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Lebensbeschreibung einer Person Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine Biografie (auch Biographie; altgriechisch βιογραφία biographía, Kompositum aus βίος bíos „Leben“ und -graphie, sinngemäß „Aufschreiben des Lebens“) ist die Beschreibung des Lebens einer Person. Biografien können mündlich oder schriftlich die Lebensgeschichte eines Menschen nachzeichnen. Ein Sonderfall ist die vom Betreffenden selbst verfasste Autobiografie, eventuell mit Unterstützung eines Ghostwriters.
Manchmal werden Autobiografien dem Testament beigefügt; es soll vom Leben eine Spur übrig bleiben – die Nachkommen sollen wissen, was war. Um eine Art autobiografischen Kurzberichts[1] handelt es sich beim Rapiarium.
Den Lebenslauf zu beschreiben, beinhaltet auch die Möglichkeit nachträglicher Konstruktion einer bestimmten Sinnhaftigkeit des beschriebenen Lebens. Dies führt zur Frage nach dem subjektiv verstandenen Leben. Jeder Mensch entwirft seine eigene Biografie in unterschiedlichen Lebenssituationen (beim Bewerbungsgespräch, bei der Aufnahme persönlicher Beziehungen oder allgemeiner bei der eigenen Lebensrückschau, z. B. beim Psychologen oder Psychiater). Biografien bilden auch ein wichtiges Instrument der Erinnerung an andere Personen. Sie sind daher Gegenstand der Literatur- und Geschichtswissenschaft, der Soziologie, der Pädagogik, der Psychologie, der Medizin und der Theologie. Die einzelnen Arbeitsfelder und Arbeitsgegenstände der Biografieforschung sind heterogen und haben eigene Forschungstraditionen entwickelt.
Als Literaturgattung behandelt die Biografie meist Personen des öffentlichen Lebens wie Politiker, Wissenschaftler, Sportler, Künstler oder Menschen, die durch ihr Wirken einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag geleistet haben. Wichtige literarische Biografen deutscher Sprache waren und sind etwa Karl August Varnhagen von Ense, Stefan Zweig, Emil Ludwig und Golo Mann. Viele biografische Texte vermischen die historischen Fakten mit freien Erfindungen (biografischer Roman, historischer Roman).
Ein frühes Beispiel für die heroisierende Lebensbeschreibung in Form einer Autobiographie eines politischen Herrschers aus der Antike sind die Res Gestae Divi Augusti (auch: Monumentum Ancyranum). Aber auch die Biografien mancher (bis dahin) unbekannter Personen sind verbreitet (z. B. Anna Wimschneider, Herbstmilch).
Lebensbilder sind Kurzbiografien meist von Personen ohne historischen Rang. Sie werden oft von Genealogen, Familien- und Heimatforschern verfasst, Biografien hingegen von Biografen. Die beschriebenen Personen sind je nach Anspruch, historischer Bedeutung oder Auslegung Verwandte, einfache Mitmenschen oder historische, kulturelle oder bedeutende Persönlichkeiten. Umgangssprachlich wird manchmal auch der (stichwortartige) Lebenslauf eines Menschen als dessen Biografie (auch „Vita“) bezeichnet.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie – dem eigenen Lebenslauf – ist u. a. Inhalt der psychoanalytisch ausgerichteten Biografiearbeit.
Nach Arnaldo Momigliano ist die Biografie schlichtweg die Darstellung des Lebens eines Menschen von der Geburt bis zum Tod, nach Friedrich Leo die chronologische Darstellung von Geburt bis zum Tod, Gruppierung der Geschehnisse um die Hauptperson, Erfassung des Lebens nach Rubriken, moralisch-didaktische Ausrichtung. Dies sind moderne Erfassungen der antiken Biografie, aber keine eigene in der Antike gefasste Literaturtheorie.
Nach Leo gibt es zwei Formen, von denen die erste, literarisch wenig anspruchsvolle, für Personen des Geisteslebens gedacht sei, die zweite, deutlich qualitätsvollere Form, für Politiker, Könige und Feldherren gedacht sei (Schule des Peripatos). Diese Anschauung wurde jedoch durch den Fund der Euripides-Biografie des Satyros von Kallatis in Dialogform erschüttert.
