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Zahn im menschlichen Gebiss Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Weisheitszahn (Synonyma Dritter Molar, lateinisch Dens sapiens, Dens serotinus ‚spät kommend‘) ist von der Mitte aus gezählt der achte Zahn im menschlichen Gebiss. Normalerweise hat ein Mensch vier Weisheitszähne, in jedem Gebissquadranten einen.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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K00.2 | Abnormitäten in Größe und Form der Zähne |
K00.4 | Störung der Zahnbildung |
K00.6 | Störungen des Zahndurchbruchs |
K00.9 | Störung der Zahnentwicklung, nicht näher bezeichnet |
K01.0 | Retinierte Zähne |
K01.01 | Impaktierte Zähne |
K03.3 | Pathologische Zahnresorption |
K03.5 | Ankylose der Zähne |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Der Zahnwechsel endet zunächst mit dem Durchbruch der zweiten Molaren im Alter von 12 Jahren. Weisheitszähne entwickeln sich erst später. Bei manchen Menschen ist eine Mineralisation des Weisheitszahnkeimes im Röntgenbild erst mit 14 Jahren nachweisbar. Sie brechen meist erst im Erwachsenenalter, teilweise gar nicht durch. Von diesem späten Durchbruch leitet sich der Name „Weisheitszahn“ im Deutschen ab. Die Bezeichnung stammt ursprünglich vom persischen Arzt Avicenna (980–1037) aus dem Qānūn fī ṭ-Ṭibb (القانون في الطب ‚Kanon der Medizin‘), die in der Übersetzerschule von Toledo ins Lateinische als dentes intellectus übersetzt wurden. Im Griechischen wurden sie von Kleanthes Sophronisteres genannt.[1] In anderen Sprachen weist der Name ebenfalls einen Bezug zu Weisheit oder Verständigkeit auf, zum Beispiel im Japanischen (知恵歯 chieba). Es gibt jedoch auch andere sprachliche Ableitungen, so etwa „kauernder Zahn“ im Thai, „jüngster Zahn“ im Indonesischen oder „den Eltern unbekannt“ (親知らず oyashirazu) im Japanischen, nach der Annahme, dass die Zähne erst auftreten, wenn die Kinder aus dem Elternhaus bereits ausgezogen sind. Arabisch heißen sie ضرس العقل / ḍirs al-ʿaql / ‚Zahn des Geistes‘, im Französischen dent de sagesse, im Italienischen dente del giudizio.
Weisheitszähne weichen häufiger als andere Zähne von ihrer charakteristischen anatomischen Form ab. So treten Weisheitszähne mit drei oder fünf Höckern auf. Auch die Anzahl der Wurzeln ist unterschiedlich. Sie können miteinander verwachsen oder hakenförmig gebogen sein, so dass eine gegebenenfalls notwendige Extraktion der Zähne erschwert ist. In seltenen Fällen wachsen hinter den Weisheitszähnen noch überzählige Weisheitszähne, so genannte Distomolaren, auch Neuner genannt.[2]
Die erheblichen Unterschiede der Form und des Durchbruchzeitpunkts der Weisheitszähne sowie das gelegentliche völlige Fehlen der Zahnanlagen ist möglicherweise die Folge einer evolutionären Entwicklung. Weitgehend anerkannt ist heute, dass die ursprünglichen Plazentatiere in jeder Kieferhälfte drei Schneidezähne, einen Eckzahn, vier Vorbackenzähne und drei Backenzähne hatten. Ihre Zahnformel lautet demnach 3 · 1 · 4 · 3, ihre Zahnzahl betrug 44.[3] Alle heute lebenden Altweltaffen, darunter die Schimpansen und der Mensch, haben hingegen die Zahnformel 2 · 1 · 2 · 3, damit 32 Zähne. Beim heutigen Menschen können Weisheitszähne also als Rudiment betrachtet werden. Die beim Menschen noch immer anhaltende Reduzierung der Zahnzahl ging – wie das Fossil Ardi belegt – schon vor mehreren Millionen Jahren einher mit einer Verkleinerung der Schnauze und der Eckzähne.
