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deutscher Staatsrechtslehrer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Peter Häberle (* 13. Mai 1934 in Göppingen) ist ein deutscher Jurist und emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität Bayreuth.
Peter Häberle wuchs als Sohn des promovierten Mediziners Hugo Häberle und Ursula Häberles, geborene Riebensahm, in einem musikalischen Elternhaus[1] in Württemberg auf. Nach seinem Rechtswissenschaftsstudium in Tübingen, Bonn, Freiburg im Breisgau und Montpellier wurde er 1961 bei Konrad Hesse an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg promoviert. Häberle war unter anderem auch für Horst Ehmke als Assistent tätig.
Häberles Dissertation Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz – Zugleich ein Beitrag zum institutionellen Verständnis der Grundrechte und zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt (1962) wurde in der Staatsrechtswissenschaft viel beachtet[2] und war Gegenstand kontroverser Debatten. Sie ist 1983 in stark erweiterter, dritter Auflage erschienen.
Nach der Habilitation 1969 in Freiburg mit der Schrift Öffentliches Interesse als juristisches Problem (1970, 2. Aufl. 2006) wurde Häberle, nach einer Lehrstuhlvertretung in Tübingen, in Marburg zum ordentlichen Professor ernannt. Später folgten Berufungen nach Augsburg und Bayreuth, wo er 2002 emeritiert wurde. Daneben war Häberle zwanzig Jahre lang ständiger Gastprofessor für Rechtsphilosophie an der Universität St. Gallen.
Häberle widmete sein wissenschaftliches Wirken später vermehrt der als Kulturwissenschaft begriffenen vergleichenden Verfassungslehre; seine Monographien Verfassungslehre als Kulturwissenschaft und Das Menschenbild im Verfassungsstaat wurden mehrfach neu aufgelegt.
Viel Beachtung fand seine Lehre von der Rechtsvergleichung als „fünfte Auslegungsmethode“[3] (auch in der ausländischen höchstrichterlichen Judikatur, wie z. B. Liechtenstein[4]) und vom „status activus processualis“, die offenkundig auch das erste Numerus-clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts beeinflusste,[5] sowie vom „Parlamentsvorbehalt“ und vom „Religionsverfassungsrecht“.
Der Rechtswissenschaftler gilt, auch wegen seines 1982 entwickelten kulturwissenschaftlichen Ansatzes, wie er im Urteil vom 29. Oktober 2013 vom obersten Gericht Argentiniens übernommen wurde[6], als Pionier internationaler Zusammenarbeit.[7] So hat er beispielsweise auf der Grundlage seines wissenschaftlichen Werkes in Polen und Estland die Parlamentsberatungen bei der Entwicklung der neuen Verfassungen begleitet und im Februar 1998 auf Einladung des Verfassungsgerichts der Ukraine wissenschaftlich beratend gewirkt.
Peter Häberles langfristiger Einfluss auf den rechtswissenschaftlichen Diskurs zeigt sich insbesondere durch die Prägung vieler Begrifflichkeiten, z. B. „Grundrechtspolitik“ (1971), „Parlamentsvorbehalt“ (1974), „Religionsverfassungsrecht“ (1976), „Status activus processualis“ (1971) sowie „Verfassungskultur“ (1982). Ferner zeigt er sich durch die Übersetzungen einiger seiner Werke in 13 verschiedene Sprachen.
Seine Bedeutung für das deutsche öffentliche Recht äußert sich auch in seiner – auch nach seiner Emeritierung bis zum Jahr 2014 fortgesetzten – Herausgebertätigkeit des Jahrbuchs des öffentlichen Rechts der Gegenwart (seit 1983).
Peter Häberle steht als Schüler von Konrad Hesse auch in der Tradition der Smend-Schule, zu der er sich in seinen grundlagentheoretischen Arbeiten auch klar bekennt, gleichzeitig auch zu Hermann Heller.
Neben einer deutschen wurde ihm zu dem 70. Geburtstag auch eine zweite, international ausgerichtete Festschrift dargebracht. Besonders in Brasilien werden sowohl in der juristischen Literatur als auch in der Judikatur des Obersten Bundesgerichtshofs (Supremo Tribunal Federal) viele Begriffsschöpfungen von Peter Häberle übernommen, etwa die „Lehre von der offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ (1975), das „Verständnis des Verfassungsprozessrechts als Partizipationsrecht“ (1976) sowie das „Paradigma vom kooperativen Verfassungsstaat“ (1978).[8]
Insbesondere Häberles Thesen zur Grundrechtsdogmatik haben oft heftigen Widerspruch gefunden;[9] sie werden von deutschen Juristen zum Teil als zu sozialwissenschaftlich angesehen; hingegen haben sie zugleich dazu geführt, dass Häberle im latein-amerikanischen Raum sehr hohes Ansehen genießt.[10] Häberles Thesen waren Auslöser für eine lebhafte Diskussion.
Seine grundrechtsdogmatischen Thesen vertiefte Häberle im Rahmen seines Referates Grundrechte im Leistungsstaat auf der Staatsrechtslehrertagung 1971 in Regensburg. Auch hier wurde ihm vorgeworfen, die abwehrrechtliche Seite der Grundrechte zu sehr zu vernachlässigen.
