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Literatur von Frauen, für Frauen, über Frauen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Frauenliteratur bezeichnet ein Genre sowohl belletristischer als auch essayistischer Literatur, die im weitesten Sinne als Literatur von Frauen, über Frauen oder für Frauen beschrieben werden kann.[1] Mit Blick auf die äußerst wechselhafte, von verschiedenen literaturwissenschaftlichen und feministischen Paradigmen abhängige Begriffsgeschichte allerdings kann keines dieser Kriterien als vollkommen verbindlich aufgefasst werden.[2] Vor allem vermittelt der zusammengesetzte Begriff aus „Frauen“ und „Literatur“ eine Unterkategorie von Literatur, in der das Gegenüber „Männerliteratur“ nur selten benutzt wird.
Literarische Werke mit weiblichen Protagonisten sind überall in der Weltliteratur von weiblichen Autoren ebenso wie von männlichen geschrieben worden. Im deutschsprachigen Raum ist mit seinen Porträts starker Frauen, die sich gegen alle äußeren Widrigkeiten einen guten Platz im Leben erkämpfen, etwa der Österreicher Ludwig Anzengruber (Der Schandfleck, 1876; Der Sternsteinhof, 1884) hervorgetreten.[3] In Deutschland behandelte zur selben Zeit Theodor Fontane in seinen Romanen und Novellen immer wieder das Thema der bürgerlichen Frau, die an den antiquierten Verhaltensnormen ihrer Zeit scheitert (z. B. Grete Minde, 1879; Cécile, 1886; Frau Jenny Treibel, 1892; Effi Briest, 1894/1895; Mathilde Möhring, postum 1906).[4][5]
Frauenfiguren wurden tendenziell überzeichnet kategorisch als entweder gut oder böse, als gehorsam oder ungehorsam dargestellt.[6] So wird zum Beispiel in Shakespeares The Taming of the Shrew eine eigensinnige Frau durch männlichen Einfluss gebrochen und gehorsam gemacht und bei Goethes Faust ein „reines“, frommes Mädchen durch männliches Einwirken „unrein“ und zu einer Kindsmörderin.
Der Begriff „Frauenliteratur“ lässt sich in der deutschsprachigen Literatur seit mindestens 1823 nachweisen, wo er zunächst fiktionale und nicht-fiktionale Literatur bezeichnet, die von weiblichen Autoren über Themen geschrieben wird, die ein weibliches Lesepublikum ansprechen sollen.[7] Der Begriff „Frauenroman“ ist – in analoger Bedeutung – seit mindestens 1832 zu finden.[8]
Beide Begriffe gewannen an Bedeutung, als feuilletonistische und buchhändlerische Kategorien im ausgehenden 19. Jahrhundert vermehrt Autorinnen erschienen, die die Schriftstellerei nicht nur als Brotberuf auffassten, sondern vor allem einen künstlerisch ambitionierten Ausdruckswillen mit ihrem Schaffen verbanden. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Etikett „Frauenroman“ als Verkaufsschlager entdeckt, zahlreiche Verlage brachten Romanreihen unter Titeln wie „Frauen-Romane“, „Der gepflegte Frauen-Roman“ u. ä. heraus, und der Begriff wurde nahezu synonym mit „Heft- oder Groschenroman“ und „Trivialliteratur“.
Eine doppelte Wandlung erfuhr der Begriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zum einen wurde er zu einem unscharfen Allgemeinbegriff erweitert, der fast alles bezeichnete, was in irgendeiner Art und Weise „mit Frauen zu tun“ hatte, beispielsweise auch Jugendbücher und Pensionatsgeschichten wie Emmy von Rhodens Der Trotzkopf, die Schriften der mittelalterlichen Mystikerinnen oder auch moderne Lebenshilfe- und Ratgeberliteratur. Mitunter wurde sogar alle unterhaltende Romanliteratur des 19. Jahrhunderts als „Frauenliteratur“ bezeichnet, gemäß der – inzwischen revidierten – literatursoziologischen Auffassung, dass Romane ausschließlich für Frauen geschrieben und auch nur von diesen gelesen worden seien. Zum anderen wurde der Begriff im Kontext der „Neuen Frauenbewegung“ in den 1960er bis 80er Jahren teilweise verengt auf feministisch-emanzipatorisch ausgerichtete Werke, sei es belletristischer oder essayistischer Art.
