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vertritt die Interessen Minderjähriger in Sachen der Familiengerichtsbarkeit Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Verfahrensbeistand ersetzt seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 in Deutschland im familiengerichtlichen Verfahren den bisherigen Verfahrenspfleger. Er soll in kindschaftsrechtlichen Verfahren die Interessen Minderjähriger zur Geltung bringen. Die Interessen umfassen die Rechte und Grundrechte der Minderjährigen. Deshalb kann der Verfahrensbeistand Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und an Kindesanhörungen teilnehmen. Mit Verabschiedung des „Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“[1] am 16. Juni 2021 ergänzte der Gesetzgeber die Qualifikation des Verfahrensbeistandes und schloss einige Straftäter von der Betätigung als Verfahrensbeistand aus.
Bestellung und Vergütung der Verfahrensbeistandschaft sind geregelt in den §§ 158, 167, 174 und 191 FamFG. Die konkreten Aufgaben werden bei der Bestellung durch Beschluss bestimmt.[2] Die Befugnis zur Erledigung der Aufgabe wird durch das GG und BGB, die DSGVO und das StGB begrenzt. Der Verfahrensbeistand ist Verfahrensbeteiligter nach §7 FamFG Abs. 3 ohne gesetzlicher Vertreter des Kindes zu sein. Er kann nur gegen Entscheidungen des Familiengerichtes notwendige Rechtsmittel einlegen, um z. B. das Grundrecht der Minderjährigen auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör durchzusetzen, wobei ein faires Verfahren der Eltern auf den Minderjährigen abfärbt. Die Gerichte sind verpflichtet, die Rechtsmittel zu bearbeiten.
Die durch Beschluss übertragenen Aufgaben dürfen nicht in die (Grund-)Rechte der Betroffenen eingreifen und bedürfen einer Begründung durch das Gericht. Betroffen ist besonders das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Elternrecht mit dem besonderen Schutzbereich der Familie. Der Beschluss darf keine Aufgaben enthalten, die anderen vorbehalten sind. Die Tatsachenermittlung ist Aufgabe des Gerichtes, die Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung ist Aufgabe der kommunalen Jugendhilfe (Jugendamt). Eine Befugnis kann der Beschluss nicht enthalten.
Es besteht weder eine Fach- noch eine Rechtsaufsicht. Das beauftragende Familiengericht ist dem Verfahrensbeistand nicht weisungsbefugt. Fühlt sich jemand durch Handlungen eines Verfahrensbeistands in seinen Rechten verletzt oder sonst wie geschädigt, steht ihm die ordentliche Straf- und Zivilgerichtsbarkeit offen. Das Familiengericht ist dafür nicht zuständig.
Im Hinblick auf den Datenschutz darf der Verfahrensbeistand ausschließlich im Rahmen seines Aufgabenkreises aus § 158b Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG ausschließlich mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person und vorheriger Aufklärung dieser über ihr Widerspruchsrecht alle zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Daten erheben, speichern und an das Gericht übermitteln (Artikel 6 Absatz 1 lit. c und e DSGVO i.V.m. § 158b Absatz 1 und 2 FamFG). Soweit allerdings das einwilligungsfähige Kind, als auch seine Eltern nicht möchten, dass der Verfahrensbeistand bestimmte persönliche Angaben, die ihm anvertraut wurden, an das Gericht weitergibt, ist dies für den Verfahrensbeistand gemäß § 158b Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. dem in Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrecht des Kindes und der Eltern verbindlich, sofern das Kindeswohl nicht akut und erheblich gefährdet ist. Vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 158b FamFG
Die BT-Drs. 16/6308, 240 nimmt wie folgt Stellung: Satz 3 (des alten § 158 FamFG) behandelt weitere Befugnisse des Verfahrensbeistands. Er kann Gespräche mit Eltern und sonstigen Bezugspersonen führen und am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitwirken. Ob er von diesen Befugnissen Gebrauch macht, entscheidet er selbst. Soweit er sich dafür entscheidet, handelt er im Rahmen seiner – fakultativen – Aufgaben. Die Regelung ist insbesondere vor dem Hintergrund der vergütungsrechtlichen Vorschriften zu sehen.
