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evangelischer Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Julius von Jan (* 17. April 1897 in Schweindorf/Württemberg; † 21. September 1964 in Korntal) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er gehörte wegen seiner aktiven Teilnahme als Vertrauensmann der Bekennenden Kirche und seiner offen in der Predigt zum Buß- und Bettag in Oberlenningen (heute ein Ortsteil von Lenningen) am 16. November 1938 formulierten Verurteilung der Novemberpogrome zu den wenigen Vertretern des christlichen Widerstands gegen die antisemitische Politik der Nationalsozialisten.
Julius von Jan wurde als viertes von sieben Kindern des Pfarrers Albert von Jan geboren. 1902 siedelte die Familie nach Gerhausen bei Blaubeuren um, wo von Jan die Grundschule besuchte. Danach ging er bis 1908 auf die Lateinschule in Blaubeuren. Nach bestandenem Landexamen besuchte er zwischen 1911 und 1914 die Evangelischen Seminare zuerst im Kloster Maulbronn und danach in der Oberstufe im ehemaligen Benediktinerkloster in Blaubeuren. Sein Kontakt zu Professoren und Mitschülern war sehr rege; er lernte mit großem Eifer und behielt diese Zeit als besonders fruchtbar in Erinnerung. Geprägt von einer patriotisch deutsch-nationalen Gesinnung, meldete er sich freiwillig zu Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914. Er war an den Fronten in Polen, Russland, Serbien, Belgien und Frankreich im Einsatz, wurde verwundet und geriet 1917 in britische Gefangenschaft. Die zwei Jahre der Seelsorge in der Gefangenschaft betrachtete er später als „gesegnete Erweckungszeit“. Dies half ihm über die tiefe Enttäuschung hinweg, welche die deutsche Niederlage und der Zusammenbruch des Kaiserreiches bei ihm verursacht hatten.
Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft verfolgte er auch weiter den Weg eines typischen Seminaristen in Württemberg und studierte Evangelische Theologie am Tübinger Stift der Eberhard Karls Universität. In Tübingen wurde er Mitglied der Studentenverbindung AG Rothenburg.[1] Im Sommer 1923 und im Frühjahr 1925 legte er die Erste Theologische Prüfung resp. die Zweite Theologische Prüfung ab und übernahm im Spätsommer die Pfarrstelle in Herrentierbach bei Blaufelden. 1927 heiratete er Martha Munz, mit der er zwei Kinder hatte. 1928 wechselte er in die Kirchengemeinde Brettach im Dekanat Neuenstadt am Kocher.
1935 übernahm Julius von Jan die Pfarrstelle in Oberlenningen am Fuße der Schwäbischen Alb und nicht weit von seinem Elternhaus. Pfarrer Rheinwald, sein Vorgänger, war infolge einer Auseinandersetzung mit dem NSDAP-Ortsgruppenleiter und der Polizei an Herzversagen gestorben. Schon kurz nach der Machtergreifung geriet Julius von Jan in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime und schloss sich der Bekennenden Kirche an. Er wirkte als Vertrauensmann im Dekanatsbezirk Kirchheim und trat für verfolgte Pfarrer ein, so 1934 für den Landesbischof Theophil Wurm und für Martin Niemöller. Hieraus resultierten Konflikte nicht nur mit staatlichen Stellen und der NSDAP, sondern auch mit den Deutschen Christen. Aber seine Kirchengemeinde stand weitgehend hinter ihm. Im Mai 1937 explodierte der Zeppelin Hindenburg in Lakehurst bei New York. Julius von Jan nahm dies zum Anlass, zur „Demut vor Gott“ zu mahnen und Stellung gegen die „politisierte deutsch-christliche Kirche“ zu beziehen. Das Wort Gottes bedeutete für Julius von Jan eine weitaus größere Verpflichtung als der Treueid eines Beamten gegenüber dem Staat, insbesondere einem Staat, dessen politisches System zur christlichen Bibel im Widerspruch stand.