Die Biografie entstand im vierten Jahrhundert v. Chr. als ein Produkt des Übergangs von der sich auflösenden Polis-Kultur der klassischen Zeit zur Monarchie der hellenistischen Zeit. In der demokratischen Polis herrschte das Ideal vor, dass sie nicht nur eine Summe von Individuen, sondern eine wirkliche Gemeinschaft war. Die nach dem peloponnesischen Krieg eingeleitete und durch Philipp II. von Makedonien und Alexander den Großen betriebene Entwicklung führte bei den Griechen zu einer Stärkung des Individuums. Kennzeichnend für die Polis-Ära ist die Historiographie, während die Biografie für die hellenistische Ära kennzeichnend ist.
Es keimten auch die Dichter- und Gelehrtenbiografien auf, da auch hier die Individualisierung Einzug hielt. Es genügte nicht mehr, die Werke der Dichter zu haben, sondern man wollte auch die Viten lesen. Als Prototyp für die Dichter- und Gelehrtenbiografien gilt Platons Apologie, die zahlreiche biografische Anmerkungen über das Leben des Sokrates enthält. Sie ist nur ein Teil einer ausgeprägten Sokrates-Literatur, die daneben vor allem in den platonischen und xenophontischen Dialogen besteht.
Die Biografie als Literaturgattung kann aufgrund der genannten Punkte als Indiz für bestimmte politisch-soziale Prozesse gewertet werden. Etwas ganz anderes ist der Lebenslauf oder gar der tabellarische Lebenslauf (die Vita) in einer schriftlichen Stellenbewerbung, der besonders auf die beruflichen Merkmale des Bewerbers eingeht und diesen möglichst positiv darstellen soll.
Aus dem Rahmen der im letzten Abschnitt geschilderten Prozesse fallen die biografischen Exkurse in den Werken der Historiker Herodot und Thukydides.
Herodot beschreibt in seinen Historien das Leben des Kyros in den bereits bekannten Kategorien (I, 107–130: Abstammung, Geburt, Kindheit und Jugend; I, 177–188: ausgewählte Taten und Leistungen; I, 201–214: letzter Feldzug und Tod) und des Kambyses (III, 1–66). Diese beiden Viten sind geprägt von Exkursen und vielen Erzählungen nebenbei. Diese für die Polis-Zeit außergewöhnlichen Biografien dürften zwei Gründe haben: zum einen sind beide porträtiert worden, gerade weil sie keine Griechen, sondern Exponenten eines monarchistischen Regimes waren, welches schon in Aischylos’ Persern eindrucksvoll skizziert wurde, zum anderen gab es durch die zahlreichen Quellen aus Inschriften über die Könige viel zu berichten. Der aus Kleinasien stammende Herodot vereinte die Eigenheiten der Kulturräume, die sich hier berührten.
Thukydides beschreibt im Rahmen der Pentekontaetie, in den Kapiteln 135–138 des ersten Buchs seiner Geschichte des peloponnesischen Krieges, das Leben des Themistokles zwischen Verbannung und Tod und zuvor in den Kapiteln 128–134 das Schicksal des Spartaners Pausanias. Beide Episoden erzählen die Geschichte von verbannten Politikern, die sich um ihre Poleis verdient gemacht haben. Unter Berücksichtigung des Schicksals von Thukydides, der selbst verbannt wurde, darf man diese Passagen nicht so sehr als Charakterstudien und Betrachtungen zu den beiden Personen betrachten, sondern vielmehr als Kritik im Umgang mit verdienstreichen Persönlichkeiten in der Polis.
Als einzig komplette Biografie jener Zeit gilt das Werk des Skylax von Karyanda, der das Leben des Herakleides von Mylassa erzählt. Hier ist wiederum der bei Herodot relevante Punkt interessant, dass es sich um das Scharnier zwischen den Kulturkreisen handelt: Herakleides war Karer, stammte also aus Kleinasien.
