Virophagen sind eine Untertyp der Satellitenviren. Im Gegensatz zu den für ihre Helfer eher harmlosen klassischen Satellitenviren sind Virophagen für ihre Helferviren in der Regel sehr schädlich und führen zu Auszehrung und schließlich zum „Tod“.[4][A. 1] Da somit beide, die Wirtszelle und das Helfervirus parasitiert werden, bezeichnet man die Wirtszelle auch als zellulären, das Helfervirus als viralen Wirt.[6]
Ursprünglich (ab September 2023) waren alle vom ICTV offiziell bestätigten Virophagen in eine Familie Lavidaviridae innerhalb der Maveriviricetes-Ordnung Priklausovirales klassifiziert, wobei diese Familie die einzige (monotypisch) in der Ordnung Priklausovirales war, die ursprünglich auch die einzige Ordnung in ihrer Klasse Maveriviricetes war (diese beiden Taxa waren vom ICTV 2019 eingerichtet worden).
Mit Stand 30. April 2024 hat das ICTV diese Familie in den Rang einer (Schwester-)Ordnung Lavidavirales erhoben, zusätzlich aber eine Reihe von Virophagen in weitere neue Schwester-Ordnungen gruppiert. Daher entspricht nach dieser Virophagen-Reorganisation die Klasse Maveriviricetes vom Umfang her in etwa der früheren Familie Lavidaviridae.[7][8]
Der erste Vertreter der Maveriviricetes (und der erste Virophage überhaupt), das Sputnik-Virus, wurde 2008 in einem Pariser Wasserkühlturm vom selben Team gefunden, das auch seinen viralen Wirt Acanthamoeba-polyphaga-Mimivirus (ApMV, offiziellMimivirus bradfordmassiliense) korrekt als Virus beschrieb – das erste Riesenvirus überhaupt.[10]
Seitdem wurden weitere Vertreter der Maveriviricetes gefunden, beispielsweise das marineMavirus mit seinem viralen Wirt, dem Cafeteria-roenbergensis-Virus (CroV, offiziell Rheavirus sinusmexicani[A. 2]).[11]
Das Genom des Mavirus ähnelt dem einiger eukaryotischerTransposons und kann in das Genom des zellulären Wirts eingefügt werden.[12][13]
Bei neueren Expeditionen in mehrere Ozeane zeigte sich, dass Virophagen der Maveriviricetes dort regelmäßig angetroffen werden, so dass diese Organismen offenbar häufiger vorkommen, als zunächst angenommen.
Die Virophagen der Maveriviricetes infizieren nur Riesenviren aus dem Phylum Nucleocytoviricota (NCLDV) und sind auch selbst im Vergleich zu gewöhnlichen Satellitenviren sehr groß. Normalerweise initiieren Satellitenviren die Expression und Replikation ihres Genoms im Zellkern der Wirtszelle mit Hilfe ihrer dortigen Maschinerie und geht dann in das Zytoplasma. Dort findet es die Morphogenese-Maschinerie seines Helfervirus, mit der dieses seine Virionen (Virusteilchen) zusammenbaut (Assembly). Diese wird vom Satellitenvirus gekapert, um seine eigenen Nachkommen zu produzieren.
Bei den Virophagen der Klasse Maveriviricetes wird angenommen, dass die ihre Replikation vollständig in der Virusfabrik des viralen Wirts stattfindet und daher vom Expressions- und Replikationskomplex dieses Riesenvirus abhängt.[9] Wenn die Wirtszelle nur vom Riesenvirus infiziert wird, baut dieses eine im Zytoplasma eine Virusfabrik (VF) auf, um sich zu replizieren und neue Virionen zu erzeugen. Die Wirtszelle wird am Ende seines Replikationszyklus gewöhnlich lysiert, d.h. unter Freisetzung der Virus-Nachkommenschaft zum Platzen gebracht und so zerstört – Abbildung Teil (A), links.
Wenn die Wirtszelle mit einem Riesenvirus und einem Virophagen koinfiziert ist, parasitiert letzterer in der dieser Virusfabrik des Riesenvirus. Die Anwesenheit von Virophagen kann die Infektiosität des Riesenvirus daher ernsthaft beeinträchtigen, indem sie seine Replikationseffizienz verringert und damit indirekt das Überleben der Wirtszelle erhöht – Abbildung Teil (B), mittig.
Ein Sonderfall ist, wenn das Genom des Riesenvirus von einem Provirophagen parasitiert wird. Dies ist ein Virophage, der sich in das Genom seines Helfervirus integriert hat – man beachte, dass sowohl die Virophagen (als Mitglieder der Maveriviricetes oder zumindest des Phylums Preplasmiviricota), als auch die Helferviren (als Riesenviren Mitglieder der Nucleocytoviricota) dsDNA-Viren sind. Der Provirophage wird während der Replikation des Riesenvirus exprimiert. Der Virophage wird dann in der Virusfabrik des Riesenvirus produziert und hemmt die Replikation des Riesenvirus, wodurch wieder das Überleben der Wirtszelle erhöht wird – Abbildung Teil (C), rechts.[9]
Phylogenie der Maveriviricetes (damals noch Lavidaviridae) nach Meriem Bekliz, Philippe Colson, Bernard La Scola (2016):[14]
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⁕ = „Lake Mendota Virophage Candidate Genus 1“[15]
Die phylogenetischen Beziehungen der obigen Vertreter und Kandidaten sind oft noch in Diskussion.
