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auf Schienen laufendes Verkehrsmittel mit Pferden oder Maultieren als Zugtiere Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine Pferdebahn, Pferdeeisenbahn, Pferderollbahn, Pferdestraßenbahn, Pferdetramway, Pferdetram oder schweizerdeutsch Rösslitram ist ein auf Schienen laufendes Verkehrsmittel, bei dem Pferde beziehungsweise seltener Maultiere oder Ochsen als Zugtiere dienen. Pferdebahnen gelten als technische Vorläufer der heutigen Eisenbahnen und Straßenbahnen, die heute in aller Regel mittels Lokomotiven oder Triebwagen bewegt werden.
Die ersten Eisenbahnen auf eisenbeschlagenen Holzbohlen wurden mit Arbeitspferden als Zugtieren betrieben; es waren meist kurze Grubenbahn-Strecken. Doch gab es auch längere Strecken, so war beispielsweise die Pferdeeisenbahn Budweis–Linz–Gmunden, auf der Pferde die Kutschen und Wagengespanne zogen, 128 Kilometer lang. Im Ruhrgebiet gab es schon vor der Eröffnung der ersten mit Dampflokomotiven betriebenen Eisenbahnen um 1835 bis 1838 ein Pferdebahn-Netz von etwa 50 km Gesamtlänge.
Folgende Eisenbahnstrecken wurden ganz oder teilweise als bedeutende Pferdebahn betrieben:
Im Bereich der Straßenbahnen hielt sich der Antrieb mit Pferden länger. Die meisten der deutschen und auch ausländischen Straßenbahngesellschaften begannen bis Mitte der 1880er Jahre ihren Betrieb mit Pferden. In Deutschland gab es über 90 Pferdestraßenbahnen, weltweit über 1700.
Die im Mai 1864 gegründete „Berliner Pferdeeisenbahn-Gesellschaft E. Besckow KGaA“ nahm den Betrieb zwischen Berlin und Charlottenburg im Juni 1865 auf und betrieb Ende 1865 bereits 24 Linien mit 192 Wagen, konnte sich aber aufgrund unzureichender Betriebsergebnisse nicht halten.
1864 folgte die Gründung der „Hamburger Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft“ als Aktiengesellschaft. Aktionäre waren u. a. der Waggonfabrikant Friedrich Christian Lauenstein, J.C. Godeffroy & Sohn und Schröder Gebrüder.[5] Ab August 1866 wurde regelmäßig die Strecke Hamburg – Wandsbek bedient, im Juni 1867 eine Linie nach Barmbek in Betrieb genommen. Die Pferde waren in der Mehrheit Schimmel und Rappen. Sie wurden vom Pferdehändler Claus Olde gestellt.[6] Ein Reglement vom 10. August 1868 bestimmte, dass bei Ertönen der Signale der Pferdebahn die Bahnstrecke frei von Fußgängern und Fuhrwerken zu sein habe.
Es folgten Pferdebahnen in Stuttgart (Februar 1868), Frankfurt am Main, Leipzig und Dresden (jeweils 1872), Elberfeld/Barmen (1874), Bremen (Juni 1876), München (Oktober 1876), Düsseldorf (1876) und Köln (April 1877; Betreiber Ernst Hardt).[7] Im Rheinland folgten noch Pferdebahnen in Aachen bzw. Stolberg (1880), Duisburg (1881), Mönchengladbach/Rheydt (1881), Krefeld (1883) und Bonn (1891).[8]
Die meisten zunächst mit Pferden betriebenen Straßenbahnen wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg auf elektrischen Betrieb umgestellt. Die Straßenbahn Stadthagen wurde als letzte Pferdebahn in Deutschland auf dem Festland 1930 eingestellt. Viele ehemalige Pferdestraßenbahnwagen wurden als Beiwagen für die elektrische Straßenbahn weiterverwendet. Bis 1949 verkehrte noch auf der Insel Spiekeroog die Spiekerooger Inselbahn mit Pferdetraktion.