Will man einen ungefähren allgemeinen Trend der Begriffsentwicklung im Laufe des 20. Jahrhunderts festmachen, so kann man vielleicht sagen, dass der Begriff heute eher von Autorinnen geschriebene Literatur, in früheren Jahrzehnten eher Literatur mit weiblichen Protagonisten bezeichnet(e). Heute werden retrospektiv auch Autorinnen des 18. Jahrhunderts (wie z. B. Sophie von La Roche und Therese Huber), der Romantik (wie z. B. Sophie Mereau), des Jungen Deutschland und des Vormärz (wie z. B. Fanny Lewald und Louise Otto-Peters) und die zahlreichen Roman- und Novellenautorinnen des bürgerlichen Realismus als „Frauenliteratur“ kategorisiert. Eine Kanonisierung paradigmatischer Autorinnen des 20. Jahrhunderts (nicht nur deutscher Sprache) wurde durch die ab den 1980er Jahren erscheinenden Reihen „Die Frau in der Literatur“ und „Das Jahrhundert der Frau“ in den Verlagen Ullstein und Suhrkamp befördert.
In der feministischen Literaturkritik der 80er Jahre gab es eine lange und letztlich zu keiner Lösung geführte Debatte darüber, ob es eine spezifisch ‚weibliche Schreibe‘ gebe oder nicht (und wenn ja, ob diese an der Kategorie ‚Sex‘ oder ‚Gender‘ festzumachen sei). Festhalten lässt sich sicherlich, dass eine je historisch spezifische Wirklichkeitserfahrung in die Beschaffenheit eines literarischen Werks eingeht und ein ‚weiblich perspektiviertes‘ Werk somit signifikante Unterschiede gegenüber einem ‚männlich perspektivierten‘ zeitgenössischen Werk aufweisen kann. Die Debatten haben auch zu einer kritischen Reflexion über den Begriff „Frauenliteratur“ selbst geführt, und man stellte fest, dass schon die Notwendigkeit eines solchen Begriffs symptomatisch sei dafür, dass der Begriff „Literatur“ (ohne den Zusatz „Frauen-“) offenbar kein neutraler Begriff ist, sondern von einer Wirklichkeitsauffassung ausgeht, in der der Mann und das Männliche die Norm darstellen, während die Frau und das Weibliche als ‚das Andere‘ – das ‚Abnorme‘ – defizitär erscheinen.
Seit den 1990er Jahren erfährt der Begriff im Zuge des fortschreitenden „Postfeminismus“ wieder eine tendenzielle Erweiterung, die sich vor allem in den neueren Ableitungen des Begriffs (wie z. B. „Frauenkrimi“) bemerkbar macht. In der aktuellen Literaturkritik wird diese abgegriffene und ambivalente Kategorie der „Frauenliteratur“ eher vermieden und man spricht alternativ z. B. von „literarischen Fräuleinwundern“, wenn man neue Publikationen von Autorinnen bespricht.
Bereits im Hoch- und Spätmittelalter traten erste Frauen in Europa als Autoren auf, wobei geistliche oder höfische Schriften im Mittelpunkt standen. Zu den Vertreterinnen höfischer Literatur zählen unter anderem die fränkische Dhuoda, die französische Marie de France, die italienische Christine de Pizan oder die böhmische Helene Kottannerin. Elisabeth von Lothringen übertrug vier französische Romane ins Althochdeutsche, darunter den Hug Schapler. Eleonore von Schottland übertrug die normannische Sage des Pontus und Sidonia in die Sprache ihres Tiroler Hofs. Zahlreiche Nonnen und Äbtissinnen waren in derselben Zeit hoch gebildet und betätigten sich als Übersetzer, Dichter und Verfasser geistlicher Schriften. Zu den namhaftesten gehören Hugeburc, Hrotsvit, Ava, Herrad von Landsberg und Hildegard von Bingen. In der Epoche der Deutschen Frauenmystik traten etwa die Nonnen des Klosters Helfta sowie heute oftmals namentlich unbekannte Dominikanerinnen als Verfasser von klösterlichen Belehrungen sowie biographischen Schwesternbüchern und Gnadenviten hervor. Bei vielen Klosterschriften handelte es sich erstmals um Literatur, die von und für Frauen verfasst wurde, wenn auch der Kreis der Leserschaft naturbedingt sehr gering blieb.[9]
