Wohnstallhaus
Bauernhaustyp der die Funktionen Wohnen und Stall in einem Gebäude vereint Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bauernhaustyp der die Funktionen Wohnen und Stall in einem Gebäude vereint Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Wohnstallhaus bezeichnet man ein Gebäude, das zumindest die beiden Funktionen Wohnen und Stall vereint,[1] aber auch weitere Funktionen, wie zum Beispiel Tenne, Scheune oder Bergeraum beherbergen kann. In der Regel ist dies also ein Bauernhaus, in dem der Bauer mit seiner Familie und seinem Vieh unter einem Dach wohnt. Einen Bauernhof, in dem alle Funktionen unter ein und demselben, eine konstruktive Einheit bildenden Dach vereint sind, nennt man auch ein Einhaus.
In der einfachsten Form ist das Wohnstallhaus auf derselben Ebene organisiert. Weitere Möglichkeiten bietet eine vertikale Trennung, etwa in der Art, dass sich die Wohnräume über den Stallräumen befinden.
Diese Wohnform scheint früher bei den Bauern in Europa weit verbreitet gewesen zu sein. Vielleicht war einer der Gründe, mit dem Vieh unter einem Dach zu leben, ihre Nutzung als zusätzliche Wärmequelle. Dies erfolgte trotz der Belästigungen, etwa durch den Geruch.
Umgekehrt könnte sich das Wohnstallhaus als regelmäßig gepflegter Raum mit Wärmequelle auch positiv auf die Gesundheit der Tiere ausgewirkt haben. Ein persönlicher Bezug zu den Tieren könnte bei der Selbstverständlichkeit des Zusammenleben mit diesen ebenfalls eine Rolle gespielt haben, d. h. wir wissen nicht inwiefern man diese Tiere auch als Haustiere betrachtet hat und die Übergänge zwischen Haustier und Nutztier könnten fließender gewesen sein, als es heutzutage der Fall ist.
Ebenso denkbar ist, zumindest in nördlicheren Breiten, dass im Winter das Vieh so leichter erreichbar und kontrollierbar war. Die mit dem Vieh anfallende Arbeit konnte aufgrund der Lichtquelle des Herdfeuers auch abends erledigt werden, ohne das Haus verlassen zu müssen.
Eine weitere Rolle könnte der Schutz vor Viehdiebstahl gespielt haben. Mit der Milch der Tiere als bedeutsamen Teil der Lebensgrundlage wollte man die Wahrscheinlichkeit des Verlustes so weitgehend wie möglich reduzieren.
Seit der Eisenzeit verbreitete sich in der norddeutschen Tiefebene ein aus den Wohnstallbauten der Bronzezeit entwickeltes Langhaus mit Wohnteil und angrenzenden Viehboxen. Durch das Aufstallen immer größerer Viehbestände wurden die Bauten immer länger. Solche eisenzeitlichen Langhäuser hat man erstmals in großer Anzahl auf der Wurt Feddersen Wierde bei Bremerhaven ausgegraben. Inzwischen lässt sich dieser Haustyp von Holland bis nach Sydjylland nachweisen (Bauweise siehe Pfostenhaus).
Aus ihm hat sich das Hallenhaus, volkstümlich als Niedersachsenhaus bezeichnet, entwickelt. Dieses ist in der norddeutschen Tiefebene von den Niederlanden bis in die Danziger Bucht und mit der südlichen Grenzlinie der Mittelgebirge verbreitet. Wohn- und Stall-/Scheuenbereiche liegen in langgestreckten Gebäuden nebeneinander unter einem Dach.
Eine weitere Grundform norddeutscher Wohnstallhäuser ist das Altfriesische Bauernhaus, das in Westfriesland entstand und sich zum Gulfhaus weiterentwickelte. Dieses ist auffallend breit und hat weit heruntergezogene Dächer. Diesen Bautypus brachten im 17. Jahrhundert westfriesische Einwanderer in die Elbmarschen (Barghaus) und nach Nordfriesland, wo diese teils großzügig dimensionierten Wohnstallhäuser Haubarge genannt werden. Bei den Barghäusern stehen Wohn- und Stallbereiche teils quer zueinander, die Haubarge sind Ständerbauten mit hohen Reetdächern, die Stürmen und Sturmfluten standhalten müssen.
Der dritte Typus ist das aus Jütland stammende quergeteilte Geesthardenhaus (auch Schleswiger Haus), mit Querdiele, sowie seine Sonderform des uthlandfriesischen Hauses oder Friesenhauses.
Südlich schließt sich das Ernhaus an, welches ebenfalls als Wohnstallhaus vorkommt und in vielen Unterarten vom Rhein bis jenseits der Weichsel Verbreitung fand. Schon früh hat es bei diesem Typ aber auch Varianten mit einer Trennung der Funktion gegeben, so dass bei diesen Bautypen der Stall und die Scheune als eigene Gebäude ausgegliedert wurden oder gar nie Bestandteil des Wohnhauses geworden waren.
