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strategischer Langstreckenbomber der Sowjetunion Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Tupolew Tu-95 (russisch Туполев Ту-95, NATO-Codename: „Bear“), ursprüngliche Bezeichnung Tupolew Tu-20, ist ein in der Sowjetunion entwickelter Langstreckenbomber, der 1952 erstmals flog und bis heute im Einsatz ist. Die Seeaufklärerversion zur U-Boot-Bekämpfung wird als Tupolew Tu-142 bezeichnet. Aus der Tu-95 wurden zahlreiche militärische Versionen sowie das Passagierflugzeug Tupolew Tu-114 abgeleitet.
Tupolew Tu-95 | |
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Tu-95MS, vor Schottland 2014, fotografiert von RAF-Abfangjägern | |
Typ | * Strategischer Bomber |
Entwurfsland | |
Hersteller | Tupolew |
Erstflug | 12. November 1952 |
Indienststellung | 1956 |
Produktionszeit | 1956 bis 1993 |
Stückzahl | über 500 |
Die Tu-95 war das Nachfolgemodell der Tu-4 und der Tu-85, die wegen ihrer nicht mehr zeitgemäßen Kolbenmotortriebwerke nur kurz oder gar nicht im Einsatz waren. Lange Zeit wurde die Tu-95, auch in der Fachpresse der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes, als Tu-20 bezeichnet. Erst im Zuge von Abrüstungsverhandlungen wurde die korrekte Typenbezeichnung bekannt.
Der erste Prototyp der Tu-95 flog am 12. November 1952 und wurde von vier Doppeltriebwerken 2TW-2F aus dem OKB-276 von Nikolai Kusnezow angetrieben, obwohl deren staatliche Prüfung noch nicht abgeschlossen war. Im Januar und April 1953 traten bei zwei aufeinanderfolgenden 100-Stunden-Läufen der Versuchstriebwerke Nr. 14 und 15 nach 50 bzw. 23 Stunden Laufzeit erhebliche Schäden an den Getrieben auf. Diese Ergebnisse wurden durch das OKB Kunsnezows jedoch nicht an das Büro Tupolews weitergeben.[1] Daher wurde die Flugerprobung des ersten Prototyps mit den offensichtlich unausgereiften Triebwerken fortgesetzt. Der Prototyp stürzte beim 17. Flug am 11. Mai 1953 wegen eines Getriebeschadens in Triebwerk Nr. 3 ab, vier Besatzungsmitglieder, darunter der Pilot Pereljot, starben.[2] Während der Untersuchung wurde zuerst Tupolew stark kritisiert, nachdem jedoch die Kommission Kenntnis von den schweren Triebwerksschäden bei den Versuchläufen erhalten hatte und Kunsnezows OKB in den Fokus der Ermittlungen geriet, setzte sich Tupolew sehr energisch für Kusnezow ein. Er verwies auf die Notwendigkeit der schnellen Bereitstellung leistungsfähiger und zuverlässiger Triebwerke für den strategischen Bomber, was er nur dem OKB-276 unter Kusnezow zutraue.[1] Im OKB Kusnezow wurden in der Folge dann die bis heute weltweit leistungsstärksten Turboproptriebwerke Kusnezow NK-12 entwickelt.
Nach dem Übergang vom unzuverlässigen Doppeltriebwerk zum Einturbinentriebwerk TW-12, das unter der Bezeichnung NK-12 weltbekannt wurde, flog der zweite Prototyp knapp zwei Jahre später am 16. Februar 1955. Er wurde auf der Tuschinoer Luftparade am 3. Juli desselben Jahres als Tu-20 der Weltöffentlichkeit vorgestellt.[3] Das Einwellentriebwerk TW-12 bzw. Kusnezow NK-12, das wie der Vorgänger von einer Gruppe unter dem österreichischen Konstrukteur Ferdinand Brandner entwickelt worden war, stellt bis heute das leistungsstärkste Turboproptriebwerk der Welt dar. Die hohe Triebwerksleistung ermöglichte die Verwendung von Propellern mit extrem großer Steigung nahe der Segelstellung bei relativ niedrigen Drehzahlen. Dies steigerte die Leistung der Propellerflugzeuge erheblich, denn bis dahin waren propellergetriebene Flugzeuge an eine Grenze gestoßen, sobald die Propellerspitzen Überschallgeschwindigkeit erreichten. Um die Leistung des Triebwerkes umzusetzen, wären Propeller mit sieben Metern Durchmesser erforderlich. Da diese am Flugzeug nicht unterzubringen waren, konstruierte man stattdessen ein Triebwerk mit zwei gegenläufigen 4-Blatt-Propellern.[4] Dabei war der Einsatz der mit 35 Grad gepfeilten Tragflächen die Voraussetzung für den erzielbaren Geschwindigkeitsbereich des neuen Flugzeugs. Die Pfeilflügel und die leistungsfähigen Triebwerke ermöglichten dann Flugleistungen, welche vergleichbar mit damaligen strahlgetriebenen Flugzeugen waren.