Wie bei Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c entfaltet auch lit. e seine die Datenverarbeitung legitimierende Wirkung erst iVm einer Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten, vgl. Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1. Gefordert ist eine datenverarbeitungsbezogene Rechtsgrundlage; die Festlegung einer sachlichen Aufgabe oder eines sachlichen Aufgaben-/Befugnis-Zusammenhanges reicht nach dem Normtext und auch aus teleologischen Gründen nicht aus. Datenverarbeitungsbezogene Rechtsgrundlagen stellen einen Bezug zwischen Datenverarbeitung und den von lit. e tatbestandlich vorausgesetzten Aufgaben her, dies vor allem mittels der wegen des Grundsatzes der Zweckbindung notwendigen Festlegung der Zwecke, für die personenbezogene Daten verarbeitet und verwendet werden sollen. Der Zweck der Verarbeitung (iSv Art. 5 Abs. 1 lit. b) fällt keineswegs mit der (sachlichen) Aufgabe zusammen, die dem für die Verarbeitung Verantwortlichen übertragen wurde. Er liegt vielmehr gleichsam quer dazu und nimmt sie in Bezug. BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit DS-GVO Art. 6 Rn. 53-62
Art. 9 Abs. 2 lit b DSGVO fordert ebenso diese Rechtsgrundlage des Mitgliedsstaates. §158b FamFG ist keine datenverarbeitungsbezogene Rechtsgrundlage, sondern nur Festlegung einer sachlichen – insbesondere bei Abs. 2 fakultativen Aufgabe, da keines der 8 Kriterien des Art. 23 DSGVO erfüllt ist. Eine die Datenverarbeitung legitimierende Wirkung aus Art. 6 lit e) i.V.m. §158b FamFG entfaltet sich nicht. § 158b FamFG sieht nicht die nach Art. 9 Abs. 2 lit g) und Art. 23 Abs. 2 DSGVO geforderten angemessenen und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vor und scheidet als Rechtsgrundlage ohne zusätzliche ausdrückliche Einwilligung mithin völlig aus.
Aus Abs. 2 ergibt sich kein expliziter Übermittlungs-Zweck zu dieser abzugrenzenden erweiterten Aufgabe. Hier ist am Wortlaut und teleologisch auszulegen, dass der angestrebte Zweck ausschließlich vertrauliche Mediationsgespräche sind, aber gerade keine Mitteilung an Gericht aus diesen vertraulichen Gesprächen heraus. Auch der Gesetzgeber bezweckte nichts anderes, wie sich aus der historischen Auslegung aus der BT-Drs. 16/6308, 240 (siehe oben) ergibt. Von einer Erforderlichkeit von Übermittlungen der Daten zu Dritten ist mithin nicht ansatzweise unter der freiwilligen Aufgabe auszugehen. Aus § 158b Abs. 1 und 2 FamFG ergibt sich nicht ansatzweise, wie, unter welchen Bedingungen und an wen erhobene Daten mit Doppelbezug zu Dritten (Eltern und Kind) übermittelt werden dürfen, es fehlt mithin am datenschutzbezogenen Bezug. In Bezug auf Daten mit Doppelbezug muss zudem vorausgesetzt sein, dass keine schutzwürdigen Rechte des Dritten entgegenstehen. Schutzwürdige Interessen können insbesondere auch im Verhältnis zwischen Eltern bestehen, wenn das Kind oder der eine Elternteil etwas über den anderen Elternteil – etwa über dessen Beziehung zum gemeinsamen Kind – berichtet. Vgl. Birgit Hoffmann in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII § 61 Anwendungsbereich, Rn. 192.
