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chinesische Marssonde Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Tianwen-1 (chinesisch 天問一號 / 天问一号, Pinyin Tiānwèn Yīhào – „Himmelsfrage 1“) ist nach Yinghuo-1 die zweite von der Volksrepublik China gebaute Marssonde. Sie besteht aus einem Orbiter, einem Landegerät und einem Rover. Die Sonde wurde am 23. Juli 2020 mit einer Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 5 gestartet und erreichte am 10. Februar 2021 als erste chinesische Marssonde eine Umlaufbahn um den Planeten.[1] Der Rover Zhurong landete am 14. Mai 2021 um 23:18 Uhr UTC in der Utopia Planitia.[2]
Tianwen-1 | |||||||||||||||||||
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NSSDC ID | 2020-049A | ||||||||||||||||||
Missionsziel | Marsforschung | ||||||||||||||||||
Auftraggeber | Nationale Raumfahrtbehörde Chinas | ||||||||||||||||||
Trägerrakete | Langer Marsch 5 | ||||||||||||||||||
Startmasse | ca. 5000 kg | ||||||||||||||||||
Verlauf der Mission | |||||||||||||||||||
Startdatum | 23. Juli 2020, 04:41 UTC | ||||||||||||||||||
Startrampe | Kosmodrom Wenchang | ||||||||||||||||||
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Seit Anfang Juni 2021 fuhr der Rover mehr oder weniger in Richtung Süden und versuchte das Ufer des Meeres zu erreichen, das die Utopia Planitia vor etwa 1,8 Milliarden Jahren möglicherweise war. Der Orbiter, der zunächst als Relaissatellit für den Rover fungiert hatte, wurde am 8. November 2021 in seinen eigentlichen Missionsorbit gebracht, von wo er vor allem die Ionosphäre und Magnetosphäre, aber auch die Oberfläche des Mars untersucht. Im Mai 2022 wurde der Rover planmäßig in einen „Winterschlaf“ versetzt. Am 12. Juli 2023 ist Sommerbeginn auf der Nordhalbkugel des Mars. Die Wissenschaftler hoffen, dass dann genügend Wärme und elektrische Leistung zur Verfügung steht, um den Rover wieder in Betrieb setzen zu können.[3]
Der Name bezieht sich auf ein Qu Yuan (340–278 v. Chr.) zugeschriebenes Gedicht,[4] in dem dieser die damalige Astronomie hinterfragte, wie sie auf Wandgemälden in den Ahnentempeln der Chu-Könige dargestellt war: „Warum ist die Ekliptik in 12 Abschnitte eingeteilt?“ Qu Yuan stellte sich Fragen betreffs des Himmels. Im Originalgedicht bleiben die Fragen ohne Antworten;[5][6] Tianwen-1 und ihre Nachfolgesonden sollen nun Antworten finden.[7][8]
Erste Vorgespräche für das Marsprogramm der Volksrepublik China gab es im Juni 2005. Der offizielle Start des Programms fand am 26. März 2007 mit der Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrags zwischen der China National Space Administration und der staatlichen russischen Raumfahrtorganisation Roskosmos statt. Das erste Ziel des Marsprogramms war die Entwicklung und der Bau eines Mars-Orbiters. Die russische Raumsonde Phobos-Grunt, die den chinesischen Orbiter Yinghuo-1 mitführte, kam jedoch nach dem Start am 9. November 2011 nicht über einen Parkorbit hinaus und verglühte am 15. Januar 2012 zusammen mit Yinghuo-1 über dem Ostpazifik. In der Folge begann China ein eigenes Mars-Projekt.[9]
Yinghuo-1 sollte die Marsoberfläche fotografieren, um geeignete Orte für eine spätere Landung ausfindig zu machen. Abgesehen davon hatten Wu Ji, der Chefwissenschaftler bei Yinghuo-1, und Wang Chi, der für die Nutzlasten der Sonde zuständig war, die Mission primär auf eine Erforschung der Mars-Ionosphäre ausgelegt. Diese beiden Aufgaben von Yinghuo-1 übernahm beziehungsweise übernimmt nun der Orbiter von Tianwen-1. Zur Vorbereitung der Roverlandung kartografierte er drei Monate lang die Marsoberfläche. Chefwissenschaftler und Ionosphärenspezialist Wan Weixing stellte die Nutzlasten für die Beobachtung des Weltraumwetters des Mars zusammen.
Tianwen-1 wurde wie die Sonden des Mondprogramms von der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie gebaut, wobei die Shanghaier Akademie für Raumfahrttechnologie den Orbiter beisteuerte.[10] Die wissenschaftlichen Nutzlasten (Instrumente) wurden unter Aufsicht des Nationalen Zentrums für Weltraumwissenschaften der Akademie der Wissenschaften in Peking entwickelt. Neben ihrer wissenschaftlichen Aufgabe dient die Marsmission auch der Erprobung neuer Technologie, die benötigt wird, um in den 2030er Jahren Marsproben zurück zur Erde zu bringen.
