Tetryzolin

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Tetryzolin

Tetryzolin ist eine chemische Verbindung, die schleimhautabschwellend und blutgefäßverengend wirkt. Sie dient als Arzneistoff zur Abschwellung der Schleimhaut bei Augenreizungen und Schnupfen (Rhinitis). Tetryzolinhydrochloridlösung wird örtlich in Form von Augentropfen, Nasentropfen oder Nasenspray angewendet.

Schnelle Fakten Strukturformel, Allgemeines ...
Strukturformel
1:1-Stereoisomerengemisch aus (R)-Form (links) und (S)-Form (rechts),
Allgemeines
Freiname Tetryzolin
Andere Namen
  • Tetrahydrozolin
  • 2-(1,2,3,4-Tetrahydronaphthalin-1-yl)-2-imidazol[1][2]
  • 2-Tetralin-1-yl-4,5-dihydro-1H-imidazol
  • 2-[(1RS)(1,2,3,4-Tetrahydronaphthalin-1-yl)]-4,5-dihydro-1H-imidazol
  • 2-(1,2,3,4-Tetrahydro-1-naphthyl)-imidazolin[3]
  • 4,5-dihydro-2-(1,2,3,4-Tetrahydro-1-naphthyl)-1H-imidazolin[4]
Summenformel C13H16N2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 201-522-3
ECHA-InfoCard 100.001.384
PubChem 5419
ChemSpider 5226
DrugBank DB06764
Wikidata Q425109
Arzneistoffangaben
ATC-Code

R01AA06, R01AB03, S01GA02, S01GA52

Wirkstoffklasse

Sympathomimetikum

Wirkmechanismus

α1-Adrenozeptor-Agonist

Eigenschaften
Molare Masse
Schmelzpunkt
Löslichkeit

Hydrochlorid:

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[7]

Hydrochlorid

Achtung

H- und P-Sätze H: 302315319335
P: 261305+351+338[7]
Toxikologische Daten
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0°C, 1000 hPa).
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Pharmakologie

Tetryzolin ist ein Sympathomimetikum und wirkt auf α-Adrenozeptoren des sympathischen Nervensystems. Es resultieren Vasokonstriktion und Schleimhautabschwellung.[10] Die Wirkung auf β-Adrenozeptoren ist schwach ausgeprägt. Die Wirkung an der Bindehaut tritt nach wenigen Minuten ein und hält 4 bis 8 Stunden an. Tetryzolin wird bei lokaler, sachgemäßer Anwendung und intaktem Epithel in der Regel nur wenig resorbiert. Im Gegensatz zu Phenylephrin wurde auch nach wiederholter Anwendung keine[11][12] bzw. nur eine geringfügige[13] Pupillenerweiterung beobachtet.

Klinische Informationen

Zusammenfassung
Kontext

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Tetryzolin ist angezeigt zur Schleimhautabschwellung bei nichtinfektiösen Konjunktividen (z. B. Reizungen durch Wind, Rauch, gechlortes Wasser oder allergische Reizung) sowie bei Schnupfen, Heuschnupfen und Sinusitis. Es wurde außerdem eine vorübergehende Verbesserung der sympathischen Ptosis (Hängelid) beobachtet.[14]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Als unerwünschte Wirkungen können häufig (bei 1–10 % der Behandelten) eine vermehrte Durchblutung der Schleimhaut am Anwendungsort (Blutfülle, reaktive Hyperämie), Schleimhautbrennen und Schleimhauttrockenheit auftreten. Systemische Wirkungen können sich in Form von z. B. Herzklopfen, Kopfschmerzen, Zittern, Schwäche, Schwitzen und Blutdruckanstieg äußern.[15] Bei der Verwendung von Nasentropfen und -sprays über einen längeren Zeitraum wurden häufig langwierige Nasenverstopfungen (Rhinitis medicamentosa, „Medikamentenschnupfen“) beobachtet.

