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europäisches Märchen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der gestiefelte Kater (Französisch: Le Maître chat ou le Chat botté, „Der Meister Kater[1] oder der Kater in Stiefeln“) ist ein Märchen (ATU 545B). Es stand in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm nur in der 1. Auflage von 1812 als Nr. 33 (KHM 33a). In der modernen, von Heinz Rölleke herausgegebenen Ausgabe findet es sich als Nr. 5 im Anhang.
Nach dem Tode eines Müllers fällt an den ältesten Sohn die Mühle, an den zweiten ein Esel und an den dritten ein Kater, der scheinbar bloß dazu taugt, sich aus dessen Fell Handschuhe zu machen. Der Kater stellt jedoch Hilfe in Aussicht, wenn sein neuer Besitzer ihm stattdessen ein Paar Stiefel machen lasse, so dass er sich unter den Leuten sehen lassen könne. So geschieht es. Der Kater fängt nun in einem Sack Rebhühner, überlässt sie dem König des Landes als ein Geschenk seines Herrn, des Grafen, und wird dafür mit Gold belohnt. Später lässt der Kater den angeblichen Grafen „splinternackend“[2] in einem See baden, den der König mit seiner Tochter auf einer Ausfahrt passiert, und klagt, ein Dieb habe seinem Herrn die Kleider gestohlen. Der König lässt von seinen eigenen Kleidern holen und den vermeintlichen Grafen einkleiden und in der Kutsche mitfahren. Der Kater eilt voraus und bringt Arbeiter in Feld und Wald dazu, dem später vorbeifahrenden König auf dessen Frage zu antworten, die Ländereien gehörten dem Grafen. Deren wahren Besitzer, einen mächtigen Zauberer, verleitet der Kater dazu, seine Macht zu demonstrieren, dass er sich gar in ein Mäuslein verwandeln könne; um ihn darauf aufzufressen und dessen Schloss für den Müllersohn in Besitz zu nehmen. „Da ward die Prinzessin mit dem Grafen versprochen, und als der König starb, ward er König, der gestiefelte Kater aber erster Minister.“
Das Märchen arbeitet mit einfachen Motiven – wie der Ungerechtigkeit beim Erbgang, der Dankbarkeit des Katers und zuletzt dem Glück, das aus einem schlechter gestellten den wohlhabenden Mann macht – und ist in verschiedenen Varianten überliefert. Schon die Grimms selbst merkten an, auch eine Version des Gestiefelten Katers in Le chat botté von Charles Perrault zu kennen, die mutmaßlich italienische Ursprünge hat und bereits von Giovanni Francesco Straparola aufgezeichnet wurde.
Schon vor der Grimmschen Ausgabe 1812 erschien von Ludwig Tieck eine Bearbeitung des Märchens 1797 in der gleichnamigen Komödie Der gestiefelte Kater, die jedoch erst am 20. April 1844 in Berlin uraufgeführt wurde. Einige Parallelen finden sich auch in Joseph von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts von 1826, wenngleich es hier der Müllersknabe selbst ist, der loszieht, sein Glück zu suchen. Gustav Falke veröffentlichte 1904 eine weitere Version vom gestiefelte Kater als Dichtung in 11 Gesängen.[3] Über die Jahre seiner Rezeption ist der in zahllosen Versionen für Kinder aufbereitete Stoff nicht zuletzt durch einige Verfilmungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.
