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Überwidung des geozentrischen Weltbilds Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter der kopernikanischen Wende oder der kopernikanischen Revolution (nach Nikolaus Kopernikus) versteht man die Abkehr vom geozentrischen (d. h. die Erde als Mittelpunkt des Sonnensystems habenden) Weltbild, die sich im 16. und 17. Jahrhundert in Europa vollzog. Die Wende bestand darin, bei der Erforschung der Welt über den unmittelbaren Augenschein hinauszugehen, um durch konstruktive Vernunft zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.[1][2]
In einem engeren Sinn ist mit der kopernikanischen Wende das Ende der Auffassung gemeint, dass die Erde im Weltmittelpunkt ruhe und von rotierenden himmlischen Sphären umgeben sei. In einem weiteren Sinn umfasst die kopernikanische Wende das Ende der mit diesem Weltbild verbundenen weitreichenden Vorstellungen in Philosophie und Religion des ausgehenden europäischen Mittelalters über die Stellung des Menschen in der Welt. Dieses Verständnis der kopernikanischen Wende diente auch zur Abgrenzung zwischen den Epochen Mittelalter und Neuzeit in der Geschichtswissenschaft.[3][4]
In der kopernikanischen Wende manifestiert sich das Ende der Deutungshoheit der Kirche in vielen lebensweltlichen und philosophischen Belangen des Mittelalters. An ihre Stelle traten schrittweise und zum Teil unter heftigen Auseinandersetzungen die sich entfaltenden Naturwissenschaften.
Seit dem 19. Jahrhundert wird der Ausdruck „kopernikanische Wende“ im übertragenen Sinne auch in anderen Wissensgebieten verwendet, um eine neue Theorie oder ein Umdenken (z. B. linguistische Wende, kognitive Wende) als revolutionär und folgenreich herauszustellen (Paradigmenwechsel).[5] In der Geschichte der Philosophie wird zudem von einer „kopernikanischen Wende“ gesprochen, die Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft (1781) mit seinem Vorschlag einer Transzendentalphilosophie vollzogen habe. Kant selber hat den Ausdruck „Kopernikanische Wende“ in seinen Schriften nicht benutzt, vielmehr sprach er in der Vorrede der zweiten Auflage von 1787 davon, dass eine „Umänderung der Denkart“ in der Philosophie ebenso zu vollziehen sei wie bei Kopernikus in der Kosmologie oder bei Euklid in der Geometrie.[6]
In astronomischer Hinsicht wurde die kopernikanische Wende durch das 1543 im Druck erschienene Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium von Nikolaus Kopernikus ausgelöst. Hierin wurde die Vorstellung von der ruhenden Erde aufgegeben und durch die Annahme ersetzt, dass die Erde eine zweifache Bewegung ausführt, indem sie sich täglich um ihre Achse dreht und jährlich um die Sonne kreist.
In diesem Werk versucht Kopernikus, seine Leser von der „Harmonie“ des Weltbilds mit einer von den Planeten umkreisten Sonne zu überzeugen. Dieses sei „leichter begreiflich“, als die Bewegungen der Himmelskörper wie bisher in eine „fast endlose Menge von Kreisen zersplittert“ zu sehen. Die „Weisheit der Natur“ würde sich hüten, etwas „Überflüssiges und Unnützes“ hervorzubringen. Vielmehr „lenkt die Sonne, auf ihrem königlichen Throne sitzend, die sie umkreisende Familie der Gestirne“. Durch ihre Umlaufbahn „empfängt die Erde von der Sonne und wird schwanger mit jährlicher Geburt“, was besser einleuchte als eine Sonne, die die Erde täglich umkreist.[7] Vom stoischen Prinzip, dass die kosmische Ordnung zugleich eine moralische Ordnung sei,[8] weicht Kopernikus noch nicht ab.