Unter einem Sozialdatum [bzw. Datum der besonderen Kategorie] mit Doppelbezug ist ein personenbezogenes Datum zu verstehen, das sich auf zwei Personen bezieht, daher zwei datenschutzrechtlich betroffene Personen kennt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Person Angaben (auch) über eine andere Person macht, bspw. dann, wenn ein Nachbar ihn ängstigende Verhaltensweisen einer Mutter gegenüber ihrem Kind an das JA meldet. Betroffene Person im Sinne des Sozialdatenschutzes ist dann sowohl derjenige, der etwas über die andere Person mitgeteilt hat, denn bereits die Tatsache der Mitteilung an sich ist ein Sozialdatum, als auch derjenige, über den etwas mitgeteilt wurde, denn auch zu seiner Person sind jetzt Einzelangaben im JA vorhanden. Informationen, die sich auf die „betroffene Person“ beziehen, können etwa sein: Name, Geschlecht, Anschrift, Familienstand, Geburtsdatum, Alter, Ausweis- und Sozialversicherungsnummer, Staatsangehörigkeit, die beruflichen, wirtschaftlichen, familiären, gesundheitlichen Verhältnisse, rassische oder politische Zugehörigkeiten, Konfession, äußeres Erscheinungsbild, Charaktereigenschaften, persönliche Überzeugungen, die Tatsache des Kontakts zu einem Sozialleistungsträger, der Aufenthalt bei einem Sozialleistungsträger, Beurteilungen und Vermutungen von Fachkräften, Einkommen, Vermögen, vertragliche oder sonstige Beziehungen zu Dritten etc. 36Oder in anderen Worten: Jegliche Information, die einem Sozialleistungsträger über eine natürliche Person im Kontext des Wahrnehmens von Aufgaben nach einem der Bücher des SGB bekannt wird, von diesem erhoben wird oder von ihm aggregiert wird, ist ein als personenbezogenes Datum zu schützendes Sozialdatum. Unerheblich ist, ob das Datum verschriftlicht, elektronisch gespeichert, in Form eines Films oder Fotos etc. oder allein im Kopf einer Fachkraft vorhanden ist. Auch die Sozialdaten bereits Verstorbener unterliegen nach § 35 Abs. 5, Abs. 2 Satz 2 SGB I dem Sozialdatenschutz. Birgit Hoffmann in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII § 61 Anwendungsbereich, Rn. 31–37.
Für die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse rechtfertigt Art. 6 Abs. 1 lit e) in seiner ersten Alternative jede Datenverarbeitung (mit Einwilligung der betroffenen Person), die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt. Diese Aufgabe MUSS dem Verantwortlichen übertragen worden sein. Nach dem Wortlaut von lit. e) bezieht sich der letzte Halbsatz, der dies festlegt, nur auf die „öffentliche Gewalt“. Dann müsste dem Verantwortlichen in der ersten Alternative die „Aufgabe“ nicht übertragen sein.131 Eine solche Interpretation ergibt jedoch keinen Sinn, weil sich sonst jeder Verantwortliche für seine Datenverarbeitung auf eine ihm nicht übertragene Aufgabe berufen könnte, die er nicht wahrnehmen muss. Der Wortlaut ist insoweit missglückt. Nach Sinn und Zweck der Regelung muss sich der letzte Halbsatz auf die „Aufgabe“ beziehen und gilt daher für beide Alternativen gleichermaßen. Ob eine Aufgabe im öffentlichen Interesse besteht, die eine Verarbeitung personenbezogener Daten erfordert, bestimmt jedoch nicht der Verantwortliche. Vielmehr ergibt sich aus der Verbindung mit Abs. 3 S. 1, dass lit. e wie auch lit. c (→ Rn. 10) nur eine Scharniernorm ist und der eigentliche Erlaubnistatbestand in der „Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen“ der Union oder des Mitgliedstaats zu sehen ist. Die Datenverarbeitung muss durch die gesetzliche Rechtsgrundlage erlaubt werden, die sie nur zulässt, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt. Dieser Zweck der Datenverarbeitung muss nach Abs. 3 S. 2 in der Rechtsgrundlage festgelegt werden (→ Abs. 3 Rn. 17ff.).
Eine Weitergabe an Dritte wird von einer (ggf. anzunehmenden konkludenten) Einwilligung regelmäßig nicht gedeckt, es sei denn, es ist erkennbar, dass die Weitergabe von der betroffenen Person gefordert wird oder in ihrem Interesse liegt und die Einwilligung im Nachhinein erteilt würde.
Gem. Art. 7 Abs. 3 hat der Betroffene das Recht, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen und wird vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt. Die Überschrift der Norm „Bedingungen für die Einwilligung“ spricht im Wortlaut für eine komplette Unwirksamkeit der Einwilligung als Rechtsfolge bei Fehlen einer Widerrufsbelehrung (vgl. Plath in Plath DS-GVO Art. 7 Rn. 11).
Zur Wirksamkeit der Einwilligung als Erlaubnistatbestand finden sich an verschiedenen Stellen in der DS-GVO. Erst die Zusammenschau von Art. 4 Nr. 11, Art. 6 Abs. 1 lit. a und Art. 7 iVm den Erwägungsgründen ergibt ein vollständiges Bild, welche Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Einwilligung regelmäßig erfüllt sein müssen (ausführlich zu den unterschiedlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen → Art. 7 Rn. 20 ff.). Zusätzlich wird bei risikogesteigerten Verarbeitungen typischerweise verlangt, dass die betroffene Person ihre Einwilligung „ausdrücklich“ erteilt.
