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Fachsprache der Rechtswissenschaften und Rechtsanwender und Forschungsgegenstand der Rechtslinguistik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die juristische Fachsprache oder juristische Terminologie, umgangssprachlich auch als Juristendeutsch, Amtsdeutsch oder Juristenlatein bezeichnet, ist die in den Rechtswissenschaften gebräuchliche Fachsprache und Forschungsgegenstand der Rechtslinguistik. Sie zählt zu den frühesten Fachsprachen, die seit dem 19. Jahrhundert intensiv untersucht werden.
Recht selbst kann nur durch Sprache zum Ausdruck gebracht werden. Daher spielt insbesondere die Hermeneutik eine gewichtige Rolle, die als juristische Methode Eingang in die Lehre der Rechtswissenschaften gefunden hat.
Auch die Effizienz des juristischen Systems wird von der Sprache getragen. Um den enormen Anforderungen an die Komplexität und Präzision Rechnung zu tragen, bedarf es einer kalkülartigen Fachsprache, die dadurch für den rechtsunkundigen Laien oftmals schwer oder nicht verständlich wirkt. Dies ist gerade im deutschen Recht besonders deutlich. So ist das Bürgerliche Recht mit dem BGB als zentraler Quelle von einem hohen Abstraktionsgrad gekennzeichnet, der für den Rechtskundigen eine Lösung für eine Vielzahl unterschiedlicher konkreter Rechtsfragen bereithält. Der juristische Laie kann dies jedoch gerade wegen des Abstraktionsgrades und der speziellen Fachsprache oft nicht erfassen. Juristische Termini werden teilweise umgangssprachlich verwendet, meist mit anderen Bedeutungen als bei beruflichen Rechtsanwendern.
Die Anwendung der juristischen Fachsprache lässt sich anhand des Kommunikationsmodells veranschaulichen. Die Basis dessen ist das sogenannte Kommunikationsdreieck: Ein Sprecher (Gesetzgeber, Richter …) sendet eine Nachricht (Gesetz, Urteil …) an einen Empfänger (Bürger, Angeklagter …). Hierbei handelt es sich zunächst um eine Ein-Weg-Kommunikation, bei der jedoch die Möglichkeit zum Dialog besteht, indem der Empfänger seinerseits auf die Nachricht reagiert. Die juristische Fachsprache findet mündlich hauptsächlich vor Gerichten und in (Verwaltungs-)Institutionen statt. Anders in schriftlicher Form: Hier findet sie nicht nur in Normtexten (wie Gesetzestexten, Verordnungen), gerichtlichen Entschlüssen (Beschlüsse, Urteile), Verwaltungsentscheidungen und wissenschaftlichen Texten aus der Kommentar- und sonstigen juristischen Literatur Verwendung, sondern auch im Alltag eines jeden Bürgers. Beispiele hierfür sind alle Bereiche des gesellschaftlichen Handelns und der gesellschaftlichen Institutionen, die im weitesten Sinne von juristischen Regeln erfasst werden, wie Parteien oder Vereine (Verträge …). Roelcke zufolge wird die juristische Fachsprache dort verwendet, wo es um den Bereich der Anwendung von Ergebnissen geht: In der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der öffentlichen Verwaltung.[1]
Da die juristische Fachsprache eine Praxissprache bzw. Institutionensprache ist, ist sie gekennzeichnet durch einen erhöhten Anteil an Fachwörtern, eine strenge Regelung des Satzbaus und einen schwachen Gebrauch an künstlichen Symbolen. Da die juristische Fachsprache unterschiedliche Adressaten aufweist und sich auch an Nicht-Juristen richtet, unterliegt sie den folgenden drei Geboten:
Dies zeigt sich an dem schmucklosen Gebrauch verallgemeinernder und typisierender Begriffe, blassen Verben und einem betont sachlichen und nüchternen Stil. Um die Vielfalt an Gesetzen und Gesetzesfällen abzudecken, bedient sich die juristische Sprache möglichst nicht kasuistischer Formeln, sondern allgemeiner Ausdrücke.