Isokrates schuf aus den Gattungen des Enkomions, eines in Versen gedichteten Preisgesangs, der nie auf Politiker, sondern auf Personen aus künstlerisch-athletischen Kreisen gesungen wurde (z. B. Pindar und andere mit ihren Epinikien), und des Epitaphios, einer Grabrede auf die Kriegstoten, d. h. nicht auf Einzelpersonen, sondern auf das Kollektiv der Gefallenen (z. B. der Epitaphios des Perikles auf die Gefallenen des peloponnesischen Krieges bei Thukydides II, 34–46) das neue Genre eines Prosa-Enkomions in seiner Vita des Euagoras I. Dieselbe wurde vielleicht zwischen 370 und 365 v. Chr. abgefasst, in jedem Fall frühzeitig nach dem Tod des Euagoras 373 v. Chr. Im achten Kapitel seines Vorworts (cap. 1–11) beschreibt Isokrates, dass er beide Gattungen verbindet und ist sich somit der Innovation bewusst. In den Kapiteln 12–21 folgt sein Bericht über Herkunft und Familie des Euagoras, dann die Schilderung der Kindheit des Euagoras (cap. 22 f.), ab Kapitel 24 dann die politische Karriere des Euagoras. An den Schluss stellt Isokrates die Anweisung an den Sohn des Euagoras, dem Vater nachzueifern. Charakteristisch für dieses Werk ist die Erhebung des Euagoras über andere, ja die Erhebung in die Nähe der Götter. Isokrates postuliert so die hohe Individualität seines Gegenstandes.
Xenophon verfasste die Biografie des Agesilaos und die Kyrupaideia. In der Agesilaos-Biografie, die deutlich kürzer ist als die des Isokrates über Euagoras, lobt er den spartanischen König Agesilaos. Xenophon hatte sich nach dem Feldzug des Kyros gegen seinen Bruder, den Perserkönig Artaxerxes, welchen er in der Anabasis verarbeitete, in Sparta niedergelassen und mit Agesilaos angefreundet. Diese Biografie schönt das Leben des Agesilaos deutlich und lässt Details weg. Beweis hierfür sind Xenophons Hellenika, die Details aus dem Leben des Agesilaos berichten, welche offenbar nicht in die enkomiastische Stimmung seiner Biografie passen. (Gliederung: cap. 1,1–5: Einleitung, Lobes-Intention, Herkunft; 1,6–2,31: lobende Darstellung der Taten (unter Weglassung und Schönung); 3,1–10,4: Katalog der Aretai des Agesilaos; 11: Zusammenfassung. Besonderheit: Vergleichsmöglichkeit zwischen dem Biografen Xenophon und dem Historiografen Xenophon.)
Nicht eindeutig der Biografie zuzuordnen ist die Kyrupaideia, welche mehrere Gattungen vereint (Geschichtsdarstellung, historischer Roman, didaktischer Roman, Erziehungsschrift, Militärhandbuch, Enkomion). Vieles ist Phantasie, Abschweifungen dienen als Zeugnis guter persönlicher Gestalt. Am Ende vergleicht Xenophon das aktuelle Persien mit dem Persien des Kyros und stellt ein vernichtendes Urteil über das Persien seiner Zeit auf.
Die oben erwähnten Entwicklungen sind voll ausgereift, die hellenistische Monarchie hat das Poliswesen vollkommen verdrängt. Als Zeitalter des Individuums erforderte der Hellenismus geradezu Viten von Politikern, Feldherrn, Künstlern und Philosophen. Dies schlug sich vermutlich in einer sehr großen Menge an Texten nieder, die uns weitestgehend nicht erhalten sind, wie dies allgemein für den Hellenismus typisch ist. Es ist unbekannt, wie groß die biografische Produktion tatsächlich war.
