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deutscher Soziologe, Publizist und Hochschullehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Heinz Bude (* 1954 in Wuppertal) ist ein deutscher emeritierter Professor für Soziologe an der Universität Kassel. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Makrosoziologie, Generations-, Exklusions- und Unternehmerforschung. Er wurde einer breiteren Öffentlichkeit für seinen Einsatz für digitale Grundrechte und seine Beratung des deutschen Innenministeriums während der COVID-19-Pandemie bekannt.
Bude wuchs als Sohn eines Schreiners und einer Hausfrau in Wuppertal-Vohwinkel auf. Seine beiden Brüder wurden während des Krieges geboren,[1] er studierte als erstes Familienmitglied und bezeichnet sich als Bildungsaufsteiger.[2] Bude begann zunächst ein Studium der Katholischen Theologie an der Universität Tübingen. Anschließend studierte er Soziologie, Philosophie und Psychologie in Tübingen und an der Freien Universität Berlin. 1978 legte er dort die Diplomprüfung in Soziologie ab. Von 1978 bis 1983 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, danach Projektmitarbeiter sowie Habilitationsstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ferner war er als selbstständiger Sozialforscher tätig. 1986 promovierte er mit einer Dissertation zur Wirkungsgeschichte der Flakhelfer-Generation an der FU Berlin zum Dr. phil. Die Dissertation wurde im Suhrkamp-Verlag veröffentlicht. 1994 habilitierte er sich für das Fach Soziologie mit einer Studie zur Herkunftsgeschichte der 68er-Generation.
Ab 1992 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und leitete hier bis 2014 den Arbeitsbereich „Die Gesellschaft der Bundesrepublik“. Bude vertrat Lehrstühle an der Freien Universität Berlin und an der Viadrina in Frankfurt/Oder und war 1996 Visiting Scholar am Center for European Studies der Cornell University.
Bude gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.
Zusammen mit seiner Frau, der Politologin Karin Wieland, und der Künstlerin Bettina Munk veröffentlichte er 2020 den Roman Aufprall über die West-Berliner Hausbesetzerszene.[3]
Seit 2000 lehrte er als Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel.[4] Im Mai 2023 hielt er dort seine Abschiedsvorlesung.[5]
Generationengerechtigkeit
Das Prinzip der Generationengerechtigkeit bezeichnete Bude in seinem Essay als eine „unbrauchbare Formel“; es beruhe auf der naiven Unterstellung einer linearen Entwicklung der Welt.
Das Konzept der „Generationengerechtigkeit“ indiziert also womöglich eine grundlegende Veränderung unseres Zeitbewußtseins überhaupt. Das betrifft zuallererst das Verhältnis zur Zukunft. Sie ist für uns kein offener Horizont von Möglichkeiten mehr, sondern eine Wirklichkeit, an der alle Prognosen scheitern, die auf linearen Rechenmethoden beruhen, und die zugleich als Bedrohung unausweichlich auf uns zukommt.[6]
Digitale Grundrechte
Bude gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde. Art. 17, der den Geltungsbereich betrifft schlägt unter anderem vor, das die Rechte und Prinzipien dieser Charta auch gegenüber nichtstaatlichen Akteuren gelten sollten. Dabei ist eine Abwägung mit den Grundrechten dieser Akteure vorzunehmen.
