Richard Keilholz (* 29. Dezember 1873 in Haynrode/Untereichsfeld; † 6. Mai 1937 in Königstein/Sächsische Schweiz) war ein Webelehrer, Webschulleiter und autodidaktischer Heimat- und Naturforscher in Katscher (polnisch Kietrz) in Oberschlesien.
Richard Keilholz durchlief bei seinem Vater Johann Keilholz, der in Haynrode ab 1885 eine Musterlehrwerkstatt für Weber betrieb,[1] eine Weberlehre. Danach absolvierte er eine vom preußischen Staat geförderte Ausbildung als Wanderlehrer für Weberei in Frankfurt am Main und in Berlin. Keilholz wurde daraufhin an verschiedenen Orten in Schlesien eingesetzt.[2]
1897 war Keilholz in Katscher als Webelehrer tätig, dann wurde er dem Leggenmeister in Neurode als Hilfskraft beigegeben.[3] Danach übernahm er zunächst die Leitung der Königliche Webereilehrwerkstätte in Mittelwalde,[4] 1905 dann die Leitung der technisch modernisierten Königlichen Webereilehrwerkstätte in Katscher.
Neben seiner fachlichen Tätigkeit widmete er sich zahlreichen anderen lokalen Aufgaben, z. B. als Sekretär des Vereins zur Unterstützung und Arbeitsvermittlung für hilfsbedürftige Weber in Katscher und Umgegend, als Mitglied im Kirchenrat der kleinen örtlichen evangelischen Gemeinde oder als Kommunalpolitiker der Zentrumspartei. In Katscher half er 1932 mit, die Webergesellen-Bruderschaft durch eine Neugründung zu beleben.[5] Auch die lokale Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde wurde von ihm geleitet.[6]
Bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg begann er zu technischen Problemen zu publizieren[7] und naturwissenschaftliche Forschungen fanden bei bekannten, schlesischen Botanikern Beachtung.[8][9] Nach 1920 entwickelten sich die naturwissenschaftlichen Interessen zu einer vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit: Keilholz leitete geologische und botanische Exkursionen akademischer Naturforscher[10] und führte archäologische Ausgrabungen durch[11][12].[13] Seit 1926 war er Mitglied des Schlesischen Altertumsvereins.[14]
Darüber hinaus sammelte Keilholz seltene Pflanzen[15] und Tiere.[16] Er erstellte die erste vollständige systematische Darstellung der pontischen Pflanzengemeinschaft auf dem Kalkberg bei Katscher und beschrieb über 40 der dort vorkommenden seltenen Pflanzen.[17] Das auch heute noch bestehende Naturschutzgebiet Kalkberg bei Katscher geht maßgeblich auf seine Initiative zurück.[18][19]
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der damit verbundenen Ideologisierung und Gleichschaltung wissenschaftlicher Tätigkeit wurde seine Arbeit jäh unterbrochen. Er verließ Katscher 1935 überstürzt und zog nach Königstein/Sächsische Schweiz. Die damalige politische Situation sowie die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit bewirkten, dass sein Schaffen fast in Vergessenheit geriet.
Besonders in Polen nimmt man seine Erkenntnisse als Heimatforscher heute wieder wahr.[20][21] Seine Untersuchungen zur Biozönose am Kalkberg in Katscher bilden noch immer eine Grundlage für lokale Naturschutzarbeit.
- R. Keilholz: Isländisches Moos und andere Pflanzen der schlesischen Berge. In: Nerthus - Illustrierte Wochenschrift für Freunde aller Zweige der biologischen Naturwissenschaften, 1903, 5(43), S. 692–693, Digitalisat
- R. Keilholz: Die Glatzer Rose. In: Nerthus. 1903, Band 5, Nr. 38, S. 615; Digitalisat
- R. Keilholz: Veilchensteine. In: Nerthus - Illustrierte Wochenschrift für Freunde aller Zweige der biologischen Naturwissenschaften, 1903, 5(43), S. 800–801; Digitalisat
- R. Keilholz: Chenillegewebe für Tücher, Decken, Teppiche. Fortsetzungsbeitrag in 4 Ausgaben der Leipziger Monatsschrift für die Textilindustrie, Jg. 1912: S. 37–39, 62–63, 83–84, 119–120.
- R. Keilholz: Berberis vulgaris und Puccinia graminis. In: Entomologische Zeitschrift, 1913:26(51), S. 208; Textarchiv – Internet Archive.
- R. Keilholz: Die Herstellung von Lazarettdrellen und Futterstoffen für Krankenjacken und -hosen. In: Leipziger Monatsschrift für die Textilindustrie, 1914, S. 227–228.
- R. Keilholz: Eine Herbstwanderung durch den Leobschützer Stadtforst. In: Unsere Heimat (Beilage der Oberschlesischen Rundschau, Ratibor), 1925:9, S. 3–4.
- R. Keilholz: Massenzüge von Libellen. In: Entomologische Zeitschrift, 1925, 39, S. 38–39
- R. Keilholz: Entstehung und Verwendung von Kreppbindungen. In: Spinner und Weber, 1925, 43(75)
- R. Keilholz: Barchent, Köper und Zieche. In: Spinner und Weber, 1926, 44(83)
- R. Keilholz: Die pontische Pflanzengemeinschaft der Gipsberge bei Katscher. In: Der Oberschlesier, 1927, 9, S. 326–336; Digitalisat
- R. Keilholz: Die Flora der Gipsberge von Dirschel bis Katscher. In: Leschwitzer Tischkerier-Kalender. Heimatjahrbuch für Stadt und Land Leobschütz, II, 1927, S. 107–109, Ergänzung in III, 1928, S. 100–101
- R. Keilholz: Schachbrettartige Musterungen (Diamant-Bindungen). In: Spinner und Weber, 1927:45(36)
- R. Keilholz: Chrysomela sanguinolenta. In: Entomologische Blätter, 1929, 25, S. 108; Eintrag. In: Coleoptera Poloniae
- R. Keilholz: Die Entwicklung der Weberei in Katscher. In: Leschwitzer Tischkerierkalender, 1930, 5, S. 36–40.
