Schweizer Schokolade
geschützter Herkunftsbegriff für Schokolade Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Schweizer Schokolade ist ein geschützter Herkunftsbegriff für Schokolade, die in der Schweiz hergestellt wird. Als wichtigste Produktkategorien können einerseits Frischschokolade von Confiserien und andererseits industriell produzierte und damit besser haltbare, meist tafelförmige Schokolade, sowie Pralinen, Osterhasen, Schoggistängeli (Branches) und Kirschstängeli, unterschieden werden. Letztere werden wegen ihrer besseren Eignung für den Export im Allgemeinen als Schweizer Schokolade bezeichnet und teilweise auch im Ausland hergestellt. Der schweizerdeutsche Ausdruck für Schokolade ist Schoggi,[1] der sich auch im Namen der traditionellen Schoggitaler findet. Schokolade gehört zu den weltweit besonders häufig mit der Schweiz assoziierten Produkten.
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Geschichte
Zusammenfassung
Kontext
Die Schokolade kam im Laufe des 16. Jahrhunderts aus Amerika nach Europa. Spätestens im 17. Jahrhundert wurde sie auch in der Schweiz bekannt und produziert. Für das 18. Jahrhundert sind nur wenige schokoladeproduzierende Betriebe bekannt, insbesondere im Tessin und in der Genferseeregion. Auslandschweizer sicherten der heimischen Industrie den Zugang zum Rohstoff Kakao, so beispielsweise Hugo Kaufmann im brasilianischen Illhéus.[2] Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fing der Ruf der Schweizer Schokolade an, sich im Ausland zu verbreiten. In engem Zusammenhang damit steht die Erfindung des Conchierens (Fondantschokolade) durch Rodolphe Lindt und die Weiterentwicklung der Milchschokolade durch Daniel Peter, die eine industrielle Fertigung ermöglichte. In den ersten Jahren gab es keinen Patentschutz,[3] so dass sich Lindts und Peters Erfindung rasch verbreitete.
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Hersteller
Zusammenfassung
Kontext
Im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis ins 21. Jahrhundert wurden zahlreiche Schokoladenfabriken für haltbare Tafelschokolade gegründet:
- 1819: Cailler in Vevey (1911 Fusion mit Peter und Kohler; ab 1929 zu Nestlé)[3]
- 1826: Suchard im Ortsteil Serrières in Neuchâtel (heute Mondelēz International), mit der Marke Milka
- 1826: Chocolats et Cacaos Favarger in Genf (heute in Versoix)
- 1830: Chocolat Amédée Kohler in Lausanne[3]
- 1845: Sprüngli in Zürich (heute in Kilchberg als Lindt & Sprüngli)[3]
- 1852: Maestrani in St. Gallen (heute in Flawil) mit den Marken Minor und Munz
- 1856: Chocolat J. Klaus in Le Locle und Morteau (heute nur noch in Morteau, Frankreich)[5][6]
- 1867: Peter in Lausanne (1911 Fusion von Peter und Kohler mit Cailler; ab 1929 zu Nestlé[3])
- 1869: Chocolat Jean Tobler in Bern (heute Mondelēz International), u. a. mit der Marke Toblerone[3]
- 1879: Lindt in Bern (heute Lindt & Sprüngli)[3]
- 1887: Frey in Aarau (heute Migros)
- 1901: Chocolat Villars in Villars-sur-Glâne (heute in Fribourg)
- 1903: Cima - Norma in Dangio-Torre (Gemeinde Blenio) im Bleniotal (heute Private Label bei Stella)
- 1908: Felchlin in Ibach
- 1928: Stella in Giubiasco (heute Stella Bernrain)[7]
- 1929: Camille Bloch in Bern (heute in Courtelary) mit der Marke Ragusa
- 1931: Carma in Zürich (heute Barry Callebaut)[8]
- 1932: Bernrain in Kreuzlingen (heute Stella Bernrain)[7]
- 1933: Halba in Wallisellen (heute Coop)
- 1947: Gysi Chocolatier in Bern-Bümpliz (Produktion eingestellt)[9]
- 1957: Alprose in Caslano (heute Barry Callebaut)
- 1962: Läderach in Glarus (heute in Ennenda)
- 1980: Goldkenn in Genf, heute in Le Locle (Firmenübernahme 2010) mit den Marken Swiss Dream und La Semeuse (Kaffee/Schokolade)
- 1996: Barry Callebaut in Zürich
- 2015: Choba Choba in Bern[10][11]
- 2015: Taucherli Schokolade in Zürich (heute in Adliswil)
- 2016: Chocolat Dieter Meier in Zürich, eine Marke des Lebenskünstlers Dieter Meier
- 2016: Garçoa in Zürich
- 2016: Kohler Chocolates in Wädenswil
- 2017: La Flor in Zürich
- 2017: Orfève in Satigny, Genf
Sonstige Schokoladenprodukte-Hersteller mit Einzelhandelsvertrieb:
- 1865: Wander, Schokolade auf Basis von Gersten-Malzextrakt der Marke Ovomaltine
- 1928: Gottlieber Spezialitäten, Hersteller der gefüllten Gottlieber Hüppen (Hippe) in Gottlieben
- 1934: Kägi fret (international: Kägi), eine mit Schokolade überzogene Waffelspezialität aus Lichtensteig im Toggenburg
Absatzmärkte
Zusammenfassung
Kontext
