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zweistrahliges Verkehrsflugzeug (1955) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Tupolew Tu-104 (russisch Туполев Ту-104, NATO-Codename Camel) hob erstmals 1955 als zweites Strahlverkehrsflugzeug der Welt ab, drei Jahre nach der Aufnahme von Linienflügen durch die De Havilland DH.106 Comet. Sie wurde vom Tupolew OKB entwickelt und aus dem Bomber Tu-16 abgeleitet. Sie war etwas größer und schneller als die Comet, hatte aber eine geringere Reichweite. Ein Jahr nach dem Erstflug wurde die Maschine ab 1956 im Liniendienst eingesetzt. Bis zum Produktionsende 1960 wurden etwas mehr als 200 Flugzeuge dieses Typs produziert.
Tupolew Tu-104 | |
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Tu-104B der Aeroflot 1972 in Stockholm | |
Typ | Strahlverkehrsflugzeug |
Entwurfsland | |
Hersteller | OKB Tupolew |
Erstflug | 17. Juni 1955 |
Indienststellung | 15. September 1956 |
Produktionszeit | 1956–1960 |
Stückzahl | 201 |
Für die Verwendung im Passagierverkehr wurde der auf militärische Anforderungen konzipierte Rumpf neu entwickelt. So wurde der Rumpfdurchmesser von 2,90 m auf 3,40 m vergrößert, jedoch ohne die Einschnürungen im Bereich der Triebwerksanordnung wie bei der Tu-16. Dies ergab eine druckbelüftete Kabine von 16,11 m Länge, 3,2 m Breite und 1,95 m Höhe. Die Kabine wurde durch ein erhöhtes Mittelstück im Bereich des Tragflügelmittelstücks in einen vorderen und einen hinteren Kabinenbereich unterteilt. Dort wurde bei den ersten Serienflugzeugen die Bordküche installiert. Das Cockpit war für eine fünfköpfige Besatzung, bestehend aus Pilot, Copilot, Navigator (in der verglasten Bugkanzel), Funker und Flugingenieur, ausgelegt.
Wegen der Rumpfänderungen musste auch die Anordnung der Triebwerke geändert werden. Die Triebwerksgondeln zur Aufnahme der für damalige Verhältnisse riesigen Mikulin-AM-3M-Triebwerke wurden nun in die Tragflächen integriert. Die Triebwerke waren im hinteren Bereich der Gondeln untergebracht. Der Tragflügel erhielt ein breiteres Mittelstück, war aber ansonsten von der Tu-16 übernommen worden. Die Höhenflosse war nun auf dem Rumpfheck angebracht, das Bugfahrwerk weiter vorn platziert. Einige Versionen hatten – ungewöhnlich für ein Passagierflugzeug – einen Bremsschirm.
Der Prototyp, Luftfahrzeugkennzeichen CCCP-Л5400, hob am 17. Juni 1955 zu seinem Jungfernflug ab. Pilot war J. I. Alaschejew. Bereits am 3. Juli 1955 wurde er auf der Luftparade in Tuschino der Öffentlichkeit vorgestellt.[1][2] Die Produktion erfolgte in den Flugzeugwerken Nr. 135 in Charkow (22 % der Produktion), Nr. 166 in Omsk (30 %) und später auch Nr. 22 in Kasan (48 %).[3]
Dank der Weiterentwicklung der Triebwerke konnte man im OKB Tupolew im Winter 1956/57 die Tu-104-A entwickeln. Sie hatte eine erhöhte Startmasse und 70 Sitzplätze für Passagiere. Der A-Version folgte die Tu-104B mit einem um 1,21 m verlängerten Rumpf. Die zusätzliche Nutzlaststeigerung ermöglichte es, die Passagierkapazität auf 100 Personen zu steigern (30 vordere Kabine, 15 Mittelbereich, 65 hintere Kabine). Ende der 1970er-Jahre wurden fast alle Tu-104 auf 104 oder 115 Sitzplätze umgerüstet. Für die sowjetischen Luftstreitkräfte wurde aus der Tu-104 das Transportflugzeug Tu-107 abgeleitet; dieses wurde aber nicht in den Bestand der Luftstreitkräfte übernommen. Eine andere Weiterentwicklung war die vierstrahlige Tu-110, die ebenfalls nicht in Serie ging.
