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amerikanischer Schriftsteller Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
James Arthur Baldwin (* 2. August 1924 in Harlem, New York City, New York, Vereinigte Staaten; † 1. Dezember 1987 in Saint-Paul-de-Vence, Provence-Alpes-Côte d’Azur, Frankreich) war einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde.[1][2]
Viele seiner Arbeiten behandeln Themen wie Rassismus und Sexualität. Seine Erzählungen sind berühmt für den persönlichen Stil, in dem Fragen der Identität von Schwarzen und Homosexuellen und damit verbundener sozialer und psychologischer Druck zur Sprache kommen, lange bevor die soziale, kulturelle oder politische Gleichstellung dieser Gruppen erkämpft wurde.[3][2]
James Baldwin wurde 1924 in Harlem unter dem Namen James Arthur Jones als erstes Kind der alleinstehenden Mutter Emma Berdis Jones geboren; sein Vater ist unbekannt. Nach der Hochzeit der Mutter mit dem Fabrikarbeiter und Baptistenprediger David Baldwin, der im Zuge der Great Migration aus New Orleans nach New York gezogen war, wurde James im Alter von drei Jahren dessen Nachname gegeben. Emma und David Baldwin bekamen in den folgenden Jahren gemeinsam acht Kinder.[4]
James Baldwins Jugend im Ghetto war vor allem durch die Erfahrung von Armut, Deprivation und Diskriminierung ebenso wie durch den religiösen Fanatismus der store-front church bzw. Pentecostler- und Holiness-Bewegung geprägt, der seine Familie angehörte. Sein Vater konnte die große Familie kaum ernähren und suchte als fanatischer Laienprediger Trost und Kompensation in seinem Erwähltheitsbewusstsein und den Verheißungen eines besseren Lebens im Jenseits, wurde durch die Widersprüche in seiner eigenen Existenz aber schließlich in jenen Wahn getrieben („eaten up by paranoia“), den James Baldwin seitdem immer wieder als unausweichliche Folge des Rassenhasses dargestellt hat.[5]
Zu seinem Stiefvater hatte James schon in früher Jugend ein äußerst angespanntes und schwer gestörtes Verhältnis. Nach einem visionären Erweckungserlebnis als Vierzehnjähriger, das danach auch als Vorlage für die Erfahrungen des gleichaltrigen John Grimes in seinem stark autobiografischen Debütroman Go Tell it on the Mountain diente,[6] fand James Baldwin ab 1938 bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr in der Pfingstgemeinde des Stiefvaters Anerkennung als jugendlicher Prediger. Die Beziehung zum Stiefvater war fortan durch zunehmende Rivalität und Ablehnung durch diesen gekennzeichnet. Diese Ablehnung und der sittenstrenge religiöse Fanatismus David Baldwins spiegelten sich später als dominierende Themen in James Baldwins Werken wider.[7]
Obwohl James Baldwin zunächst in einer fanatischen Gläubigkeit wie sein Stiefvater „den Ausweg aus seinem Haß für die weißen Unterdrücker und seine Verachtung für die unterdrückten Schwarzen“ fand, wandte er sich nach drei Jahren erfolgreicher Predigertätigkeit 1941 von der Kirche ab, was zugleich die endgültige Entfremdung von seinem Stiefvater bewirkte. Baldwin war zu der Überzeugung gelangt, dass die Ghettokirchen nur eine Maske für „den Hass, Selbsthass und die Verzweiflung“ seien („a mask for hatred and self-hatred and despair“), und dass die Religion in Harlem ausschließlich eine „exquisite Rachephantasie“ sei („a complete and exquisite fantasy revenge“).[8]
Schon früh zeigte der begabte James ein großes Interesse an Literatur. Er war als Kind und Jugendlicher ein leidenschaftlicher Leser, der sein Lesematerial in den öffentlichen Bibliotheken New Yorks fand. Zu den ersten literarischen Einflüssen auf ihn zählten Werke von Harriet Beecher-Stowe, Horatio Alger und Charles Dickens.