Die schweizerische Schokoladenindustrie war im späten 19. Jahrhundert bis hin zum Ersten Weltkrieg sehr exportorientiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg fingen Schweizer Schokoladenproduzenten aufgrund von Handelsrestriktionen an, für das Ausland bestimmte Schokolade im Ausland zu produzieren. Die Schweiz war im Jahr 2000 mit 54 % der grösste Absatzmarkt für in der Schweiz produzierte Schokolade, wobei die Schweizerinnen und Schweizer pro Kopf etwas weniger Schokolade konsumieren als Deutsche (im Jahr 2015 11,10 kg pro Kopf und Jahr).[12]
Im Jahr 2016 wurden im In- und Ausland laut Chocosuisse 185'639 Tonnen Schweizer Schokolade verkauft, womit ein Branchenumsatz von 1'764 Millionen Schweizer Franken erzielt wurde. Im selben Jahr wurden in der Schweiz pro Kopf 11,0 kg Schokolade konsumiert und 65,7 Prozent der Gesamtproduktion ins Ausland exportiert. Deutschland macht dabei 15 % des Exportumsatzes aus, Grossbritannien 11,7 % und Frankreich 11,4 %.[13]
2020 ging die von der Schweizer Schokoladenindustrie hergestellten Schokolade zu 70 % in den Export. Die Importe nahmen auf 43 % zu. Der Pro-Kopf-Schokoladenkonsum fiel auf 9,9 Kilogramm, so wenig wie zuletzt 1982.[14][15] Der Branchenumsatz ist um rund 15 % zurückgegangen. 2021 hat der Umsatz dank den stark gestiegenen Exporten (10,8 %) wieder zugelegt.[16] 2022 stieg die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 % und das sinkende Absatzvolumen im Inland konnte durch die Exporte kompensiert werden.[17]
Struktur der Schweizer Schokoladenindustrie
Zusammenfassung
Kontext
Am 1. Juli 1901 schlossen sich 16 Schweizer Schokoladenproduzenten in der Union libre des fabricants suisses de chocolat[18] zusammen. Erster Präsident war Carl Russ-Suchard. Sie war zunächst in Neuenburg domiziliert und zog 1908 nach La Chaux-de-Fonds.[18] 1916 wurde sie in Chambre syndicale des fabricants suisses de chocolat und Convention chocolatière suisse aufgeteilt.
Die ehemalige Chambre syndicale – bis heute Chocosuisse – ist eine Interessenvertretung für schokoladeproduzierende Betriebe. Sie entstand am 2. November 1939 als Kriegswirtschaftliches Syndikat mit Sitz in Bern. Die damals 36 Schokoladenfabrikanten mussten ihr obligatorisch angehören.[18]
Die Convention chocolatière bemühte sich um die Qualität der Schweizer Schokolade und um eine einheitliche Preispolitik. Sie wurde 1994 aufgelöst.
Chocosuisse hat die Eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» abgelehnt.[19]
Rund ein Drittel des Schweizer Zuckers wird zu Schweizer Schokolade verarbeitet.[20] Damit Schweizer Schokolade, trotz des hohen Anteils an importierten Rohstoffen, auch als solche bezeichnet werden darf, wurde sie vom Swissness-Gesetz ausgenommen.[21]
Literatur
- Alain J. Bourgard: CH comme Chocolat: L’incroyable destin des pionniers suisses du chocolat. Slatkine, Genf 2003, ISBN 2-8321-0036-8.
- Andrea Franc: Wie die Schweiz zur Schokolade kam. Der Kakaohandel der Basler Handelsgesellschaft mit der Kolonie Goldküste (1893–1960) (= Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 180). Schwabe Verlag, Basel 2008, ISBN 978-3-7965-2409-7.
- Marysia Morkowska: Schweizer Schokolade. Fona, Lenzburg 2009, ISBN 978-3-03780-387-5.
- Claire Piguet et al.: Un parfum de chocolat. Sur les traces de Suchard à Neuchâtel (= Collection Itineo, Nr. 2). Édition Livreo-Alphil, Neuenburg 2022, ISBN 978-2-88950-111-3.
- Roman Rossfeld: Vom Frauengetränk zur militärischen Notration. Der Konsum von Schokolade aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. ISSN 0005-9420, Jg. 63 (2001), S. 55–65 (PDF, 3,8 MB, 12 Seiten).
- Roman Rossfeld: Schweizer Schokolade. Industrielle Produktion und kulturelle Konstruktion eines nationalen Symbols 1860–1920. Hier + Jetzt, Baden 2007, ISBN 978-3-03919-048-5 (Dissertation, Universität Zürich, 2004).
- Roman Rossfeld: Markenherrschaft und Reklameschwung. Die schweizerische Schokoladeindustrie zwischen Produktions- und Marketingorientierung, 1860–1914. In: Hartmut Berghoff (Hrsg.): Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik. Campus, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-593-38323-1, S. 87–119.
Film
- Der bittere Weg zum süßen Erfolg. Über den Aufstieg der Schweizer Schokolade. Dokumentarfilm, Schweiz, 2010, 49 Min., Buch und Regie: Christa Ulli, Moderation: Kathrin Winzenried, Produktion: SRF, 3sat, Reihe: DOK, Erstsendung: 5. Mai 2010, Inhaltsangabe ( vom 31. Mai 2013 im Internet Archive) von 3sat.
Weblinks
- Albert Pfiffner: Schokolade. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Schweizer Schokolade / Chocolat suisse / Cioccolato svizzero in der Datenbank von Kulinarisches Erbe der Schweiz (französisch)
- Chocosuisse – Verband Schweizerischer Schokoladefabrikanten
- Schokolade in der Schweiz, Dossier auf swissworld.org
- Schokolade statt Regenwald: Wie Schweizer Importe die weltweite Entwaldung anheizen – WWF Schweiz
Einzelnachweise
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