Die Flugerprobung der Tu-104 lief relativ problemlos. Schon im Sommer 1955 begann die Aeroflot mit dem Besatzungstraining auf zwei entmilitarisierten Tu-16 (auch als Tu-104G bezeichnet). Erstmals im Westen landete die Tu-104 am 22. März 1956 in London-Heathrow in Vorbereitung eines sowjetischen Staatsbesuches. Der Besuch erregte unter westlichen Experten großes Interesse, zumal bis dahin die De Havilland DH.106 Comet das einzige Passagierflugzeug mit Strahlantrieb im Einsatz war.
Am 15. September 1956 begann die Aeroflot den Liniendienst auf der Strecke Moskau–Irkutsk mit Tu-104. Ab dem 12. Oktober 1956 wurde auch die Strecke Moskau–Prag mit diesem Typ beflogen. Bis Anfang der 1960er Jahre wurde die Tu-104 zum wichtigsten Mittelstreckenflugzeug der Aeroflot. Einziger Exportkunde wurde die tschechoslowakische ČSA, die 1957 sechs Exemplare der Tu-104A erwarb, davon wurde eine Maschine zeitweise im Codesharing mit Alitalia verwendet.
Am 15. März 1959 nahm Aeroflot mit der Tu-104 die stark frequentierte Route Moskau–Leningrad auf.
Die Tu-104 wurde von der Aeroflot auch für Ausbildungszwecke eingesetzt. Ab 1981 wurde die Tu-104 von Aeroflot aus dem Betrieb genommen. Einige Maschinen wurden im Rahmen des Kosmonautentrainings als fliegende Trainer für Schwerelosigkeit genutzt.[4] Mindestens eine Maschine mit der Bezeichnung Tu-104 „Ziklon“ wurde für meteorologische Forschung verwendet. Die Tu-104 wurde bei den sowjetischen Streitkräften in den Versionen Truppentransporter/Ambulanzflugzeug, Navigatorentrainer und VIP-Transporter eingesetzt.
Wie alle der ersten strahlgetriebenen Passagierflugzeuge hatte die Tu-104 mit 37 Totalverlusten von ca. 200 (18,5 %) gebauten Maschinen eine für heutige Verhältnisse hohe Verlustrate. Sie lag damit deutlich schlechter als die DC-8 (14,5 %), in etwa auf dem Niveau der Boeing 707 (17,0 %) und besser als die De Havilland DH.106 Comet (21,9 %) sowie die Sud Aviation Caravelle (23,0 %). Zu Anfang der Nutzung gerieten mehrere Tu-104 aus unbekannten Gründen ins Flachtrudeln. Ein Zusammenhang mit der Konstruktion wurde zunächst nicht gesehen. Beim zweiten Absturz auf einem Linienflug am 17. Oktober 1958, bei dem alle 80 Insassen starben, funkten die Piloten einige Details zum Hergang des Absturzes. Daraufhin konnten die Ursachen ermittelt werden: Bei hohen Machzahlen (>0,82), Höhen über 10.000 m und hinteren Schwerpunktlagen von über 30 % konnten Böen von unten zu einem Hochreißen des Flugzeugs, Geschwindigkeitsverlust und anschließendem Trudeln führen. Dieses Phänomen war bis dahin nicht bekannt. Steuerelemente waren damals für solche Fälle nicht stark genug ausgelegt. Ende 1958 wurden konstruktive Änderungen getroffen und bestimmte Betriebsparameter beschränkt.[5]
Die Tu-104 war, wie fast alle Flugzeuge am Anfang des Strahlzeitalters, sehr laut.
Vom Erstflug 1955 bis zum Betriebsende 1986 kam es mit Tu-104 zu 37 Totalschäden von Flugzeugen. Bei 23 davon kamen 1139 Menschen ums Leben.[7] Diese Liste ist unvollständig und wurde erst begonnen (November 2018).