Damit konnte Kopernikus die Grundvorstellungen über die Bewegungen am Himmel stark vereinfachen, was der „neuen Denkweise“ des Rationalismus entsprach.[9] Sein System war aber im Detail nicht weniger kompliziert, da er strikt bei dem aristotelischen Dogma blieb, im Himmel könne es nur gleichförmige Kreisbewegungen geben. Daher waren etwa ebenso viele zusammengesetzte Kreisbewegungen erforderlich wie im älteren geozentrischen System, um die Planetenpositionen mit vergleichbarer Genauigkeit berechnen zu können. Die von Kopernikus bekräftigte Treue zu antiken Autoritäten und theologische Überlegungen lässt ihn in Verbindung mit den neuen Idealvorstellungen der Renaissance nicht als Revolutionär, sondern als Mittler zwischen Altem und Neuem erscheinen.[10]
Dass das heliozentrische System gegen Ende des 17. Jahrhunderts dennoch allgemeine Anerkennung fand, beruht auf weiteren entscheidenden Vereinfachungen, die auf der von Kopernikus geschaffenen Grundlage erst möglich wurden. Nach Johannes Kepler genügte für jeden Planeten eine einzige Ellipse, um seine Bewegung um die Sonne darzustellen, und nach Isaac Newton war das ganze Planetensystem im Rahmen der durch ihn ausgearbeiteten Mechanik durch ein einfaches Gesetz der allgemeinen Massenanziehung zu erklären. Hinzu kamen Bestätigungen des neuen Weltbilds durch die ersten Fernrohrbeobachtungen der Planeten, vor allem durch Galileo Galilei, sowie durch den Nachweis, dass die nach Kepler und erst recht die nach Newton berechneten Planetenpositionen um ein Vielfaches genauer waren als früher.
Die übliche Bezeichnung als heliozentrisches Weltbild trifft dabei im strengen Sinn nur auf den von Kepler erreichten Entwicklungsstand zu, denn bei Kopernikus kreisten die Planeten und auch die Sonne selbst noch um die fiktive „mittlere Sonne“ und bei Newton um das Baryzentrum des Sonnensystems, während das Weltall als solches überhaupt keinen Mittelpunkt mehr besaß.[11]
Kopernikus und seine Nachfolger mussten mit einer ganzen Reihe althergebrachter Lehrsätze brechen. Teilweise konnten sie sich dabei auf Autoritäten der Philosophiegeschichte berufen. Als Beispiele lassen sich anführen:
Während es im 16. und 17. Jahrhundert unter katholischen ebenso wie unter protestantischen Gelehrten sowohl Anhänger als auch Gegner des heliozentrischen Weltbilds gab, reagierte die offizielle katholische Kirche mit zunehmender Ablehnung. Dies hing mit den Disziplinierungsmaßnahmen der Gegenreformation zusammen und hatte den politischen Zweck, den Katholizismus gegenüber dem erstarkenden Protestantismus zu einigen.[4] Am deutlichsten drückte sich das in dem Inquisitionsverfahren gegen Galilei aus. 1633 verbot die Kongregation für die Glaubenslehre per Dekret jede Kosmologie, in der entweder die „Beweglichkeit“ der Erde oder die „Unbeweglichkeit“ der Sonne vertreten wird.[12] Erst 1820 wurde dieses Dekret durch einen päpstlichen Entscheid aufgehoben.[13]
Die Konkurrenz zwischen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Ansatz zur Erklärung der Himmelsbewegungen wurde in der französischen Aufklärung zu einem „Kampf zwischen Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge“.[14] Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV., der sich von der Autorität der katholischen Kirche emanzipierte, verbreitete Modelle des heliozentrischen Weltbilds als diplomatische Geschenke und setzte sich selbst als Sonne seines Reichs in Szene. Im Ballet de cour oder durch die architektonische Gestaltung von Schloss Versailles ließ er sich von seinen Höflingen umkreisen.[15] Unter Giovanni Domenico Cassini wurde allerdings noch das Tychonische Weltmodell vertreten, das eine umkreiste Sonne gelten ließ, ohne die Vorstellung einer ruhenden Erde aufzugeben.[16] Als umkreiste Sonne verkörperte Ludwig den Höhepunkt des Absolutismus. Der Soziologe Norbert Elias stellte in seiner Untersuchung Die höfische Gesellschaft (1969) die zunehmende Zentralisierung des absolutistischen Staats als Königsmechanismus dar. Den sozialen Erfolg des solcherart verkörperten heliozentrischen Weltbilds sah er in einer Balance zwischen „Engagement und Distanzierung“.[17] Bernard le Bovier de Fontenelles Entretiens sur la pluralité des mondes, die das heliozentrische Weltbild in der Art eines höfischen Spektakels veranschaulichten, durften seit 1686 in Paris in mehreren Auflagen erscheinen. Die Vorstellung einer Demütigung der Erde gegenüber der Sonne geht auf diese Schrift zurück:[18] Ein Hauslehrer versucht darin, einer als naiv dargestellten Marquise die Astronomie zu erklären. Fontenelle vertrat in der Querelle des Anciens et des Modernes die siegreiche Position der Modernen.
