deutsches Architekturbüro Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das ArchitekturbüroSchilling & Graebner in Dresden war eine Gründung der miteinander assoziiertenArchitektenRudolf Schilling (1859–1933) und Julius Graebner (1858–1917). Unter ihrer Leitung stand es von 1889 bis 1917, existierte aber anschließend noch bis 1947 weiter, zuletzt unter Graebners Sohn Erwin (1895–1945).[1] In dem Büro, das sich zunächst vorwiegend dem Historismus und später dem Jugendstil und der frühen Moderne verschrieb, entstanden Pläne für viele hauptsächlich sächsische Bauwerke, so mehrere erwähnenswerte Kirchen, Dresdner Villen, Verwaltungsbauten und ganze Siedlungen. Eines der bedeutendsten Werke der Architekten ist die Christuskirche in Dresden-Strehlen, die als erster moderner Kirchenbau Deutschlands in Überwindung des architektonischen Historismus gilt.
Das Architekturbüro Schilling & Graebner wurde im Jahre 1889 von Rudolf Schilling und Julius Graebner gemeinsam gegründet. Beide hatten sich im Alter von jeweils etwas mehr als 20 Jahren um 1881 während ihres Architekturstudiums am Polytechnikum Dresden kennengelernt. Auch als sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildungen zunächst wieder getrennte Wege gingen, verloren sie sich nicht aus den Augen, zumal sie Mitte der 1880er Jahre beide in Berlin bei zwei verschiedenen Büros arbeiteten.[2]
Die beiden etwa gleichaltrigen Architekten ergänzten sich sehr gut.[3] Zusammen waren sie leistungsfähig und sehr flexibel. Dies äußerte sich in der Tatsache, dass sie nicht nur vielschichtige Bauaufgaben wahrnahmen, sondern dass diese auch große stilistische Unterschiede aufwiesen.[4] Schilling als Sohn des bekannten Bildhauers Johannes Schilling brachte dabei das notwendige Startkapital sowie Kontakte zu zahlreichen potentiellen Auftraggebern ein. Die Stärke Graebners war hingegen eher das künstlerische Gestalten. Gemeinsam stellten sie in ihrem Unternehmen mehrere ausgebildete Architekten an, so unter anderem vorübergehend auch Oswald Bieber, Heino Otto und Johannes Rascher. Ihre größten lokalen Konkurrenten waren wohl William Lossow und Fritz Schumacher. In der damaligen Zeit standen Schilling und Graebner als führende Architekten der fünftgrößten Stadt des Deutschen Reichs in der ersten Riege der deutschen Architekten und galten besonders als Experten für den zeitgenössischen protestantischen Kirchenbau. Angeregt wurden sie in ihrer Arbeit auch durch Vorschläge von Franz Wilhelm Dibelius und Cornelius Gurlitt.[2]
1899 kauften Schilling und Graebner im heutigen Radebeuler Stadtteil Niederlößnitz das große Weinguts-Anwesen Altfriedstein auf und entwickelten das Gelände unter Anlage von Straßen und Parzellierung der aufgelassenen Weinbauflächen zur Villenkolonie Altfriedstein. Dazu rissen sie den Westflügel des Herrenhauses sowie alle Nebengebäude des Weinguts ab und gestalteten den Westgiebel des stehengebliebenen Ostflügels um. Unter anderem bauten sie dort einen Fußgängerdurchgang durch die Gebäudeecke des Erdgeschosses. Ab 1902 bis zum Ersten Weltkrieg errichteten sie dort zahlreiche Villen und Landhäuser, etliche davon im Stil der Reformarchitektur.
Schilling und Graebner versuchten nach einer Zäsur um das Jahr 1902, den Historismus zu überwinden und wandten sich mehr der beginnenden Moderne zu, was aber besonders im Kirchenbau durch das dort gültige Eisenacher Regulativ schwierig war. Erste Anzeichen der Moderne sind die in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts für den Dresdner Spar- und Bauverein errichteten Wohnhäuser mit ihrer sparsamen Fassadenausstattung und hohen Funktionalität. Die Christuskirche in Strehlen,[10] erbaut 1903–1905, ging bereits weit über den Jugendstil hinaus und weist den Weg zum modernen Kirchenbau des 20. Jahrhunderts,[11] der ebenfalls sehr deutlich am Beispiel der 1912–1914 errichteten, 1945 teilzerstörten Zionskirche in der Dresdner Südvorstadt zum Ausdruck kommt.[12] Allerdings experimentierten Schilling und Graebner auch gern mit Stilgemischen.