Kenngröße | Tu-104A | Tu-104B |
---|---|---|
Besatzung | 5 | |
Passagiere | 70 | 100 |
Länge | 38,85 m | 40,05 m |
Spannweite | 34,54 m | |
Höhe | 11,90 m | |
Flügelfläche | 174,40 m² | 183,50 m² |
Flügelstreckung | 6,80 | 6,50 |
Flügelpfeilung | 37° 30′ | |
Rumpfbreite | 3,50 m | |
Kabine | Länge: 16,11 m Breite: 3,20 m Höhe: 1,95 m Volumen: 143,20 m³ |
Länge: 20,12 m Breite: 3,20 m Höhe: 1,97 m Volumen: 149,20 m³ |
Frachtraumvolumen | 13,00 m³ | 28,00 m³ |
Fahrwerkspurbreite | 11,83 m | |
Radstand | 14,10 m | 15,32 m |
Leermasse | 41.600 kg | 42.500 kg |
Zuladung | 34.400 kg | 33.500 kg |
Nutzlast | 9.000 kg | 12.000 kg |
max. Startmasse | 76.000 kg | |
Flächenbelastung | 435,5 kg/m² | 457,7 kg/m² |
Leistungsbelastung | 3,9 kg/kp | |
Triebwerke | zwei Strahltriebwerke Mikulin AM-3M | |
Leistung | je 6750 kp | |
Tankvolumen | 33.000 l | |
Kraftstoffverbrauch | 6000 l/h | |
Höchstgeschwindigkeit | 900 km/h | |
Reisegeschwindigkeit | maximal 800 km/h wirtschaftlich 750 km/h | |
Landegeschwindigkeit | 200 km/h | |
Reichweite | 3100 km mit maximalem Tankvolumen 2650 km mit maximaler Nutzlast |
3100 km mit maximalem Tankvolumen 2100 km mit maximaler Nutzlast |
Dienstgipfelhöhe | 11.500 m | |
Reiseflughöhe | 10.000 m | |
Start- / Landerollstrecke | 2000 m / 1100 m mit Bremsschirm | 2000 m / 1800 m |
Im September 1957 stellte die Tu-104A an drei Tagen einen Höhenrekord von 20.000 kg Nutzlast in 11.221 m auf. Weiterhin stellte dieses Flugzeug einen Geschwindigkeitsrekord von 847,498 km/h mit 20.000 kg Nutzlast in der Platzrunde auf. Auch mit einer Tu-104A wurde ein Geschwindigkeitsrekord von 970,821 km/h auf einem 1.000-km-Rundkurs mit 10.000 kg Nutzlast erreicht.
Die Tu-104B erreichte gegenüber ihrer Vorgängerin noch größere Leistungen. So wurde mit diesem Typ auf einem 2.000-km-Rundkurs mit 15.000 kg Nutzlast ein Geschwindigkeitsrekord von 1.015,86 km/h aufgestellt. Weiterhin schaffte die Tu-104B einen Höhenrekord von 12.799 m mit 25.000 kg Nutzlast.
Im Werk Nr. 22 wurde eine Tu-104B mit der Werknummer 920905 aus der laufenden Produktion zur Version Tu-104E für Rekordflüge umgebaut und als СССР–42443
für das Forschungsinstitut der Aeroflot (GosNII) zugelassen.[19] Mit diesem Flugzeug wurde von der Besatzung Kowaljow am 2. Juni 1960 ein Weltrekord auf einer 2000-km-Strecke mit 15.000 kg Nutzlast ein Geschwindigkeitsrekord von 959,940 km/h aufgestellt.[20]
Eine in Berdsk nahe Nowosibirsk seit fast drei Jahrzehnten abgestellte TU-104A wird seit 2009 von einer jungen Frau mit wenigen Helfern restauriert.[21]
In Petrovice (Peterswald, Tschechien), etwa 800 m hinter der deutschen Grenze (Lage), dient eine neben der Landstraße abgestellte Tu-104 als Restaurant.[22]
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