Die Sonde wog beim Start insgesamt ungefähr 5 t, davon entfielen 3175 kg auf den betankten Orbiter.[11] Der Lander wog zusammen mit dem Rover ohne den Hitzeschild 1285 kg.[12][13]
Nachdem Premierminister Li Keqiang das Projekt am 11. Januar 2016 genehmigt hatte und die Aufgaben verteilt worden waren, begannen die Ingenieure in Shanghai unter der Leitung von Zhang Yuhua (张玉花, * 1968)[14][15] mit der Konstruktion des Orbiters. Man wählte hierfür die Form einer dicken sechseckigen Münze mit einem Loch in der Mitte, wobei die Innenwand der Öffnung, über die der Druck beim Start und während der Bahnregelungsmanöver auf den Lander übertragen wird, nach ersten Versuchen nicht röhren- sondern konusförmig, auf den Lander hin zulaufend gestaltet wurde. Tests ergaben, dass auf diese Art bei gleichem Gewicht die Tragkraft der Konstruktion auf 130 % der Anforderungen stieg. Im breiten Ende der Öffnung befinden sich kugelförmige Treibstofftanks und das Haupttriebwerk vom Typ YF-37 mit einer Schubkraft von 3 kN und einem spezifischen Impuls von 3155 m·s−1.[16] Zwischen dem Tragkonus und der sechseckigen Außenwand sind die elektronischen Systeme und die von ausklappbaren Solarmodulen gespeisten Akkumulatoren angeordnet.
Ein erster Prototyp wurde gebaut und mit an der Außenwand montierter Parabolantenne (horizontaler Durchmesser 2,5 m)[17] sowie ausgeklappten Solarzellenflügeln (Spannweite 13,6 m)[18] Stoß- und Temperaturtests unterzogen. Nachdem diese Tests zur Zufriedenheit ausgefallen waren, wurde 2018 ein mit der endgültigen Version identischer Prototyp gebaut, an dem die Elektronik getestet wurde, vor allem auf elektromagnetische Verträglichkeit, aber auch auf das Funktionieren der Schnittstellen für die Kommunikation des Orbiters mit der Trägerrakete, dem Rover und den Bodenstationen. Dann wurde der für die Mission bestimmte Orbiter gebaut und mit der Lander-Rover-Gruppe integriert.[19] Das Fluxgate-Magnetometer an Bord des Orbiters wurde von Wissenschaftlern der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik in Hefei gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz gebaut.[20][21][22]
Der Lander benutzte für den Abstieg einen Fallschirm, hauptsächlich aber ein regelbares Bremstriebwerk mit 7,5 kN Schubkraft. Die Grundversion des Triebwerks, das YF-36, wurde für das Mondprogramm der Volksrepublik China entwickelt und kam seit Chang’e 3 (2013) bei allen chinesischen Mondlandungen zum Einsatz. Das ab 2016 entwickelte Haupttriebwerk des Marslanders, „YF-36A“ genannt, beruhte auf dem YF-36, wurde aber – bei gleicher Schubkraft – in Abmessungen und Gewicht um zwei Drittel verkleinert. Während das Triebwerk der Mondsonden mit ihrem relativ großen Gehäuse 1,4 m hoch war, war das Haupttriebwerk des Marslanders – eine flache Plattform, auf der der Rover ruhte – nur 50 cm hoch.[23]
Die Bodenplatte des Hitzeschilds hatte einen Durchmesser von 3,4 m. Der ablative Hitzeschild war ähnlich demjenigen der Landekapsel der Shenzhou-Raumschiffe ausgelegt, wurde aber mit einer Bienenwabenstruktur verstärkt. Für Tianwen-1 wurde die Rezeptur des Materials so geändert, dass es einerseits kräftiger wurde, andererseits aber auch eine geringere Dichte besaß, also leichter wurde. Außerdem wurde das stützende Bienenwabengitter an den stark gekrümmten Stellen, sozusagen den „Kanten“ der Bodenplatte, verstärkt, um sie angesichts der dort angreifenden aerodynamischen Kräfte formstabil zu halten. Die insgesamt 70.000 Wabenlöcher wurden bei der Herstellung der Bodenplatte mit dem Material ausgegossen. Der obere, um 20° nach innen geneigte Teil des Hitzeschilds[24] bestand dagegen aus einem nicht-ablativen kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff von mittlerer Dichte, hoher Festigkeit und hoher Wärmeisolation. Darauf war wiederum eine ablative Farbschicht aufgetragen, die nicht nur dem Hitzeschutz diente, sondern den Lander auch vor den klimatischen Einflüssen auf dem Kosmodrom Wenchang mit seiner salzhaltigen Luft und vor Materialverlust durch Ausgasen im Vakuum schützte.[25]
Im April 2019 war man in die Systemintegrationsphase eingetreten und hatte unter der Aufsicht von Sun Zezhou, dem Chefkonstrukteur der Sonde, mit ersten Tests der Lander-Rover-Kombination begonnen.[26][27] Am 12. Oktober 2019 wurde das erste Foto veröffentlicht, das den Orbiter zeigt, auf dem die Lander-Rover-Kombination montiert ist, welche vom Hitzeschild umgeben ist.[28] Am 14. November 2019 fand auf dem Mehrzweck-Versuchsgelände für Landungen auf fremden Himmelskörpern des Forschungsinstituts für weltraumbezogenen Maschinenbau und Elektrotechnik eine öffentliche Vorführung des Landeablaufs statt, zu dem die Nationale Raumfahrtbehörde etwa 70 Diplomaten und Journalisten aus Ländern eingeladen hatte, mit denen China in der Vergangenheit bei Raumfahrtprojekten zusammengearbeitet hatte (u. a. Deutschland, Holland, Italien, Brasilien, Argentinien, Saudi-Arabien). Mit einer Seilkonstruktion wurde die im Vergleich zur Erde nur ein Drittel betragende Schwerkraft des Mars simuliert. Der Lander reduzierte zuerst seine Geschwindigkeit auf Null, suchte sich zwischen den auf dem Testgelände verteilten Felsbrockenimitaten einen freien Fleck und senkte sich dann dort ab.[29][30]
