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österreichisches Chemieunternehmen mit Sitz in Lenzing Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Lenzing-Gruppe ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das aus dem Rohstoff Holz Fasern herstellt. Diese Fasern sind Ausgangsmaterial für eine Vielzahl von Textil- und Vliesstoff-Anwendungen, kommen aber auch in technischen Anwendungen sowie in Schutz- und Arbeitskleidung zum Einsatz. Namensgeber ist die oberösterreichische Marktgemeinde Lenzing, in der das Unternehmen seinen Sitz hat.
Lenzing AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
ISIN | AT0000644505 |
Gründung | 1938 |
Sitz | Lenzing, Österreich |
Leitung |
|
Mitarbeiterzahl | 7.917[2] |
Umsatz | 2.521 Mio € (2023)[2] |
Branche | Mischkonzern |
Website | www.lenzing.com |
Stand: 31. Dezember 2023 |
Lenzing produziert und vertreibt hauptsächlich auf der Basis von Cellulose Viskosefasern, Modalfasern, Lyocellfasern und Lyocell-Filamentgarne, die in der Textilindustrie – im Bereich Bekleidung, Heimtextilien und technische Textilien – als auch in der Nonwovens-Industrie eingesetzt werden. Daneben ist das Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau aktiv. Ihre Produkte vermarktet die Lenzing-Gruppe unter den Markennamen Tencel, Veocel, Lenzing, Ecovero und Lenzing.[3]
Die Geschichte des Unternehmens kann man bis ins Jahr 1892 zurückverfolgen. Der Ternitzer Fabrikant Emil Hamburger ersteigerte die „Starlingermühle“ in Lenzing und errichtete darin eine Zellstoff- und Papierfabrik. Es erfolgte eine Erweiterung durch die „Mühle in der Au“ in Pettighofen.[4]
1907 wurde unter Führung der Anglo-Österreichische Bank die Lenzinger Papierfabrik-Aktiengesellschaft in Wien gegründet. Gegenstand des Unternehmens war zunächst die Erwerbung und Ausgestaltung der im Besitze der Firma Emil Hamburger befindlichen Zellulose- und Papierfabrik in Lenzing, der Papierfabrik und Holzschleiferei in Pettighofen und der Holzschleiferei und des Sägewerkes in Schörfling.[5]
1935/36 wurde die Aktienmajorität von der Familie Bunzl erworben und die Gesellschaft dem Interessenkreis der Bunzl & Biach AG, Wien angegliedert. Das Unternehmen wurde ausgebaut und modernisiert.[6]
Nach der Einverleibung Österreichs in das Deutsche Reich wurde Ende Mai 1938 von der Thüringischen Zellwolle AG, Schwarza/Saale die Zellwolle Lenzing AG in Lenzing gegründet, wobei die österreichische Industrie 50 % des Aktienkapitals zeichnete. Anfang Juli wurde in Lenzing mit dem Neubau einer Zellwollefabrik begonnen. Die Aufnahme der Produktion erfolgte im September 1939.[6] Generaldirektor wurde der NSDAP-Gauwirtschaftsberater Walther Schieber.[7] Im Zuge der „Arisierung“ des Bunzl-Konzerns durch die Oesterreichische Kontrollbank für Industrie und Handel ging 1940 die 1939 in Lenzinger Zellstoff- und Papierfabrik AG umbenannte Lenzinger Papierfabrik-Aktiengesellschaft in die Gesellschaft auf.[8] Das fusionierte Unternehmen wurde in Lenzinger Zellwolle- und Papierfabrik Aktiengesellschaft umbenannt.[9] Um dem durch die laufenden Einberufungen zum Kriegsdienst entstandenen Arbeitskräftemangel abzuhelfen, wurden bald Zwangsarbeiter eingesetzt. Drei Lager entstanden im Areal der stillgelegten Papierfabrik Pettighofen an der Agerstraße. Im „Zivilarbeiterlager“ (Wohnlager 505) waren Menschen aus mehr als 17 Nationen untergebracht. Die „Russenbaracke“ wurde für russische Kriegsgefangene eingerichtet. Zuletzt wurde ein Außenkommando des KZ Mauthausen eingerichtet, um weibliche KZ-Häftlinge einsetzen zu können. Die ersten Frauen kamen am 3. November 1944 von Mauthausen nach Lenzing, im Jänner 1945 wurde mit 565 Frauen der Höchststand erreicht. Das Lager wurde am 8. Mai 1945 von der 3. US-Armee befreit, nachdem Paul Le Caër die Truppen von der Existenz des Lagers unterrichtet hatte.[10]
Die geplante Zerstörung des Werks konnte von Widerstandsgruppen verhindert werden.[6]
