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Lehmputz wird als Wand- und Deckenputz im Innen- und Außenbereich eingesetzt. Die Verwendung von Lehmputz zählt zu den ältesten Bautechniken der Menschheit, da die Rohstoffe weit verbreitet, leicht verfügbar und einfach zu verarbeiten sind. In Mitteleuropa ist er erstmals bei Häusern der ungarischen Körös-Kultur nachgewiesen.[1]
Als natürlicher Baustoff mit günstigen Eigenschaften ist der Lehmputz seit Ende des 20. Jahrhunderts in das Zentrum der Aufmerksamkeit von Bauherren, Architekten und Innenausstattern geraten. Der Einsatz von Lehmputzen bei der Gestaltung von Innenräumen und Außenwänden erzeugt durch spezielle Anwendungsformen eine dekorative Wirkung, so etwa als farbiger Dekorputz.
Lehmputze können nach ihrer Schichtstärke, nach ihrer Verarbeitung, nach dem Werkzeug, mit dem sie aufgebracht werden, oder nach ihrem Einsatzbereich unterschieden werden.
Lehmputze enthalten in der Regel einen Faserzusatz, der insbesondere die Bildung von sichtbaren Rissen beim Trocknen des Putzes reduziert, aber auch Festigkeit und Verarbeitbarkeit verbessern kann. Lehmputz ohne Faseranteil wird im Handel auch als rein mineralisch angeboten und eignet sich zur Verwendung in Räumen, in denen mit erhöhter Luft- oder Materialfeuchte zu rechnen ist. Unter Umständen trocknet Lehmputz ohne Faseranteil nach dem Auftragen etwas schneller ab. Zur Vermeidung von sichtbaren Rissen werden rein mineralischem Fertigmörtel besonders genau abgestufte Zuschläge beigemischt. Er sollte zudem mit wenig Wasser angerührt oder nach dem Auftrag und gegebenenfalls während des Abtrocknens nochmals mit der Glättkelle verdichtet werden.
Als Grobfaser wird häufig fein geschnittenes Gerstenstroh mit einer Länge von etwa 5 bis 30 mm verwendet, da Gerstenstroh weniger leicht schimmelt, als Roggen- oder Weizenstroh. Traditionell wurde dem Lehm getrockneter Tierdung, wie Kuhfladen und Pferdeäpfel zugesetzt, die einen großen Anteil gut aufbereiteter, feiner Pflanzenfasern enthalten.[4] Feine Fasern wurden oft in Form von Tierhaar beigemischt, insbesondere im Oberputz. Heute werden unter anderem (gewolfte) Kälberhaare und Schweineborsten verwendet.[5]
Lehmputz besteht aus Ton, Sand und Schluff (Feinstsande). Er härtet durch die besonderen strukturellen Eigenschaften des Tons allein durch Verdunstung von Wasser und haftet durch mechanische Verkrallung am Untergrund. Die feinen plättchenförmigen Tonbestandteile wirken dabei als Verbund beziehungsweise als „Klebstoff“.
Zur Verbesserung der Eigenschaften wie Verarbeitbarkeit, (Riss)festigkeit, Haftung, Abrieb- und Feuchtigkeitsbeständigkeit und Oberflächenstruktur oder zur Einfärbung von Oberputzen werden dem Lehmputz je nach Einsatzbereich verschiedene Materialien beigemischt. Dazu gehören beispielsweise Pigmente; Gesteinsmehle wie Marmormehl; Fasern wie Zellulose, gehäckseltes Stroh oder Heu, Kuh- oder Pferdedung, Tierhaare; eiweißhaltige Stoffe wie Molke, Quark, Tierblut; (hydraulische) Bindemittel wie Silikate, Kalk oder Zement.[7][8]
In manchen Trockengebieten der Subtropen wird der Lehmputz traditionell über die gesamte Außenhaut des Hauses inklusive des Dachs gezogen. Um die Widerstandsfähigkeit gegenüber den seltenen aber oft heftigen Niederschlägen zu erhöhen, werden dem Lehm verschiedene organische (Faser)Stoffe oder heutzutage auch Zement beigemischt.[9] In manchen Regionen wird der Putz nach dem Auftrag durch Schlämmen oder Sperranstriche auf pflanzlicher Basis oder durch die Mischung mit Teer witterungsbeständiger gemacht.[10]
Lehmputz ist wasserlöslich. Im Außenbereich ist er damit in niederschlagsreichen Regionen Einschränkungen unterworfen und sollte an Wetterseiten von Gebäuden sowie im Sockelbereich nicht ungeschützt verwendet werden. In Innenräumen dagegen besitzt der Lehm besonders durch seine feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften viele Vorteile gegenüber konventionellem, zementgebundenem Putzmörtel.