Insbesondere bei Kleinkindern besteht auch bei vorschriftsmäßiger Dosierung die Gefahr, dass erhebliche Effekte auf das zentrale Nervensystem wie Unruhe, Krämpfe, Atemdepression oder Kreislaufkollaps auftreten können. Diese unerwünschten Wirkungen werden unter anderem durch die durchlässige Blut-Gehirn-Schranke in diesem Alter begünstigt.[16]

Überdosierung

Bei der bestimmungsgemäßen Anwendung im Auge sind Überdosierungssymptome unwahrscheinlich. Bei versehentlichem Verschlucken kann Tetryzolin jedoch schwere unerwünschte Wirkungen verursachen. Eine Vergiftung kann sich im klinischen Bild verschiedentlich äußern:

  • Symptome einer Stimulation des zentralen Nervensystems sind Angstgefühl, Erregung, Halluzinationen und Krämpfe
  • Symptome infolge der Hemmung des zentralen Nervensystems sind Erniedrigung der Körpertemperatur, Lethargie, Schläfrigkeit und Koma.

Als weitere Symptome können auftreten: Weitstellung der Pupillen (Mydriasis), Fieber, Blässe, Zyanose, Übelkeit, Erbrechen, beschleunigter Herzschlag (Tachykardie), verlangsamter Herzschlag (Bradykardie), Herzrhythmusstörungen (kardiale Arrhythmie), Herzstillstand, Bluthochdruck (Hypertonie), schockähnliche Hypotonie, Lungenödem, Atemstörungen und Atemstillstand (Apnoe). Als toxische Dosis gelten 0,01 mg Tetryzolinhydrochlorid pro Kilogramm Körpergewicht.[15]

Missbrauch

Bei chronischer Anwendung als Nasenspray kann es durch die hypoxämische Schädigung des Gewebes zur nekrotischen Zerstörung der Nasenschleimhaut kommen (Rhinitis sicca).[16]

Im Journal Forensic Science International wurde der Missbrauch von Augentropfen mit Alkohol zur Begehung von DFSA-Delikten (deutsch: substanzunterstützter sexueller Missbrauch) an Fallberichten beschrieben.[17] Auch von einem Todesfall (Totschlag mit Medikamenten) wird berichtet.[18]

Chemische und pharmazeutische Informationen

Tetryzolin ist chiral und besitzt an der 1-Position des Tetralin-Gerüsts ein asymmetrisch substituiertes Kohlenstoff-Atom. Es kann daher als (R)- oder (S)-Enantiomer vorliegen. Arzneilich verwendet wird das Racemat, meist in Form des wasserlöslichen Tetryzolin-Hydrochlorids, seltener als Tetryzolin-Phosphat.

Tetryzolin ist nicht verschreibungspflichtig.

Handelsnamen

Monopräparate
Azolin (IL), Berberil N, Burnil (TR) Caltheon (D), Constrillia (F) Diabenyl T, Exrhinin, Eyesine (USA), Ischemol (I), Murine Tears Plus (USA), Narbel (J), Nasin (IL), Oftan-Starine (FIN), Ophtalmin-N, Rhinopront Top (D), Stilla (IL), Tetrilin, Tinarhinin (D), Vasopos N, Typinal (IL), Tyzine (USA), Vidiseptal EDO Sine, Visine (USA), Visine Yxin (D)

Kombinationspräparate
AllergoConjunct, Collypan (CH), Collyrium (USA), Efemolin (D, CH), Spersallerg (CH)

Rechte

Am 7. Januar 1956 ließ sich das Unternehmen Sahyun Labs mehrere Syntheserouten für Imidazolin-Derivate im US-Patent 2731471[3] sichern, darunter auch Tetryzolin (Spalte 3, Example 2) und Tetryzolin-Hydrochlorid (Spalte 2, Example 1). Die Verwendung als Beruhigungsmittel in der Veterinärmedizin schützte sich am 8. Juli 1958 die Pfizer Inc. durch das US-Patent 2842478.[19]

Einzelnachweise

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