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Die Freien Bibelforscher sind eine christliche Glaubensgemeinschaft, die sich nach eigener Lehraussage ausschließlich auf die Bibel als Glaubensgrundlage und auf das Vorbild der Gemeinde des Urchristentums beruft. Die Gemeinschaft entstand aus der sogenannten Bibelforscherbewegung. Gemeinden gibt es heute in mehr als fünfundvierzig Ländern.[1]
Einzelne Ortsgemeinden bezeichnen sich als Freie Bibelforschergemeinde, mit dem Zusatz der Ortsbezeichnung und beanspruchen nicht für sich, die jeweilige Gemeinde (oder Versammlung) Gottes vor Ort zu sein. Die Gemeinde Jesu sei keine irdische Institution, sondern der aus allen Christen weltweit zusammengefügte Leib Jesu abseits menschlicher Konfessionen.
Der Ursprung dieser Gemeinschaft ist eine religiöse Erweckungsbewegung, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den USA ihren Anfang nahm. Eine zentrale Rolle spielte dabei der baptistische Prediger William Miller, der ausgehend von biblischen Angaben die Wiederkunft Jesu Christi für 1844 erwartete. Nach Ausbleiben der Wiederkunft zerfiel die Bewegung, jedoch konnten einige der daraus später hervorgegangenen christlichen Gemeinschaften größere Verbreitung finden. Dies sind weltweit gesehen insbesondere die Siebenten-Tags-Adventisten, die Weltweite Kirche Gottes und die Zeugen Jehovas. Aus letzteren entstanden durch Schismen die Freien Bibelforscher.
1907 änderte Charles Taze Russell, der Gründer der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (aus denen 1931 die Zeugen Jehovas entstanden), einige grundlegende Ansichten über den Neuen Bund, das Erlösungswerk Jesu und sein Lösegeld; die Lehre wurde schließlich im Wachtturm veröffentlicht.[2] Viele sahen in diesen Änderungen der Grundlehren ein Abweichen von der biblischen Lehre. Ein großer Proteststurm, der schließlich zum zweitgrößten Schisma in der Bibelforscherbewegung werden sollte, ging durch die Reihen der Bibelforscher.
E. C. Hennings, ein Zweigstellenleiter der australischen Wachtturm-Gesellschaft, schrieb einen offenen Brief an Russell, um diesen in seiner Lehrmeinung umzustimmen. Zahlreiche Protestbriefe anderer folgten.[3] Russell jedoch nutzte seine Stellung, um die Gegner seiner neuen Lehre niederzuschlagen. Viele prominente Mitglieder der Wachtturm-Gesellschaft, darunter J. H. Giesey, Vizepräsident der Gesellschaft, M. L. McPhail, ein reisender Aufseher aus Chicago, und Mae Russell Land, Russells eigene Schwester, verließen daraufhin die Gesellschaft.[4]
1909 waren die Ausgeschiedenen mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich zusammenzuschließen, und wurden „Freie Bibelforscher“ genannt – im Gegensatz zu den „Ernsten Bibelforschern“, die an Russells Lehren festhielten. In Australien wurde die „New Covenant Fellowship“ und in Amerika die „New Covenant Believers“ gegründet.[5] Einige weitere Missionsgesellschaften wurden gegründet. 1928 schloss sich wiederum eine Versammlung der Ernsten Bibelforscher zusammen und gründete die „Christian Millennial Fellowship“ (heute Christian Discipling Ministries International), die schließlich die Zeitschrift Die Neue Schöpfung bis in die Gegenwart veröffentlicht.[6]
1928 gründete im deutschen Raum der ehemalige WT-Zweigaufseher Conrad C. Binkele mit weiteren Bibelforschern die Gemeinschaft „Freie Bibelforscher-Vereinigung“. In Deutschland entstand in den 1930er Jahren, ebenfalls durch Abspaltung von den Zeugen Jehovas, eine eigenständige Gemeinde in Kirchlengern bei Herford. Differenzen in der Leitung und vor allem in der Lehre führten zur Trennung, da sie die sich stetig verändernden Lehren der Wachtturm-Gesellschaft nicht übernahmen.[7]
In den öffentlichen Medien der letzten Jahre blieben die Freien Bibelforscher nahezu gänzlich ausgespart, obgleich auch die „Freie Bibelforscher-Vereinigung“ wie die Zeugen Jehovas im November 1933 bzw. im Januar 1934 verboten und verfolgt wurde. Grund dafür war die Organisationslosigkeit und die Annahme, die Gemeinschaft verweigere die Mitwirkung am Staat. Angehörige dieser Gruppe wurden ebenso in den Konzentrationslagern unter dem „Lila Winkel“ der Bibelforscher geführt.[8]
Bei den Freien Bibelforschern gibt es keine übergeordnete Gemeindeorganisation oder Leitung. Jede Gemeinde ist für sich selbst verantwortlich, auch finanziell. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie mit anderen Gemeinden örtlich oder überörtlich zusammenarbeitet. In ihren Gemeinden gibt es keine formelle Mitgliedschaft. Nach ihrer Auffassung sind alle, die an Jesus Christus glauben und sich für ein Christsein entschieden haben, Glieder am Leib des Christus.