Theophrasts Charaktere sind keine Biografien im eigentlichen Sinn, sondern stellen Verhaltensmuster dar. Sie können als empirische Studien für ein größeres Werk gedient haben. Theophrast gehörte dem Peripatos an, der einer biografischen Richtung immerhin den Namen gab. Die Charaktere lenken den Focus ganz stark auf das Individuum und auf den individuellen Charakter. Dies wird für die weitere hellenistische Biografie prägend.
Aristoxenos aus Tarent (* 370 v. Chr.; Tod unklar) hat zahlreiche Werke verfasst (insgesamt 453 Bücher), war Konkurrent des Theophrast für die Nachfolge des Aristoteles als Scholarch des Peripatos. Im Gegensatz zu anderen Peripatetikern war er nicht allgemein versiert, sondern auf Musik und Biografie spezialisiert. Er schrieb hauptsächlich Philosophen-Biografien, vielleicht auch eine Alexander-Biografie, da bei Plutarch auf eine Beschreibung Alexanders durch Aristoxenos hingewiesen wird.
Hermippos aus Smyrna (* zwischen 289 und 277 v. Chr.; † nach dem Tod des Chrysippos, welcher zwischen 208 und 204 v. Chr. gestorben ist) entwickelte die Biografie der Peripatetiker weiter. Er selbst gehörte dieser Schule nicht an, sondern lebte in Alexandria. Plutarch beruft sich an mehreren Stellen auf Hermippos. Er scheint zahlreiche Biografien verfasst zu haben. Sueton wird aus zwei Gründen eine Ähnlichkeit zu Hermippos nachgesagt: zum einen lassen beide Gerede und Anekdoten einfließen, zum anderen haben beide zahlreiches Quellenmaterial, denn Hermippos konnte auf die Bibliothek in Alexandria zugreifen, während Sueton das kaiserliche Archiv unter sich hatte.
Satyros wurde am Schwarzen Meer geboren. Seine Lebensdaten sind nicht näher zu bestimmen, sein Leben muss aber vor der Regierungszeit des Ptolemaios VI. Philometor (180–145 v. Chr.) gelegen haben oder in die Regierungszeit hineingereicht haben. Die Zeugnisse von Satyros sind nur spärlich. 1912 fand man in Oxyrhynchos einen Papyrus mit einem längeren Ausschnitt aus einer Euripides-Biografie. Historiker sehen hierin einen Beweis für das ungebrochene Interesse des Hellenismus für die großen Klassiker. Es gibt aber zwei Merkmale dieser Biografie: Satyros hat keine Quellenforschung betrieben, sondern die Fakten aus den Tragödien des Euripides selbst und aus den Komödien des Aristophanes, der Euripides sogar als Frauenfeind skizziert. Außerdem hat Satyros diese Biografie als Dialog verfasst, in dem der Autor selbst Gesprächspartner des Euripides ist. Belegt sind Biografien von Pythagoras, Empedokles, Platon, Diogenes, Alkibiades, Dionysios II. von Syrakus und Philipp II. von Makedonien, außerdem über die Sieben Weisen. Er schrieb auch ein Werk mit dem Titel Über Charaktere.
Antigonos von Karystos (zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts) schrieb ausschließlich Philosophenbiografien. Er schrieb nicht chronologisch oder nach System, sondern versuchte Charakterbilder zu zeichnen. Meist beschreiben seine Biografien den Weg zur Philosophie und den Tod, sind also nicht das Leben umfassend. Auf ihn bezog sich später im dritten Jahrhundert n. Chr. Diogenes Laertios.
Alkidamas (um 400 v. Chr.) verfasste das berühmte Certamen Homeri et Hesiodi, in dem Homer und Hesiod miteinander wettkämpfen. Es ist in Hexametern verfasst und enthält auch Biografisches.
In der römischen Literatur ist Cornelius Nepos ein bedeutender Vertreter dieser literarischen Gattung.
Die wohl berühmtesten Biografien unseres Kulturkreises finden sich jedoch im Neuen Testament und sind den Auswüchsen der hellenistischen Literatur zuzuordnen, da die kanonischen Evangelisten als hellenistische Gebildete gelten, festzustehen scheint dies bei Lukas.