COVID-19-Pandemie
Im Interview mit Harry Nutt (Frankfurter Rundschau) vom 16. November 2021 äußerte Bude, das „Corona-Leugnertum“ sei für ihn ein Phänomen unserer Zeit. Er frage sich seitdem, wohin mit dem „Irrsinn, den es offenbar in der Gesellschaft gibt“. Früher habe die Religion den Irrsinn absorbiert, dann die Kunst, jetzt versage die Wissenschaft bei der Entzauberung von Verschwörungstheorien. Die „Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft“ sei nicht mehr von der Hand zu weisen.[7]
Gegenüber Michael Bröcker erklärte er zu den Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland am 7. Dezember 2021, dass „Impfgegner“ „fühlbar Nachteile haben müssen“ und man sich „im Grunde nicht länger mit denen beschäftigen“ könne, „die kann man nicht nach Madagaskar verfrachten“, aber nach Gründen zu suchen habe keinen Sinn. Man „muss einen Schnitt machen und damit leben, dass es 20% oder 15% gibt, die sich nicht überzeugen lassen“.[8]
In der Diskussionsveranstaltung „Gesellschaft im Ausnahmezustand – Was lernen wir aus der Coronakrise?“ vom 24. Januar 2024 an der Universität Graz führte Bude aus, ein Spiegelredakteur habe ihm mitgeteilt, das Corona Thema sei für rechtspopulistische Kreise vielleicht wichtiger in ihrer „Extremisierungstendenz“ als das Migrationsthema. Der Ausgangspunkt, so Bude, sei die Zunahme von Rechtspopulismus, „wenn nicht gar Systemskepsis oder sogar Systemfeindschaft in allen westlichen Gesellschaften. Und wir wissen nicht mal, wie das in den USA in diesem Jahr ausgeht. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob Corona ein Brandbeschleuniger in der Extremisierung von Systemskepsis gewesen ist.“ Zum Umgang mit künftigen Großereignissen äußerte er die Frage, ob man da nicht „hinterrücks ganz furchtbare Dinge“ tun müsse, „wie Angstkommunikation, also sozialpsychologische Dinge benutzen, um solche Arten von Folgebereitschaften zur Veränderung von individuellem Verhalten vorzunehmen?“[9][10]
Corona-Strategiepapier
Bude war 2020 Mitarbeiter am internen Corona-Strategiepapier des Innenministeriums. Am 14. März war er von Markus Kerber, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, angerufen worden und hatte seine Teilnahme zugesagt. Die Bilder aus Bergamo seien entscheidend gewesen. Als er dann gehört habe, dass die Priester, die die Sterbenden in ihren letzten Stunden begleiten, selbst erkrankten und starben, habe er gewusst, dass Corona in einer Reihe mit der Pest, der Cholera und der Spanischen Grippe gesehen werden müsse. Er würde immer noch so vorgehen, wie sie es in der Kommission getan hätte, sagte er im Juni 2023, „best-practice-Beispiele analysieren und daraus Schlüsse für die eigene Situation ziehen“.[11] Er arbeitete am so genannten Szenarienpapier mit und verfasste einen Abschnitt.[12] Im Deutschlandfunk äußerte er, dass man Bürgerinnen und Bürger allgemein ansprechen wollte, also nicht als Repräsentanten einer bestimmten sozialen Gruppe. Zivilgesellschaftliche Akteure zur Vermittlung des Infektionsschutzkonzept seien wichtig, etwa Kirchen oder „Quartiersmanagements“.[13]
In einem Gespräch an der Uni Graz erläuterte Bude am 24. Januar 2024, sie hätten gesagt, sie hätten „ein Modell finden müssen, um Folgebereitschaft herzustellen, das so ein bisschen wissenschaftsähnlich ist.“ Und das sei diese Formel „Flatten the curve“ gewesen. „Wir sagen denen, es sieht so nach Wissenschaft aus, ne?“[9]
In dem Aufsatz Aus dem Maschinenraum der Beratung in Zeiten der Pandemie stellte er 2022 seine teilnehmenden Beobachtungen bei der Pandemieberatung dar.[14]
Initiative No-COVID
Im Februar 2021 startete die zivilgesellschaftliche Initiative No-COVID. Mit dem Komplexitätsforscher Dirk Brockmann erörterte Bude unter anderem die „Verlaufsdynamik von infektiösen Populationen“ und die „Gruppendynamik vulnerabler Individuen“, die sich schnitten. „Deshalb stieß die rationale Steuerung von Bewegungsmustern im Dienste der Kontrolle des Infektionsgeschehens immer wieder auf die eigenwillige Behauptung von Handlungsautonomie im Dienste der sozialen Geltung.“ Brockmann suchte bei Bude eine Erklärung für die „irre Aversion“ einzelner Gruppen und den sukzessiven Verlust von kollektiver Handlungsfähigkeit, Bude bei Brockmann Aufschluss über die merkwürdigen „Einschwingphasen“, die eine Population benötige, „um sich von ganz allein zu synchronisieren“ außerdem darüber, wie sich „informationelle Infektionen“ im Netz ausbreiten. Beide seien sie überzeugt, wie wichtig die Unterscheidung von „Politiken des Kompromisses zwischen verschiedenen Interessen und Politiken sozialer Pakte zwischen verschiedenen Kompetenzen“ für die Bewältigung „künftiger Großkrisen“ sein werde.[15] Damit bezog er sich auf Kriege, Pandemien und Extremwetterereignisse.
Mit seiner Frau hat er eine Tochter.[16][17] Er wohnt in Berlin-Weißensee.[18] Er ist römisch-katholisch.[19]
Als Autor:
Als Herausgeber:
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