Am 10. April 2020 traf eine Gruppe von Dozenten und Studenten der Fakultät für Raumfahrttechnik der Universität für Luft- und Raumfahrt Nanjing auf dem Kosmodrom Wenchang ein, um die von ihnen konstruierte, sehr robust gebaute Notfallbake an der realen Sonde zu überprüfen.[31] Bei diesem hinten auf der Unterseite der Landerplattform angebrachten Gerät handelte es sich um eine Art Flugschreiber, der nach einer eventuellen Bruchlandung die während des Landevorgangs aufgezeichnete Daten über den Orbiter zur Erde funken sollte,[32] wo man sie analysieren und aus ihnen für die nächste Mission hätte lernen können.[33]
Der Rover ist 2 × 1,65 × 0,8 Meter groß und mit 240 kg fast doppelt so schwer wie der chinesische Mondrover Jadehase 2. Während auf dem Mond nur ein Sechstel der irdischen Schwerkraft herrscht, liegt dieser Wert auf dem Mars bei etwa einem Drittel. Der Marsrover muss daher robuster gebaut sein und benötigt stärkere Motoren als der Mondrover. Da die nächtlichen Temperaturen auf dem Mars in Äquatornähe mit −85 °C deutlich milder sind als auf dem Mond (bis −180 °C), besitzt der Marsrover kein Radionuklid-Heizelement, sondern bezieht seine Energie über Solarzellen, ergänzt durch zwei chemische Wärmflaschen.[34]
Im Juni 2021, einen Monat nach der Landung des Rovers, wurden die ersten Rohdaten der Instrumente an Institute in Österreich, Frankreich und Russland übermittelt, mit denen bei Entwicklung und Bau der Sonde eine Zusammenarbeit bestand.[37] Mitte August 2021 waren die Daten dann zu Tabellen etc. aufbereitet, chinesische Forschergruppen konnten Antrag auf Dateneinsicht stellen. Weitere Daten wurden von da an in monatlichen Abständen veröffentlicht.[38] Im September 2022 – der Rover befand sich während des Marswinters im Ruhemodus – waren alle bis dahin ermittelten Daten allgemein zugänglich.[39][40]
Um nach der damals für den Frühsommer 2021 geplanten Landung möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen, begann das Zentrum für Monderkundungs- und Raumfahrt-Projekte der Nationalen Raumfahrtbehörde Anfang Juli 2019 unter der Leitung des Elektroingenieurs Jie Degang (节德刚, * 1978),[53] eine Gruppe von Wissenschaftlern zusammenzustellen, die sich bereits im Vorfeld mit den Instrumenten der Sonde vertraut machen sollten, um über konkrete Forschungsprojekte nachzudenken und die Daten nach Erhalt sofort nutzbar zu machen. Zielgruppe der Anwerbekampagne waren junge Wissenschaftler von chinesischen Hochschulen und Forschungsinstituten; Ausländer waren nicht teilnahmeberechtigt.[54]
Als Trägerrakete für die Sonde fungierte eine Changzheng 5. Zwischen dem 23. Juli und dem 5. August 2020 gab es täglich ein Startfenster von jeweils 30 Minuten. Da sich Erde und Mars während dieser Zeitspanne relativ zueinander bewegten, erforderte dies alle zehn Minuten eine etwas andere Bahn. Es gab also insgesamt 42 mögliche Flugbahnen. Diese wurden in die Raketensteuerung einprogrammiert und die Rakete wählte die zum Startzeitpunkt passende Flugbahn.
Der Start der 5 t schweren Sonde erfolgte am 23. Juli 2020 um 04:41 Uhr UTC. Etwa drei Minuten nach dem Start trennten sich die vier Kerosin-Flüssigsauerstoff-Booster von der zweistufigen Trägerrakete ab. Sechs Minuten nach dem Start befand sich die Rakete außerhalb der Atmosphäre und die Nutzlastverkleidung wurde geöffnet und abgeworfen. Acht Minuten nach dem Start wurde die erste Stufe abgetrennt und die Oberstufe zündete ihre beiden Triebwerke. Nach weiteren dreieinhalb Minuten wurden die Triebwerke abgeschaltet und die Rakete ging für etwa 16 Minuten in einen antriebslosen Flug über, eine Technik, die am 27. Dezember 2019 beim dritten Flug dieses Raketentyps erprobt worden war. Die Triebwerke wurden danach erneut für siebeneinhalb Minuten gezündet und die Bahn wurde korrigiert. 36 Minuten nach dem Start hatte die Rakete rund 10.000 km zurückgelegt und die geplante Transferbahn zum Mars in 200 km Höhe erreicht.[55][56] Die Sonde wurde von der Oberstufe der Rakete abgetrennt und flog mit einer Geschwindigkeit von 11,5 km/s (etwas mehr als die an sich nötige Fluchtgeschwindigkeit von 11,2 km/s) antriebslos weiter in Richtung Mars.[57] Hierfür wurde eine sogenannte „Hohmann-Bahn“ gewählt, die nur alle 26 Monate einmal für dreieinhalb Wochen möglich ist, aber beim Start weniger Treibstoff erfordert bzw. ein höheres Nutzlastgewicht ermöglicht.[12]