Die hohe Bindekraft des Lehms, welche er als Rohstoff bereits aufweist, kann zusätzlich durch die Beigabe von Pflanzenstärke und Fasermaterial (Stroh, Schilf, Pferdedung, Zellulose) verbessert werden. Wie bei anderen Baustoffen (beispielsweise Kalk- oder Gipsmörtel, Beton) sorgt eine ausgewogene Sieblinie für eine widerstandsfähige, harte Oberfläche von hoher Festigkeit. Bei geeigneter Verarbeitung ist der Einsatz von Lehmputz selbst in Badezimmern außerhalb des Spritzwasserbereiches möglich.
Lehm haftet sehr gut auf den unterschiedlichsten Materialien. Sehr saugfähige Untergründe müssen gegebenenfalls vorgenässt werden. Auftrag und Haftung können auch durch einen Grundierungsanstrich mit Lehmschlämme verbessert werden.
Ein Lehm-Oberputz mit einem Zusatz von Gerstenstroh besitzt beispielsweise eine Biegezugfestigkeit von 0,78 N/mm², eine Druckfestigkeit von 2,1 N/mm², eine Haftfestigkeit von 0,30 N/mm² und der Abrieb wird mit 0,6 g ermittelt.[11]
Nachdem die alten Normen für Lehmbaustoffe in der Nachkriegszeit außer Kraft gesetzt worden waren, werden neuerdings die Begriffsbestimmungen in der DIN 18942-1, Lehmmauermörtel in der DIN 18946 und Lehmputzmörtel in der DIN 18947 behandelt.
Die Gesteinskörnung wird durch eine Nasssiebung nach DIN EN 1015-1 klassifiziert und nach DIN EN 12139 bezeichnet.[12]
Die Korngruppe benennt die untere (d) und obere (D) Siebgröße und wird als d/D angegeben. Wenige Körner dürfen auf dem oberen Sieb liegenbleiben und werden als Überkorn bezeichnet. Ebenso dürfen einige Körner durch das untere Sieb fallen und werden Unterkorn genannt. Größtkorn bezeichnet die Öffnungsweite des oberen Prüfsiebes D der Korngruppe in dem keine oder nur einzelne Überkörner verbleiben.
Im Produktdatenblatt eines Werksmörtels muss neben der Korngruppe auch die Überkorngröße angegeben werden, welche die Öffnungsweite des Prüfsiebes bezeichnet, in dem keinerlei Rückstand mehr verbleibt. Die Grenzwerte für Lehmmörtel sind in den DIN 18946 und 18947 enthalten.[13]
Grundsätzlich wirken sich alle Wandbeschichtungen auf das Raumklima aus: diffusionsoffene, also „dampfdurchlässige“ Beschichtungen, kapillarleitfähig ausgeführt, ermöglichen es, dass dahinter liegende Wandschichten Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben können. In Verbindung mit der Eigenschaft des Lehmputzes, sehr viel Feuchtigkeit aufzunehmen (bis zu neunmal so viel wie Gips), bildet sich ein Klimapuffer an der Wand, der Feuchte aufnimmt und sie bei geringer Luftfeuchtigkeit wieder abgibt. Lehmputze stehen mit diesen Eigenschaften im Gegensatz zu sogenannten „filmbildenden“ Oberflächen wie Dispersionsfarbe und Latexfarbe, die wenig oder keine Feuchte in dahinterliegende Schichten hindurchlassen.
Den größten Einfluss auf die Fähigkeit des Lehmputzes für die Klimapufferwirkung hat die Fläche der verputzten Wand. Die Schichtstärke des Lehms ist bei der Nutzung von Räumen von nachrangiger Bedeutung, denn mehr als 80 % der Feuchtigkeit wird zunächst in den oberen zwei Millimetern der Lehmwand gebunden.[14] Lediglich 10 mm sind bei „normalem Wohnverhalten“ für die „Klimapuffer-Wirkung“ relevant, da die Reaktionsfähigkeit starker Putzlagen (> 20 mm) zu träge ist, um auf die ständig wechselnde Raumluftfeuchte reagieren zu können.
Lehm speichert Wärme (in Abhängigkeit von der eingebauten Menge) und aufgrund der hohen spezifischen Wärmekapazität sind Lehmwände in der Lage Temperaturunterschiede auszugleichen. Die Wärmeleitfähigkeit beträgt 0,47… 0,93 W/(m·K).
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