Kurz nach seiner Abkehr vom Christentum schloss James Baldwin 1942 mit Erfolg seine Schulausbildung an der De Witt Clinton High School, einer vornehmlich von Weißen besuchten Schule in der Bronx, ab. Dort hatte er sich zuvor durch die Herausgabe einer Schülerzeitung profiliert. Er verließ die Familie und lebte mehr schlecht als recht von verschiedenen Gelegenheitstätigkeiten, um sich dem Schreiben zu widmen.[9]
1943 starb sein Stiefvater und Baldwin sah sich in der Pflicht, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Seinen Entschluss, Schriftsteller zu werden, gab er jedoch nicht auf, er wurde vielmehr durch diese Arbeiten bestärkt. Einen Förderer fand er in dem 16 Jahre älteren Schriftsteller Richard Wright, den er 1944 erstmals traf. Durch Wrights Fürsprache erhielt Baldwin ein Eugene F. Saxton Fellowship für ein Romanprojekt, das allerdings scheiterte. Für ein weiteres Buchprojekt, das durch ein Stipendium der Rosenwald Fellowship gefördert wurde, fand sich ebenso wie zuvor kein Verleger.[10]
1946 veröffentlichte Baldwin seine erste Buchrezension in der Zeitung The Nation. In den folgenden Jahren wurde er als Essayist und Rezensent bekannt; er publizierte in namhaften Zeitschriften und Zeitungen. Sein erstes bedeutendes fiktionales Werk war die Kurzgeschichte „Sonny’s Blues“ aus dem Jahr 1948.
In Baldwins Verhältnis zu seinem erklärten geistigen Vater Richard Wright wiederholte sich anschließend der für Baldwin immer noch tief sitzende Konflikt mit seinem Stiefvater. Wenige Jahre nach dem Bruch mit der Store-Front-Church und der religiösen Welt seines Stiefvaters folgte der Bruch mit Wright, dessen aufklärerischem Impetus er die Befreiung aus den fanatisch-religiösen Zwängen seiner Kindheit verdankte. In einem seiner ersten Essays Everybody’s Protest Novel (1949) kritisiert Baldwin Wrights Roman Native Son und beschuldigt ihn des Puritanismus. Dieser erneute innere Konflikt mit seinem geistigen Ziehvater und Förderer Wright wurde in der Folgezeit zu einem der wesentlichen Antriebe in Baldwins weiterem schriftstellerischen Werk.[11]
Die anfängliche Erfolglosigkeit seiner ersten literarischen Projekte und das Gefühl der Unmöglichkeit, sich selbst und seinen Platz in einer Gesellschaft zu finden, die ihn unterdrückte oder ignorierte, drängten James Baldwin im November 1948 auf Wrights Spuren ins Exil nach Paris. Wie er später betonte, hatte er den Rassismus in New York nicht mehr ertragen können. Anders als Wright, der sich in den Kreisen der geistigen Elite Frankreichs um Sartre herum bewegte, lebte James Baldwin in Paris jedoch zunächst in einem völlig anderen Milieu in bitterster Armut unter Afro-Franzosen, Arbeitslosen und Obdachlosen. Einflüsse des französischen Existentialismus sind daher in seinem Werk nicht zu spüren.
Die folgenden vierzig Jahre seines Lebens verbrachte Baldwin überwiegend in seiner französischen Wahlheimat. Baldwin bezeichnete diesen Schritt als „Selbstexilierung“. In den USA sei es ihm nicht gestattet gewesen, sich in die Richtung zu entwickeln, in die er sich nur habe entwickeln können: „Alles, was mir meine Landsleute in jenen 24 Jahren, die ich im Lande zu leben versuchte, anzubieten hatten, war der Tod – ein Tod überdies nach ihrem Geschmack.“[12]
In Europa wurde Baldwin, der bis zu seinem Tode alle Versuche der schwarzen Amerikaner ablehnte, die ihnen verweigerte Identität aus ihren afrikanischen Wurzeln abzuleiten, deutlich, dass er als Autor sich einzig im Medium der westlichen Kultur und der englischen Sprache verwirklichen konnte. Nach einem Nervenzusammenbruch hielt er sich zwei Wochen lang als Stranger in the Village (dt.: „Fremder im Dorf“), wie es in seinem gleichnamigen Essay heißt, zur Genesung im Schweizer Kurort Leukerbad auf.[13][14]
