Thingplatz (Thingbewegung)
nach einem Kultkonzept des Reichspropagandaministeriums erbautes Freilufttheater Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Thingplätze oder Thingstätten werden Freilichttheater bezeichnet, die zwischen 1933 und 1935 für die Thingspiele im Rahmen der Thingbewegung in der Zeit des Nationalsozialismus errichtet und später auch für politische Kundgebungen verwendet wurden.

Absicht und Gestaltung
Zusammenfassung
Kontext

Thingspiele sollten hauptsächlich ein emotionales und ethisches Aufgehen des Einzelnen in Heimat und Volksgemeinschaft erleben lassen. Deswegen wurden als Thingstätten vor allem landschaftlich beeindruckende Plätze gewählt: stimmungsträchtige Partien umgeben von Wäldern, an Gewässern, in Hügel oder natürliche Felsen eingebettet, an Ruinen oder anderen Spuren der örtlichen Geschichte.[1] Thingspiele waren chorische Massentheaterstücke mit vielen Statisten,[1] was Platz erforderte. Typisch waren die runde, einem Amphitheater ähnelnde Form und Zu- und Abgänge durch den Bühnenraum, über die die Akteure an den Zuschauern vorbei zur Bühne kamen.[1] Die Architektur sollte den „Spielraum für ein kollektives Auftreten schaffen und die räumliche Trennung von Schauspielenden und Publikum aufheben.“[2]
Geplant waren zwischen 200 und 400[1][3] Thingstätten; fertiggestellt wurden nur etwa 40,[4] 50[3] oder 60.[1] Sie waren zeitweise eines der größten architektonischen Bauprojekte der NS-Zeit und das größte Freilichttheater-Bauprogramm seit der Antike.[4]
Die gezeigten Stücke kamen nicht an und die Bauvorhaben stockten; bei der örtlichen Bevölkerung und auch innerhalb der NSDAP setzte sich der beabsichtigte Thing-Kult nicht durch.[4] Joseph Goebbels verbot im Herbst 1935 den Begriff Thing.[4] Von da an hießen sie Feierstätte,[3][4] Weihestätte[3] oder Freilichtbühne.[3][4] Ein Teil der Bauvorhaben wurde nach 1935 fertiggestellt bzw. eingeweiht.
Nur wenige Thingstätten werden noch genutzt; sie dienen als Freilichtbühnen oder für Musikveranstaltungen. In der Öffentlichkeit ist ihre ursprüngliche Verwendung oft wenig bekannt.
Architekten von Thingstätten
- Fritz Schaller, maßgeblicher Entwerfer von Thingplätzen
- Hermann Alker, Architekt der Thingstätte (Heidelberg) und Entwurf einer Thingstätte für Karlsruhe
- Georg Buchner, Architekt der Thingstätte an der Theresienwiese (zusammen mit German Bestelmeyer)
- Wilhelm Hübotter, Thingstätte Sachsenhain zugeschrieben
- Wilhelm Jost, Thingstätte (Halle (Saale))
- Werner March, Architekt der Dietrich-Eckart-Freilichtbühne, Berlin
- Ludwig Moshamer, Architekt von Thingstätten, unter anderem in Freyburg (Unstrut), Halle (Saale), Passau, Bad Schmiedeberg und Jülich, 1934–1938
- Walter Tießler, Thingstätte (Halle (Saale))
- Robert Tischler, Landschaftsarchitekt, Architekt der Feierstätte der Schlesier in Oberschlesien, von 1926 bis 1959 Chefarchitekt des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Liste von Thingstätten
Siehe auch
- Architektur in der Zeit des Nationalsozialismus
- Thing, die romantisierte Vorlage der Thingstättenbewegung.
- Reichsparteitagsgelände, Nürnberg
- Goethe-Freilichtbühne Porta Westfalica
Weblinks
Commons: Thingplätze (Thingbewegung) – Sammlung von Bildern
- Aufzählung einiger Thingplätze mit zeitgeschichtlichen Fotos (englisch)
- Thingstätten, architekturgeschichtliches und künstlerisches Projekt
Literatur
- Katharina Bosse (Hrsg.): Thingstätten. Von der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart. Kerber, Bielefeld und Berlin 2020, ISBN 978-3-7356-0693-8, englische Fassung: ISBN 978-3-7356-0699-0
- Uwe Degreif: „Zeugnisse opferfreudiger Gemeinschaftsarbeit“. NS-Thing-Stätten in Württemberg. In: Schwäbische Heimat, 71. Jg. 2020, Heft 4, S. 420–426
- Solveig Grothe: Das Thing ging schief, Der Spiegel, 8. Oktober 2020
- Jürgen Oppermann: Das Drama „Der Wanderer“ von Joseph Goebbels: Frühformen nationalsozialistischer Literatur. Dissertation. Karlsruhe 2005, S. 198–203: Nationalsozialistische Kampfbühnen.
- Stefanie Samida: Die nationalsozialistischen Thingstätten nach 1945. Zwischen Verfall, Aneignung und Umdeutung. In: Joachim Otto Habeck, Frank Schmitz (Hrsg.): Ruinen und vergessene Orte. Transcript, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8394-6222-5, S. 213–226
Einzelnachweise
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