- R. Keilholz: Eine Ölpresse in Rösnitz, Kreis Leobschütz. In: Der Oberschlesier, 1931, 13/2, S. 71–73; Digitalisat
- R. Keilholz: Deutsche Seidenraupenzucht. Zeitschrift der Landwirtschaftskammer Oberschlesien, 1931, 5, S. 223.
- M. Syniawa: Richard Keilholz, 1873 - 1937. (PDF; 3,0 MB) Przyroda Górnego Śląska, 2009:57, S. 13–15 (in poln.)
- H. Steinhoff: Lebensspuren des Weblehrers und Botanikers Richard Keilholz aus Katscher, Fortsetzungsartikel im Leobschützer Heimatblatt, 2010:42, Heft 2 u. 3
- H. Steinhoff: Das Webereiwesen in Katscher, Schlesische Geschichtsblätter, 2011:38(1)
- H. Steinhoff: Richard Keilholz. In: Ostdeutsche Gedenktage 2012: Persönlichkeiten und Historische Ereignisse. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, 2013. S. 105–110, ISBN 978-3-88557-232-9
- F. Pax: Bibliographie der schlesischen Botanik, Breslau, 1929, Nr. 1301–1303, Digitalisat
- K. Kubát, V. Skalický: Dodatky k „Bibliografii k flóre ČSR do roku 1952“, Litoměřice, 1999, External Link
Karl Paul Haendly: Das kurmainzische Fürstentum Eichsfeld im Ablauf seiner Geschichte, seine Wirtschaft und seine Menschen 897 bis 1933. Mecke-Verlag, 1996, S. 710, ISBN 978-3-923453-77-1
Preußen wollte durch den Einsatz von Wanderlehrern die Situation der schlesischen Heimweber entscheidend verbessern, um nach den schlesischen Weberaufständen von 1844 weiteren sozialen Unruhen vorzubeugen. Diese Wanderlehrer suchten die Heimweber auf, überprüften das Webgerät und die Arbeitsmethoden, gaben fachliche Hinweise, organisierten eine Berufsausbildung und Qualifikation der Heimweber. Darüber hinaus halfen sie bei der Beschaffung der Grundmaterialien und beim Absatz der Fertigware. Siehe: W. Lexis: Der mittlere und niedere Fachunterricht im Deutschen Reich. Berlin 1904, S. 60; Textarchiv – Internet Archive.
Leobschütz und Umgegend. In: Oberschlesischer Wanderer, Jg. 105, 1932:224, S. 4, 4. Spalte
Kaiserliches Patentamt (Hrsg.): Richard Keilholz: Drehergeschirreinrichtung, bei welcher die Dreherkette den Dreherschäften um das Grundgeschirr herum zugeführt wird. 86b. 382 460, Patentblatt, Band 33/2, C. Heymanns Verlag, 1909
Th. Schube: Erforschung der schlesischen Gefäßpflanzenwelt im Jahre 1909. In: Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, 87. Jahresbericht. II. Abteilung, zoologisch-botanische Sektion, S. 49; archive.org.
Acherontia atropos im Jahre 1908. In: Entomologische Zeitschrift. XXIII. Jg. 1909, Nr. 11, S. 51 (zobodat.at [PDF; 978 kB]).
G. Eisenreich: Tätigkeit der geologischen Vereinigung Oberschlesiens. Der Oberschlesier, 1925:4, S. 41
Aufnahme einer Siedlungsgrube aus der Bronzezeit durch Scholtz und Keilholz. siehe: H. Kurz: Bericht der Bodendenkmalspflegestelle der Provinz Oberschlesiens für die Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni in: Der Oberschlesier, 1926:7, S. 538 ff
Keilholz versorgte die Museen in Ratibor und Leobschütz mit Scherben, Gefäßen und Bronzen. siehe: Bolko v. Richthofen: Altsteinzeitliche Funde in Oberschlesien. in: Altschlesien. Mitteilungen des Schlesischen Altertumsvereins und der Arbeitsgemeinschaft für oberschlesische Ur- und Frühgeschichte, II(1), S. 9, sowie
Eiszeit und Urgeschichte. Band 6–7, S. 34, Institut für Eiszeitforschung, Wien, 1929
siehe: Scheuermann: Die Pflanzenwelt Oberschlesien. In: Der Oberschlesier, 8(9), 1926, S. 643
Seine umfangreiche Sammlung an Decticinen nutzte F. Zeuner 1931: Beiträge zur Systematik und Phylogenie der Decticinen (Orth., Tettigon). II. Die geographischen Rassen von Platycleis grisea F. und Pholidoptera dalmatica Kr. Mitteilungen des Zoologischen Museums Berlin 17, 424–435.
A. Pokorny: Von den Gipsgruben und dem Kalkberg, zwischen Katscher und Dirschel gelegen. In: Leobschützer Heimatblatt, Heft 5, 1968, S. 22
Textile Kunst und Industrie. Band 10. Verlag Hugo Wilisch, Chemnitz, 1917, S. 75