Die Vorgabe, wie sie noch in der Vorgängervorschrift Art. 7 lit. a DSRL normiert ist, dass die betroffene Person ihre Einwilligung „ohne jeden Zweifel“ gegeben haben muss, findet sich nun sinngemäß in Art. 4 Nr. 11 („unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“). Regelmäßig erfordert dies eine aktive Zustimmungshandlung.50 Zusätzlich überantwortet nunmehr Art. 7 Abs. 1 dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen die Beweislast dafür, dass überhaupt eine Einwilligung erteilt worden ist (→ Art. 7 Rn. 22 f.). Kühling/Buchner/Buchner/Petri, 4. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 6 Rn. 18-21
Schon in Art. 8 DSRL wurden bestimmte Datentypen ohne Beachtung des eigentlichen Verwendungszweckes allein aufgrund ihrer thematischen Zuordnung kategorisiert. Dies wird in Art. 9 DS-GVO vorliegend fortgesetzt, der die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person grds. untersagt. Eine konkludente Einwilligung kommt hierfür in keiner Weise in Frage. Ein weiterer Grundgedanke des Art. 9 DSGVO basiert auf der früheren Sphärentheorie beim Persönlichkeitsschutz und zielt auf den Schutz der Intimsphäre und letztlich auf die Abwehr von Angriffen auf den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Eine Verwertung ist kategorisch ausgeschlossen, wenn die personenbezogenen Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Dieser ist absolut geschützt, eine Abwägung findet nicht statt. Der absolute Schutzanspruch bedeutet nicht nur, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung „der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen“ ist, sondern er gilt richtigerweise auch im Rahmen von horizontalen Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, also auch im Rahmen eines Zivilprozesses. Pötters/Wybitul: Anforderungen des Datenschutzrechts an die Beweisführung im Zivilprozess (NJW 2014, 2074).
Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist (§ 158 FamFG):
Dies ist stets Fall
Die Bestellung ist in der Regel erforderlich
Als Interesse des Kindes wird nicht nur Wunsch, Wille und Kindeswohl verstanden, sondern vorrangig die Rechte und Grundrechte des Kindes als objektives Kindeswohl.
Weiterhin ist vom Gericht ein Beistand zu bestellen, wenn dies in Abstammungs- oder Adoptionssachen zur Wahrnehmung der Interessen des minderjährigen Beteiligten erforderlich ist.
Das Gericht hat vor Bestellung des Verfahrensbeistandes zu prüfen, ob keiner der gesetzlichen und natürlichen Vertreter des Minderjährigen Willens oder in der Lage ist, die Interessen des Minderjährigen zu wahren und ggf. zur Geltung zu bringen, da der Verfahrensbeistand nicht der gesetzliche Vertreter ist und die Durchsetzung der Interessen zunächst Pflicht und Recht der Eltern ist. Eine verpflichtende Bestellung eines Verfahrensbeistandes der in FamFG § 158 genannten Fallgruppen lehnte die Bundesregierung 2020[3] ab und verdeutlicht auch die notwendige Qualität des Eingriffs, u. a. in die Elternrechte. Mit Verabschiedung des „Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ am 16. Juni 2021 machte der Gesetzgeber die Bestellung bei von staatlichen Stellen angeregten Verfahren verpflichtend, bei Verfahren der Eltern beließ er es bei der Prüfpflicht auf Notwendigkeit durch das Gericht. Dabei darf die Bestellung, auch im Hinblick auf die Kosten, nicht mutwillig sein[4].
Das Gericht hat eine Prüfung auf die fachliche und persönliche Geeignetheit unter Beachtung der Transparenz durchzuführen. Die Transparenz verhindert aus dem Blickwinkel der Bewerber eine mögliche Bevorzugung (z. B. Mitglied eines Vereins), die Betroffenen als Rechteinhaber haben die Möglichkeit zu prüfen, ob eine objektive Eignung vorzuliegen scheint und alle notwendigen Kriterien tatsächlich glaubhaft gemacht wurden. Die Transparenz ist in Bezug auf Qualifizierung und Vorstrafen zunächst auf das Gericht beschränkt, wenn es dies verlangt, das Ergebnis ist jedoch aktenkundig zu machen.