Oft als Gegengewicht zum französisch angeleiteten Rationalismus der frühen Aufklärung wird der britische Empirismus dargestellt, der von Francis Bacon ausging und in die Experimentalphysik Isaac Newtons mündete. Während der Rationalismus von der Voraussetzung ausging, dass man durch reines Denken zur Erkenntnis kommen könne, vertrat der Empirismus die Ansicht, dass Erkenntnis nur durch Sinneserfahrung möglich sei. Immanuel Kant versuchte, zwischen den beiden Positionen zu vermitteln. Er kritisierte zwar die „reine Vernunft“ des Rationalismus, stellte aber die Lehre des Kopernikus als ein Ergebnis des reinen Denkens dar, das neue Möglichkeiten eröffnet habe, indem es durch Beobachtung und späterhin durch Experimente zu neuen Erkenntnissen führen konnte. Diesen Mittelweg nannte er Transzendentalphilosophie.
In Kants Schriften und Briefwechsel finden sich die Ausdrücke „kopernikanische Wende“ oder „kopernikanische Revolution“ nicht. Der zentrale Text, auf den sich die Rede von Kants kopernikanischer Wende bezieht, ist die Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (Immanuel Kant: AA III, 7–10[19]) Dort findet sich zweimal der Ausdruck „Revolution der Denkart“, allerdings nicht mit direkten Bezug zu Kopernikus. Diesen bezeichnet Kant jedoch als Urheber einer „Umänderung der Denkart“. Dennoch ist in der Literatur mit Bezug auf diese Stelle von Kants „Kopernikanischer Wende“ die Rede.[20]
David Hume hatte bereits in der Einleitung seines Erstlingswerks A Treatise of Human Nature (1739) ausgeführt: „Even. Mathematics, Natural Philosophy, and Natural Religion, are in some measure dependent on the science of MAN“,[21] und sich in der Folge die Beschäftigung mit „extent and force of human understanding“ zur Aufgabe gemacht, was seinerseits als „Kopernikanische Revolution“ bezeichnet worden ist.[22] Kant führte aus, dass Mathematik, Logik und Naturwissenschaften durch eine „Revolution der Denkart“ von einer losen Sammlung von Entdeckungen zu systematischen Wissenschaften geworden seien, indem sie ihre Prinzipien nicht mehr in den Gegenständen der Erfahrung, sondern in der Vernunft gesucht hätten. Für die Naturwissenschaften nennt Kant die Methode, zunächst auf der Basis vermuteter Prinzipien Thesen aufzustellen und durch Experimente zu überprüfen. So wird eine andere Perspektive auf die Natur gewonnen.