Zweistöckige Wohnstallhäuser mit gemauertem Erdgeschoss kamen im Nordosten Baden-Württembergs im 15. Jahrhundert auf. Sie werden als „Pfarrer-Mayer-Häuser“ bezeichnet.[2] Sie verfügen über einen Stall im Erdgeschoss, Küche und Wohnräume im Obergeschoss und den Heuboden unter dem Dach.
Bayerische Bauernhäuser sind oft Flachsatteldachbauten mit Blockbau-Obergeschossen, umlaufenden Lauben und verschalten Giebeln im vorderen Wohnbereich.
Das Schwarzwaldhaus ist oft ganz aus Holz, oder verfügt über ein gemauertes Erd- und hölzernes Obergeschoss. Typischerweise stehen diese Häuser in Hanglagen. Das weit vorkragende und an den Seiten tief heruntergezogene Dach ruht auf Firstsäulen und wurde je nach Gegebenheit mit Holzschindeln (meist in Hochlagen) oder Stroh (in Tallagen) gedeckt. Die allseitig geneigten Dachflächen des Krüppelwalmdachs verringern die Angriffsfläche für Windlasten und verbessern deren Abtragung.
Das seit dem 15./16. Jahrhundert vor allem im Engadin entstandene Engadinerhaus ist ein typisches Wohnstallhaus. Es ist ein massiver Steinbau, meist mit einem Holzkern, der aus einem hintereinanderliegenden Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem einzigen breiten Satteldach besteht. Wohn- und Wirtschaftsteil erstrecken sich über drei Stockwerke mit je einem Tor für das Unter- und Erdgeschoss. Im Untergeschoss ist der Stallhof (Cuort) als Zugang zu Stall und Kellerräumen. Im vorderen Teil des Erdgeschosses befindet sich der Vorraum (Sulèr, pietan) zum Wohnteil, Stube, Küche, Vorratskammer und im hinteren Teil die Scheune für das Heu. Mit dem Heukarren (tragliun) kann man nur durch das obere Tor und den Sulèr in die Scheune gelangen. Im Obergeschoss (Palatschin) sind die Schlafräume. In der Stube befindet sich der einzige Ofen, mit dem von der Küche aus der Wohnteil geheizt wird. Während die Aufteilung der Räume und die Positionen der Fenster und Erker (Blick auf den Brunnenplatz) vor allem praktischen Gesichtspunkten gehorchen, wurden die Fassaden der Engadinerhäuser oft mit Malereien und Sgraffiti reich gestaltet.
Die Engadinerhäuser bestimmen seit Jahrhunderten das Ortsbild der Engadinerdörfer Ardez, Guarda, Zuoz, La Punt usw., wo sie um einen gemeinsamen Brunnen gruppiert sind und ein Dorfquartier als romanische genossenschaftliche Dorf- und Wirtschaftsorganisation bilden.
Auch in England hat es einen ganz ähnlichen Haustyp gegeben, von dem sich Reste im Südwesten erhalten haben. Etwa in den Longhouse-Varianten von Dartmoor in Cornwall oder in Wales. In Irland gibt es ähnliche byre-dwellings, allerdings scheint sich hier die Feuerstelle an eine Giebelwand gelehnt zu haben.[3] Im nordwestlichen England wird dieser Typ in der Landschaft Cumbria ebenso beschrieben.[4]
Die alten „Hochhäuser“ in Süd- und Südwestarabien gehören ebenfalls zu der vertikal organisierten Gruppe. Die bekanntesten Beispiele befinden sich in den jemenitischen Städten Sana'a und Schibam.[5] Weitere Bauten findet man noch im Saudischen Asir und zumindest in historischer Zeit wohl auch im gesamten Hedschas.
Die in der ganzen Welt verbreiteten verschiedenen Formen der Hofhäuser mit ihren jeweiligen Varianten gehören nicht dazu, da sich beide Funktionen dort nicht unter derselben Dachkonstruktionen befinden, sondern oft konstruktiv weitgehend selbständige Einheiten bilden die lediglich dieselbe das ganze Grundstück umfassende Außenmauer nutzten (z. B. Atriumhaus, Patiohaus u. a.).
Im ostasiatischen Raum weit verbreitet sind Stelzenhäuser. Bei vielen dieser Hausformen werden Haustiere traditionell zwischen den Stelzen unter den Häusern gehalten. Selbst wenn diese zu immer festeren Bestandteilen wurden, so werden diese Ställe in der Regel als Anbauten betrachtet und die Häuser daher nicht als Wohnstallhäuser bezeichnet.
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