Die Evangelien weisen biografische Merkmale auf, enthalten die Geburt (alle außer Mk), die Genealogie (Mt, Lk), die Taten Jesu, seinen Prozess und letztendlich den Tod, sowie als Zusatz und Novum der antiken Biographik die Wiederauferstehung. Am deutlichsten tritt dies bei Lukas hervor: Prooimion, Ankündigungen der Geburten Johannes des Täufers und Jesu, Geburten, Taufe, Stammbaum, Predigten / Gleichnisse / Wunder, Abendmahl, Verrat, Prozess, Tod, Wiederauferstehung, Himmelfahrt. Mit der Himmelfahrt endet die personalisierte Darstellung der Geschichte des Kerns des Christentums. Nun spielt für die weitere Geschichte nicht mehr die Person Jesus die große Rolle, sondern die Gemeinschaft der Jünger, was dazu führt, dass Lukas nach der Himmelfahrt auf die Historiografie umschwenkt. Dies ist geradezu der Prozess der Individualisierung, nur eben umgekehrt.
Plutarch wurde 45 n. Chr. in Chaironeia in Böotien geboren. Seine Familie war wohlhabend. Da er finanziell unabhängig war, konnte er in Athen Philosophie studieren. Plutarch wurde Philosophie-Wissenschaftler, jedoch kein Philosoph, der eine eigene Lehre formulierte. Nach dem Studium kehrte er nach Chaironeia zurück und blieb dort, von einigen Reisen abgesehen. In Rom lernte er den Kaiservertrauten Quintus Sosius Senecio kennen. Dem Lucius Mestrius Florus hatte er das Bürgerrecht zu verdanken, für das er den Namen Mestrius Plutarchus annahm. Er nahm einige Ämter in Chaironeia wahr und gehörte dem Priesterkollegium von Delphi an. 125 n. Chr. starb Plutarch. Den größten Teil seines Schaffens nahmen die Moralia ein, die aus 78 Einzelschriften bestanden und populärhistorische, philosophische und alltägliche Fragen behandeln.
Plutarch schrieb Biografien für die Kaiser von Augustus bis Vitellius. Die Biografien von Galba und Otho sind erhalten, bei Tiberius und Nero hat man noch Fragmente, der Rest ist verloren. Die Kaiserviten schildern fortlaufend die Geschichte und sind nicht als Einzelviten gearbeitet.
Die Parallelbiografien (gr. οἱ βίοι παράλληλοι, hoi bíoi parállēloi, lat. vitae parallelae) des Plutarch zeigen jeweils einen Griechen und einen Römer, die durch besondere Leistungen, Eigenschaften oder Qualitäten verbunden waren. Die Parallelbiografien sind also nicht als Bezeichnung für Biografien gedacht, die die Viten parallel lebender Menschen beschreibt. Die Reihenfolge, in der Plutarch geschrieben hat, ist unbekannt, in den heutigen Editionen sind die Biografien nach den Daten der jeweils griechischen Person geordnet. In der Perikles-Vita erhalten wir den Hinweis, dass Plutarch die Viten nicht als Gesamtwerk geplant hat, sondern sie schrittweise geschrieben und herausgegeben hat. Bis auf ein Paar sind die Parallelbiografien erhalten: Epaminondas und Scipio Africanus sind verloren. Der Vermutung nach bildeten sie den Auftakt der Parallelbiografien. Die Paare: Theseus/Romulus: Stadtgründer; Lykurg/Numa Pompilius: Gesetzgeber; Solon/Poplica: Reformer; Aristeides/Cato der Ältere: herausragende sittenstrenge Politiker; Themistokles/Camillus: herausragende militärische und strategische Leistungen; Kimon/Lucullus: militärische Qualität; Perikles/Fabius Maximus: zuerst verkannt, dann bestätigt und beide Zögerer; Nikias/Crassus: große militärische Niederlage mit eigenem Tod; Alkibiades/Coriolan: wechselten in Auseinandersetzungen die Seiten; Lysandros/Sulla: militärische Verdienste; Agesilaos/Pompeius: militärisches Talent; Pelopidas/Marcellus: militärische Fähigkeiten; Dion/Brutus: Kampf gegen Tyrannen; Timoleon/Aemilius Paullus: „politische Organisatoren“; Demosthenes/Cicero: herausragende Redner, stellten Fähigkeiten in den Dienst des Kampfes für die Freiheit; Phokion/Cato der Jüngere: Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung; Alexander/Caesar: Feldherren; Eumenes/Sertorius: als Ausländer Heerführer; Demetrios/Antonius: Mischung positiver und negativer Eigenschaften; Pyrrhos/Marius: militärische Qualitäten; Agis und Kleomenos/Tiberius und Gaius Gracchus: Sozialreformer; Philopoimen/Flaminius: Wohltäter der Griechen, Besonderheit: beide Zeitgenossen des Plutarch und hatten im Gegensatz zu allen anderen etwas miteinander zu tun.
