Litiskontestation
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Die Litiskontestation (lat. litis contestatio; „gerichtliche Streitbezeugung“) ist eine Prozessrechtsfigur, die ihre Wurzeln im altzivilen römischen Prozessrecht hat und große Bedeutung für das Prozesswesen bis tief in das 19. Jahrhundert behielt. Bezeichnet wird mit ihr die Erwiderung des Beklagten auf die ihm gegenüber erhobene Klage. Der Beklagte ließ sich mit ihr auf die gerichtliche Verhandlung zur Sache ein, was zur Streitbefestigung führte.[1]
Über die Rezeption des römischen Rechts, die ab dem 12. und 13. Jahrhundert im Hochmittelalter Fahrt aufnahm, wurde sie auch ein unverzichtbarer Formalakt für das deutsche Zivilverfahrensrecht. Mit Inkrafttretung der Zivilprozessordnung (ZPO) im Jahr 1879, verständigt sich der Zivilprozess auf die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten.
Die Litiskontestation weist erhebliche Ähnlichkeiten mit der deutschrechtlichen „Klagengewere“ auf,[2] bei der es sich um eine dem Beklagten durch den Kläger prozessvertraglich eingeräumte Klagebefugnis handelt. Die deutschrechtlichen Anschauungen basieren vornehmlich auf dem sächsischen Prozessrecht. Nach Auffassung der Rechtsforschung sollte es sich dabei allerdings eher um eine Parallelerscheinung handeln, denn entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge der beiden Rechtsinstitute können nicht festgestellt werden.
Römisches Recht
Zusammenfassung
Kontext
Im frühesten römischen Streitverfahren, dem Legisaktionenverfahren, traf den Beklagten eine selbstverständliche Mitwirkungspflicht an der Verfahrensbegründung. Wirkte er an der Streitbezeugung nicht freiwillig mit (indefensio), konnte er – im Rahmen der geltenden Regeln zu einem in ius vocare, weil ansonsten eine actio iniuriarum drohte – mittels eines Exekutionsverfahrens (Zwangsvollstreckung in die Person) durch Handanlegung (manus iniectio) dazu gezwungen werden.[3] Sobald der Beklagte sich daraufhin auf den Streit einließ, aber auch dann, wenn er die gegen sich gerichtete Forderung bestritt, wurde das Verfahren in iure vor dem Träger der öffentlichen Gerichtsbarkeit (iurisdictio) beendet. Gegebenenfalls wurden im rituellen Modus vorher noch Zeugen benannt. Die litis contestatio war mit der abschließenden Richterbenennung hergestellt und es konnte der zweite Verfahrensabschnitt vor dem Richter oder einer Richterbank (apud iudicem) zur Parteianhörung und Beweisaufnahme aufgenommen werden. Nach der Streitfestsetzung erneut erhobene Klagen wurden denegiert.[4]
Im Formularprozess beendete die litis contestatio das Verfahren vor dem Prätor (in iure), in welchem der Streitgegenstand festgelegt wurde, ebenfalls.[5] Es umfasste nicht zwingend bereits die Richtereinsetzung für den Prozess (apud iudicem) mit Beweisaufnahme und Urteilsspruch, allerdings trat in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen bereits der Klagerechtsverbrauch ein. Der Beklagte leistete (dare oportere) nicht mehr auf die gegen ihn gerichtete Forderung im zivilrechtlichen Sinne, er wurde nur noch verurteilt (condemnari oportere).[6] Die Litiskontestation steht insoweit begrifflich mit testatio und testamentum im Zusammenhang, eine Erklärung vor Zeugen, die – gefasst in formula – die Errichtung einer Zeugenurkunde bewirkt.[7]
Im Kognitionsverfahren, das den Formularprozess ablöste, erfolgte die litis contestatio durch die kontradiktorischen Sachverträge der Parteien beziehungsweise derer Vertreter. Verfahrenshindernisse,[8] wie dilatorische oder Peremptorische Einrede (exceptiones), Zuständigkeits- und Besetzungsrügen oder die fehlende Prozessfähigkeit (Minderjährigkeit, Wahnsinn) der Gegenpartei waren zuvor zu klären.[9]
Literatur
- Klaus Ebeling, Jürgen Weitzel: Klagengewere. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Band 2, 16. Lieferung, Berlin 2011. Sp. 1862–1864.
- Hugo Krüger: Schloßmann, Siegmund, Litis contestatio. Studien zum römischen Zivilprozeß. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 26, Heft 1, 1905. S. 541–549.
- Berthold Kupisch: Cicero ad Atticum 16, 15, 2: Zur litis contestatio im Formularprozeß. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 96, Heft 1, 1979. S. 43–64.
- Theo Mayer-Maly: Günther Jahr, Litis contestatio, Streitbezeugung und Prozeßbegründung im Legisaktionen- und im Formularverfahren. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 78, Heft 1, 1961. S. 493–504.
- Steffen Schlinker: Litis contestatio. Eine Untersuchung über die Grundlagen des gelehrten Zivilprozesses in der Zeit vom 12. bis zum 19. Jahrhundert. (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 233), Klostermann, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-465-04054-5.
- Wolfgang Sellert: Litis contestatio. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Band 3, 21. Lieferung, Berlin 2014. Sp. 1018–1024.
Anmerkungen
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