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Institut der Georg-August-Universität Göttingen zur Konzeption und Durchführung von Forschungsvorhaben zur Geschichte Niedersachsens und zur vergleichenden Landesgeschichte Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Institut für Historische Landesforschung (IHLF) der Georg-August-Universität Göttingen ist eine 1958 gegründete Einrichtung zur Konzeption und Durchführung von Forschungsvorhaben zur Geschichte Niedersachsens und zur vergleichenden Landesgeschichte.
Die Leitung des Instituts ist seit 1959 mit dem Lehrstuhl für Niedersächsische Landesgeschichte verbunden. Institutsdirektoren waren Georg Schnath (1959–1967), Hans Patze (1969–1985) und Ernst Schubert (1985–2006). Seit 2008 ist Arnd Reitemeier Leiter des Instituts und zugleich Inhaber der Professur für Niedersächsische Landesgeschichte der Universität Göttingen. Ebenfalls am Institut tätig ist der Historiker Peter Aufgebauer.
Im 19. Jahrhundert bestand das heutige Gebiet Niedersachsens noch aus mehreren eigenständigen Territorien: dem Königreich Hannover, dem Großherzogtum Oldenburg, dem Herzogtum Braunschweig und dem Fürstentum Schaumburg-Lippe. Allerdings entstand in bürgerlichen Schichten, besonders im Raum Hannover, ein „Niedersachsenbewusstsein“ als Raumkonstrukt: Die entstehenden Heimatvereine und die dazugehörigen Zeitschriften trugen den Begriff „Niedersachsen“ bzw. „niedersächsisch“ im Namen, um den nordwestdeutschen Raum kulturell als "Heimat" mit einer gemeinsamen Tradition – vom „Sachsenstamm“ bis in die Neuzeit – zu definieren. Ende der 1920er-Jahre begann im Kontext der Diskussionen um eine Reichsreform und forciert durch die sich verbreitenden Heimatbewegungen eine fünfundzwanzigjährige Auseinandersetzung zwischen „Niedersachsen“ und „Westfalen“. Träger dieser Auseinandersetzung waren Verwaltungsbeamte und Politiker, wobei regional arbeitende Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen die Argumente geliefert hatten, z. B. Georg Schnath und Kurt Brüning. In den 1930er-Jahren hat ein reales Niedersachsen noch nicht existiert, jedoch eine Fülle von Institutionen, die sich „niedersächsisch“ genannt haben – wie z. B. der Historische Verein für Niedersachsen. Die Motive und Argumente bei den Auseinandersetzungen zwischen „Niedersachsen“ und „Westfalen“ waren auf beiden Seiten sehr ähnlich: ökonomische Interessen, politische Zielsetzungen, kulturelle Interessen und historische Aspekte.[1]
1946 entstand schließlich das Land Niedersachsen, jedoch bestand in vielen Landesteilen – bis auf den Raum Hannover – kein wirkliches „Niedersachsenbewusstsein“ in den breiten Schichten der Bevölkerung. Ebenso war das Land zum einen durch widerstrebende Landesteile wie Osnabrück und Vechta, die sich eher als „Westfalen“ sahen und zum anderen durch die Pläne zur Gründung eines größeren Nordweststaats bedroht.[2] Auf Initiative Georg Schnaths sollte daher ein Institut sowie ein Lehrstuhl für niedersächsische Landesgeschichte an der Universität Göttingen gegründet werden, mit der Aufgabe, die „historischen Traditionslinien“ der Geschichte Niedersachsens zur erforschen und für die Bewohner des neuen Landes eine „Heimat“ zu konstruieren. Der Heimatbegriff sollte dazu dienen, den Einwohnern der vorher eigenständigen Territorien mit eigenen Traditionen und besonders den Flüchtlingen aus den ehemaligen Ostgebieten Integrations- und Identifikationsmöglichkeiten zu bieten.[3] Das Institut sollte damit zum wissenschaftlichen Zentrum der Heimatbewegung werden. Die Göttinger Universität bot sich als Gründungsstandort an, da bereits seit den 20er und 30er Jahren namhafte Historiker wie Karl Brandi und Percy Ernst Schramm den Ausbau der Landesgeschichte forderten und einem eigenständigen Institut so den Weg ebneten.