Man fragt sich sicher, was Plutarch zum Schreiben solcher Biografien bewogen hat. Es mag das Streben gewesen sein, die großen Persönlichkeiten Griechenlands mit Römern zu vergleichen, um die Gleichwertigkeit von Römern und Griechen zu zeigen. Ferner herrschte in der Zeit, in der er die Parallelbiografien schrieb (1. Hälfte des 1. Jahrhunderts), eine ausgeprägte Griechenfreundlichkeit im kulturellen Bereich.
Welche Klassen von Personen (Politiker, Denker, Künstler usw.) in der Öffentlichkeit Interesse erregen und daher Gegenstand von Biografien werden, hängt von der jeweiligen Kultur ab. Wie Ernst Peter Fischer aufgewiesen hat, besteht im deutschsprachigen Raum derzeit kaum Interesse an Biografien von Wissenschaftlern, aber umso größeres Interesse zum Beispiel an Biografien von Philosophen. Er nennt Beispiele von Biografien bedeutender deutscher Forscher, die in englischer Sprache geschrieben wurden, während entsprechende deutschsprachige Publikationen bis heute fehlen.[2]
Eine Autobiografie („Selbstbeschreibung“) liegt vor, wenn die Biografie von der betreffenden Person selbst verfasst ist oder sie wenigstens als Verfasser gilt. Vielen Prominenten stand auch ein professioneller Ghostwriter hilfreich zur Seite.
Eine bedeutende Autobiographie ist das Monumentum Ancyranum des Kaisers Augustus aus dem Jahre 13 n. Chr., das als Inschrift fast vollständig erhalten ist.
Viel Autobiografisches enthält bereits die erste der Selbstbetrachtungen des römischen Kaisers Mark Aurel. Als erste Autobiografie im eigentlichen Sinne gelten die „Confessiones“ („Bekenntnisse“) des Aurelius Augustinus; er schrieb sie in den Jahren 397 und 398.
Zu den autobiografischen Texten gehören auch die Memoiren („Erinnerungen“). Bei ihnen liegt die Gewichtung oft mehr auf den herausragenden, für eine breite Öffentlichkeit interessanten Ereignissen und der Autor wirft einen erweiterten Blick auf alle daran beteiligten Personen.
Ein Lebenslauf kann sich aus der Abfolge unterschiedlichster Ereignisse zusammensetzen. Einige sind vorhersehbar und für viele Personen einer Generation innerhalb eines Lebensabschnitts sehr wahrscheinlich = normative Ereignisse
Andere Ereignisse haben einen zeitgeschichtlichen Charakter. Alle Lebenden in diesem Land haben davon gehört, es miterlebt. Die Bedeutung ist jedoch je nach Betroffenheit und Lebensalter sehr verschieden. (Beispiele: der Zweite Weltkrieg, der Fall der Mauer, der 11. September 2001)
Kritische Lebensereignisse können einem Lebenslauf eine Wende in eine unerwartete Richtung geben, dabei kann diese Lebenskrise später durchaus positive Folgen haben. Diese positive oder negative Wendung ist nicht sicher vorherzusehen (wird eher befürchtet).