Während Hannover bereits 1896 weitgehend von Pferd auf Elektrizität umgestellt hatte, geschah das in Berlin zögerlich. Der Haupteinwand bestand darin, dass die Strecken des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin viel länger als in Hannover waren und man befürchtete, dass „die schweren Wagen auf längeren Strecken [...] stecken bleiben und so ein nicht leicht zu beseitigendes Verkehrhindernis bilden“. Zudem war nicht geklärt, welche Version der oberirdischen Stromführung man wählen wollte. Zur Diskussion standen das Rollen- und das Bügelsystem.[9]
Auch die 1861 in Sydney eröffnete erste Straßenbahn Australiens war eine Pferdebahn. Die Victor Harbor Horse Drawn Tram ist eine breitspurige Pferdestraßenbahn von Victor Harbor bis zur Granite Island in der Encounter Bay bei Adelaide in South Australia, die ursprünglich von 1894 bis 1956 in Betrieb war und seit 1986 mit doppelstöckigen Nachbauten wieder für Touristen fährt.
Ein Betrieb mit Pferden war auch auf Feldbahnen gebräuchlich, beispielsweise auf landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Feldbahnen. Im landwirtschaftlichen Einsatz ging man davon aus, dass zwei Pferde auf annähernd ebenen Schienenstrecken mit gelegentlichen geringen Steigungen einen Wagen mit acht Tonnen Nutzlast und auf Steigungen bis fünf Prozent immerhin noch mit einer Nutzlast von drei Tonnen ziehen konnten. Dies war aber eineinhalb- bis zweimal so viel, wie das gleiche Gespann auf befestigter Straße zu leisten vermochte. Im Vergleich zum Zug eines Ackerwagens auf unbefestigten Feldwegen ging man sogar von der drei- bis vierfachen Leistung aus.[12][13][14]
Ein Pferd von 700 Kilogramm Masse hat rund 7000 Newton Eigengewicht und kann etwa 20 Prozent davon, also 1400 N Zugkraft leisten.
Am Beispiel der neuen Döbelner Pferdebahn ergibt sich bei einem unbesetzten Wagen von 2.040 Kilogramm Masse ein Zugwiderstand (Rollwiderstand „Eisen auf Eisen“) von nur 600 N. Mit 22 Fahrgästen besetzt (circa 1650 Kilogramm zusätzlich ergibt insgesamt etwa 3700 kg Masse) beträgt der Zugwiderstand auf ebener Strecke circa 800 N. Somit ist ein einspänniger Betrieb möglich, ohne dass der Tierschutz vernachlässigt wird. Mit der Zugkraftreserve von 600 N bewegen sich das Pferd und der besetzte Wagen auch noch bis zu 13 Promille Steigung bergauf. Zweispännig hat das Gespann dann 5100 kg Gesamtmasse – 2000 N Zugkraft über dem Bedarf fürs Rollen –, ausreichend für 39 Promille Aufwärtsfahrt.
Für den Betrieb einer Pferdebahn sind stets deutlich mehr Pferde als Wagen notwendig, da sich die Tiere nach jedem Einsatz erholen müssen und daher ständig durchgewechselt wurden. In der Regel mussten sie nach 45 bis 60 Minuten ausgespannt werden und benötigten anschließend eine lange Ruhepause.[16] Diese Pausen fanden meist an den Endstationen statt, wo sogenannte Reiterbuben – auch Trambahnreiter oder Vorspanner genannt – die Pferde abschirrten, fütterten und tränkten. Der Kutscher spannte anschließend für die Rückfahrt ein ausgeruhtes Tier ein. In Bonn legte ein Dienstpferd im ersten Betriebsjahr 1891 dabei durchschnittlich rund 19 Kilometer täglich zurück, in den Folgejahren stieg diese Leistung auf rund 19,5 Kilometer im Jahr 1892 bzw. 20,4 Kilometer im Jahr 1893 an – bevor sie in den Jahren 1895 (17,44 Kilometer täglich) und 1896 (16,78 Kilometer täglich) wieder etwas absank.[17] Bei der Neuen Berliner Pferdebahn dauerten die Spanndienste im Schnitt drei Stunden täglich.[18]