Das zehnjährige Jubiläum des Landes Niedersachsen 1956 wurde von der Niedersächsischen Landesregierung zum Anlass genommen, die Gründung eines landesgeschichtlichen Institut zu verkünden. Dennoch dauerte es noch zwei weitere Jahre bis zur eigentlichen Gründung, da die Verhandlungen zwischen Land und Universität länger andauerten. Vonseiten der Universität Göttingen wurde eine Institutsgründung zur Verstärkung der Landesgeschichte begrüßt, bot es doch die Möglichkeit an der staatlich geförderten Landesforschung zu partizipieren.[4] Jedoch war das Niedersächsische Kultusministerium zuerst nicht bereit, einen eigenen Lehrstuhl für die Landesgeschichte einzurichten, was mit fehlenden Mitteln begründet wurde. Außerdem dachte man ledigliche an den Ausbau der Landesgeschichte und wollte andere Disziplinen (Volkstumskunde, Sprachforschung etc.) außen vor lassen. Die Philosophische Fakultät der Universität war durch die vorgegriffene Ankündigung verärgert und wollte wiederum die Lehrstühle für niedersächsische Sprache und Kirchengeschichte organisatorisch an das Institut binden. Außerdem sah Kurt Brüning, Göttinger Professor für Landeskunde und Geographie, sein eigenes „Institut für Landesplanung und Niedersächsische Landeskunde“ durch die Neugründung bedroht.
Nach einem Vorschlag der Historischen Kommission für Niedersachsen, deren Vorsitzender Georg Schnath war, sollte das Institut ähnlich dem Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande aufgebaut werden. Ziel war es, die vorhandenen landeskundlichen und -geschichtlichen Forschungen der verschiedenen Disziplinen in einem Institut zu bündeln. Durch den Dekan der Philosophischen Fakultät, Percy Ernst Schramm, wurde eine Fakultätskommission eingerichtet, die den Vorschlag der Historischen Kommission umsetzen und die Probleme mit dem Kultusministerium ausräumen wollte. Die Fakultätskommission legte die Projektfelder des neuen Instituts fest und konnte das Ministerium zur Einrichtung einer Professur für Landesgeschichte überzeugen. 1958 konnte das Institut nach langen Verhandlungen gegründet werden, nachdem sich mehrmals der damalige niedersächsische Ministerpräsident Heinrich Hellwege direkt einschalten musste, um ein Scheitern zu verhindern. Ein Jahr später besetzte Georg Schnath den neu eingerichteten Lehrstuhl für niedersächsische Landesgeschichte.[5]
Mit der Gründung des Instituts als universitäre Einrichtung rückte die ursprüngliche politische Zielsetzung – Stärkung des niedersächsischen "Landesbewusstseins" – in den Hintergrund. Das Institut entwickelte sich vielmehr zu einem, vor allem von Percy Ernst Schramm geforderten, interdisziplinären Forschungsinstitut für Landeskunde und -geschichte, wobei in den Anfangsjahren unter Georg Schnath die hannoversche Geschichte bevorzugt wurde. Erst mit der Übernahme des Instituts durch Hans Patze im Jahr 1970 erweiterte sich das Spektrum der Forschung auch auf braunschweigische, oldenburgische und ostfriesische Themen, also auf eine gesamtniedersächsische Landeskunde und -geschichte.[6]
Am Institut wird das Langzeitforschungsprojekt „Regionalkarte zur Geschichte und Landeskunde von Niedersachsen“ durchgeführt (1964 bis 2008 „Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte“), das von Erhard Kühlhorn (seit 1971), Gerhard Streich (seit 1985) und von Niels Petersen (seit 2015) betreut wird.
Ehemals mit dem Institut assoziiert waren das „Niedersächsische Ortsnamenbuch“[7] und das „Niedersächsische Wörterbuch“.
Zu den größeren Projekten gehörte das aus Mitteln des Landes Niedersachsen und der Klosterkammer Hannover geförderte „Niedersächsische Klosterbuch“, das in vier Bänden mit rund 2300 Druckseiten im Juni 2012 erschien; das Werk wurde von mehr als 100 Mitarbeitern verfasst und von Josef Dolle und Dennis Knochenhauer im Rahmen der „Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung“ herausgegeben. Es dokumentiert die Geschichte von mehr als 360 monastischen Einrichtungen, einschließlich der Beginenhäuser des Spätmittelalters und der katholischen Neugründungen im Zuge der Konfessionalisierung (Jesuiten, Ursulinen).