Nach seiner Genesung gelang James Baldwin 1953 mit der Veröffentlichung seines Erstlingsromans Go tell it on the Mountain, in dem sich seine Kindheits- und Jugenderfahrungen in der heimatlichen Baptistenkirche spiegeln, der schriftstellerische Durchbruch. In Europa vollendete er auch seinen zweiten Roman Giovanni’s Room, der aufgrund seiner Thematik für großes Aufsehen und öffentliche Diskussionen sorgte.[15]
In diesem Roman, dessen weißer Protagonist gleichfalls nach Frankreich geht, um sich selbst zu finden, setzt sich Baldwin thematisch in der Gestaltung der Identitätssuche des Helden in einer homosexuellen Beziehung an zentraler Stelle literarisch auch mit der Frage seiner eigenen Homosexualität auseinander, die sich ebenso in seinem Essay über André Gide äußert und fortan in dem überwiegenden Teil seiner Werke eine gewichtige Rolle spielt.[16]
Die Freundschaft von Wright und Baldwin zerbrach, als der ehemalige Mentor, der inzwischen ebenfalls in Frankreich lebte, Baldwins erstes längeres Manuskript und seine in der Partisan Review veröffentlichten Essays „Everybody’s Protest Novel“ (1949) und „Many Thousand Gone“ (1951) kritisierte. Baldwin hatte seinerseits in den beiden Essays die künstlerische Qualität und sozial-politische Relevanz von „Protestromanen“ wie Beecher-Stowes Onkel Toms Hütte und vor allem Wrights Native Son in Frage gestellt.
Vier Jahre nach seiner Rückkehr in die USA als bereits anerkannter und gefeierter Autor grenzte sich Baldwin in den drei zu „Alas, Poor Richard“ zusammengefassten Essays 1961 in seinem zweiten Sammelband Nobody Knows My Name: More Notes of a Native Son in scharfer Form von seinem einstigen Mentor Wright ab und versuchte sich damit von den Maßstäben der vorangegangenen Generation afro-amerikanischer Schriftsteller zu befreien. In seiner schriftstellerischen Haltung nähert sich Baldwin damit der Position Ralph Ellisons an, der ebenso das Postulat, afro-amerikanische Literatur müsse zwangsläufig Protestliteratur sein, zurückwies.[17]
Nach dem Tode Wrights in Paris kam es in Baldwins späterem literarischen Werk allerdings zu einer verblüffenden Umkehr: Ohne der Nachahmung bezichtigt zu werden, konnte Baldwin nun das auch bei ihm vorhandene und dringend gesuchte neue Thema des Protestes zum Ausdruck bringen. In dem schnell zum Bestseller gewordenen Roman Another Country, der vermutlich nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen Sex-Szenen einen großen Leserkreis fand, gelingt es Baldwin Einschätzungen in der Literaturkritik zufolge allerdings nicht hinreichend, die künstlerische Distanz („artist“) mit dem Ausdruck des politischen Protestes („propagandist“) zu vereinbaren.[18]
Baldwin engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung und vor allem gegen den Rassismus. Seine Reden und Essays hatten großen Einfluss, allen voran seine Schrift The Fire Next Time, in der er, von persönlichen Erfahrungen ausgehend, die rassistische Struktur und die sexuelle Doppelmoral der US-amerikanischen Gesellschaft analysierte. Im Unterschied zu anderen afroamerikanischen Schriftstellern der 1950er- und 1960er-Jahre bewahrte Baldwin zumeist seinen Optimismus, dass sich die ethnischen Konflikte in den USA, wenn auch mit großer Kraftanstrengung, langfristig überwinden ließen.[19] Dilawar (2021) geht in einem Artikel im Jacobin der Frage nach, inwieweit sozialistische Überzeugungen zeit seines Lebens Baldwins politisches Handeln motiviert und bestimmt haben.[20]
Nach den tödlichen Anschlägen auf Malcolm X am 21. Februar 1965 und Martin Luther King am 4. April 1968 sah Baldwin sich erneut, wie 20 Jahre zuvor, in einer Situation, in der er Ruhe, Zeit und Abgeschiedenheit brauchte, um über die gewandelte Lage nachzudenken und seine literarische Tätigkeit fortzusetzen. Aus diesem Grunde begab er sich 1970 ein weiteres Mal ins Exil nach Südfrankreich. Dort besaß er ein umgebautes Bauernhaus in Saint-Paul-de-Vence.