Die Position des dritten Molaren in Bezug zur Okklusionsebene des zweiten Molaren und zum Abstand zwischen dem Ramus mandibulae (aufsteigender Unterkieferast) und der distalen Seite des zweiten Molaren haben Glenn J. Pell und G. Thaddeus Gregory klassifiziert.[4][5] Daneben gibt es die Klassifikation nach G. B. Winter,[6] die von W. H. Archer[7] und G. O. Kruger[8] modifiziert wurde.[9]
Das Missverhältnis zwischen Kiefergröße und Zahnanzahl führt am Kieferwinkel, dem Übergang vom horizontalen zum aufsteigenden Ast des Unterkiefers dazu, dass sie häufig keinen ausreichenden Platz mehr finden und vollständig retiniert bleiben oder nur unvollständig durchbrechen (Teilretention). Vollständig retinierte Zähne bleiben normalerweise symptomlos, teilretinierte führen hingegen oft zu Entzündungen (siehe: Dentitio difficilis), die sich zu Abszessen entwickeln können. Ursache für eine solche Entzündung ist die Bildung einer kapuzenförmigen Zahnfleischtasche (Operculum), die nur schwer oder gar nicht gereinigt werden kann. Bakterien können sich in dieser Tasche mit Hilfe von sich zersetzenden Speiseresten schnell vermehren. Das Operkulum kann in einem kleinen chirurgischen Eingriff namens Operkulektomie entfernt werden, der es erleichtert, den Zahn zu reinigen. Auch kann Karies begünstigt werden, wenn Weisheitszähne so an einem Nachbarzahn anliegen, dass dort nur schwer geputzt werden kann.
Im extrem seltenen Fall kann die Entzündung in eine Phlegmone übergehen, die lebensbedrohlich werden kann.
Brechen die Weisheitszähne nur in einem Kiefer durch, fehlt ihnen der Antagonist („Gegenspieler“). In der Folge elongieren sie über die Kauebene, bis sie schließlich auf den Gegenkiefer stoßen. Weisheitszähne können zu „Gleithindernissen“ werden, die zu Zahnschäden, nächtlichem Zähneknirschen (Bruxismus) und Kiefergelenksbeschwerden führen können.
Als „retiniert“ (lateinisch retinere re ‚zurück‘, tenere ‚halten‘) bezeichnet man einen Weisheitszahn, der nicht altersgerecht durchgebrochen ist. Ob ein Weisheitszahn retiniert ist, hängt vom Alter, Geschlecht und Entwicklungsstand des Patienten ab. Die Beurteilung anhand eines Röntgenbildes ist nicht immer eindeutig und bedarf einer Verlaufskontrolle.[10]
Die folgenden Röntgenbilder sind Ausschnitte aus Orthopantomogrammen (OPG):
Aus medizinischer Sicht ist eine prophylaktische Entfernung der Weisheitszähne oft sinnvoll. Jedoch profitiert die kieferorthopädische Behandlung nicht vom Entfernen der Weisheitszähne. Weisheitszähne haben keinen Einfluss auf die Ausrichtung der anderen Zähne.[11][12]
Verändern die Weisheitszähne ihre Position, so können sie gegen den Knochen und den benachbarten Backenzahn drücken, was nicht nur Schmerzen, sondern auch Entzündungen verursachen kann, da die Zahnpflege der hinteren Backenzähne erschwert ist, insbesondere wenn diese sehr eng stehen. Die unteren Weisheitszähne brechen mitunter nur unvollständig durch, so dass sich über ihnen eine Schleimhauttasche bildet, in der Speisereste Entzündungen (siehe auch: Stomatitis) auslösen können. Im ungünstigsten Fall werden die benachbarten Zähne oder deren Wurzeln bei Nichtentfernung mit beschädigt. Patienten entscheiden gemeinsam mit ihren Oralchirurgen, je nachdem wie die Stellung der Zähne im Kiefer ist, ob alle vier Weisheitszähne auf einmal entfernt werden sollen oder ob zwei Entfernungstermine angesetzt werden. Sitzen die Weisheitszähne noch im Kieferknochen, kann es auch sinnvoll sein, zwei Termine zu vereinbaren, um bei einem die rechtsseitigen Zähne zu entfernen und bei dem anderen die Zähne auf der linken Seite.[13]
Auch das Auftreten von Karies oder Zysten können Gründe für die Entfernung von Weisheitszähnen sein.[14]
Die Entfernung eines bereits durchgebrochenen Zahnes erfolgt durch eine Lockerung des Zahnes in seinem Zahnfach. Hierzu wird der Zahn langsam und mit dosierter Kraft mittels eines Hebels oder einer Zange hin und her bewegt, wodurch der Alveolarknochen gedehnt und die Alveole erweitert wird. Bei einwurzligen Zähnen kann ergänzend eine Drehbewegung durchgeführt werden, wodurch die Sharpey-Fasern, an denen der Zahn in der Alveole aufgehängt ist, reißen.