Um 05:21 Uhr UTC erfasste zuerst die Tiefraumstation Zapala in Argentinien (eine Außenstelle des Satellitenkontrollzentrums Xi’an) die Sonde. Um 13:37 Uhr folgte die Tiefraumstation Giyamusi und kurz nach 17 Uhr die Tiefraumstation Kashgar. Mittels Langbasisinterferometrie konnte von den drei Stationen bestätigt werden, dass sich die Sonde auf der korrekten Bahn befand.[58] Am 1. August 2020 um 23:00 Uhr UTC – nach 230 Stunden Flug bzw. 3 Millionen zurückgelegten Kilometern – erfolgte plangemäß ein erstes Bahnkorrekturmanöver. Das ursprünglich für die Mondsonde Chang’e 5 entwickelte Haupttriebwerk des Orbiters[59] mit einer Schubkraft von 3 kN wurde dazu 20 Sekunden lang in Betrieb gesetzt. Neben der Regulierung von Richtung und Geschwindigkeit diente dies vor allem auch dazu, Daten über das Verhalten des Triebwerks zu sammeln, die in die Berechnungen für weitere Bahnmanöver mit einflossen.[60] Das zweite Bahnkorrekturmanöver fand am 20. September 2020 um 15:00 Uhr bzw. nach 60 Tagen Flug und nach 160 Millionen zurückgelegten Kilometern statt. Hierbei wurden vier der acht Lageregelungstriebwerke mit jeweils 120 N Schubkraft für 20 Sekunden in Betrieb gesetzt. Neben einer kleinen Bahnkorrektur diente auch dieses Manöver primär dem Test der Triebwerke.[61]
Neben der Bahnüberwachung durch die Bodenstationen des Chinesischen Tiefraum-Netzwerks besitzt der Orbiter auch vier Sternsensoren, mit denen er seine Fluglage bestimmen kann. Außerdem verfügt er über einen optischen Navigationssensor, eine Kamera, mit der er ab einer Entfernung von 10 Millionen Kilometern Aufnahmen des Mars machte, also sein Ziel immer im Blick behielt und gegebenenfalls Bahnkorrekturen vornehmen konnte. Durch einen Vergleich der Größe des Mars mit den ihn auf dem Bild umgebenden Sternen konnte der Orbiter auch die Entfernung zum Ziel abschätzen. Dieses von Bodenstationen unabhängige System zur völlig autonomen Navigation diente bei der Mission Tianwen-1 nur als Reserve für den Fall eines Totalausfalls des Tiefraum-Netzwerks. Nach der erfolgreichen Erprobung soll es nun jedoch bei Missionen zu weiter entfernten Zielen (Tianwen-4, Erkundung der Heliopause etc.) als primäre Navigationsmethode eingesetzt werden.[62]
Für eine Sichtkontrolle der Sonde während des Flugs hatte die für die Konstruktion des Orbiters zuständige Shanghaier Akademie für Raumfahrttechnologie ein System entwickelt, bei dem eine kleine Kamera von insgesamt 950 g mit niedrigem Kraftstoß ausgeworfen wird (die eigentliche Kamera wiegt 680 g, der Rest ist Teil des Mechanismus), die auf Vorder- und Rückseite mit jeweils einem Weitwinkelobjektiv und einem CCD-Sensor von 800×600 bzw. 1600×1200 Pixeln ausgestattet ist. Während die Kamera, sich ständig überschlagend, in den Weiten des Weltalls entschwindet, macht sie jede Sekunde ein Foto. Die Fotos werden von der Kamera über ein WLAN mit einer Reichweite von 400 m an die Sonde geschickt. Diese wiederum funkt die Bilder zurück an das Raumfahrtkontrollzentrum Peking. Tianwen-1 verfügt über mehrere dieser Einwegkameras, die erste davon wurde am 1. Oktober 2020, dem chinesischen Nationalfeiertag, eingesetzt.[63][64]
Am 9. Oktober 2020 um 15:00 Uhr UTC fand unter Mitwirkung der Tiefraumstationen Kashgar und Giyamusi ein größeres, gut 8 Minuten dauerndes Bahnänderungsmanöver statt.[65] Eine weitere, minimale Bahnkorrektur fand am 28. Oktober 2020 um 14:00 Uhr statt. Hierbei wurden 8 der 12 Lageregelungstriebwerke von 25 N kurz gezündet, auch um ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt, 97 Tage nach dem Start, hatte die Sonde 256 Millionen Kilometer zurückgelegt, etwa die Hälfte der geplanten Strecke.[66] Ein letztes Bahnkorrekturmanöver vor dem Einschwenken in den Marsorbit fand am 5. Februar 2021 um 12:00 Uhr UTC in einer Entfernung von 1,1 Millionen Kilometern vom Mars statt, wobei erneut 8 der 12 Lageregelungstriebwerke von 25 N Schubkraft für 12 Sekunden gezündet wurden.[67] Bereits vorher hatte die Sonde aus einer Entfernung von 2,2 Millionen Kilometern das erste Foto vom Mars aufgenommen und an das Bodensegment in Peking geschickt. Zu diesem Zeitpunkt, 197 Tage nach dem Start, hatte die Sonde auf ihrer Transferbahn 465 Millionen Kilometer zurückgelegt.[68]