Die Bestellung des Verfahrensbeistandes endet mit Verfahrensabschluss oder mit der Aufhebung der Bestellung auf Antrag des Verfahrensbeistandes und Zustimmung des Gerichtes. Die Aufhebung durch das Gericht hat ferner dann zu erfolgen, wenn die weitere Betätigung die Interessen des Kindes gefährden würden (§ 158 Abs. 4 FamFG). Dies kann zutreffend sein, wenn der Verfahrensbeistand unbefugt Handlungen ausübt, die in Rechte Dritter eingreifen, insbesondere die (Grund-)Rechte des Kindes verletzten.
Ein Minderjähriger kann ab dem 14. Lebensjahr auch selbst einen Interessensvertreter mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragen (§ 9 Nr. 3 FamFG), in der Regel also einen eigenen Rechtsanwalt.
Auch in einer Vormundschaftssache hat der Mündel Anspruch auf einen selbst gewählten Verfahrensbeistand (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 14. November 2016, Az. 4 WF 82/16).[5]
Die Vertretung eines Kindes durch einen beauftragten Rechtsanwalt geht im Kindschaftsverfahren der Unterstützung durch einen Verfahrensbeistand vor, weil dieser das Kind wirksam vertritt und dazu befugt ist (Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 17. Januar 2014, Az. 11 WF 271/13).[6][5] Eine Entpflichtung des Verfahrensbeistandes bei nachträglicher Vertretung durch einen Rechtsanwalt sieht das Gesetz seit 2021 nicht mehr vor.
Der eigene Rechtsanwalt wird über die beantragte und bewilligte Verfahrenskostenhilfe bezahlt (vergleiche auch Amtsgericht Essen, Beschluss vom 18. Juni 2002, Az. 104 F 80/01 SO, und Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 3. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 2. Mai 2017, Az. 12 WF 70/17).[7][8]
Mit der Gesetzesänderung[1] muss das Gericht bei einem bedingt geschäftsfähigen Kind trotz anwaltlicher Vertretung einen Verfahrensbeistand bestellen, sofern er „stets zu bestellen“ ist. In den anderen Fällen muss die Prüfung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht im Einzelfall die Erforderlichkeit ergeben. Mit der eingeführten Definition der Eignung muss der Verfahrensbeistand nur über Grundkenntnisse im Verfahrensrecht, im Kindschaftsrecht sowie Kinder- und Jugendhilferechts nachweisen, ein (Fach-)Anwalt jedoch fundiertes Fachwissen und unterliegt zudem einer Berufsordnung.
Die übertragbaren Aufgaben des Verfahrensbeistands ergeben sich aus § 158b FamFG.
Das Gericht ist verpflichtet, den Verfahrensbeistand konkret in Art und Umfang zu beauftragen und die Beauftragung zu begründen[2]. Je nach Beauftragung hat der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Er soll eine Entscheidung mit dem Kind erörtern.
Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren, vom Gericht konkret benannten Bezugspersonen des Kindes zu führen. Er hat am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken, in einer Art, in der es nicht bereits die gesetzliche Aufgabe eines anderen ist (Jugendamt), also mindestens alles zu unterlassen was eine einvernehmliche Regelung verhindert.
Ein Grundinteresse (Grundrecht) des Kindes ist ein faires Verfahren seine Person betreffend.
