970er Jahre musste sich die Nutella-Bande ihrerseits gegen die neu aufstrebende Chikago-Bande zur Wehr setzen. Um 1980 kontrollierte die GMBH die Silbersackstraße und die Chikago-Bande die Gegend um den Hans-Albers-Platz, während die Nutella-Bande hauptsächlich in und um das Eros Center aktiv war, wobei es ihr niemals gelang, das Eros Center vollständig zu kontrollieren.[12]
Bis zu Beginn der 1980er Jahre wurden Konflikte unter den rivalisierenden Zuhältern und Banden durch unbewaffnete Kämpfe oder gewaltlos mit entsprechenden Zahlungen gelöst. So wurde der Wechsel einer Prostituierten zu einem anderen Zuhälter in der Regel durch die Zahlung des Verdienstausfalls in Höhe einer Abstecke beglichen. Waffengebrauch und die Kooperation mit der Hamburger Polizei waren verpönt. Zum Teil wurden Streitigkeiten im Milieu sogar durch eine Art Tribunal geschlichtet. Erst nach dem Einbruch der Geschäfte durch die AIDS-Welle, der verstärkten Verbreitung von Kokain („die weiße Dame“) und dem massiven Auftreten ausländischer Gangs wurde auf St. Pauli damit begonnen, Revier- und Verteilungskämpfe auch mit Schusswaffen auszutragen. Die Mordserie, bei der mindestens vier Nutella-Mitglieder zu Tode kamen, begann am 28. September 1981 mit dem bis heute ungeklärten Mord am Zuhälter Fritz Schroer[13], genannt „Chinesen-Fritz“, in der Kiezkneipe „Zur Ritze“.[14]
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