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deutscher Anglist und Hochschullehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Robert Weimann (* 18. November 1928 in Magdeburg; † 9. August 2019 in Bernau bei Berlin) war ein deutscher Anglist sowie Literatur- und Theaterwissenschaftler.[1] Bekannt wurde er vor allem als Erforscher der Epoche Shakespeares.[2]
Weimann studierte von 1947 bis 1951 Anglistik und Slawistik an der Martin-Luther-Universität Halle. Bis 1955 war er wissenschaftlicher Aspirant im postgradualen Studium und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ab 1959 war Weimann Oberassistent und kommissarischer Leiter der Anglistik-Amerikanistik an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. Nach seiner Habilitation 1962 war er zwischen 1965 und 1968 Professor für englische Literaturgeschichte und allgemeine Literaturwissenschaft in Berlin. Danach wechselte er zur Akademie der Wissenschaften der DDR, wo er bis 1991 Bereichs- und später Forschungsgruppenleiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte war. Weimann erhielt seit 1974 zahlreiche Gastprofessuren in den USA. Von 1991 bis 1994 war er kommissarischer Direktor (seit 1993 mit Eberhard Lämmert) des Zentrums für Literaturforschung, Berlin und von 1992 bis 2001 Professor für Theaterwissenschaft an der University of California, Irvine. Zahlreiche Vorträge führten ihn an europäische Universitäten.
Die frühen Bücher und Schriften waren um eine historische und ästhetische Bestimmung des neuzeitlichen Theaters und des modernen Romans bemüht: eine Neudeutung ihrer soziologischen Voraussetzungen und der darin wesentlich begründeten Themen und Formen. Die Dissertation (1958) verwies bereits auf das soziale „mingle-mangle“ (John Lyly) einer Epoche des Übergangs und der Mobilität von Klassen, Individuen, Ideen im Zeitalter des Tudor-Absolutismus und gerade der Blütezeit des Elisabethanischen Theaters.
Das Volkstheater-Buch (1967) zielte auf die traditionelle, postrituelle Komponente plebejischer Provenienz im Miteinander von humanistischen, höfischen Renaissance-Elementen und einer oralen, performativen Kultur einer prädramatischen Performance-Praxis. Der in der Shakespeare-Kritik bislang völlig im Vordergrund stehende klassisch-rhetorische Impuls humanistischer Prägung wurde komplementiert und erweitert durch einen oral-performativen Fundus, der aus zum Teil noch heidnisch-rituellen Quellen schöpfte, aus mittelalterlichen Volksbräuchen, weltlich-ruralen Umzügen, Schwerttanz, Pflugspiel und anderen jahreszeitlichen Gepflogenheiten, Vermummungen und dergleichen. Daraus folgerten seinerzeit wenig beachtete Formen und Funktionen, insbesondere solche nicht-klassisch dramaturgischer Natur. Gerade diese Aspekte fanden unerwartete Resonanz im ost- und westdeutschen Gegenwartstheater, aus welchen Gründen das Buch einen wesentlichen Anstoß für die Gründung der Bremer shakespeare company gab und der Autor zur konsultativen Mitarbeit an Berliner Inszenierungen eingeladen wurde, etwa am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble (Manfred Wekwerth) sowie an der Volksbühne (Benno Besson). Peter Stein und Dieter Sturm inszenierten “Shakespeare’s Memory” weitgehend auf obengenanntem Buch basierend.
Beginnend mit der Habilitationsschrift (New Criticism, 1962) wurde ein streitbar bestimmter Umkreis theoretisch-ästhetischer Grundfragen entworfen, der die offene Aufnahme, aber auch die entschiedene Kritik westeuropäisch-moderner Positionen der Formalästhetik mit dialektisch-historisch pointierten Alternativen verband. Während diese zunächst noch unter dem dominierenden Einfluss der antimodernistischen Identifikationsästhetik von Georg Lukács standen, erfolgte mit dem Mythologie-Buch (1971/77) eine erhebliche Erweiterung dieser Konzeption. Die gängigen Fixierungen der Widerspiegelungs-Ästhetik, mithin die noch zuweilen starre Konfrontation von Kunst und Wirklichkeit, wurde durch Idee und Praxis der Aneignung von Geist und Welt abgelöst. Im Zeichen dieser Konzeption wurde eine komparatistisch weit ausgreifende Neudeutung der Theorie und Geschichte prosaischer Formen in der Renaissance entworfen, ausführlich eingeleitet und herausgegeben. Schließlich gipfelt die der Mythologie gegenläufige Idee der Literaturgeschichte eine zunächst englischsprachig erkundete Dialektik von „past significance and present meaning“, ausgeführt in dem mehrfach aufgelegten Structure and Society in Literary History (1976/77; 84).
Mit einem Festvortrag zum Luther-Jahr 1982 wurde die Frage nach einer frühneuzeitlichen Medienkultur gestellt, in der sich Buchdruck und Flugschrift, Lesen, Hören und Schreiben in einem neuartigen Wechselverhältnis befanden. Im Bereich ihrer Rezeption und Wirkung wurde der Quellort einer neuartig wandlungsfähigen Wechselwirkung von Macht und Bewusstsein, Herrschaft und Repräsentation ermittelt. Mit kritischem Bezug auf Michel Foucaults Theorie des Verhältnisses von Diskurs und Macht wurden fortan auch die theatralisch-dramatischen und literarisch-prosaischen Formen mit Blick auf die Autorität und Autorisation ihrer Darstellungsweisen erforscht (Shakespeare und die Macht der Mimesis, 1988). In diesem Zusammenhang wurde schließlich ein Band zur sich wandelnden Erzählform und Struktur des amerikanischen Romans auf der Schwelle zur Moderne konzipiert, als Mitautor auch eingeleitet und herausgegeben (1989). Eine englischsprachige Untersuchung zur Prosa der Reformation und frühneuzeitlichen Fiktion publizierte der Autor dann 1996: Authority and Representation in Early Modern Discourse.
Hierzu gaben die europäischen Krisen und Umwälzungen 1989/90 wesentliche Anstöße, und zwar theoretischer wie auch kulturhistorischer Observanz. Diese wurden auch dahingehend neu akzentuiert, dass die Differenz, das Gegen- und Miteinander, von plebejischer Schaustellung und sozial gehobener, humanistischer Schriftkultur zu einer zeitgenössisch relevanten Sicht auf die beiden hauptsächlichen Medien des neuzeitlichen Theaters, Performanz und Text, Spiel und Sprache führte. Historisch-soziologisch und dann darstellerisch, auf Shakespeares Stücke bezogen, wurden diese Zusammenhänge englischsprachig in zwei Büchern 2000 und 2008 entwickelt und vorgestellt. Diese Brennpunkte wurden schließlich auch deswegen gewählt, weil auf deutschen Bühnen der Gegenwart gerade diese zwei Medien ein ehedem packendes Maß von Wechselseitigkeit verloren haben. Im Theater unserer Zeit stehen nun aber alternative Formen vor ungelösten künstlerischen Fragen, wie sie zuletzt in „Sprache und Spiel auf der Bühne“ (in: Poetica, 2010) zur Diskussion gestellt wurden.
Über 40 Essays und Artikel zu literaturwissenschaftlichen, kulturtheoretischen und historischen Fragen. Übersetzungen in 18 Sprachen.
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