Viele Weisheitszähne stehen regulär in der Zahnreihe. Sie lassen sich erforderlichenfalls wie andere Zähne extrahieren. Im Unterkiefer ist in der Region des Kieferwinkels der Knochen kompakt und bukkal dicker, wodurch sich die Alveole nicht so leicht aufweiten lässt. Im Oberkiefer ist der den Weisheitszahn umgebende Knochen spongiös. Das erleichtert eine Extraktion.
Die Osteotomie (operative Entfernung) eines Weisheitszahnes erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung durch einen chirurgisch versierten Zahnarzt, einen Oralchirurgen oder einen Kieferchirurgen. Bei sehr ängstlichen Patienten kann auf ihren Wunsch in entsprechend ausgerüsteten Arztpraxen eine Analgosedierung durchgeführt werden, die den Patienten beruhigt und seine Wahrnehmung reduziert.
Ist eine besonders schwierige Zahnentfernung zu erwarten oder kann durch eine Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie ein schmerzloser Eingriff nicht gewährleistet werden, kann auch eine Vollnarkose in Betracht gezogen werden. Die zusätzlichen Kosten werden jedoch nur nach vorheriger Absprache von den Krankenkassen getragen, da sich die meisten Weisheitszähne komplikations- und problemlos bei lokaler Betäubung entfernen lassen.[15]
Bei Minderjährigen sowie Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit (zum Beispiel aufgrund von geistiger Behinderung und/oder schweren Spastiken) raten Oralchirurgen häufiger zu Vollnarkose, die von vielen Krankenkassen übernommen wird.[16]
Eine operative Entfernung erfolgt durch eine Schnittführung auf dem Kieferkamm, gegebenenfalls mit einem sogenannten Entlastungsschnitt nach bukkal. Nachdem der Knochen beziehungsweise der Zahn ganz oder teilweise durch ein Wegklappen des Zahnfleisches freigelegt worden ist, wird erforderlichenfalls der den Zahn bedeckende Knochen mittels einer Knochenfräse (Lindemannfräse) unter Kühlung mit einer isotonischen Kochsalzlösung weggefräst. Die Öffnung muss so groß sein, dass der Zahn hindurch passt.
Wenn der Zahn sehr fest im Kiefer verankert ist, der Zahn im Kiefer verlagert ist oder die Extraktionsöffnung zu klein ist, kann es erforderlich sein, den Zahn vor seiner Entfernung im Kiefer durchzutrennen und die Teilstücke anschließend einzeln zu entfernen.[14] Wird der Weisheitszahn als Zahnkeim schon vor seinem Durchbruch operativ entfernt, so spricht man von einer Germektomie. Die entstandene Wunde wird durch chirurgische Nähte verschlossen.
Seltener treten die folgenden Komplikationen auf:
Vorsorglich soll ein Schmerzmedikament verordnet werden.[17] Das Schmerzmittel soll keine Acetylsalicylsäure (etwa Aspirin) enthalten, da diese die Blutgerinnung negativ beeinflusst. Patienten mit gerinnungshemmender Behandlung (Phenprocoumon, Marcumar) können vorübergehend auf niedermolekulare Heparinpräparate umgestellt werden; die aktuelle S3-Leitlinie „Zahnärztliche Chirurgie unter oraler Antikoagulation/ Thrombozytenaggregationshemmung“ sieht hier allerdings keinen Vorteil und votiert für ein Belassen der originären gerinnungshemmenden Medikation.[18] Die Wunde schließt sich normalerweise im Laufe der ersten Wochen nach der Behandlung. Bei besonders komplizierten Eingriffen oder bei einer vorangegangenen Infektion kann von dem behandelnden Arzt ein Antibiotikum verschrieben werden.
In der ersten Zeit nach der Operation ist das richtige Verhalten für eine gute Wundheilung und die Minderung der unvermeidbaren OP-Folgeerscheinungen wichtig:
Die Empfehlung, auf Milchprodukte zu verzichten, ist vor allem im deutschsprachigen Raum üblich. Es konnte jedoch bisher kein klarer Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Milchprodukten und Entzündungen durch Milchsäurebakterien nachgewiesen werden.[19]
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