Am 10. Februar 2021 um 11:52 Uhr UTC zündete die Sonde für 15 Minuten ihr Haupttriebwerk und schwenkte in einen um 10° zum Äquator geneigten, hochelliptischen Orbit (Flughöhe 400–180.000 km) um den Mars ein mit einer Umlaufzeit von 10 Tagen.[1] Dies war neben der Landung eines der kritischsten Manöver der Mission. Wenn die Zündung des Triebwerks nicht genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt wäre, wäre die Sonde entweder auf dem Mars zerschellt oder – wie 2003 die japanische Sonde Nozomi – an dem Planeten vorbeigeflogen. Je nachdem, an welcher Stelle ihrer jeweiligen Umlaufbahn um die Sonne sich Erde und Mars befinden, beträgt der Abstand zwischen den beiden Planeten 56 bis 401 Millionen Kilometer. Daraus resultiert eine Signallaufzeit für die einfache Strecke von 3,1 bis 22,3 Minuten. Am 10. Februar 2021, zum Zeitpunkt des Einschwenkens der Sonde in den Marsorbit, betrug der Abstand zwischen Erde und Mars 192 Millionen Kilometer und die Signallaufzeit 10,7 Minuten.[69] Dazu kam, dass sich die Sonde, als die Triebwerke gezündet wurden, von der Erde aus gesehen hinter dem Mars befand. Es bestand nicht nur keine Funkverbindung, sondern die Sonde musste auch auf der Nachtseite des Planeten durch den Schatten fliegen. Die Solarmodule lieferten keinen Strom und man musste sich auf die Akkumulatoren verlassen.[70]
Wegen der langen Signallaufzeit ist die direkte Steuerung einer Marssonde prinzipiell nicht möglich. Die Ingenieure im Raumfahrtkontrollzentrum Peking umgehen dieses Problem, indem sie den Flug der Sonde mit den Antennen des Chinesischen Tiefraum-Netzwerks über einen Zeitraum von einer Woche vor einem Bahnmanöver ständig beobachten und ihre Bahndaten (Position, Richtung, Geschwindigkeit) mithilfe des Delta-DOR-Verfahrens präzise ermitteln. Unter Einbeziehung von Faktoren wie der Anziehungskraft der diversen Himmelskörper, Ausgasen an der Sonne zugewandten Oberflächen der Sonde etc. wird ein Computermodell der voraussichtlichen weiteren Bahn erstellt und der Zeitpunkt zur Zündung des Triebwerks berechnet. Dieser wird an die Sonde gefunkt, die ihre Triebwerke dann, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, autonom zündet.[71]
Für die Bahnmanöver besitzt der Orbiter von Tianwen-1 insgesamt 21 Triebwerke: ein Haupttriebwerk mit 3 kN Schubkraft, acht Lageregelungstriebwerke mit 120 N Schubkraft und zwölf Lageregelungstriebwerke mit 25 N Schubkraft, alle von der Akademie für Flüssigkeitsraketentriebwerkstechnik hergestellt.[72] Am 12. Februar 2021, dem Chinesischen Neujahrsfest, veröffentlichte das Zentrum für Monderkundungs- und Raumfahrt-Projekte der Nationalen Raumfahrtbehörde zwei von verschiedenen Bordkameras aufgenommene Videos des Einschwenkvorgangs.[73][74]
Am 15. Februar 2021 um 09:00 Uhr UTC zündete die Sonde ihr 3-kN-Haupttriebwerk und schwenkte aus dem fast äquatorialen Orbit in eine polare Umlaufbahn ein. Gleichzeitig wurde der Periares (niedrigste Flughöhe) auf 265 km abgesenkt.[75] Ein weiteres Bahnmanöver fand am 20. Februar statt. Am 23. Februar 2021 um 22:29 Uhr UTC führte die Sonde schließlich das finale Bahnmanöver durch, mit dem sie in den Parkorbit eintrat. Auf einer um 86,9° zum Äquator geneigten Bahn mit einer Umlaufzeit von zwei Marstagen und aus einer Höhe von 280 km am marsnächsten und 59.000 km am marsfernsten Punkt erkundete sie anschließend etwa drei Monate lang die beiden möglichen Landezonen.[76] Beide lagen in einem rechteckigen, sich von 109° bis 133° östlicher Länge und 23° bis 30° nördlicher Breite erstreckenden Gebiet:[77]
Nun wurden alle sieben Instrumente des Orbiters in Betrieb genommen. Die wichtigsten hierbei sind die hochauflösende Kamera, mit der die Sonde – durch den sehr niedrigen Orbit – im Fokus des Objektivs Aufnahmen mit einer Auflösung von 0,5 m pro Pixel machen kann,[1] die Weitwinkelkamera mit mittlerer Auflösung sowie das Spektrometer zur Erkundung von Bodenschätzen. Während der Beobachtungsphase aus dem Parkorbit wurde nicht nur ein Augenmerk auf die Topographie gelegt, sondern es wurden entlang des für die Landung vorgesehenen Anflugkorridors auch detaillierte Wetterbeobachtungen durchgeführt, um einen Eindruck von der Häufigkeit und Dauer von Sand- und Staubstürmen zu erhalten.[80][81] Die hochauflösende Kamera kann das Gelände sowohl zeilenweise aufnehmen (push broom) als auch punktweise abtasten (planar array bzw. whisk broom), um wichtige Gegenden und Geländeformationen von Interesse genau zu vermessen. Die Weitwinkelkamera kann ihre Belichtungszeit sowohl selbstständig einstellen, als auch von der Erde ferngesteuert werden. Sie dient primär dazu, langfristige Veränderungen im Gelände zu dokumentieren. Am 4. März 2021 veröffentlichte die Nationale Raumfahrtbehörde die ersten aus dem Parkorbit aufgenommenen Bilder.[82]
