historisches Manuskript der Grafschaft Ravensberg Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Ravensberger Urbar von 1556 ist eine der wichtigsten Quellen zur Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Ravensberg in der Frühen Neuzeit. Es befindet sich zusammen mit mehreren Abschriften im Landesarchiv NRW in Münster im Bestand der Kriegs- und Domänenkammer Minden unter den Nr. 2670 und 2673.
Der Landesherr der Grafschaft Ravensberg, Herzog JohannIII. von Jülich-Kleve-Berg und Mark (1490–1539), hatte bereits 1532 eine Kirchenvisitation in seinen Territorien angeordnet und 1533 durch Matthias von Altenbockum († nach 1563), Drost zu Hörde, durchführen lassen, um sich genau über die Verhältnisse zu unterrichten.
Johanns Nachfolger WilhelmV. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592) ordnete 1550 an, ein Urkataster für die Grafschaft zu erstellen: Das sogenannte „Ravensberger Urbar“ wurde 1556 abgeschlossen. Es enthält eine vollständige Auflistung der in den Ämtern vorhandenen 3.389 Häuser und Hofstellen, ihrer Hörigkeit und ihrer Abgabepflichten. Eine Kommission aus dem Rentmeister, dem Vogt und dem Untervogt befragte die Untertanen und hielt Vorname, Name, gelegentlich eine Lagebeschreibung, Qualität, Größe und Ländereien der Hofstätte, Hörigkeit (Leibeigenschaft) und Abgaben fest. Ein Beispiel:[1]
Hörigkeit: „Meinem Gnedigen Hern[3] mit wief und kindern eigen, sytzet uf seiner Furstlichen Gnade gute und gehort Seinen Furstlichen Gnaden die besate[4] daranne.“
Größe des Grundstücks: „Sein haus, hof und garde ist von ½schepfel[5] roggen.“
Saatland: „Sedig landt:[6] ein kamp[7] bei Schwopperhaus gelegen von 6 schepfel roggen, de Nasse Kamp von 3 schepfel roggen, ein kamp vorm Berge, de Schliegk genannt, von 3 schepfel roggen, im Kleikamperfelde liggen verscheiden an cleinen pletzen oder brocken 18 stucke, darin seiget man 9 schepfel roggen, im Barthuser Felde 16 cleine stucke von 8 schepfel roggen.“
Dienste: „Dienst: gibt Meinem Gnedigen Hern zu dienstgelde 1 goltgulden.“
Zehnte: „Zehenden und afhorst: gibt der von Rennenbergden zehenden, noch den Vincken 1 schepfel gersten zu zehenden; in die kirchen zu Boickhorst ½ schepfel habern; in die kirchen zu Holtzhusen 3 schillinge.“
Zusätze: „Nota: dieser Temme Gussenberg beclagt sich mit grosser bekommernuß, das diß sein erbe mit den jerlichen schulden und pechten, auch dem korne und fleißzehenden vil zu hoich beschwert sei, habe auch uber alle kein wiesewachs und weinich ackers wie zu befinden sei; woe ime sulchs mit gnaden nit moderirt werde, musse ehr von noit wegen davon entlaufen, alse dan auch die warheit davon also erkundet ist.“
Unter den 3.389 Häusern und Wohnstätten waren 1.172 landesherrliche Eigenhörige, 1.213 Eigenhörige der Ritterschaft, 299 von geistlichen Korporationen und 31 von Bürgern oder Geistlichen Abhängige.[8]
Auch in den angrenzenden Territorien waren einzelne Höfe ravensbergisch und werden im Urbar erwähnt.
Die Grafschaft Ravensberg fiel 1609/14/48 an Brandenburg-Preußen. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) gab 1678 ein neues Landmessungs- und Taxationsregister für die Grafschaft in Auftrag, das 1685/86 fertiggestellt wurde.[9]
Franz Darpe: Einkünfte- und Lehnsregister der Fürstabtei Herford sowie Heberollen des Stifts auf dem Berge bei Herford (Codex traditionum Westfalicarum 4), Münster 1892; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (PDF; 107MB)
Wolfgang Mager, Petra Möller (Hrsg.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg von 1556, Teil III: Ergänzende Quellen zur Landes- und Grundherrschaft in Ravensberg (1535–1559). Münster 1997 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission Westfalens 29/3); Landschaftsverband Westfalen-Lippe (PDF; 46MB).
Acten der Kirchenvisitation in den Landen Jülich und Ravensberg im Jahre 1533 – Visitation in der Grafschaft Ravensberg. In: Carl Adolf Cornelius: Geschichte des münsterischen Aufruhrs in drei Büchern. Band I: Die Reformation. T. O. Weigel, Leipzig 1855, S. 216–248, bes. S. 246–248 (Google-Books)
Adolf Schmidt: Protokoll der kirchlichen Visitation der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1533. Nach den Quellen des StA Düsseldorf mitgeteilt. In: Jahrbuch des Vereins für die evangelische Kirchengeschichte Westfalens, 1904, 6, S. 135–169.
Gertrud Angermann: Volksleben im Nordosten Westfalens zu Beginn der Neuzeit. Eine wachsende Bevölkerung im Kräftefeld von Reformation und Renaissance, Obrigkeit und Wirtschaft (Minden, Herford, Ravensberg, Lippe). Waxmann Verlag, Münster 1995 (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, 89).
Franz Herberhold: Das Ravensberger Urbar von 1550. In: Westfalen, 1936, 21, S. 1–8
Hermann Jellinghaus: Ravensbergische Flurnamen. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, 1904, 18, S. 1–48 (Google-Books).
Hermann Jellinghaus: Die Gutsherren der ravensbergischen Bauerngüter im 17. Jahrhundert. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, 1904, 18, S. 48–55 (Google-Books).
Karl Schreiber: Das Urbar der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1550. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, 1907, 21, S. 1–107 (zugleich diss. phil.); (Google-Books).
Rico Quaschny: 450 Jahre Ravensberger Urbar. Das Güterverzeichnis der Grafschaft Ravensberg von 1556 und seine Bedeutung für den Raum Bad Oeynhausen. In: Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen, 2006, 20, S. 13–24
Oskar Schulz: Die Entwicklung der Landwirtschaft. In: Hermann Tümpel (Hrsg.): Minden-Ravensberg unter der Herrschaft der Hohenzollern. Velhagen & Klassing, Bielefeld / Leipzig 1909, S. 139–178. bes. S. 145 f. Stefan Brakensiek: Agrarreform und ländliche Gesellschaft. Die Privatisierung der Marken in Nordwestdeutschland 1750–1850. Schöningh, Paderborn 1991, S. 27. G.Angermann: Volksleben (a.a.O), bes. S. 24 f. und S. 27.
Landesarchiv Münster (Kriegs- und Domänenkammer Minden, Amt Limberg: Nr. 955; Amt Sparrenberg: Nr. 967; Amt Vlotho: Nr. 997; vgl. Amt Ravensberg 1692/93: Nr. 960 f. u.a.).