In der Epoche des Humanismus kam im nordeuropäischen Bürgertum und Adel das erstmals auch durch Männer geförderte Bemühen auf, Frauen in die männlich dominierte Gelehrtenwelt und Erziehung miteinzubeziehen – in Italien, dem Mutterland der Renaissance, war dies in den oberen Schichten bereits vielfach der Fall. In der fiktiven Gestalt der Magdalia idealisierte Erasmus von Rotterdam eine gelehrte Frau, die den bornierten und chauvinistischen Abt Antroninus mit den Waffen von Logik und Sophismus schlägt. Zu den aufgeführten misogynistischen Argumenten des Abts gehörte eine Fülle von bis weit in die Neuzeit verbreiteten Vorurteilen: Studierte Frauen seien unfruchtbar, verlören ihre Unschuld und das wenige Hirn, welches Gott ihnen gegeben hätte, weshalb die Frau nur Handarbeit und Haushaltsführung übernehmen dürfe. Reale Gegenbeispiele zugunsten der humanistisch gebildeten Frau des Bürgertums waren Caritas Pirckheimer, Margaret Roper, Margarete Peutinger und die in Heidelberg lehrende Italienerin Olympia Fulvia Morata. Auch an und während der Reformation beteiligten sich Frauen durch schriftstellerisches Schaffen, darunter Katharina Zell, Argula von Grumbach, Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, Anna Ovena Hoyer und Magdalena Heymair.[9]
Angesichts der Glaubenskämpfe und dem Ende der ersten Blütezeit des Humanismus waren schriftstellerisch tätige Frauen im 17. Jahrhundert weiterhin nur unter männlicher Duldung und Förderung denkbar. Die Gelehrtinnen Anna Maria Schürmann, Maria Cunitz, Maria Sibylla Merian blieben ebenso Ausnahmeerscheinungen wie die schöngeistigen Dichterinnen und Autorinnen Maria Catharina Stockfleth, Sophie Elisabeth von Mecklenburg, Sibylle Ursula von Braunschweig-Lüneburg und Catharina Regina von Greiffenberg. Der aufkommende Pietismus gab Frauen allerdings die Möglichkeit, sich in religiösen Fragen in Laienzirkeln zusammenzuschließen, wozu sich auch Anna Maria Schürmann entschied. Die neue weibliche Spiritualität wurde vielfach als gefährliche Schwärmerei abgetan, weshalb Schürmann die religiöse Frauenbewegung durch ihre zweibändige Streitschrift Eukleria verteidigte und dadurch neue Anhängerinnen gewann. Weitere theologische Schriftstellerinnen waren – nunmehr in Druckform, wenn auch mit unterschiedlicher Resonanz – Johanna Eleonora Petersen, Anna Vetter und Beata Sturm.[9]
Das 18. Jahrhundert sah in der Aufklärung mit Christiana Mariana von Ziegler, einer wohlhabenden Dichterin von unter anderem Kantatentexten für Johann Sebastian Bach, erstmals eine Frau aus eigener Kraft in einer deutschen Gelehrtenvereinigung, Gottscheds Deutscher Gesellschaft und mit kaiserlicher Dichterkrone. Auch Gottscheds Frau Luise Adelgunde war literarisch tätig. Weitere Beispiele für Autorinnen dieser Zeit waren Sidonia Hedwig Zäunemann und Anna Louisa Karsch.[9]
Als eine der ersten bedeutenden Autorinnen der Neuzeit trat nun Sophie von La Roche mit ihrem Roman Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771) hervor. Er führte als erstes gelungenes deutsches Beispiel die von Samuel Richardson begründete Gattung des empfindsamen Briefromans in Deutschland ein. Goethe schwärmte für diesen Roman und lieferte 1774 mit den Leiden des jungen Werthers sein eigenes Werk in diesem Genre. Schiller förderte in seiner Funktion als Herausgeber von Literaturzeitschriften und -kalendern einige Autorinnen (z. B. Karoline Louise Brachmann und Sophie Mereau), jedoch etablierte sich in der Klassik zunehmend auch eine Unterscheidung von Höhenkamm- und Trivialliteratur, bei der die Frauen ganz klar auf der Verliererseite standen. Für die Autorinnen der Romantik ist es deshalb typisch, dass sie bis in die 1790er Jahre oft nur als ‚Frau von‘ und oft genug nur unter ihrem Vornamen bekannt waren: Cornelia Schlosser, Caroline Flachsland, Minna Körner, Charlotte von Kalb. Eine Ausnahmeerscheinung, weil schon früh kanonisiert, ist die Autorin Karoline von Günderrode.[9]