Mit „brüchigen“ Lebensläufen sind Biografien gemeint, die vom Verlauf der meisten Personen in vergleichbarer sozialer Position mehrfach abweichen. Sie sind normalerweise in der Familiensaga selten vertreten. Es ist z. B. die Rolle des schwarzen Schafs. Auch die Einteilung der Lebensabschnitte in den Biografien kann variieren – Beispiel Jugend und Kindheit haben heute eine andere Bedeutung als zur Zeit der Industriellen Revolution.
Es folgt eine „typische“ Lebensgeschichte, zusammengesetzt aus den oben genannten Ereignisformen.
Die Biografieforschung ist in der Soziologie ein Forschungsansatz der Qualitativen Sozialforschung und befasst sich mit der Rekonstruktion von Lebensverläufen und zugrunde liegender individuell vermittelter, gesellschaftlicher Sinnkonstruktionen auf der Basis biografischer Erzählungen oder persönlicher Dokumente. Das Textmaterial besteht in der Regel aus verschriftlichten Interviewprotokollen, die nach bestimmten Regeln ausgewertet und interpretiert werden.
Die Biografieforschung ist im Rahmen der qualitativen Forschungsansätze als Einzelfallstudie zu bewerten. Mit der Wahl, Einzelfallstudien durchzuführen, ist eine Herangehensweise an das Forschungsfeld bezeichnet und noch nicht eine Methode.
Die Biografieforschung bedient sich bei der Datenauswertung nicht einer einzelnen Methode, sondern ist als Forschungsansatz zu verstehen, in dem verschiedene Methoden angewendet werden. Dabei ist die am häufigsten verwendete Methode der Datenerhebung bei Lebenden das narrative Interview („erzählen“ lassen) und/oder das offene Leitfadeninterview (Befragung), sonst überwiegt die klassische (sozio)historische Quellenerschließung bis hin zur modernen Inhaltsanalyse.
In der Gerontologie wird „biographische Methode“ die systematische Erkundung des Lebenslaufs einer Person im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens genannt. Dabei müssen die zur Unterstützung der Erinnerung gestellten Fragen auf ihre Offen- bzw. Geschlossenheit hin überprüft werden, damit die erzählende Person nicht von vorneherein durch die Interviewer auf eine Blickrichtung hin eingeengt wird. Dazu ist ein Leitfaden zu erstellen und auf verschiedene Anforderungen zu überprüfen.
Mit dem Durchschreiten der Lebensspanne geht ein stetiger Wandel von sozialen Rollen einher, die ein Individuum einnimmt und verliert (z. B. Fräulein Xyz, Mutter, empty nest, Pensionierung). Dabei ändert sich auch die persönliche Wahrnehmung der eigenen Rolle und der Aufgaben. Nach Ursula Lehr werden durchschnittlich 17,5 markante Einschnitte pro Biografie beobachtet. 2/3 davon als negativ, 1/3 positiv erlebt. Frauen berichten mehr Zwischenmenschliches, Männer mehr Sach-, Berufsorientiertes.
Lebenserfahrung kann aber kaum nur als Durchschreiten einer Normalbiografie betrachtet werden. Das Wort Wahlbiografie trifft die Lage besser, weil gesellschaftliche Modernisierung heute vor allem in der Ausdifferenzierung von Lebens- und Familienformen liegt.
Technisch bedeutet dieser Forschungsansatz den Vergleich verschiedener Biografien unter gemeinsamen Ordnungskategorien. Dazu werden die mündlich erfassten Biografien in die Schriftform übertragen werden (transkribiert). Anschließend werden die Interviews durch mindestens zwei Personen ausgewertet (engl.: rating / gesprochen: rähting, bzw. neudeutsch geratet).