Der Verfahrensbeistand wird in der Regel ein oder mehrere Gespräche mit dem Kind führen und, soweit dies möglich, erforderlich und beauftragt ist. Der Verfahrensbeistand soll an der Kindesanhörung teilnehmen (§ 159 Abs. 4 Satz 3 FamFG). Die im Referentenentwurf BT Drucksache 16/6308 vorgesehene Stellungnahme, die sowohl das subjektive Interesse des Kindes (Wunsch und Wille des Kindes) als auch das objektive Interesse des Kindes (Wohl des Kindes) einzubeziehen hatte, unterlag zunächst dem Sozialdatenschutz und der fehlenden Möglichkeit, dem Verfahrensbeistand die Aufgabe der Sachaufklärung zu übertragen[9]. Die in das Gesetz 2021 eingeflossene Stellungnahme § 158b Abs. 1 Satz 2 FamFG betrifft deshalb nur die Tätigkeit des Verfahrensbeistandes und nur bei bedingt geschäftsfähigen Minderjährigen mit deren ausdrücklichen inhaltlichen Zustimmung auch Sozialdaten (z. B. Wunsch und Wille) die eigene Person betreffend. In der Regel wird der Verfahrensbeistand spätestens zum Anhörungstermin einen schriftlichen Bericht vorlegen, was jedoch insbesondere im Zuge des „beschleunigten Verfahrens“ und den strengen Datenschutzbestimmungen (Informationspflicht, auch über Datenerhebung bei Dritten, Möglichkeit der Berichtigung und Ergänzung vor Weitergabe) nicht immer möglich ist. Gerichte räumen dann die Möglichkeit einer mündlichen Stellungnahme im Anhörungstermin ein, welche die gleichen Anforderungen beinhaltet und eine Meinung des Verfahrensbeistandes darstellt, sofern sie Sozialdaten enthält. Der Verfahrensbeistand läuft dann Gefahr, der unbefugten Tätigkeit der Sachermittlung nachzugehen und unerlaubt Sozialdaten zu offenbaren. Für die Würdigung als Tatsache bedarf es der förmlichen Beweiserhebung durch Zeugenaussage unter Beachtung der gestellten Aufgabe und Befugnisse sofern ein Beteiligter das Vorgetragene bestreitet.
Den Referentenentwurf 2021 überlebt hat das Wort „kann“ bei der Möglichkeit, im Interesse des Kindes Rechtsmittel einzulegen, was die wesentliche Abgrenzung zur Aufgabe / Verpflichtung eines Rechtsanwaltes klarstellt und Haftungsansprüche aus Unterlassung ausschließt. Gleichwohl verpflichtet es die Gerichte, eingelegte Rechtsmittel zu bearbeiten. Die im Referentenentwurf verdeutlichte Klarstellung der fehlenden Eigenschaft als rechtlicher Vertreter und fehlendem Elternrecht beim Handeln im eigenen Namen war im Hinblick auf die Auslegung des abgelösten (hoheitlichen) Verfahrenspfleger notwendig geworden.
Der Referentenentwurf 2024[10] hingegen sieht hingegen eine zwangsweise Zuführung des Kindes nur durch die Eltern zum Gespräch mit dem Verfahrensbeistand vor. Weiter entlässt der Entwurf den Verfahrensbeistand in völlige Autonomie in der Wahl der Gesprächspartner, Art, Umfang seiner Betätigung und löst die Zweckbindung der Stellungnahme auf, was erheblichen Einfluss auf die staatliche Rechtspflege haben könnte[11]. Die Festlegung und eine Begründung ist bisher Pflicht des Gerichtes als Normempfänger des FamFG.
Der Verfahrensbeistand kann nur im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen, er ist aber nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes (§ 158b Abs. 3 Satz 3 FamFG), womit sich die Anträge nur in das Verfahren richten können. Dies beinhaltet vor allem die Wahrung der Grundrechte des Kindes, unabhängig davon, ob es sich um ein von staatlichen Stellen angeregtes Verfahren oder ein Verfahren der Eltern handelt. Die gefährdeten Grundrechte sind u. a. das Recht auf Familie, die informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf ein faires Verfahren. Letzteres färbt bei Verfahren der Eltern als natürliche und gesetzliche Vertreter direkt auf das Kind ab. Der Verfahrensbeistand kann Einfluss auf eine kindgerechte Gestaltung des Verfahrens (Information des Kindes, Gestaltung der Kindesanhörung) nehmen, aber er hat Einfluss auf den Verfahrensverlauf und Verfahrensdauer z. B. durch Auswahl und Fragen an Sachverständige, Beseitigen von Verfahrensfehlern, Verfolgen und Unterlassen von unerlaubten Handlungen. Der Verfahrensbeistand nimmt seine Aufgabe selbstständig und eigenverantwortlich wahr.[12] Dies betrifft auch die Haftung bei Verletzung der Rechte Dritter.