Diese Naturwissenschaft wird für Kant durch die Newtonsche Physik verkörpert, die durch Annahme einer Kraft in Gestalt einer Fernwirkung Galileis Fallgesetze und Keplers Planetengesetze zu einem System zusammenfassen konnte. Als Ausgangspunkt für diese Integration einer systematischen Kosmologie in eine empirisch bestätigte Physik nennt er Kopernikus’ Aufgabe eines geozentrischen Weltbildes mit einer unbewegten Erde. Ähnlich müsse die Metaphysik die Annahme aufgeben, die menschliche Erkenntnis richte sich völlig nach den Gegenständen. Als „Umänderung der Denkart“ empfiehlt er, versuchsweise davon auszugehen, dass sich die Gegenstände nach der Erkenntnis richten: in diesem Fall nach den Ordnungsprinzipien der Mathematik, mit der Newton auf die nicht beobachtbaren, aber (aus der Perspektive seiner Zeit) alles erklärenden Kräfte geschlossen hat.
Missverständliche Deutungen wie Victor Cousins Formulierung, dass Kant die Objekte der Erkenntnis um den Menschen habe kreisen lassen statt den Menschen um die Objekte,[23] haben der propagierten Umwälzung den Vorwurf des Anthropozentrismus eingetragen.
Was genau für Kant die Umänderung ausmacht, und ob Kants „kopernikanische Wende“ ein analoges Vorgehen in der Metaphysik, jede Revolution einer Wissenschaft überhaupt, die kritische Trennung von Vernunft und Erfahrung oder spezifisch die Aufgabe des Geozentrismus meint, ist eine Frage der Interpretation.
Nach Bertrand Russell hat Kant, indem er den Menschen ins Zentrum der Erkenntnistheorie rückte, noch gar nicht die eigentliche kopernikanische Wende vollzogen, weil er den Menschen wieder ins Zentrum der Welt gerückt habe, nachdem Kopernikus ihn daraus entfernt hatte.[24]
Georg Christoph Lichtenberg wandte gegen Kants a priori ein, dass die Sprache jeder Aussage vorangehe und alle Philosophie daher „Berichtigung des Sprachgebrauchs“ sei.[25] Kopernikus habe selbstverständliche Sätze wie „die Sonne geht auf“ in Frage gestellt.[26]
In der Folge werden Ereignisse als kopernikanische Wende bezeichnet, bei denen die Reflexion des Denkens zu Sprachkritik wird, wie bei der sogenannten linguistischen Wende seit Beginn des 20. Jahrhunderts, Fritz Mauthners Sprachphilosophie[27] oder etwa Noam Chomskys Arbeiten über die Syntax-Theorie.[28]
Vom linguistischen Begriff des Paradigmas ging Thomas S. Kuhn mit seinem Versuch einer allgemeinen Theorie wissenschaftlicher Revolutionen The Structure of Scientific Revolutions (1962) aus, was den Begriff des Paradigmenwechsels populär gemacht hat.
In den 1810 erschienenen Materialien zur Geschichte der Farbenlehre schrieb Goethe:
„Doch unter allen Entdeckungen und Überzeugungen möchte nichts eine größere Wirkung auf den menschlichen Geist hervorgebracht haben, als die Lehre des Kopernikus. Kaum war die Welt als rund anerkannt und in sich selbst abgeschlossen, so sollte sie auf das ungeheure Vorrecht Verzicht tun, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein. Vielleicht ist noch nie eine größere Forderung an die Menschheit geschehen: denn was ging nicht alles durch diese Anerkennung in Dunst und Rauch auf: ein zweites Paradies, eine Welt der Unschuld, Dichtkunst und Frömmigkeit, das Zeugnis der Sinne, die Überzeugung eines poetisch-religiösen Glaubens; kein Wunder, daß man dies alles nicht wollte fahren lassen, daß man sich auf alle Weise einer solchen Lehre entgegensetzte, die denjenigen, der sie annahm, zu einer bisher unbekannten, ja ungeahneten Denkfreiheit und Großheit der Gesinnungen berechtigte und aufforderte.“
Und noch 1832 bekräftigte er gegenüber Kanzler von Müller, es sei