Dies ermöglicht Vergleiche zwischen mehreren Biografien, z. B. ob sie Aussagen zum Forschungsthema enthalten. Zwei Analysten vergleichen danach ihre jeweilige Einschätzung, wie sehr ausgeprägt in der Biografie diese Ordnungskategorien in Erscheinung treten. (H. Thomae)
Als zehn Dimensionen der Altersbiografie nach Hans Thomae sind zu berücksichtigen: genetische und Ernährungslage zu Beginn des Alternsprozesses, Veränderungen im biologischen System, Veränderungen im sozialen System, sozioökonomischer Status, ökologische Veränderungen, Veränderung des kognitiven Systems, Konstanz und Veränderung der Persönlichkeit, individueller Lebensraum, (subjektiv erlebte) Lebenszufriedenheit oder Grad der Balance zwischen Bedürfnissen und Situation, Fähigkeit, diese Balance herzustellen, und Sozialer Kompetenz (Fähigkeit, selbständig, verantwortungs- und aufgabenbezogen zu leben).
Diverse Phasenlehren der Soziologie und Entwicklungspsychologie beschreiben Abschnitte und Aufgaben, die in diesem jeweiligen Alter(-sabschnitt) zu erfüllen sind; z. B. Selbstverwirklichung, Ordnung schaffen, Weisheit. Daraus entstand der psychologische Beschreibungsversuch von Entwicklungsaufgaben. Das Ziel kann Zufriedenheit mit der eigenen Geschichte, dem eigenen Leben, jedoch auch neue Aufgabenstellung an sich selbst heißen.
Während früher von den vier Abschnitten Kindheit, Junger Erwachsener, Erwachsener, Großeltern (mit nahtlosem Übergang in die Phase eines hochaltrigen Menschen/Greises) relativ klare Vorstellungen herrschten, kann heute bereits von sieben deutlich verschiedenen Lebensabschnitten gesprochen werden. Sie haben jeweils eigene Rollendefinitionen und Verhaltensmuster. Es sind die eigenen Abschnitte Jugend, Rentner, hochaltriger Mensch hinzugekommen.
Die Phase des Großelterndaseins beginnt gegenwärtig etwas später als zum Beginn des 20. Jahrhunderts und entspricht zeitlich etwa im Erwerbsleben dem Begriff „Ältere Arbeitnehmer“. Die Gerontologie weist auf eine zunehmende Ausdifferenzierung der Alternsphase hin. Der frühere stufenlose Übergang von hier ins Greisenalter ist durch die Lebensverlängerung entfallen. Hundertjährige sind zwar eine Besonderheit, aber sicher keine Ausnahmeerscheinung mehr. Neunzig- und Hundertjährige können sehr verschiedene Lebenswelten um sich herum errichtet haben.
Gegen Ende ihres Lebens haben viele Menschen ein Bedürfnis nach einem Lebensrückblick; sie denken über ihr Leben nach und möchten es in seiner Gänze wertschätzen und als sinnvoll verstehen. In verschiedenen Settings werden Personen zu einem Lebensrückblick angeleitet, u. a. in der Lebensrückblickstherapie und in der Biografiearbeit (siehe Maercker & Forstmeier 2013). Man unterscheidet dabei eine Äußere Biografie, die sich anhand von Daten und Zeiträumen objektiv strukturieren lässt, und eine Innere Biografie, die Ereignisse und Entwicklungen subjektiv beurteilt.
In der professionellen Altenpflege bringt die Biografie Vorteile in einer „Persönlich-Machung“ der bis dahin relativ anonymen Patienten/Kunden im Heim. Denn viele Personen ziehen dort ein, ohne dass ihre Lebensgeschichte bekannt ist. Sie erscheinen zunächst als eine Ansammlung von Problemlagen und nicht unbedingt als eine über Jahrzehnte gereifte Persönlichkeit. Angehörige, die dazu befragt werden könnten, sind manchmal nicht bekannt. Die Biografie ist dort also zunächst wie ein Puzzle mit vielen Leer-Stellen, die erst allmählich mit den Ereignissen des individuellen Lebens ausgefüllt werden können.
Deutsche Komponisten von Bach bis Wagner – Musikerbiographien des 19. Jahrhunderts, Digitale Bibliothek, Band 113, Directmedia Publishing, Berlin 2004, ISBN 3-89853-513-4.
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