Als im Westen die Leistungsdaten der Tu-95 bekannt wurden, stufte man es als ernste Bedrohung ein.
Von einer Tu-95W wurde im Jahr 1961 die 50 MT starke Zar-Bombe abgeworfen. Diese Maschine befindet sich heute im Zentralen Museum der Luftstreitkräfte der Russischen Föderation in Monino nahe Moskau.
Neben der Version als Bomber fand die Tu-95 auch als strategischer Raketenträger Verwendung. Eine Weiterentwicklung ist die Patrouillenversion Tu-142, aus der die nochmals verbesserten Versionen Tu-95MS-6 bzw. Tu-95MS-16 als Träger für Marschflugkörper abgeleitet wurden. Diese sehr leistungsfähige Ausführung wurde ab 1988 produziert. Präsident Boris Jelzin ließ dann 1993 die Produktion einstellen.
Unter der Bezeichnung Tu-95MSM wurden Anfang 2016 die ersten modernisierten Maschinen an die russische Luftwaffe übergeben.[5] Die umgerüsteten Maschinen sind mit überarbeiteten, sparsameren NK-12MPM-Triebwerken ausgestattet, die eine größere Reichweite gestatten. Daneben erhielten sie eine modernisierte Funk- und Radarausrüstung, ein mit dem russischen Satelliten-Navigationssystem GLONASS kompatibles Zielerfassungs- und Navigationssystem sowie über die Fähigkeit, acht statt bisher vier strategische Marschflugkörper vom Typ Ch-101 oder Ch-102-Raketen mit nuklearem Gefechtskopf zu tragen. Der russische Flugzeughersteller Aviakor benötigte drei Monate, um die Tu-95 auf das veränderte Anforderungsprofil der russischen Luftstreitkräfte umzurüsten. Im Jahr 2015 begann bereits die Modernisierung von zwei weiteren Tu-95. Durch die Umrüstung soll die Tu-95 noch bis 2040 in den russischen Streitkräften Verwendung finden.[6]
Mit Tu-95MS-6 sind aktuell das 185. TBAP (Schweres Bombenfliegerregiment) in Engels-2 und das 182. und 79. TBAP – beide auf dem Militärflugplatz Ukrainka bei Seryschewo in der Oblast Amur – ausgerüstet. Die Tu-95MS-6 kann sechs nukleare Marschflugkörper vom Typ Ch-55 am internen Drehgestell transportieren. Die Tu-95MS-16 konnte zusätzlich zehn Ch-55 unter den Tragflächen mitführen, diese Ausführungen wurden später zu Tu-95MS-6 zurückgerüstet, um die Abrüstungsverpflichtungen einzuhalten.
2005 wurde ein Modernisierungsprogramm initiiert, das die Bezeichnung Tu-95MSM trägt. Diese Version kann sechs Marschflugkörper Ch-101 am internen Drehgestell und acht bis zehn weitere unter den Tragflächen transportieren. Zur Abwehr haben die Maschinen in der Heckkanzel zwei radargesteuerte 23-mm-Zwillingskanonen GSch-23.
Die 250 gebauten Maschinen erwiesen sich als sehr langlebig und zuverlässig. Einige Versionen erreichten Höchstgeschwindigkeiten bis 930 km/h,[7] weshalb die Tu-95/142 einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als schnellstes propellergetriebenes Flugzeug erhielt. Angeblich verursachen die PTL-Triebwerke der Tu-95 mit ihren Doppelpropellern aus Metall das deutlichste Radarecho der gesamten Luftfahrt[8].