Zu den Graduiertenkollegs, an denen das Institut maßgeblich beteiligt war, gehört das Kolleg zur Hannoversch-Englischen Personalunion, deren Beginn sich 2014 zum 300. Mal jährte. Acht Doktoranden erforschten im Rahmen dieses Projektes auf der Basis von Promotionsstipendien folgende Aspekte: Die Hannoversche deutsche Kanzlei in London, der Britisch-Deutsche Wissenschaftstransfer am Beispiel der Universität Göttingen, A. F. Chr. Kollmann als musikalischer Vermittler zwischen Hannover und London, die Personalunion Hannover–London im Spiegel der diplomatischen Korrespondenz, die Universitäten Halle und Göttingen vor dem Hintergrund der Dynamik von Herrschaft im 18. Jahrhundert, britische Studenten an der Göttinger Universität als Akteure des kulturellen Transfers, religiöse Musik als verbindendes Kulturgut, Kunst im Kommunikations- und Handlungsraum der Personalunion. Ein interdisziplinäres Kolleg widmete sich von 2017 bis 2019 der Umweltgeschichte unter dem Titel "Nachhaltigkeit als Argument".[8]
Seit 2012 wurden vermehrt Vorhaben der digitalen Kartographie angestoßen. Hierzu gehören die Karte der historischen Klöster in Niedersachsen und Bremen[9] und die Karte der historischen Chausseen in Niedersachsen und Bremen[10]. Eine Online-Karte und Datenbank zum vormodernen Verkehr im Hanseraum entsteht am Institut in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums und internationalen Partnern unter dem Titel "viabundus. Map of premodern European transport and mobility"[11].
Das Institut verfügt über eine Spezialbibliothek von ca. 17.000 Bänden und ca. 200 laufenden Zeitschriften zur niedersächsischen Orts- und Landesgeschichte sowie zur vergleichenden Landesgeschichtsforschung.
Seit März 2012 ist die Bibliothek zusammen mit 13 anderen Instituts- und Seminarbibliotheken unter dem Schirm der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen vereinigt worden. Dazu entstand nahe dem Campus der Neubau des „Kulturwissenschaftlichen Zentrums“, in welches auch die verschiedenen Institute und Seminare eingezogen sind.[12]
Am Institut für Historische Landesforschung entstanden bisher zwei historische Atlanten, und bis 1985 wurden hier die „Blätter für deutsche Landesgeschichte“ betreut. Das „Handbuch der Geschichte Niedersachsens“ wird in Kooperation mit der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen erarbeitet.
Das Institut führte bis 2020 zwei Reihen, zum einen die Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung und zum anderen die Göttinger Forschungen zur Landesgeschichte. Seit 2020 wurde eine neue Reihe unter dem Titel Göttinger Schriften zur Landesgeschichte begonnen.
Die Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte wird seit 2008 in einer eigenständigen Reihe in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) herausgegeben.
Teil 1: Streich, Gerhard und Arnd Reitemeier (Hg.), Blätter Einbeck und Seesen. 1:50.000, 2 Faltkarten, CD-Rom, Erläuterungsheft, 2011 (LGLN) kart. in Tasche, 16,90 Euro, ISBN 978-3-941177-24-6.
Teil 2: Petersen, Niels, Gudrun Pischke und Gerhard Streich (Hg.), Blätter Hildesheim und Bad Salzdetfurth. 1:50.000, 2 Faltkarten, CD-Rom, Erläuterungsheft, 2014 (LGLN) kart. in Tasche, 16,90 Euro, ISBN 978-3-941177-25-3.
Teil 3: Petersen, Niels und Gudrun Pischke (Hg.), Blätter Goslar und Bad Lauterberg. 1:50.000, 2 Faltkarten, CD-Rom, Erläuterungsheft, 2015 (LGLN), Kart. in Tasche, 16,90 Euro, ISBN 978-3-941177-27-7.
Teil 4: Brage Bei der Wieden, Wolfgang Meibeyer, Niels Petersen (Hg.), Blätter Braunschweig und Salzgitter. 1:50.000, 2 Faltkarten, CD-Rom, Erläuterungsheft, 2016 (LGLN) Kart. in Tasche, 16,90 Euro, ISBN 978-3-941177-30-7
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