Weitere Vorschläge für Systematiken finden sich beispielsweise bei:
Maveriviricetes setzt sich zusammen aus Maverick eine andere Bezeichnung für Polinton, und ist gleichzeitig ein Hinweis auf die enthaltene Gattung Mavirus, die viele Merkmale mit den großen, virusähnlichen Transposons der Maverick- alias Polinton-Superfamilie gemeinsam haben; versehen mit dem Suffix Virusklassen.[43]
Divpevirales ist ein Kofferwort aus Divergent penton proteins, versehen mit dem Suffix für Virusordnungen.[8]
Lavidavirales ist ein Kofferwort aus englischlarge virus-dependent or -associated viruses, versehen mit dem Suffix für Virusordnungen.[3][8]
Mividavirales ist ein Kofferwort aus Mimivirus dependent or associated, versehen mit dem Suffix für Virusordnungen.[8]
Priklausovirales kommt von litauischpriklausomas, englischdependent, deutsch ‚abhängig‘, auch ‚süchtig‘ – eine Anspielung auf die enthaltene Familie Lavidaviridae aus von den verwandten Riesenviren abhängigen Virophagen, versehen mit dem Suffix für Virusordnungen.[43]
Dishuiviroviridae ist benannt nach dem Dishui-See, dem Wort Virophage und dem Suffix für Virusfamilien.[8]
Omnilimnoviroviridae setzt sich aus den Präfixen lateinischomni (‚alles‘, ‚überall‘) und limno (Limnosphäre) zusammen, was auf eine Verbindung zu Süßwasserumgebungen hinweist.[8]
Gulliviroviridae verweist auf Lemuel Gulliver, der Hauptfigur von „Gullivers Reisen“, da Virophagen im Vergleich zu anderen Virophagen (und erst recht gewöhnlichen Satellitenviren) als „riesig“ angesehen werden, auch wenn sie im Vergleich zu den mit ihnen weitläufig verwandten Riesenviren immer noch relativ klein sind.[8]
Burtonviroviridae ist benannt nach Mary Burton, der Frau von Lemuel Gulliver in „Gullivers Reisen“, da diese Gruppe am engsten mit den großen Virophagen der Gulliviroviridae verwandt ist.[8]
YSLV1-7 parasitieren mutmaßlich das „Yellowstone Lake Giant Virus“ (YLGV, YSLGV) alias „Yellowstone Lake Phycodnavirus“ (YSLPV) oder „Yellowstone Lake Mimivirus“, Fundort: Yellowstone Lake
YSLV4 wird von einigen Autoren in das „Virophagen-Cluster 2“ gestellt,[22] von anderen in die Gattung „Lake Mendota Virophage Candidate Genus 1“.[15] Nach Datenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass die beide Gruppen Synonyme sind oder die eine die andere enthält.
Die DSL-Virophagen parasitieren offenbar Phycodnaviridae (Dishui Lake phycodnaviruses, DSLPVs) und Mimiviridae (sic!, Dishui Lake large alga viruses, DSLLAVs, daher ist Mimiwiridae wohl s.l. zu verstehen und es handelt sich vermutlich um Algen-infizierende Imitervirales), Fundort Dishui Lake
Fundort des Guarani-Virophagen ist der Pampulha-See, Belo Horizonte. Der Viriophage steht in keiner Beziehung zu den Subtypen Guarani P1 virus und Guarani P1 virus des Vacciniavirus (Familie Poxviridae).
Die TBE-Virophagen (englischTBE Virophages, mit Trout Bog epilimnion, TBE) und die TBH-Virophagen (engl. TBH Virophages, mit Trout Bog hypolimnion, TBH) sind nicht-taxonomische Klassifizierungen für Virophagen, die in den Oberflächenschichten (Epilimnion) bzw. in den Tiefen (Hypolimnion) des Moorsees Trout Bog Lake, Wisconsin, gefunden wurden (Roux etal., 2017).
Die Sputnik-artigen Contigs der mutmaßlichen Loki’s Castle Virophages stammen aus dem Gebiet des Schwarzen RauchersLokis Schloss. Diese hier werden im Text ausdrücklich als (putative) virophages bezeichnet, Abkürzung *nicht* LCV, das ist Loki’s castle virus(es)
Sheila Roitman, Andrey Rozenberg, Tali Lavy, Corina P.D. Brussaard, Oded Kleifeld, Oded Béjà: Isolation and infection cycle of a polinton-like virus virophage in an abundant marine alga. In: Nature Microbiology. Band 8, 26. Januar 2023, S.332–346; doi:10.1038/s41564-022-01305-7.
Said Mougari, Dehia Sahmi-Bounsiar, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Bernard La Scola:Virophages of Giant Viruses: An Update at Eleven. In: Viruses. Band11, Nr.8, 2019, ISSN1999-4915, S.733, doi:10.3390/v11080733, PMID 31398856, PMC6723459 (freier Volltext).
Bernard La Scola, Christelle Desnues, Isabelle Pagnier, Catherine Robert, Lina Barrassi, Ghislain Fournous, Michèle Merchat, Marie Suzan-Monti, Patrick Forterre, Eugene V. Koonin, Didier Raoult: The virophage as a unique parasite of the giant mimivirus. In: Nature, Band 455, 6. August 2008, S.100–104; doi:10.1038/nature07218 (englisch).
Meriem Bekliz, Philippe Colson, Bernard La Scola: The Expanding Family of Virophages. In: MDPI: Viruses, Band 8, Nr.11 (Special Issue Viruses of Protozoa), 23. November 2016, S.317; doi:10.3390/v8110317.
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