Peter Häberle betreute an der Universität Bayreuth als Doktorvater von etwa 2000 bis 2007, somit über seine 2002 erfolgte Emeritierung hinaus, die Dissertation des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Arbeit mit dem Titel Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU wurde 2006 durch die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität angenommen und Anfang 2007 mit der Bestnote „summa cum laude“ bewertet. Zweitgutachter war Rudolf Streinz. Im Februar 2011 geriet Guttenbergs Dissertation, ausgelöst durch Plagiatsvorwürfe des Bremer Staatsrechtsprofessors Andreas Fischer-Lescano,[11] in die öffentliche Kritik.[12]
Häberle, der von Fischer-Lescano noch vor der ersten Veröffentlichung informiert worden war,[13] wies die Vorwürfe, die Doktorarbeit sei ein Plagiat, in einer ersten Stellungnahme als „absurd“ zurück.[14] Er habe die Arbeit in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert.[15] Verbunden mit hoher medialer Aufmerksamkeit kam es in der Folge zu weiteren Vorwürfen und die „Plagiatsaffäre Guttenberg“ löste eine politische Affäre in Deutschland aus,[16] mit der sich der Deutsche Bundestag am 23. Februar 2011 befasste.[17] Nachdem die Universität Bayreuth erhebliche Verstöße gegen die wissenschaftlichen Pflichten zur Kennzeichnung von Quellen und Zitaten festgestellt hatte, wurde Guttenberg der Doktorgrad am 23. Februar 2011 aberkannt.
In einer Erklärung, die am 28. Februar 2011 bekannt wurde, bezeichnete Häberle die Mängel in Guttenbergs Dissertation als „schwerwiegend und nicht akzeptabel“. Sie widersprächen dem, was er „vorzuleben und auch gegenüber […] [s]einen Doktoranden zu vermitteln bemüht war“; die Aberkennung des Doktorgrades sei eine „notwendige Folge“ gewesen. In seiner ersten und „letztlich zu vorschnellen Reaktion“ habe er „ohne Detailkenntnis der konkreten Vorwürfe das Ausmaß nicht absehen“ können.[18][19]
Am 9. März 2011 wurde vorgebracht, dass zu Guttenberg auch seinen Doktorvater in 29 Fällen plagiiert habe,[20][21][22] jedoch nur Quellennachweise aus Fußnoten.
Häberle wurde von der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universität Bayreuth, die den Plagiatsverdacht untersuchte, angehört. Die Kommission bewertete Häberles Gutachten als „solide erstellt und in sich plausibel“. Von den Gutachtern könne man „nicht erwarten, dass sie den Doktoranden ‚beaufsichtigen‘“, so dass diese keine Mitverantwortung für wissenschaftliches Fehlverhalten treffe. Auch sie seien getäuscht worden. Allerdings sei für die Kommission „nicht zu erkennen, welches die hervorstechenden Thesen oder die besonderen Ergebnisse der Arbeit sind, derentwegen die Vergabe der Höchstnote gerechtfertigt erschien.“[23]
Häberle ist Mitglied der einflussreichen Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Hierbei setzte er sich in der Vergangenheit wiederholt entscheidend für die Aufnahme liberaler und linker Kandidaten ein.[10]
Insgesamt erhielt Peter Häberle sieben ausländische Ehrendoktorate. 1994 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Aristoteles-Universität Thessaloniki, im Jahre 2000 und 2003 folgten die jeweiligen Fakultäten der Universität Granada und der Katholischen Universität Lima, 2005 die Universität Brasília, 2007 die Universität Lissabon und 2009 die Universität Tiflis sowie die Universität Buenos Aires.[24]
Häberle ist Großoffizier der Italienischen Republik und wurde mit Ehrenmedaillen der Verfassungsgerichte in Rom und Lima ausgezeichnet. Seit 1998 ist er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 1996 korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 2007 wurde er Mitglied der Nationalen Akademie für Rechts- und Sozialwissenschaften Argentinien. 1992/1993 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
1997 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1998 den Max-Planck-Forschungspreis.
Am 11. Juli 2007 wurde er vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.[25] 2009 erhielt er das Ehrenkreuz der römischen Universität La Sapienza und wurde 2010 vom österreichischen Bundespräsidenten mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet.
Die Universität Granada hat 2010 ein rechtswissenschaftliches Institut nach Häberle benannt,[26] ebenso die Universität Brasília 2011.
2011 bekam Peter Häberle in Brasília die höchste Stufe des Cruzeiro do Sul vom brasilianischen Außenminister verliehen.[27] Ebenso wurde er 2011 in geheimer Wahl einstimmig als erster ausländischer Staatsrechtslehrer in die italienische Staatsrechtslehrervereinigung gewählt.
Zum 80. Geburtstag veranstaltete die Universität Lissabon 2014 ein internationales Kolloquium, schon zuvor die Universität La Sapienza ein solches in Rom (2013) und ebenso die Universität Montpellier (2013). 2014 wurde ihm der internationale „Héctor Fix-Zamudo Preis“ von der Universität Mexiko-Stadt für herausragende rechtswissenschaftliche Leistungen sowie die Ehrenmedaille der Universität Lissabon verliehen.
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