Da die Pferdebahnwagen oft verhältnismäßig schwer waren, forderte man die Kutscher beispielsweise in Frankfurt am Main per Dienstanweisung auf, an den Haltestellen nicht vollständig zum Stehen zu kommen, damit die Pferde die Wagen nicht aus dem Stand heraus in Bewegung setzen mussten. Dem gleichen Zweck dienten Rückfallweichen und lange Ausweichen, die fliegende Kreuzungen erlaubten. Ebenfalls aus Gründen des Tierschutzes war der kurze Trab die vorgeschriebene Gangart, schnellere Gangarten waren grundsätzlich untersagt. An Steigungen hielten sich sogenannte Trambahnreiter bereit, um für die Bewältigung der Rampe zusätzliche Pferde anzuspannen. In Frankfurt waren die Zugtiere durchschnittlich zwischen viereinhalb und sechs Jahren bei der Pferdebahn im Einsatz, bevor die Straßenbahngesellschaft sie an Landwirte verkaufte.[19]
In der Regel galt bei Einspännern ein rechnerisches Verhältnis von fünf bis sieben Tieren pro Wagen. Im Gegensatz dazu begnügte sich die Zürcher Strassenbahn Gesellschaft mit durchschnittlich drei bis vier Pferden pro Wagen, was ihr den Vorwurf einbrachte, dass sie ihre Tiere zu Tode schinde.[20] In Köln hingegen entfielen auf einen Personenwagen im Jahr 1883 nur 2,6 Pferde und im Jahre 1899 nur 2,44 Pferde.[21] Somit wurde eine große Zahl an Pferden benötigt, in größeren Städten handelte es sich um mehrere Tausend. In den Gemeinschaftsställen konnten sich Infektionskrankheiten rasch ausbreiten, so brachte beispielsweise in den 1870er Jahren eine große Pferdeepidemie den Straßenbahnverkehr in einer ganzen Reihe amerikanischer Großstädte zum Erliegen. Probleme gab es auch mit der Straßenverschmutzung durch Kot, die Beseitigung der Exkremente wurde bei dichtem Betrieb nach und nach zu einem unlösbaren Problem – vor allem im Sommer häuften sich die Beschwerden über den aufdringlichen Gestank, sowie mit dem Füttern und Tränken der Tiere. Außerdem benötigte man Tierärzte für die gesundheitliche Betreuung.[16]
Viele Pferdestraßenbahnen besaßen – außer den Endstationen – keine festen Haltestellen, auch bei der weltweit ersten Anlage in New York war dies der Fall.[22] Die Fahrgäste konnten jederzeit auf Zuruf vom Wageninneren bzw. mittels Zuwinken vom Straßenrand aus das Anhalten verlangen. Selbst das Auf- und Abspringen während der Fahrt war oft erlaubt. Spätestens mit Einführung der schneller fahrenden elektrischen Straßenbahn führten dann schließlich alle Straßenbahngesellschaften die bekannten festen Zwischenhaltestellen ein[23][24], wenn auch teilweise bis heute als Bedarfshalt. Von der 1881 eröffneten Straßenbahn Nürnberg ist überliefert, dass dort noch vor der 1896 erfolgten Elektrifizierung feste Punkte als Haltestellen eingerichtet wurden, um die Pferde zu schonen.[25] Die Straßenbahn Erfurt führte die festen Halte 1883 sogar schon nach nur einem knappen halben Jahr Pferdebahnbetrieb ein,[26] bei der 1865 eröffneten Straßenbahn Wien dauerte es vier Jahre.[27] Bei der Straßenbahn Hamburg wiederum führte erst das ab 1880 aktive dritte Pferdebahnunternehmen, die SEG, feste Haltestellen ein. Im Gegensatz dazu kannten die beiden älteren Vorgängergesellschaften PEG und HAT noch keine festen Haltestellen.[28] In Stuttgart bestand die Besonderheit, dass zwar ab 1878 feste Stationen existierten – die Pferdebahn aber auf Wunsch Fahrgäste jedoch auch weiterhin an jedem Punkt der Strecke aus- bzw. einsteigen ließ.[29]
Im Kinofilm Der letzte Scharfschütze (1976) von Don Siegel mit John Wayne, Lauren Bacall und James Stewart wird die Pferdestraßenbahn von Carson City mehrmals prominent in Szene gesetzt.
In Döbeln befindet sich eine museale Aufbereitung zum Thema.
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