Nachdem Julius Graebner 1917 gestorben war, wurde das Architekturbüro gemeinsam von seinem Sohn Erwin Graebner, der im Oktober 1918 nach dem Ersten Weltkrieg von der Front zurückkehrte, und Rudolf Schilling weitergeführt. In dieser Zeit kamen weitere Pläne für größere Bauwerke wie die Kriegersiedlung in Trachau und die zur Großsiedlung Trachau gehörende Bebauung der Westseite der Aachener Straße zur Ausführung.[13] Rudolf Schilling starb im Jahr 1933, und Erwin Graebner führte das Büro fortan allein. Er entwickelte in dieser Zeit unter anderem die Pläne für mehrere Fabrikgebäude der Leipziger Kammgarnspinnerei, die 2007 gesprengt wurden.[14] Im Jahr 1947 wurde das Architekturbüro Schilling & Graebner geschlossen.[2]
Das Büro Schilling & Graebner hinterließ ein recht breitgefächertes Werk, was sich sowohl in den verschiedenen von ihnen bearbeiteten Bauaufgaben als auch in den unterschiedlichen historisierenden bis modernen Baustilen niederschlägt.
Villen
1891: Goetheallee 26 (Villa Fliederhof), 1979 ausgebrannt und abgerissen
1891: Kaitzer Str. 82, Dresden-Plauen, 1999 denkmalgerecht saniert
ab 1891: Goetheallee 24 (Pernwaldhaus/Villa Muttersegen), Blasewitz, Neorenaissance[15]
1893: Barteldesplatz 2, Blasewitz, Neorenaissance, heute Sitz der Bürgerstiftung Dresden
1894: Goetheallee 43, Blasewitz, verschiedene Stilformen[16]
1901: Kaffeeladen Max Thürmer im Victoriahaus, Waisenhausstraße, Dresden-Altstadt, zerstört[31]
1902–1903: Wettinbrunnen in Waldheim (Sachsen)[32]
1909: Einsegnungshalle, Leichenhalle, Gärtnerhaus und Toranlage auf dem St.-Pauli-Friedhof in Dresden
1909: Ausstellungsstand für die Rother’sche Kunstziegeleien GmbH / Keramische Kunstwerkstätten Richard Mutz & Rother GmbH aus Liegnitz (Niederschlesien) auf der II.Deutschen Ton-, Zement- und Kalkindustrie-Ausstellung in Berlin-Baumschulenweg[33]
1909–1913: Gesundheitrspark/Kurzentrum Bad Gottleuba, 34 Jugendstilgebäude[34]
Schilling und Graebner, Architekten BDA, Dresden. Eine Auswahl. Bauten von 1918–1928. Maximilian Maul, Berlin 1928.
Ricarda Kube: Schilling und Graebner (1889–1917). Das Werk einer Dresdner Architektenfirma. unveröffentlichte Dissertation, Technische Universität Dresden 1988 (2 Bände).
verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul (Hrsg.): Beiträge zur Stadtkultur der Stadt Radebeul. (1997 ff.) – insbesondere der Beitrag: Tobias Michael Wolf: Die Villenkolonie am Altfriedstein. 2006.
Tobias Michael Wolf: Die Villenkolonie Altfriedstein in Niederlößnitz / Radebeul. Werk der Dresdner Architektenfirma Schilling & Graebner. (Magisterarbeit, Technische Universität Dresden, 2005) VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008. (Book-on-Demand)
Wolfgang Made:Die Zionskirche. In: Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz (Hrsg.): Verlorene Kirchen. Dresdens zerstörte Gotteshäuser. Eine Dokumentation seit 1938. 3., veränderte Auflage. Dresden 2018, S.71(70–73) (dresden.de[PDF; 6,5MB]).
Ulrich Hübner, Ulrike Grötzsch et al. (Hrsg.): Symbol und Wahrhaftigkeit. Reformbaukunst in Dresden. Husum 2005, ISBN 3-86530-068-5, S. 21f. (dort datiert auf 1900, Adresse mit Hochuferstraße 14 angegeben)