Ein Neuansatz zeichnete sich in der politisch bewegten Zeit des Jungen Deutschland und des Vormärz ab. Hier entstand eine frühfeministische Literatur nach englischem und französischem Vorbild (z. B. Mary Wollstonecraft-Shelleys und Olympe de Gouges), als deren wichtigste Vertreterinnen Fanny Lewald und Louise Otto-Peters gelten können. In der Restaurationszeit stechen die lyrischen Werke Annette von Droste-Hülshoffs heraus. Diese vielversprechenden Anfänge gerieten allerdings wieder weitgehend in Vergessenheit, als sich im bürgerlichen Realismus ein vorher nie dagewesenes weibliches Brotschriftstellertum etablierte. Frauen entdeckten die Schriftstellerei als Erwerbsquelle. Ein hoher Prozentsatz der enormen Roman- und Novellenproduktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vor allem für sogenannte „Familienblätter“ wie Die Gartenlaube oder Westermanns Monatshefte) verdankt sich weiblicher Feder. Zur Auflagensteigerung der „Gartenlaube“ trug besonders die Marlitt bei. Weitere Bestseller-Autorinnen dieser Epoche waren Nataly von Eschstruth, Marie Nathusius, Louise von François und Hedwig Courths-Mahler.
Um die Jahrhundertwende 1900 entwickelte sich innerhalb dieser Massenproduktion eine neue weibliche Kunstliteratur, die nun bewusst an die Vorläuferinnen des frühen 19. Jahrhunderts anknüpfte. Es entstanden vermehrt künstlerisch ambitionierte Romane und Erzählungen, meist ausgehend vom Muster des Entwicklungs- und Bildungsromans. Als Auslöser und Meilenstein dieser Entwicklung kann Gabriele Reuters Roman Aus guter Familie (1895) gelten. Gleichwohl waren auch die Verfasserinnen einzelner innovativer Werke oft noch darauf angewiesen, mit dem Schreiben ihr Geld zu verdienen, sodass die Werklisten der betreffenden Autorinnen vielfach sehr umfangreich und heterogen ausfallen. Die Modewelle weiblicher Erzählliteratur war begleitet von einer hohen Anzahl essayistischer Publikationen zur zeitgenössischen „Frauenfrage“ (z. B. von Hedwig Dohm oder Käthe Schirmacher) und Biographien historisch bedeutender Frauen. Diese Generation von Autorinnen, die überwiegend noch im Wilhelminischen Zeitalter sozialisiert wurden, verlor jedoch wieder stark an Bedeutung, als in den 1920er Jahren die „Neue Frau“ als Romanthema entdeckt wurde. Bestseller-Autorinnen dieser Zeit sind z. B. Vicki Baum und Ina Seidel. Auf den Gebieten der Lyrik und Dramatik ließen sich um 1900 noch kaum literarische Erfolge von Frauen verzeichnen. Zwar gab es nicht wenige, die es versuchten, doch wurden sie von der zeitgenössischen Literaturkritik ebenso wie von der späteren Literaturgeschichtsschreibung weitgehend ignoriert. Erst im mittleren 20. Jahrhundert schafften Autorinnen wie etwa Marie Luise Kaschnitz, Marieluise Fleißer und Else Lasker-Schüler den Sprung in den literarischen Kanon.
Eine neue Form deutschsprachiger Frauenliteratur tauchte in den 1970er Jahren in Westdeutschland auf. Dabei handelt es sich zum großen Teil um Erfahrungsberichte aus dem weiblichen Alltag, die durch ihre oft experimentelle literarische Form das Problem weiblicher Produktivität selbst mitreflektierten und darauf pochten, wahrgenommen zu werden. Diese literarische Entwicklung steht im Zusammenhang mit dem Auftauchen anderer emanzipatorischer Literatur wie z. B. Gefangenen-, Homosexuellen- und Migrantenliteratur. Einflussreiche Bücher dieser Zeit waren z. B. Häutungen von Verena Stefan, Sonja von Luise F. Pusch und Klassenliebe von Karin Struck.
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