Nachdem sich die Techniker für die Primärlandezone im Süden der Utopia Planitia entschieden[83] und dem Raumfahrtkontrollzentrum Peking Anfang Mai 2021 darin – basierend auf Krater- und Felsbrockendichte sowie Geländeneigung – zwei Landeellipsen mit einer Haupt- und Nebenachse von jeweils 56 km bzw. 22 km empfohlen hatten,[78] zündete die Sonde am 14. Mai 2021 um etwa 17:00 Uhr UTC für gut zwei Minuten vier der acht Lageregelungstriebwerke mit jeweils 120 N Schubkraft und senkte ihren Orbit ab. Drei Stunden später, um etwa 20:00 Uhr UTC wurde die Lander-Rover-Gruppe vom Orbiter abgekoppelt. Wenn es hierbei Probleme gegeben hätte, hätte die Sonde das selbstständig erkannt und den Trennungsvorgang abgebrochen. Sie wäre als Ganzes weitergeflogen und hätte auf einen späteren Zeitpunkt zur Landung gewartet.[84] 30 Minuten nach der Trennung kehrte der Orbiter mit einem weiteren Bahnmanöver in den Parkorbit zurück.[85]
Während des Landevorgangs fand eine rasche und starke Geschwindigkeitsveränderung statt – innerhalb von neun Minuten von 4,8 km/s auf Null – was durch den Doppler-Effekt dazu führte, dass sich die Frequenz der Trägerwelle für die Telemetrie-Signale im normalerweise genutzten X-Band um bis zu 200 kHz ändert; und zwar mit einer Geschwindigkeit von bis zu 3,5 kHz/s.[86] Daher fand die Kommunikation zwischen Lander und Orbiter ab dem Zeitpunkt der Abkoppelung im Dezimeterwellen-Bereich statt, wo dieser Effekt weniger ausgeprägt ist.[84] Für die Stromversorgung nach dem Abtrennen vom Orbiter griff der Lander auf von der China Electronics Technology Group Corporation entwickelte Lithium-Kohlenstofffluorid-Batterien zurück, die sich während des sieben Monate währenden Flugs auch bei starker Sonnenbestrahlung wenig entluden und 5 kg weniger wogen als ein entsprechender Satz Lithium-Ionen-Akkumulatoren.[44][87]
Die Lander-Rover-Gruppe trat etwa 3 Stunden nach der Trennung vom Orbiter in einer Höhe von 125 km unter einem Winkel von 11,2° in die Atmosphäre ein, wo sie zunächst für 5 Minuten alleine durch ihren Strömungswiderstand und dynamischen Auftrieb die Geschwindigkeit von 4,8 km/s (also 17.280 km/h) auf 460 m/s reduzierte.[37] Ihre Fluglage regelte die Kapsel während dieser Zeit zunächst über kleine Kaltgas-Steuertriebwerke, ab etwa 900 m/s mit einem ausgeklappten Trimmflügel.[88][89] Dann öffnete sich in einer Höhe von 4 km der Überschallfallschirm und bremste die Sonde während 120 Sekunden von 460 m/s auf 95 m/s ab. In einer Höhe von 1,5 km über der Oberfläche wurde der Fallschirm abgeworfen, das Bremstriebwerk zündete und reduzierte mit seiner Schubkraft von 7,5 kN die Fallgeschwindigkeit in weiteren 90 Sekunden auf nur noch 1,5 m/s,[39] bei einer lateralen (seitlichen) Geschwindigkeit von maximal 0,9 m/s. 100 m über dem Boden blieb der Lander kurz in der Schwebe,[79] um sich wie bei den Mondsonden Chang’e 3 und Chang’e 4 mithilfe eines Laser-Entfernungsmessers, eines Mikrowellen-Geschwindigkeitsmessers und eines dreidimensional abbildenden Laserscanners mit einem Sichtfeld von 30° × 30° selbstständig einen ebenen und von Felsbrocken freien Platz zu suchen – zum Manövrieren verfügte der Lander über 20 kleinere Triebwerke mit jeweils 250 N Schubkraft und sechs mit 25 N –, auf den er sich dann langsam absenkte.[24] Der letzte Impuls beim Bodenkontakt um 23:18 Uhr UTC, neun Minuten nach dem Eintritt in die Atmosphäre,[2] wurde von den vier Landebeinen abgefangen.[90] Die Landestelle liegt 3,1 km südlich des Zentrums der Primärlandeellipse bei 109,925° östlicher Länge und 25,066° nördlicher Breite auf einer Höhe von 4099,4 m unter dem Nullniveau.[78][91] Die autonome Hindernisvermeidung hatte perfekt funktioniert – die Landefläche des Landers war nur um 0,3° zur Horizontalen geneigt.[92]
Am 2. Juni 2021 nahm der Orbiter mit seiner hochauflösenden Kamera ein Foto des Landegebiets auf, das die Nationale Raumfahrtbehörde fünf Tage später zusammen mit einem vor der Landung aufgenommenen Bild desselben Gebiets veröffentlichte. Von Südwesten nach Nordosten war dort zuerst die abgeworfene Bodenplatte, etwa 1,5 km weiter der obere Teil des Hitzeschilds mit dem Fallschirm, und noch einmal 400 m weiter der Lander mit dem sich zu jenem Zeitpunkt etwas südlich davon befindlichen Rover zu sehen.[93][94] Auf einer der Panoramaaufnahmen, die der Rover noch von der Landeplattform aus anfertigte, sind in der Ferne das auf der Seite liegende, rußgeschwärzte Oberteil des Hitzeschildes und der weiße Fallschirm zu sehen. Auf besagten Panoramaaufnahmen sind auch die sich nach Norden und Süden erstreckenden Verfärbungen des Marsbodens zu erkennen, die dadurch entstanden, dass nach der Landung die Treibstofftanks des Landers abgelassen wurden, um ein Explosionsrisiko zu vermeiden. Die dabei im Quasi-Vakuum des Mars entstehenden Gase und Aerosole schossen zu beiden Seiten heraus, um dann auf die Marsoberfläche abzusinken und zu gefrieren.[95]