Der Wunsch nach einer knappen, tatbestandsgenauen juristischen Fachsprache führt zu einer starken Nominalisierung von Tätigkeitswörtern, was wiederum zu einem erhöhten Rückgriff auf Adjektive (nicht auf Adverbien) führt. Unabhängig von der Fachsprache vermeiden viele Juristen und (mehr noch) Justizbehörden die Wörter „ich“ und „wir“, meistens durch Passiv-Konstruktionen.
Auch finden folgende sprachliche Phänomene vermehrt in der juristischen Fachsprache Verwendung:
Zudem sind spezifische Pluralformen sowie die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen (Bsp.: öffentliche Belange) auffällig. Letzteres soll der Objektivität der juristischen Fachsprache dienen.
Insbesondere in der Schriftform der juristischen Fachsprache finden sich lange Sätze, in der Regel Satzgefüge bzw. sogenannte „Schachtelsätze“.
Ein weiteres Merkmal der juristischen Fachsprache ist die inhaltliche „Überfrachtung“ aufgrund des hohen Verdichtungsgrades abstrakter Informationen. Gelegentlich weist die juristische Fachsprache eine Überschneidung mit der Umgangssprache auf, nämlich dann, wenn zentrale Gesetzesausdrücke wie „Gewalt“ oder „Widerspruch“ zugleich Wörter der Alltagssprache sind. Zudem zählen zur juristischen Fachsprache auch solche Rechtsbegriffe, die je nach juristischem Kontext voneinander abweichende Bedeutungen haben (Bsp.: Fahrlässigkeit deckt sich im Zivilrecht nicht mit der Bedeutung im Strafrecht). Nicht zuletzt ist die juristische Fachsprache geprägt von Formalien, die ein einwandfreies Verfahren des Rechtaktes bestätigen sollen, wie bestimmte Wendungen oder feststehende Redeformeln (Bsp.: Im Namen des Volkes).
Neben Fachtermini und charakteristischen Wendungen werden in der juristischen Fachsprache manche Bezeichnungen auch anders verwendet als in der Standardsprache.
Ähnlich wie in Deutschland existieren teilweise gravierende Unterschiede zwischen der Standardsprache und der juristischen Fachsprache. So entfällt in Österreich unter anderem in der Fachsprache oft der Gleitlaut „s“ zwischen zusammengesetzten Wörtern (also Schadenersatz statt Schadensersatz; Schmerzengeld statt Schmerzensgeld). In der Regel wird in der Juristensprache und in der damit verbundenen Auslegung von Gesetzen im Gegensatz zur Alltagssprache streng zwischen und und oder unterschieden, und hat demnach nur die Bedeutung von sowohl – als auch, oder ist nur im Sinne von entweder – oder zu verwenden. Unabdingbar bedeutet in der österreichischen Juristensprache, dass eine günstigere Regelung (zum Beispiel zu Gunsten des Arbeitnehmers) zulässig ist, während es in der Alltagssprache jede andere Regelung ausschließt.
Da das ABGB, das zentrale Gesetz des bürgerlichen Rechts in Österreich, aus dem Jahre 1811 stammt, ist die darin verwendete Sprache, trotz zahlreicher Novellen, teilweise veraltet.
Auch in der Schweiz weicht die juristische Fachsprache von der Alltagssprache ab. Die Besonderheiten der juristischen Fachsprache bestehen in ihrer[2]
„Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen“ (Art. 641 Abs. 1 ZGB). Gesetzliche Regelungen sollen immer eine ganze Gruppe von Fällen erfassen. Die Kasuistik ist in der heutigen Gesetzgebung weitgehend überwunden. Stattdessen geht der Gesetzgeber bewusst davon aus, dass eine gesetzliche Ordnung immer und unvermeidlich lückenhaft bleiben muss, formuliert die Regelungen abstrakt und vertraut hinsichtlich der jeweils angemessenen Anwendung im Einzelfall auf die Fähigkeit der Gerichte.