„Die größte, erhabenste, folgenreichste Entdeckung, die je der Mensch gemacht hat, in meinen Augen wichtiger als die ganze Bibel.“
Friedrich Nietzsche stellte in seinem Werk Jenseits von Gut und Böse (1886) Nikolaus Kopernikus als „Gegner des Augenscheins“ (JGB-12) dar. Die Vereinfachung der ptolemäischen Himmelsbewegungen, an der Kopernikus gelegen war, fiel für Nietzsche kaum ins Gewicht. Vielmehr kam es ihm auf den Übergang von der naiven Sicht eines scheinbar in Ruhe befindlichen Himmelsbeobachters zu einer übergeordneten Perspektive an, die der Sinneswahrnehmung nicht zugänglich ist.[29] Nietzsches Lob der übergeordneten Perspektive wurde von Eduard Meyer wiederum als „kopernikanische Tat“ dargestellt.[30] Kant dagegen betrachtete den Perspektivenwechsel, den Kopernikus vorgeschlagen hatte, nicht als Triumph eines Subjekts über allgemeine Naivität, sondern als eine Erfolg versprechende Versuchsanordnung.[31]
Oswald Spengler vergröberte Nietzsches Äußerungen zu einer Gegenüberstellung von naiven Vorstellungen mit naturwissenschaftlichen Tatsachen. Er sah in der kopernikanischen Wende eine „Befreiung vom Augenschein“, wie sie „der abendländische Geist der Natur gegenüber“ zum „heute allein gültigen“ Weltsystem vollzogen habe,[32] und präsentierte nach diesem Muster eine „kopernikanische Entdeckung“ in der Geschichtstheorie, die er Der Untergang des Abendlandes (1918/22) nannte.[33]
Nietzsches Interpretation des „kopernikanischen“ Perspektivenwechsels als Veränderung einer Rangordnung und als Verlust der Sicherheit hatte bedeutenden Widerhall im 20. Jahrhundert. Er wurde mit den gegensätzlichen Vorstellungen der Kränkung und der Überheblichkeit des Menschen durch den Fortschritt der Wissenschaften in Verbindung gebracht.[34]
Sigmund Freud sprach von einer „kosmologischen Kränkung“ des Menschen, die den ersten Platz in den historischen Kränkungen der Menschheit einnehme (Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse, 1917). Hans Blumenberg entwickelte aus der Kränkungshypothese ein monumentales Geschichtsbild, das Interpretationen von Kant über Nietzsche bis Freud zu einem Kopernikus-Mythos verband. Die Randstellung des Menschen sei von Dichtern und Denkern durch einen „teilweise triumphalen Gestus kompensiert“[35] worden.
Bertrand Russell dagegen hielt fest, dass Subjektivität bei der wissenschaftlichen Weltbeschreibung ein Laster sei. Seine These von einer „ptolemäischen Konterrevolution“ Kants, weil dieser den Menschen mit einer anthropozentrischen Denkweise zurück in jenes Zentrum setze, von dem ihn Kopernikus „entthront“ habe[36], lässt sich kaum ohne die Nietzsche-Rezeption verstehen.[37]
Um 1960 hat Hermann Bondi mit dem Schlagwort Kopernikanisches Prinzip die Rede vom Verlust einer besonderen Stellung des Menschen im Weltall wiederaufgenommen. Der Wissenschaftsautor John Gribbin hat die gesamte Entwicklung der modernen Wissenschaft seit Kopernikus unter dem Gesichtspunkt beschrieben, wie sie dem Menschen seine angenommene Sonderstellung in der Welt schrittweise genommen hat.[38]
Der Psychiater Viktor Frankl setzte den Begriff der kopernikanischen Wende in einen therapeutischen Zusammenhang. Der Mensch solle „der Frage nach dem Sinn des Lebens eine kopernikanische Wendung geben: Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte […]“[39]. Statt daran zu verzweifeln, dass die konkreten Lebensumstände bestehende Vorstellungen nicht erfüllen, empfahl Frankl, auf diese Lebensumstände einzugehen. Damit begründete Frankl eine Behandlungsform, die er Logotherapie und Existenzanalyse nannte.
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