Der Rover führte nach der Landung zunächst eine Selbstüberprüfung seiner Systeme durch und fertigte Panoramaaufnahmen von der Landestelle an. Unterdessen führte der Orbiter am 17. Mai 2021 ein weiteres Bahnmanöver durch und nahm einen elliptischen Relais-Orbit von 265 × 15.000 km mit einer Umlaufzeit von 8,2 Stunden ein. Da ein Marstag 24,6 Erdstunden dauert, bedeutete das, der Orbiter umkreiste den Planeten genau dreimal pro Marstag.[96][83] Auf diese Art befand er sich an jedem Marstag einmal an seinem nächsten und einmal an seinem fernsten Punkt direkt über dem Rover und konnte ihm Steuersignale von der Erde übermitteln sowie vom Rover gesendete Daten zur Erde weiterleiten.[84][97] Am 22. Mai 2021 um 02:40 Uhr UTC rollte der Rover in Richtung Osten von der Ladefläche des Landers und begann mit der Erkundung.[98]
Während der ersten 90 Marstage (etwa 92 Erdtage, die ursprünglich erwartete Lebensdauer des Rovers) begann der Orbiter neben seiner Funktion als Relaissatellit bereits mit der wissenschaftlichen Erkundung der Marsoberfläche. Da der Rover am 15. August 2021, dem nominellen Ende seiner Primärmission, noch einwandfrei funktionierte, beschloss man, diesen Arbeitsmodus noch einen Monat beizubehalten. Der Datentransfer vom Orbiter zur Erde erfolgt über das X-Band mit einer Datenübertragungsrate von 16–4069 kbit/s. Empfangen werden die Signale mit den Antennen des Bodensegments des Marsprogramms in Miyun, Kunming und Wuqing. Am 8. Oktober 2021 fand jedoch eine Konjunktion von Erde, Sonne und Mars statt, die beiden Planeten befanden sich fast auf einer Linie, mit der Sonne in der Mitte. Die elektromagnetische Strahlung der Sonne stört um diese Zeit, für etwa 40 Tage von Mitte September bis Mitte Oktober 2021, die Funkverbindung zwischen dem Orbiter und den Bodenstationen auf der Erde. Daher stellten Orbiter und Rover während dieser Zeit ihre Erkundungsaktivitäten ein und gingen in einen Sicherheitsmodus über, wo sie nur noch Telemetriedaten übermittelten.[99]
Die Telemetriesignale des Orbiters wurden zusammen mit denen der europäischen Sonde Mars Express von einer internationalen Wissenschaftlergruppe genutzt, um die Konjunktion zu beobachten. Unter der Leitung des Astronomischen Observatoriums Shanghai, des Nationalen Zentrums für Weltraumwissenschaften, des Gemeinsamen Instituts für VLBI in Europa (JIVE),[100][101] und der University of Tasmania wurden die beiden Sonden mit den zusammengeschalteten Radioteleskopen bei Shanghai, Kunming, Ürümqi, Wettzell, Yebes, Medicina, Swetloje, Selentschukskaja, Tunkinski, Hobart und Johannesburg über Same Beam Interferometry (SBI) beobachtet. Mit dieser Methode können zwei Raumflugkörper, wenn ihr Winkelabstand gering ist, von zwei oder mehr Teleskopen auf einem gemeinsamen Funkstrahl beobachtet und ihre Position sehr genau bestimmt werden.[102] Während der Konjunktion wurden so 5 TB an Daten ermittelt. Wenn die Signale der beiden Sonden direkt an der Sonne vorbeilaufen, werden sie vom Sonnenwind beeinflusst. Durch die Veränderungen der Signale, besonders während eines koronalen Massenauswurfs am 9. Oktober 2021, gelang es den Wissenschaftlern, Rückschlüsse auf die Mechanismen zu ziehen, mit denen Turbulenzen im Sonnenwind die Zu- und Abnahme der Elektronendichte im interplanetaren Raum beeinflussen und wie die mikroskopischen Turbulenzen mit der makroskopischen Strömungsgeschwindigkeit des Sonnenwinds zusammenhängen.[103][104]
Nach dem Ende der Funkstörung am 20. Oktober fand am 8. November 2021 ein weiteres Bahnmanöver statt. Vier der acht Lageregelungstriebwerke mit jeweils 120 N Schubkraft wurden am marsnächsten Punkt der Bahn (Periares) für 260 Sekunden, also gut vier Minuten gezündet, was den Orbiter in seinen eigentlichen Missionsorbit von 265 × 10.700 km mit einer Umlaufzeit von 7,08 Stunden brachte. Das heißt, der Orbiter umkreist den Planeten nun 3,47 mal pro Marstag. Die Bahnneigung zum Äquator beträgt 87°.[105] Von dieser Polarbahn aus soll der Orbiter intensive Fernaufklärung betreiben.[18] Die Bahnparameter des im Vergleich zum ursprünglichen Plan (265 × 11.900 km mit einer Umlaufzeit von 7,8 Stunden) geänderten Missionsorbits wurden gewählt, weil der Orbiter so am Periares in die Ionosphäre des Mars eindringt, die sich zwischen 110 km und 400 km erstreckt. Auf dem Weg zum Apares bei 10.700 km durchquert der Orbiter die komplexen und variablen Schichten der Magnetosphäre des Mars: die Bugstoßwelle des Sonnenwinds, den sogenannten Magnetosheath zwischen Bugstoßwelle und Magnetopause und den Magnetschweif auf der sonnenabgewandten Seite des Mars. Die Wissenschaftler um Li Chunlai interessieren sich hierbei besonders für den Bereich zwischen 6100 km und 11.200 km über der Marsoberfläche, um die von der amerikanischen Sonde MAVEN bis in eine Höhe von 6228 km gemessenen Daten aus dem Ende des Magnetschweifs zu ergänzen. Mit dem Teilchendetektor, der niederenergetische Ionen im Bereich zwischen 5 eV und 25 keV registrieren kann, soll MAVENs Beobachtungslücke zwischen 50 eV und 3 keV gefüllt werden. Durch die im Vergleich zum ursprünglichen Plan kürzere Umlaufzeit kann der Orbiter für den Rover, der sich Anfang November noch in sehr gutem Zustand befand, besser als Relaissatellit fungieren, wodurch die Datensammel-Effizienz der Mission steigt.[106]