Die Bibelforschergemeinden sind autonom und werden als Abbild der neutestamentlichen Gemeinde verstanden. Sie glauben, dass die wirkliche Leitung Jesus Christus als Haupt der Christenversammlung (Eph 1,19 ELB) innehat und diese Leitung durch den heiligen Geist bis heute ausübt. Die Dienstämter der örtlichen Gemeinde liegen in der Obhut von Ältesten, Diakonen, Diakoninnen und Predigern. Die Gemeindeleitung erfolgt weitgehend durch ehrenamtliche Laien.
Die Taufe ist nicht mit der Aufnahme in die Gemeinde gleichzusetzen, sondern sie sei eine Aufforderung Jesu, seine Glaubensentscheidung öffentlich zu machen. Die Taufe drückt den Vorgang der Bekehrung sichtbar aus (Mt 28,18–20 ELB). Die Freien Bibelforscher verstehen sich als „bibeltreue“ christliche Gemeinde, wobei das gemeindliche Leben wie auch das Lehrverständnis dem anderer freikirchlicher Gruppierungen in vielen Teilen ähnlich ist. Der Aspekt des allgemeinen Priestertums (1 Petr 2,5 ELB) wird dabei sehr betont. Die Freien Bibelforscher legen starken Wert darauf, dass ihre Anhänger eine wirkliche Bekehrung erlebt haben und sich in ihrem Leben nach den ethischen Geboten des Christentums richten und möglichst ein geheiligtes, also sündenfreies Leben führen. Jedes Gemeindemitglied soll auch persönlich mit der Bibel umgehen können.
Im Folgenden werden wesentliche Unterschiede dargestellt:
Die Freien Bibelforscher glauben, dass es einen Gott gibt, den Vater im Himmel (1 Kor 8,6 ELB). Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist der Alleingeborene, der Einzige, der direkt aus Gott hervorging (1 Joh 4,9 ELB) und vor Ewigkeiten geboren wurde (Mi 5,1 ELB; Kol 1,15 ELB). Der Sohn ist der Natur des Vaters teilhaftig, sodass die Gottheit des Vaters dieselbe auch des Sohnes ist. Die Tatsache, dass sie zwei unterschiedliche Personen sind, hebt die Tatsache nicht auf, dass sie in ihrer Natur (ihrem Wesen) identisch sind: eine „Substanz“ (Natur), zwei Personen. Den Heiligen Geist verstehen sie nicht als eigenständige Gottheit oder Substanz. Er ist Gott, der sich als der persönliche Ausdruck der unsichtbaren wirkenden Kraft Gottes, aber auch als Person äußert (Lk 24,49 ELB; Apg 1,8 ELB) und der der verheißene Tröster ist, den Gott allen Gläubigen sendet. Nach ihrer Lehre geht der Heilige Geist vom Vater durch den Sohn aus. Aus diesem Grund wird das Wort Dreieinigkeit von den Freien Bibelforschern nicht verwendet.
Freie Bibelforscher vertreten die Ganztodtheorie: Der Mensch ist eine Einheit nach Leib, Seele und Geist (1 Mos 2,7 ELB). Kein Teil des Menschen ist vom Todesurteil ausgenommen. So fällt der Mensch beim Tod in einen Zustand von Bewusstlosigkeit, Stille und Untätigkeit, hat aber die Hoffnung der Auferstehung von den Toten.
Im Mittelpunkt der Lehre der Freien Bibelforscher steht die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi (Joh 14,2–3 ELB) und der Wiederherstellung der Menschheit zur Vollkommenheit (Apg 3,21 ELB). Somit stellen die Freien Bibelforscher eine eschatologische Glaubensgemeinschaft dar.
Für die Freien Bibelforscher ist Israel weiterhin das auserwählte Volk Gottes. Gottes Wirken glauben sie in der Heimkehr der Juden in das gelobte Land seit 1948 zu erkennen. Weiter vertreten sie die Ansicht, dass nach der noch in der Zukunft liegenden Anerkennung des Messias durch das Volk Israel auch dieses ein Teil des Königreichs Gottes sein werde.