Nach dem Ende des Kalten Krieges fliegen Tu-95 seit diplomatischen Verstimmungen im Jahre 2007 auch wieder Einsätze über das russische Territorium hinaus. Häufig fliegen die Flugzeuge dabei die Luftraumgrenzen verschiedener NATO-Staaten ab, um die Reaktionen der Luftwaffen dieser Länder festzustellen. An Bord wird Ausrüstung zur Signals Intelligence (SIGINT) vermutet, um den Funkverkehr der NATO-Staaten abhören zu können.[9]
Im Rahmen des russischen Militäreinsatzes in Syrien griffen Tu-95MS am 17. November 2015 IS-Ziele in Ostsyrien mit Marschflugkörpern vom Typ Ch-555 an.[10][11] Dies war der erste Kampfeinsatz des Typs.[12]
Bei dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 starteten Tu-95 eine unbekannte Anzahl Marschflugkörper vom Typ Ch-555 und Ch-101 gegen Ziele in der Ukraine.[13]
Am 19. Oktober 2022 meldete das amerikanische Luftverteidigungskommando NORAD System das Eindringen von zwei Tu-95 in die Luftverteidigungsidentifikationszone von Alaska. Sie wurden von zwei US Kampfjets abgefangen. Die beiden russischen Flugzeuge hätten den souveränen Luftraum der USA und Kanadas nicht verletzt.[14]
Als westliches Gegenstück zur Tu-95 kann die Boeing B-52 gelten, trotz unterschiedlicher technischer Auslegung ist sie mit der Tu-95 in Bezug auf Abmessungen, Einsatzspektrum und Bauzeit vergleichbar. Während die Tu-95 vier Doppelwellenpropeller besitzt, hat die B-52 acht Düsentriebwerke; die Flugleistungen sind jedoch ähnlich.
Tu-95 | B-52 | |
---|---|---|
Erstflug | 12. November 1952 | 15. April 1952 |
Produktionszeit | 1956 bis 1993 | 1952 bis 1962 |
Stückzahl | über 500 | 744 |
Länge | 46,13 m | 47,72 m |
Spannweite | 50,05 m | 56,39 m |
Flügelfläche | 295 m² | 371,6 m² |
Flügelstreckung | 8,49 | 8,56 |
Leermasse | 94.400 kg | 83.250 kg |
max. Startmasse | 188.000 kg[15] | 221.150 kg |
max. Zuladung | 93.300 kg | 137.900 kg |
davon Treibstoff | ≈89 t (110.155 l)[15] | ≈145 t (181.610 l) |
Mit entsprechenden Nachrüstungen könnte die Tu-95 noch weitere 30 Jahre im Einsatz bleiben. Einziger Exportkunde der Tu-95 war die indische Marine, die ihre Maschinen auf dem Flughafen Dabolim stationiert hatte.
Kenngröße | Tu-95-1 | Tu-95 | Tu-96 | Tu-95M | Tu-95K | Tu-95PZ | Tu-95MS |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Exemplare | 1 (Prototyp) | ||||||
Erstflug | 1952 | 1955 | 1956 | 1957 | 1958 | 1962 | 1979 |
Besatzung | 10 | 8–9 | 8 | 8–9 | 9 | 7 | |
Länge (m) | 44,35 | 46,17 | 46,2 | 46,17 | 46,9 | 46,13 | |
Spannweite (m) | 49,8 | 50,04 | 51,4 | 50,04 | |||
Höhe (m) | 12,5 | 12,35 | 12,5 | 13,2 | |||
Flügelfläche (m²) | 284,9 | 283,7 | 345,5 | 283,7 | 295 | ||
Flügelstreckung | 8,70 | 8,83 | 7,65 | 8,83 | 8,49 | ||
Startmasse (t) | 156 | 172 | 182 | 185 | |||
Treibstoff (intern, kg) | 84.000[24] | ||||||
Triebwerke | 4 × 2TW-2F | 4 × NK-12 | 4 × NK-12M | 4 × NK-12MB | 4 × NK-12MP | ||
Leistung je Triebwerk (PS) | 12.000 | 15.000 | |||||
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 890 | 882 | 880 | 905 | 860 | 910 | 830 |
Reisegeschwindigkeit (km/h) | 720–750 | ||||||
Gipfelhöhe (m) | 13.500 | 11.900 | 12.400 | 11.900 | 11.600 | 10.300 | 10.500 |
Reichweite (km) | 14.200 | 12.100 | 15.000 | 13.200 | 6.900–7.000 | 13.500 | 10.500 |
Bomben | 12–15 | 12 | 12 | ||||
Raketenbewaffnung | 1 × Ch-20M | 6 × Ch-55MS | |||||
Abwehrbewaffnung | 6 × AM-23 | 2 × GSch-23 |
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