Ende der 1940er Jahre umfasste der Gesamtkomplex der gesellschaftlichen Betriebe eine Holzschleiferei, eine Zellstoff- und Papierfabrik und ein Zellwollewerk in Lenzing, ein Sägewerk in Schörfling sowie je ein Wasserkraftwerk in Lenzing und Pettighofen. Erzeugt wurden Zellwolle, Papier, Holzschliff, Schnittholz, Glaubersalz (als Abfallprodukt). Der Beschäftigtenstand lag damals bei über 2300 Arbeiter und Angestellte. 1949 erfolgte die Rückstellung der im Jahre 1940 übernommenen Lenzinger Zellstoff- und Papierfabrik an die Vorbesitzer dieses Unternehmens vor 1938 (die Bunzl-Konzern Holding AG, Zug/Schweiz), welche es ihrerseits in die wiederhergestellte Lenzinger Zellulose- und Papierfabrik AG einbrachte. Gleichzeitig wurde der Firmenwortlaut auf die ursprüngliche Form Zellwolle Lenzing AG rückgeändert. Den weiterhin bestehenden mannigfachen wirtschaftlichen Querverbindungen zwischen den gesellschaftlichen und den abgetrennten Betriebsstätten wurde durch geeignete Abmachungen Rechnung getragen. 1962 erfolgte im Hinblick auf die beabsichtigte Aufnahme der Produktion von synthetischen Fasern Firmenänderung auf Chemiefaser Lenzing Aktiengesellschaft. Der Besitzstand der Gesellschaft umfasste damals die Zellwollefabrik, eine Herbst 1951 in Betrieb genommene Zellglasfabrik sowie ein eigenes Kraftwerk. 1964 wurde mit der Firma Courtaulds Limited, London ein Übereinkommen, das eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung, der Verfahren und der Produktion für Viscose-Fasern vorsieht abgeschlossen. 1965 wurde in Lenzing mit dem Bau einer Anlage für Schwefelsäureerzeugung[11] begonnen, welche Ende desselben Jahres in Betrieb ging. 1967 wurde eine Anlage für die Herstellung von synthetischen Folien und Bändchen aus Polyäthylen und Polypropylen für die Verpackungswirtschaft errichtet. 1966 wurde gemeinsam mit der Farbwerke Hoechst AG vormals Meister Lucius & Brüning, Frankfurt a. M. die Austria Faserwerke GesmbH gegründet, die in Lenzing eine 1967 in Betrieb genommene Anlage zur Erzeugung von Polyesterfasern mit dem Markennamen Trevira sowie Konverter- und Reißkabeln aus Polyethylenterephthalat nach einem Lizenzverfahren der Farbwerke Hoechst AG errichtete.[12]
1969 erwarb die Gesellschaft sämtliche Aktien der Lenzinger Zellulose- und Papierfabrik AG, mit welcher bereits seit Jahren eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit bestand. Dieses Unternehmen ging im Wege der Verschmelzung in die Chemiefaser Lenzing AG auf.[13]
Im Jahr 1979 erhielt das Unternehmen die Staatliche Auszeichnung[14] und darf seither das Bundeswappen im Geschäftsverkehr verwenden.
1984 erhielt die Gesellschaft den heutigen Namen Lenzing AG. Ein Jahr später wurden ihre Aktien an der Wiener Börse gehandelt.[15]
Hauptaktionär der Lenzing AG ist heute mit 52,25 Prozent die österreichische Beteiligungsgesellschaft B&C-Gruppe[16], eine Managementholding der B&C Privatstiftung, die unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen Dritter agiert.[17]
Wichtigste Tochter der Firma ist die PT. South Pacific Viscose, der laut Unternehmensmarketing weltgrößte Produzent für Viskosematerialien.
2008 wurde der Polyacrylfaserbereich (DOLAN) der Kelheim Fibres GmbH übernommen, die übrigen Faserbereiche durften aus kartellrechtlichen Gründen nicht an Lenzing veräußert werden.
Seit dem 28. Juli 2009 besitzt die Lenzing-Gruppe 40 % der indonesischen Holdinggesellschaft Pura Golden Lion (PGL), einer Handelsgesellschaft, die den lokalen Faserverkauf für die PT. South Pacific Viscose betreibt. Lenzing stärkt damit seine Position auch am ost- und südostasiatischen Fasermarkt und erhöht indirekt die Beteiligung an der Tochtergesellschaft PT. South Pacific Viscose von 86 % auf rund 91 %.[18] Ende Oktober 2012 wurde dort eine weitere Produktionslinie in Betrieb genommen. Mit nunmehr 320.000 Tonnen/Jahr war die South Pacific Viscose im Jahr 2012 laut eigenen Angaben das größte Viscosefaserwerk der Welt.[19]
Die Lenzing AG übernahm im April 2010 zu 75 % den tschechischen Zellstoffhersteller Biocel Paskov A.S. Verkäufer war die österreichische Heinzel Holding, die zu 25 % an dem Unternehmen beteiligt blieb und weiterhin für den Vertrieb von Papierzellstoff zuständig war. Im Oktober 2012 übernahm Lenzing auch die restlichen 25 %.[20]
Die Lenzing Plastics GmbH wurde an die Invest AG verkauft.[21] Im Geschäftsjahr 2012 hatte die Lenzing Plastics GmbH einen Umsatz von EUR 109,4 Mio. bei einem EBITDA von EUR 11,2 Mio. erwirtschaftet.