Fachliche Eignung
Verpflichtend ist eine Zusatzqualifikation für die Tätigkeit als Verfahrensbeistand und eine regelmäßige Fortbildung alle zwei Jahre. Verpflichtend sind ferner Grundkenntnisse auf den Gebieten des Familienrechts, insbesondere des Kindschaftsrechts, des Verfahrensrechts in Kindschaftssachen und des Kinder- und Jugendhilferechts, sowie Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes hat und über kindgerechte Gesprächstechniken verfügt. Diese Grundkenntnisse und Kenntnisse schreibt der Gesetzgeber vornehmlich Bewerbern zu, die auf Verlangen des Gerichtes ein sozialpädagogische, pädagogische, psychologische oder juristische Berufsqualifikation nachweisen können. Alle anderen Bewerber müssen auf Verlangen dem Gericht anderweitig glaubhaft machen, über die Grundkenntnisse und Kenntnisse zu verfügen (§ 158a Abs. 1 FamFG).
Bei der Bestellung muss das Gericht nicht auf einen Bewerber zurückgreifen, dessen berufliche Qualifikation den tatsächlichen Bedarf des Kindes decken könnte. In Verfahren der Inobhutnahme als Trennung von der Familie kann der Ausschluss von Berufsgruppen geboten sein, wenn sich deren gewöhnliches Betätigungsfeld auf die Erziehung außerhalb von Familie beschränkt (Heimbetreiber, Sozialpädagogen u. a.). Die im Berufsverband der Verfahrensbeistände, Ergänzungspfleger und Berufsvormünder für Kinder und Jugendliche (BVEB)[13] organisierten Verfahrensbeistände (Umgangspfleger und Vormünder) haben sich verpflichtet, nach schriftlich formulierten Standards zu arbeiten.[14] Grundsätzliche Eigenschaften dieser Standards ist die Wertschätzung und der Respekt des Kindes.
Darüber hinaus sollten fundierte Kenntnisse des Datenschutzes bei der Eignungsprüfung abgeprüft werden, da Verstöße zum einen stets den Verfahrensbeistand selbst beschweren und ihn im Verfahren unbrauchbar machen. Zum anderen liegt nahe, dass bei Übergriffen das Verfahren nicht rechtskonform geschlossen werden kann, weil zu befürchten ist, dass die staatliche Entscheidung durch eine rechtswidrige Handlung beeinflusst wird oder gar darauf fußt. Nachdem über die Rechtswidrigkeit jedoch nicht das Familiengericht selbst entscheidet, ist der zeitliche Verlauf im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot nicht mehr zu rechtfertigen.
Persönliche Eignung
Das Gericht hat aus dem Kreis der fachlich geeigneten Personen dann zu prüfen, ob der Bewerber die Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen. Grundsätzlich persönlich ungeeignet sind nur Straftäter im Kontext sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Das Gericht soll in das erweiterte Führungszeugnis des Bewerbers Einblick nehmen und die Feststellung aktenkundig machen, dass keine Einträge in diesem Kontext vorliegen (§ 158a Abs. 2 FamFG).
Der berufsmäßige Verfahrensbeistand wird unabhängig von seinem tatsächlichen Zeitaufwand aus der Justizkasse pauschaliert vergütet, anders als der frühere Verfahrenspfleger. Die Vergütung, die auch Auslagen für Sachaufwendungen, wie Fahrtkosten sowie eine etwaige Mehrwertsteuer beinhaltet, beträgt 350,00 Euro je Verfahren (§ 158 Abs. 7 FamFG). Bei mehreren Geschwistern ist für jedes Kind die Vergütung fällig.[15] Im Beschwerdeverfahren fällt die Gebühr erneut an, wenn die Beschwerde inhaltlich begründet ist und nicht nur rechtlich. Die Verpflichtung zur Prüfung der Berufsmäßigkeit obliegt dem Gericht.
Wenn das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe überträgt, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken, erhöht sich die Vergütung auf 550,00 Euro.
Die Kosten für Aufwendungen und Vergütungen des Verfahrensbeistandes erfolgen stets aus der Staatskasse. Der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands erlischt, wenn er nicht binnen 3 Monaten nach Beendigung seiner Tätigkeit geltend gemacht wird.[16] Die Kosten werden im Rahmen der Kostenfestsetzung den Verfahrensbeteiligten auferlegt. Der Vergütungsanspruch entsteht durch Bestellung unabhängig von einer tatsächlichen, aufgabenkonformen Betätigung. Die von der Kostenfestsetzung betroffenen Verfahrensbeteiligten können sich mit dem Rechtsmittel der Erinnerung gegen die Kosten wehren, sofern sie der Meinung sind, das Gericht sei einer (Prüf-)Pflicht nicht nachgekommen oder die Bestellung sei mutwillig gewesen.
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