Die antisemitische Politik nahm kontinuierlich stärkere Ausmaße an und gipfelte vor dem Holocaust in den Novemberpogromen zwischen dem 8. und dem 11. November 1938. Für Julius von Jan stand fest, dass es eine Sünde sei, angesichts dieser Verbrechen zu schweigen. Damit brachte er sich und seine Familie in Lebensgefahr. In seiner Bußtagspredigt am 16. November unter dem Titel „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ (Jer 22,29) eine Woche nach den Judenverfolgungen in Deutschland und dem zwischenzeitlich „eingegliederten“ Österreich verurteilte er die Unterdrückung und Verfolgung von Juden und Andersdenkenden. Er beklagte den Abfall von Gott und Christus und die Schuld, die das deutsche Volk mit diesem Unrecht auf sich geladen hatte, und sah deshalb großes Unheil auf Deutschland zukommen. Er tadelte insbesondere die mangelnde Unterstützung der württembergischen Kirchenleitung offen. Eine Woche später griff er das Thema erneut in seiner Predigt auf. Am 25. November wurde Julius von Jan von SA-Männern aus dem Parteikreis Nürtingen unter Dr. Walker und HJ-Bannführer Oskar Riegraf[2] als „Judenknecht“ beschimpft, schwer misshandelt und anschließend von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen. Nach Solidaritäts- und Sympathiebekundungen in Kirchheim/Teck während der Untersuchungshaft wurde er nach Stuttgart überführt, Ende März 1939 aus der Untersuchungshaft entlassen und der Gestapo überstellt. Am 13. April wurde er aus Württemberg und Hohenzollern ausgewiesen und fand mit seiner Familie Zuflucht in einem kirchlichen Heim der Bayerischen Landeskirche und anschließend in Ortenburg nahe Passau. Am 15. November 1939 wurde Julius von Jan von einem Sondergericht unter dem Vorsitz von Hermann Cuhorst in Stuttgart wegen Vergehens gegen den „Kanzelparagraphen“ und das „Heimtückegesetz“ zu 16 Monaten Haft verurteilt, von denen er fünf Monate in der Justizvollzugsanstalt in Landsberg am Lech absitzen musste. Die Kirchenleitung konnte zwar eine Einweisung in ein KZ verhindern, sie tadelte jedoch den politischen Inhalt und die „Polemik“ von Jans Predigt. Dies führte zu seiner Suspension und zu einem Disziplinarverfahren gegen ihn. Nach seiner Freilassung Ende Mai 1940 wirkte er für drei Jahre – er war für wehrunfähig erklärt – an verschiedenen Orten in Bayern. Mitte 1943 schickte man ihn als Artilleristen in einer Strafkompanie an die Ostfront in Russland und in der Ukraine; durch verleumderische Briefe der NSDAP-Kreisleitung Nürtingen sollte – wie er selbst berichtete – sein absichtliches Umkommen an der Front „nach Art des Urija“ betrieben werden. Eine Gelbsuchterkrankung ermöglichte Julius von Jan nach vier Monaten die Heimkehr; es folgten bis Kriegsende Stationierungen in Bayern, der Steiermark und Ungarn.
Nach einer kurzen Internierung durch das amerikanische Militär kehrte er im September 1945 in seine Gemeinde in Oberlenningen zurück, wo er herzlich aufgenommen wurde und weitere vier Jahre wirkte. In Zuffenhausen übernahm er 1949 seine letzte Gemeinde an der Johanneskirche. 1958 erlitt er infolge der anstrengenden Arbeit, aber auch als Spätfolge der Haft und des Krieges, ein Nierenversagen und einen Herzinfarkt, die ihn zur Aufgabe seiner Tätigkeit in der Gemeinde zwangen. Die Jahre seines Ruhestands verbrachte der zeitlebens dem schwäbischen Pietismus verbundene Julius von Jan in der Evangelischen Brüdergemeinde in Korntal, wo er auch noch als Krankenseelsorger tätig sein konnte.
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