Neben der Erforschung von Ionosphäre und Magnetosphäre soll aus dem Orbit auch die Oberfläche des Mars untersucht werden. Wenn sich der Orbiter weniger als 800 km über der Oberfläche befindet, kann, ähnlich wie bei einem polarimetrischen Wetterradar die doppelte Polarisation (horizontal-horizontal oder horizontal-vertikal) des Bodenradars genutzt werden, das am 11. November 2021 in Betrieb genommen wurde,[107] um Wassereis auf oder unter der Oberfläche des Mars zu untersuchen. Außerdem ist es durch die kombinierte Verwendung mehrerer Instrumente möglich, eine genaue topografische Karte des Mars zu erstellen. Die von der Kamera mit mittlerer Auflösung gemachten Aufnahmen überlappen sich in Flugrichtung bis zu 60 %, die seitliche Überlappung der Schwads bei aufeinanderfolgenden Umläufen beträgt bis zu 15 %. Damit lassen sich dreidimensionale Geländemodelle erstellen (Luftbildmessung). Mit der hochauflösenden Kamera werden dann Details mit einer Auflösung von 50 cm hinzugefügt (Bildregistrierung) und die Höhe von Geländeformationen über das Bodenradar mit einer Genauigkeit von 1 m bestimmt. Neben der Geomorphologie rund um die Landestelle interessieren sich die Wissenschaftler besonders für von strömendem Wasser erzeugte Strukturen, Vulkane, Erosion durch Wind,[52] Einschlagkrater und die Gletscher der Polregionen.[18]
Im Dezember 2021 warf der Orbiter wie bereits auf dem Weg zum Mars eine WLAN-Kamera aus, um die Solarmodule sowie die korrekte Position der Bodenradar-Antennen und des Marsmagnetometer-Auslegers zu überprüfen. Da sich von der Kamera aus gesehen der Mars hinter der Sonde befand, entstanden dabei beeindruckende Aufnahmen der Nordpolregion mit dem eisgefüllten Korolev-Krater und den Olympia Undae, einem großen Dünenfeld.[108] Neben den WLAN-Kameras besitzt der Orbiter noch einen 1,6 m langen, nur 800 g schweren „Selfie-Stick“ aus Formgedächtnislegierung mit einer Videokamera am Ende. Nach dem Eintritt in den Marsorbit am 10. Februar 2021, dem 29. Tag des 12. Monats nach dem Bauernkalender, wurde der für den Transport zusammengefaltete Selfie-Stick durch Erwärmung ausgestreckt. Die Kamera ist auf die Unterseite des Orbiters gerichtet und dient zur Überprüfung der Triebwerke und der kugelförmigen Treibstofftanks auf Beschädigungen. Am 31. Januar 2022, genau ein Bauernjahr nach dem Einschwenken in den Orbit, veröffentlichte die Nationale Raumfahrtbehörde ein Kontrollvideo mit der im Hintergrund vorbeiziehenden Nordpolregion des Mars.[109]
Als sich Mitte Mai 2022 durch den auf der Nordhalbkugel des Mars hereinbrechenden Winter und den gestiegenen Staubgehalt in der Luft die Erdsicht stark verschlechterte – der Rover wurde am 18. Mai 2022 in einen siebenmonatigen „Winterschlaf“ versetzt – konzentrierte man sich auf eine fotografische Aufnahme der Gebiete um den Südpol des Mars.[110]
Bei dem gewählten Missionsorbit wandert der Periares durch periodische Bahnstörungen in einer sogenannten „Apsidendrehung“ von Süden nach Norden und dann wieder von Norden nach Süden.[111] Dies ermöglicht eine flächendeckende Beobachtung des Mars innerhalb von 200 Tagen. Am 29. Juni 2022 war die Kartografierung abgeschlossen.[112] Mitte Juli 2022 ergab es sich, dass sich der Orbiter relativ nahe an Phobos befand, dem größeren der beiden Marsmonde, der den Planeten in einer Höhe von nur 6000 km über der Oberfläche mehrmals pro Tag umkreist. Die Techniker im Raumfahrtkontrollzentrum Peking nutzten die Gelegenheit, um mit der hochauflösenden Kamera des Orbiters Aufnahmen des gerade gut beleuchteten Mondes zu machen. Hierbei bewährte sich die Autofokus-Funktion der Kamera, die das Gerät auch aus unerwarteter Distanz auf unbekannte Bodenformationen scharfstellen konnte.[113][114]
Bis Januar 2023 führte der Orbiter weiter Fernerkundung durch.[115][116] Anschließend wollten die Ingenieure die Orbitalhöhe mittels Atmosphärenbremsung weiter absenken, um noch detailliertere Daten über den Mars zu erlangen.[117] Gleichzeitig dient dies als Technologieerprobung für die Probenrückführmission Tianwen-3, wo der Orbiter von Beginn an seine Bahnhöhe auf diese Weise absenken soll.[118]
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