Präzision und Logik haben Vorrang vor Eleganz und Ästhetik. Dadurch sollen klare und unmissverständliche Texte entstehen.
Gesetze beschränken sich in der Regel auf das Wichtigste, nicht zuletzt im Dienste der Übersichtlichkeit. Manchmal weisen sie allerdings auch einen beachtlichen Detaillierungsgrad auf; meist ist dies der Fall in Rechtsgebieten, wo nicht der Grundsatz der Privatautonomie herrscht und die der Staat zum Schutz Einzelner oder der Allgemeinheit weitestgehend durch zwingendes Recht geregelt hat. Insbesondere Verträge neigen zur Ausführlichkeit, um möglichst alle erdenklichen Eventualitäten zu regeln.
Vor allem Spezialgesetze, die sich mit technischen Materien befassen und sich in erster Linie an Fachleute und spezialisierte Behörden richten, weisen oft eine hohe Technizität auf.
Die Gesetzessprache besteht oft darin, dass sie juristische Fachausdrücke verwendet, deren Bedeutung bisweilen nicht oder nur teilweise mit dem alltäglichen Sprachgebrauch übereinstimmt. Wenn das Gesetz keine Legaldefinitionen verwendet, muss ihre Bedeutung erst durch Auslegung des Gesetzestextes erschlossen werden.
Eine Eigenart der Rechtssprache besteht darin, dass ein und dieselbe Bezeichnung je nach Rechtsgebiet oder Zusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung haben kann (in der Schweiz wie in Deutschland hat das Wort „Schuld“ im Schuldrecht und im Strafrecht einen unterschiedlichen Inhalt).
Auch in der Schweizer Rechtssprache trifft man – wegen des Einflusses des römischen Rechts auf die heutige Rechtsordnung – häufig auf lateinische Wörter und Wendungen.
Juristische Fachsprache gilt vielen Rechtslaien oft als unverständlich oder verwirrend. Dies hat verschiedene Gründe; zum einen ist die Rechtsterminologie schlicht ungewohnt, zum anderen hat sich gerade dort veralteter Sprachgebrauch lange gehalten (viele Formulierungen in Gesetzen sind über 100 Jahre alt; das BGB bspw. trat 1900 in Kraft, das ABGB 1812).
Während Laien dem Wortlaut des Gesetzes oft große Bedeutung beimessen, ist er für Juristen nur eine von mehreren Auslegungsmethoden.
Die juristische Fachsprache ist im Alltag präsenter als etwa die mathematische oder naturwissenschaftliche Fachsprache. Dadurch ist sie näher an der Umgangssprache. Das führt dazu, dass Rechtslaien meinen, eine Wendung oder eine Norm zu verstehen, weil sie die verwendeten Wendungen kennen, nicht aber deren fachsprachliche Bedeutung. Dieses Phänomen tritt bei anderen Fachsprachen seltener auf, weil viele ihrer Benennungen in der Umgangssprache völlig unbekannt sind und vom Leser direkt als „unverständlich“ erkannt werden.
Wie jede Fachsprache erfüllt die juristische den Zweck, klare, unmissverständliche und eindeutige Anweisungen an die Zielgruppe zu geben. Durch Einflüsse des Europarechts und des internationalen Wirtschaftsrechts gibt es auch englische Termini in der juristischen Fachsprache.
Der Sinn vieler zusammenhängender Gesetze lässt sich auch auf folgende Formel bringen:
Die Rechtssprache ist ein Gegenstand von Diskussionen um das generische Maskulinum. Um 1988 begann das Bundesjustizministerium (BJM), sich mit dem Thema zu beschäftigen.[3] Es wird im vom BMJ herausgegebenen Handbuch der Rechtsförmlichkeit thematisiert.[4]
Michael Rami kritisierte in mehreren Beiträgen „Präpositionsverbrechen“,[5] abgenutzte Phrasen,[6] Tautologien, Pleonasmen und Redundanzen[7] sowie unnötigen Nominalstil („Ungerei“) im Juristendeutsch.[8]
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