Wilhelm Grimm hatte das Märchen laut seiner Notiz offenbar mündlich von Jeanette Hassenpflug. Später strich er es wohl wegen der Ähnlichkeit zu Le Maître Chat ou le Chat botté in Charles Perraults Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: Contes de ma mère l’Oye (1697). Jeanette war Tochter einer französischsprachigen Hugenottenfamilie. Bereits im 18. Jahrhundert waren deutsche Übersetzungen Perraults erschienen. Wilhelm bearbeitete den Text sowohl vor als auch nach dem Druck selbst weiter.[4] Perraults soziale Antagonismen wurden sublimiert, Wertungen entfielen. Der Text erscheint jetzt als schwankhafte Volkserzählung und wurde mit volkstümlich klingenden Wendungen versehen.[5]
Offenbar ohne Einfluss blieben die frühen, italienischen Versionen des Märchens: Costantino Fortunato in Giovanni Francesco Straparolas Ergötzliche Nächte 11,1 und Cagliuso in Giambattista Basiles Pentameron 2,4.[4] Sowohl Tierhelfer als auch Meisterdiebe haben lange literarische Tradition (z. B. KHM 60, 104a bzw. 68, 192). Hans-Jörg Uther vergleicht Reineke Fuchs, Der Pfaffe Amis, Till Eulenspiegel, Lazarillo de Tormes.[6]
Eugen Drewermann analysiert, wie der pfiffige Kater den Überlebenswillen seines Herrn in der Not personifiziere, auf die die Erbteilung keine Rücksicht nehme. Er passe zum harmlos wirkenden Überlebenskampf als Lebenseinstellung. Drewermann vergleicht ihn mit schizoiden oder narzisstischen Beratern in Politik und Wirtschaft, allerdings ist es bei ihm die Hybris des Hoffnungslosen. Da er nichts habe, sei sein Unternehmen auf den moralischen Kredit seines Auftraggebers angewiesen, so unnatürlich die Stiefel für eine Katze auch seien. Seinen eigenen Appetit verbeiße er sich, um sich beim politischen Machthaber einzukaufen. Dazu werde auch die Liebe der Königstochter und das Mitleiderregende seiner Nacktheit instrumentalisiert. Seine Existenzangst werde die der anderen, damit sie seine Lüge nicht benennen. Weder die Arbeiter noch den König kümmere es offenbar, wem wirklich etwas gehöre. Was in anderen Märchen die Begegnung des Helden mit seinem zauberischen Selbst sein könne, sei hier nur die Ablösung eines großen Betrügers durch einen neuen, wobei sein Schloss heute am ehesten einem Bankturm entspreche. So unterscheide sich diese Gesellschaftssatire (ähnlich Goethes Reineke Fuchs) von echten Zaubermärchen wie Der arme Müllerbursch und das Kätzchen, die die Liebe als einzigen Ausweg wirklich ernst nehmen.[7]
Wilhelm Salber formuliert als Hauptfiguration ein Gefühl misslingenden Entgegenkommens der Welt, weshalb eigene Sehnsüchte abgetrennt im hilfreichen Kater gelebt werden.[8]
Die Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte, insbes. die Geschichte der Illustration des Märchens, dokumentiert aktuell Bernhard Lauer im Brüder Grimm-Journal 12 / 2021, S. 29–35 mit zahlreichen Abbildungen. Im Kasseler Brüder Grimm-Zentrum der Brüder Grimm-Gesellschaft (www.grimms.de) sind zahlreiche italienische, französische und deutsche Märchenausgaben von 16. bis 21. Jahrhunderts zusammengetragen und mehr als 200 Illustrationen zum "Gestiefelten Kater", vor allem aus dem 19. und 20. Jahrhundert, verfügbar. Zugleich kann hier das Märchen in mehr 100 verschiedenen Sprachen dokumentiert werden.
Zuletzt ist eine große Monographie unter dem Titel "Der Gestiefelte Kater in Dichtung und Kunst" im Großformat (32 × 22 cm) erschienen, hrsg. u. bearb. von Bernhard Lauer (Kassel: Verlag der Brüder Grimm-Gesellschaft, 2022. 208 S. mit mehr als 400 meist farbigen Abbildungen; ISBN 978-3-940614-45-2).
In Janoschs Parodie zeigt der Kater dem Hans, wie unglücklich die Reichen mit Häusern, Autos und teurem Essen sind, und er lebt glücklich, während die älteren Brüder bei der Jagd und an Herzinfarkt sterben.[18]
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