Seinen eigenen Aussagen zufolge war ihm in Hollywood bei dem Versuch, ein Drehbuch für einen Film über Malcolm X zu schreiben, endgültig klar geworden, dass „der Dialog nicht mehr möglich und der amerikanische Traum ausgeträumt sei“. Seine neue Rolle, die er in Anspruch nehmen könne, begriff er nunmehr als die eines Zeitzeugen, der die Geschichte des Civil Rights Movement, wie er sie selbst miterlebt hat, nicht dokumentarisch („not a documentary“), sondern als „persönliches Buch und Zeugenaussage (oder: Zeugnis)“ („a personal book – a testimony“) darstellt.[21] Mit der Großstadt New York City, in der viele seiner Romane ihren Schauplatz haben, verband ihn eine ingrimmig ambivalente Beziehung, die man auch als Hassliebe bezeichnen kann.[22]
Das Spätwerk Baldwins spiegelt vor allem dessen Bemühungen, unter dem Eindruck einer „neuen schwarzen Ästhetik positive Selbstbilder“ zu entwerfen, in dem beispielsweise seine „ausschließlichen Deutungen der schwarzen Musiktradition, vor allem des Gospel und des Spiritual, als Ausdruck von Leid und Schmerz“ stehen.[23] In seinem letzten Roman Just Above My Head (1979; dt.: Zum Greifen nah, 1981) greift Baldwin in einer Beschreibung des Lebens eines berühmten Gospelsängers seine lebenslange Auseinandersetzung mit der afroamerikanischen Kirche und Musik wieder auf.
James Baldwin starb 1987 im Alter von 63 Jahren an Speiseröhrenkrebs und wurde am 8. Dezember 1987 auf dem Ferncliff Cemetery, Hartsdale, New York begraben.[24]
Nach Baldwins Tod brachte in der DDR der Verlag Volk und Welt seinen Roman Eine andere Welt in vier Auflagen heraus, eine davon 1988 in der Reihe Ex libris. In der BRD wurden die vorhandenen Übersetzungen seiner Werke weiterhin im Taschenformat vertrieben.
Im Zusammenhang der „Black Lives Matter“-Bewegung und Rassismus-Debatten wurde Baldwin in den 2010er Jahren weltweit breit rezipiert und erhielt neue Beachtung.[22] Die dtv Verlagsgesellschaft startete im Frühjahr 2018 die schrittweise Edition von James Baldwins Gesamtwerk in Neuübersetzungen durch Miriam Mandelkow. Als erster Band erschien am 28. Februar 2018 Von dieser Welt, die Neuübersetzung von Baldwins Debütroman Go Tell It on the Mountain.[25] Diese Neuausgabe wurde unter anderem im Literarischen Quartett (ZDF), im Literaturclub (SRF/3sat) und im überregionalen Feuilleton besprochen. Ihr gelang der Sprung auf die SWR-Bestenliste (März/Juli/August 2018)[26][27], die ORF-Bestenliste (April 2018)[28] und bis auf Platz 12 der Bestsellerliste des Magazins Der Spiegel.[29]
Im Dokumentarfilm I Am Not Your Negro von Raoul Peck aus dem Jahre 2017 ist Baldwins unvollendetes Manuskript Remember This House Grundlage einer filmischen Collage. Die Verfilmung von If Beale Street Could Talk von Regisseur Barry Jenkins[30] hatte im September 2018 beim Filmfestival von Toronto Weltpremiere und kam im Februar 2019 in Deutschland in die Kinos.[31] Regina King wurde 2019 für ihre Rolle in diesem Film mit dem Oscar als beste weibliche Nebendarstellerin ausgezeichnet.[32]
Eine dreibändige, annotierte Werkausgabe ist in der Library of America erschienen:
Für sein Werk wurde Baldwin mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet (Guggenheim-Stipendium, 1954;[37] National Institute of Arts and Letters Award in Literature, 1956 (Mitgliedschaft 1964);[38] Ford Foundation grant-in-aid, 1959; George Polk Award)[39]. 1986 wurde er zum Kommandeur der französischen Ehrenlegion ernannt. Seit 1964 war er Mitglied der American Academy of Arts and Letters.[40]
2024 wurde Baldwin von der Suchmaschine Google mit einem Doodle geehrt.[41]
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