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Der Semnonenhain ist die Kultstätte der Semnonen, die in Tacitus’ Germania um etwa 100 n. Chr. beschrieben wird. Es handelt sich um eine besondere Form eines heiligen Hains, die auch als Fesselhain oder Fesselwald bezeichnet wird. Tacitus zufolge fand in dem Hain ein Menschenopfer statt. Die Opferung soll ein verbindendes Element der suebischen Stämme gewesen sein.[1] Auch in der Lieder-Edda wird im Zweiten Lied von Helgi dem Hundingstöter ein Fesselhain (Fjöturlund) erwähnt. Zwischen beiden Hainen liegt offenkundig eine Analogie vor,[2] die der Altgermanist Otto Höfler zu beweisen versuchte. Höfler zufolge war das Opfer kein Niedriggestellter, sondern ein Auserwählter, der sein Geschick freiwillig auf sich nahm.[3]
Tacitus beschreibt den Fesselhain wie folgt:
«Stato tempore in silvam auguriis patrum et prisca formidine sacram omnes eiusdemque sanguinis populi legationibus coeunt caesoque publice homine celebrant barbari ritus horrenda primordia. Est et alia luco reverentia: nemo nisi vinculo ligatus ingreditur, ut minor et potestatem numinis prae se ferens. si forte prolapsus est, attolli et insurgere haud licitum: per humum evolvuntur. eoque omnis superstitio respicit, tamquam inde initia gentis, ibi regnator omnium deus, cetera subiecta atque parentia.»
„Zu bestimmter Zeit treffen sich sämtliche Stämme desselben Geblüts, durch Abgesandte vertreten, in einem Haine, der durch die von den Vätern geschauten Vorzeichen und durch uralte Scheu geheiligt ist. Dort leiten sie mit öffentlichem Menschenopfer die schauderhafte Feier ihres rohen Brauches ein. Dem Hain wird auch sonst Verehrung gezeigt: niemand betritt ihn, er sei denn gefesselt, um seine Unterwürfigkeit und die Macht der Gottheit zu bekunden. Fällt jemand hin, so darf er sich nicht aufheben lassen oder selbst aufstehen; auf dem Erdboden wälzt er sich hinaus. Insgesamt gründet sich der Kultbrauch auf den Glauben, dass von dort der Stamm sich herleite, dort der allbeherrschende Gott wohne, dem alles unterworfen, gehorsam sei.“
Im Lied Helgakviða Hundingsbana II heißt es:
Var Helgi eigi gamall. Dagr, Högna sonr, blótaði Óðin til föðurhefnda. Óðinn léði Dag geirs síns. Dagr fann Helga, mág sinn, þar sem heitir at Fioturlundi. Hann lagði í gognom Helga með geirnom. Þar fell Helgi.
„Helgi wurde nicht alt. Dag, Högnis Sohn, opferte Odin um Vaterrache. Odin lieh Dag seinen Speer. Dag traf Helgi, seinen Schwager an dem Ort der Fjöturlund (Fesselhain) heißt. Er durchbohrte Helgi mit dem Speer. Dort fiel er.“
Ein konkreter Ort konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden. Es gibt eine Reihe von Theorien. Zusammenfassend werden folgende Kriterien herangezogen, um den Hain zu lokalisieren:
Der Brandenburghistoriker Johannes Schultze verortete den Hain in Zootzen, einem Ortsteil von Friesack, wo eine alte Geschichte überliefert ist, die an den Fesselhain erinnert.[5] Der Rathenower Stadtarchivar Rudolf Guthjahr (1904–1988) siedelte den Semnonenhain zwischen Nauen und Velten im Krämer Forst an.[6] Zudem gab es Vorschläge, den Hain im Blumenthal bei Prötzel[7] oder in den Rauener Bergen[8] zu suchen. Für die Rauener Berge sprächen, neben der hügeligen Landschaft, die großen Markgrafensteine und der anliegende Scharmützelsee.
Wolfgang Ribbe verwirft diese Orte, da sie außerhalb des semnonischen Siedlungsgebietes lägen, und plädiert stattdessen für das dicht besiedelte Havelland. Neuere Forschungen weisen aber darauf hin, dass es im östlichen „Brandenburg“ eine dichtere Besiedlung gegeben hat als bisher angenommen. So konnten mit Susudata (Fürstenwalde) und Colancorum (Küstrin) zwei Handelsstädte im östlichen Brandenburg nachgewiesen werden.[9]
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