Freie Bibelforscher glauben, dass das Reich Gottes (Königreich der Himmel) in drei Phasen realisiert wird:
Eine bindende Ordnung der Gottesdienste gibt es nicht, sie können von Gemeinde zu Gemeinde etwas variieren. Kleidervorschriften gibt es keine. In den FBG tragen aber die Frauen, wenn sie öffentlich, also in der Gemeinde laut beten, eine Kopfbedeckung in Anlehnung an 1 Kor 11,5–13 ELB.
In der Regel dauern die Gottesdienste eineinhalb bis zwei Stunden. Im ersten Teil wird der „Mannatext“ für den Tag besprochen. Dabei wird ein Bibeltext herangezogen, der in einer 15 Minuten dauernden Ansprache ausgelegt wird. Ein etwa 35-minütiger Vortrag bildet daraufhin den Hauptteil des Gottesdienstes. Die Predigten können alle Gemeindemitglieder halten, die sich dazu in der Lage fühlen, ebenso Gastprediger. Die Predigttexte sind immer frei gewählt.
Im zweiten Teil wird in Anlehnung an Apg 20,7 ELB das Brot gebrochen, was das Zentrum des Gemeindelebens bildet. Anschließend wird noch in der Zeugnisstunde die Gelegenheit gegeben, über Erfahrungen aus der vergangenen Woche zu berichten, sich auszutauschen oder zu beten.
Einmal in der Woche treffen sich die Freien Bibelforscher in Hauskreisen zur Bibelstunde, in der auf bestimmte biblische Themen eingegangen wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Freien Bibelforscher ist die wöchentliche Gebetsversammlung, bei dem sich die Mitglieder zum gemeinsamen Gebet zusammenfinden.
Neben dem Brotbrechen im Gottesdienst, das die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit Jesus Christus betont, wird das Abendmahl, das auch Erinnerungsmahl genannt wird, einmal im Jahr am 14. Nisan, am Tag des jüdischen Passahs, nach Sonnenuntergang gesondert gefeiert. Damit folgen die Freien Bibelforscher der Tradition der Quartodezimaner.
Die Freien Bibelforscher praktizieren die Gläubigentaufe. Die Taufe geschieht durch gänzliches Untertauchen im Wasser und wird unter Berufung auf (Röm 6,3–4 ELB) als ein Begraben des menschlichen Willens in den Tod Christi verstanden. Weil die Taufe ausschließlich als Opferung des eigenen Willens verstanden wird, ist für die Freien Bibelforscher die Kindertaufe unbiblisch.
Die Verkündigung der Erlösung Jesu Christi – bewirkt durch seinen Tod und Auferstehung – für alle Menschen und die Aufrichtung des nahe bevorstehenden Königreiches Gottes auf Erden ist für die FBG nicht nur biblischer Auftrag, sondern auch moralische Verpflichtung. So bemühen sie sich in ihrem täglichen Lebensumfeld, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen.[9]
Sie vertreten den Dispensationalismus und gehören keiner übergemeindlichen Organisation an. Untereinander pflegen sie lose Kontakte.
Die monatlich erscheinende Zeitschrift Die Neue Schöpfung wird seit 1940[10] vom Missionsdienst Christian Discipling Ministries International veröffentlicht. Sie erscheint in Englisch, Italienisch, Spanisch und Deutsch und ist das Verbindungselement der Freien Bibelgemeinden. Die deutsche Ausgabe wird vom Evangeliumsdienst Freie Bibelgemeinde in Österreich veröffentlicht.[11] Von 1948 bis 2008 erschien parallel dazu die Christliche Warte. Sie war ein dreimonatlich erscheinendes Magazin und wurde von der Freien Bibelgemeinde in Kirchlengern herausgegeben.
Die Themen der Zeitschriften umfassen Artikel für Bibelstudium, christliches Leben und Bibelauslegung. Die Neue Schöpfung und die Christliche Warte vertreten ein relativ geschlossenes Weltbild, das politisch neutral, konservativ, optimistisch und vor allem christlich orientiert ist.
Obwohl die Gemeinschaft der Freien Bibelforscher keinen Absolutheitsanspruch erhebt und sich nicht als die allein wahre und gültige Kirche versteht und anderen christlichen Gemeinschaften zugesteht, dass in diesen auch Christen zu finden sind, die eine lebendige Beziehung zu Christus haben, strebt sie nicht die Mitgliedschaft im ökumenischen Rat der Kirchen an.
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