In einem Joint Venture mit Duratex (49 %), einem großen Hersteller von Holzpaneelen in der südlichen Hemisphäre, sollte fremdfinanziert um 1,3 Mrd. USD ein Zellstoffwerk nahe São Paulo im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais errichtet werden. Die Inbetriebnahme war für das 1. Halbjahr 2022 geplant.[22]
In Europa bestehen neben dem Hauptsitz in Lenzing (Oberösterreich) Niederlassungen in Heiligenkreuz (Burgenland), im englischen Grimsby sowie in Paskov (Tschechische Republik). Weitere Unternehmensstandorte befinden sich in Mobile (Vereinigte Staaten), in Purwakarta (Indonesien) sowie im chinesischen Nanjing. Büros werden unterhalten in New York, Istanbul, Singapur, Seoul, Shanghai, Hongkong, Jakarta und Coimbatore.[23]
Am Hauptstandort in Lenzing entstand 2014 zusätzlich zur Viscose-Produktion eine Lyocell-Produktionsanlage, die jährlich 67.000 Tonnen Cellulosefasern produziert. Das Investitionsvolumen betrug ca. 150 Mio. €.[24]
Um 1970 wurde Zellstoff nach dem Sulfit- oder Sulfatverfahren hergestellt. Lenzing liegt in einer Senke, der Betrieb hat seit 1929 einen hohen Ziegelschlot. Immission von Schwefelwasserstoff oder Merkaptan – vulgo „Geruch nach faulen Eiern“ – war viele Jahre um 1970 je nach Windsituation an manchen Tagen zeitweise penetrant zu riechen, etwa 7 km entfernt im Südwesten in Litzlberg. 1975 wurde im Betrieb eine Umweltschutzabteilung eingerichtet.[25]
Laut einem Bericht der ukrainischen Zeitung Kyiv Post ist die Lenzing AG in Korruption und illegalen Holzhandel mit der Ukraine verstrickt. Auch der zuletzt im März 2020 aktualisierte Environmental Justice Atlas der Autonomen Universität Barcelona gibt dies an.[26] Laut der Zeitung hat das Londoner Umweltüberwachungsunternehmen Earthsight herausgefunden, dass die österreichischen Unternehmen Schweighofer, Kronospan, Lenzing, JAF-Gruppe sowie das Schweizer Unternehmen Swiss-Krono und eine polnische Fabrik des amerikanischen Konzerns International Paper in illegale Machenschaften rund um den Import von ukrainischem Holz in die EU verwickelt seien. Die Untersuchung brachte Beweise dafür, dass Rundholz aus der Ukraine in Zollanmeldungen als Brennholz falsch bezeichnet wurde, um das seit 2015 geltende Verbot von Rundholzexporten und das seit 2017 geltende Verbot von Kiefernholzexporten zu umgehen. Zuvor fanden journalistische Untersuchungen von Reportern der Kiewer Post und des Projekts zur Berichterstattung über organisierte Kriminalität und Korruption Beweise für die Beteiligung der österreichischen Firma Schweighofer am illegalen Holzeinschlag in der Ukraine. Schweighofer hat auch die Europäische Union aufgefordert, Druck auf die ukrainischen Regierungsbeamten auszuüben, um das Moratorium aufzuheben, so die Untersuchungsergebnisse.[27] Nach einem Bericht des World Wide Fund for Nature (WWF) aus dem Jahr 2018 wurde bis zu einem Viertel des Karpatenholzes illegal geschlagen – ohne Genehmigung und in unbefugten Gebieten wie Nationalparks. Das entspricht einer Million Kubikmeter Holz pro Jahr.[28][29][30]
Wegen des Maskenbedarfs im Zuge der Covid-19-Pandemie gründeten Lenzing (50,1 %) und Palmers (49,9 %) im April 2020 das Gemeinschaftsunternehmen Hygiene Austria LP GmbH. Im Februar 2021 strebt Lenzing die Entscheidungsmehrheit durch Änderung des Gesellschaftsvertrags an, ohne die Anteile zu ändern.[31]
Anfang März 2021 wurde bekannt, dass es an den Standorten der Hygiene Austria zu Hausdurchsuchungen gekommen ist. In den nächsten Tagen fiel die Aktie der Lenzing AG daraufhin um bis zu 20 %. Ab Ende Dezember 2021 wurde die Aktie wieder zum gleichen Preis gehandelt.[32][33]
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